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Raphael/Erster Theil

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Raphael
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Zweiter Theil »
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I.
Heilsgebete


vom


vom Aufbruch aus der Heimath


bis zur


Heimkehr.


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1.
Ein Psalm Davids.
1. Der HErr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
2. Er weidet mich auf einer grünen Auen,
2. Und führet mich zum frischen Wasser.
3. Er erquicket meine Seele;
2. Er führet mich auf rechter Strasse
2. Um Seines Namens willen.
4. Und ob ich schon wanderte im finstern Thal,
2. Fürchte ich kein Unglück,
2. Denn Du bist bei mir;
2. Dein Stecken und Stab trösten mich.
5. Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde;
2. Du salbest mein Haupt mit Oele,
2. Und schenkest mir voll ein.
6. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen
2. Mein Leben lang,
2. Und werde bleiben im Hause des HErrn
2. Immerdar.




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2.
Beim Antritt der Reise.
O HErr, vor dem wir alle auf Erden Fremdlinge und Pilgrime sind, nun breche ich auf aus meinem Orte und meiner Heimath, und gehe wallen in ein fremdes Land. Du weißt, daß ich nicht aus Müßiggang reise, und nicht die eitle Ergetzung meiner Augen und Sinne suche, sondern einem heilsamen Zwecke nachgehe. So bitte ich Dich, sei nun bei und mit mir, gib mir Deinen Engel zum Geleit und Schutz, und Deinen Geist in mein Herz, der mich lehre in der Fremde einsam, aber gottselig zu leben. Sammle durch Deinen Geist meine Gedanken zu Dir ein, und erhalte sie allezeit in der Richtung und im Gebete zu Dir. Denn Du bist meine Heimath, und wenn ich bei Dir einkehre und Dich anrufe, Du allgegenwärtiger HErr und Freund meiner Seelen, so bin ich alle Wege daheim, ohne irdisches Heimweh, zufrieden und glücklich. HErr, schenke mir auf dieser meiner| Reise das verborgene Freudenleben des Umgangs mit Dir, den Frieden und die Seligkeit der Andacht, und laß, wohin ich gehe oder komme, Deinen Geist in mir unabläßig das „Abba, lieber Vater“, schreien. Erhöre mich, Du treuer Gott, und nimm mein Reisen zu Herzen, der Du bist hochgelobet von mir und allen den Deinen an allen Orten, in Zeit und Ewigkeit. Amen.




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3.
Abschied vom Hause.
Mein HErr und mein Gott, ich gesegne nun die Meinigen und mein Haus und trete meine Reise an. Noch vor einer ganz kleinen Zeit war ich daheim in dem Meinen und bei den Meinen. Nun aber liegt der Ort bereits hinter mir, wo ich gewohnt bin, mein Haupt niederzulegen, zu Tische zu sitzen, zu handeln und zu wandeln; es ist mir alles wie genommen, und ich bin wie herausgerißen aus der Gemeinschaft, in die Du mich gestellt hast. Weil ich denn also scheide, so bleibe Du statt meiner daheim, halte Deine Hand über allem, was ich zurück laße, und regiere mein Haus, der Du der eigentliche rechte Hausherr bei mir bist, ich aber bin nur Dein armer und unzulänglicher Haushalter und Knecht. Regiere auch alle die Meinen, welche ich sammt ihren Leibern und Seelen hiemit ganz in Deine Hände befehle. Dein heiliger Geist| lehre und unterweise sie in allen ihren Thaten, und enthalte sie vom Bösen; Dein heiliger Engel schütze und schirme sie vor allem Uebel. Bleibe bei mir daheim, gehe aber auch mit mir und geleite mich, o Du Allgegenwärtiger, der Du den Ort nicht zu wechseln brauchst, um mit mir zu gehen, die Meinen nicht verläßest, um mir beizustehen, der Du allgegenwärtig bist, Himmel und Erde erfüllest. Sei mir anstatt alles dessen, was ich verlaße: anstatt Weib und Kind und Freundschaft, anstatt Haus und Hof, und weil Du mehr und ein größerer Schatz bist als alles, was ich verlaße, so laß mich auch zufrieden und fröhlich sein mit Dir, und das Glück der Gottseligkeit begleite mich auf meiner Reise. Wenn Du also bei den Meinen bist und auch bei mir, so sind wir vereinigt in und bei Dir und am besten Ort alle beisammen, und ob uns dann auch das Herz wollte bluten und wehe thun um der leiblichen Scheidung willen; so sind wir dennoch getrost, weil wir eins sind in und mit Dir, freuen uns auch, daß die Zeit meiner Reise vorüber geht, und Du uns auch geben kannst, daß wir einander leiblich in der Heimath wieder finden, noch sicherer aber uns in der ewigen| Heimath in kurzer Zeit vor dir versammeln wirst ohne alle weitere Trennung. Und weil wir also, die Meinen und ich, jedenfalls eine Weile geschiedene Wege gehen, so sei mit uns beiderseits Dein Pilgersegen, welchen Du Aaron am Sinai für Dein Volk und ihre Reise durch die Wüste in den Mund gelegt hast: „Der HErr segne uns, und behüte uns! Der HErr erleuchte sein Angesicht über uns und sei uns gnädig! Der HErr erhebe sein Angesicht auf uns und gebe uns Frieden!“ Durch Jesum Christum. Amen.




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4.
Wider das Heimweh.
O HErr mein Gott, der Du mir auf Erden eine Heimath gegeben hast, welche mir Pfand und Vorbild der ewigen Vaterstadt sein soll: ich bitte Dich, bringe mein armes Herz zu einer geordneten und Dir gefälligen Liebe der Heimath hier und der ewigen Heimath in der Höhe. Die Liebe und Gewöhnung meiner irdischen Heimath ist in mir größer, als billig und recht ist vor Dir, denn ich denke und sehne immer nach heim und leide unter dem Heimweh wie ein Knäblein, das zum ersten Male den süßen Ort der väterlichen und mütterlichen Liebe verlaßen und in die ferne Stadt ziehen muß, der Schule wegen. Ich reise dahin über Berg und Thal und merke allenthalben Ruf und Einladung der Kreatur, Dich in Deinen Werken zu finden und zu preißen; aber meine Augen sind gehalten, und ich kann den Weg des Lobes und Dankes nicht betreten, weil ich im Kerker des traurigen Brütens| und Andenkens an das, was daheim ist, wie angeschmiedet bin. Ich kann mich auch nicht aufschwingen zu dir, nicht andächtig sein und beten, wie ich soll, weil ich immer nur Ein Gebet habe und Einen Wunsch, zu den Meinen zurückzukehren, unter denen ich doch, wenn ich bei ihnen verweile, auch nicht völlig daheim, nicht völlig zufrieden bin. O entwöhne mich doch durch die Kraft Deines heiligen Geistes von aller ungeordneten Liebe zu dem, was zeitlich und sichtbar ist, und lehre michs innerlich recht bedenken und faßen, daß das Wesen dieser Welt vergeht. Laß mich die irdische Heimath lieben, aber nicht also, daß ich sie nicht gerne und willig entbehren könnte und möchte: die unordentliche Liebe zu ihr und den stündlichen Hang nimm mir weg. An die Fremde laß mich meine Seele nicht hängen, so reizend und schön und feßelnd sie sein möge; aber auch nicht an die Heimath, in welcher ich nach Deinem Willen doch auch nur ein Pilgrim und Fremdling bin. Ich weiß, daß ich sterben und alles dahinten laßen muß, und daß mein Geist berufen ist, einsam aus dem Leibe und der Welt zu dem himmlischen Jerusalem zu wandern. So entbinde mich doch von meinen Banden der| Anhänglichkeit; lehre mich sterben ehe ich sterbe, und gib mir, daß ich aufhöre, die Kreaturen anders zu lieben, als es recht ist vor Dir und einer Seele geziemt, die auf Erden allezeit ist wie Israel in der Passanacht, nemlich davon eilend, ein anderes Vaterland suchend. Dein heiliger Geist mache mich durch sein Wort und durch die Speise aus der Heimath, dein Hochwürdiges Sakrament, zu einem recht entfeßelten und freien Fremdling und Pilgrim auf Erden, auch in der Heimath. Er mache mich aber auch bereits hier durch einen rechtschaffenen Glauben zu einem Insaßen und Bürger jener ewigen Stadt, zu welcher ich nach Ebr. 12. schon jetzt gehöre. Das Bewußtsein und die Zuversicht meines himmlischen ewigen Bürgerrechtes begleite mich nicht bloß wie ein schwacher Gedanke, und wie ein matter Schein des Mondes, durchs Leben, sondern es durchdringe und erfülle mich mit der Kraft einer göttlichen Offenbarung und regiere mein ganzes Leben. Die Freude an meinem ewigen Aufenthalt mache mich in dieser Welt allezeit sehnsuchtsvoll singen mit Deiner Braut, der heiligen Kirche: „O Ewigkeit, du schöne, mein Herz an Dich gewöhne, mein Heim ist nicht| in dieser Zeit.“ Die Lust an dem, was droben ist in der ewigen Heimath, verschlinge in mir, oder versüße doch alles Gefühl der Unvollkommenheit jedes irdischen Aufenthalts. Durch sie nüchtern geworden von aller Benebelung der Kreatur, himmlischen Sinnes und ewigen Geistes voll, laß mich Kraft und Macht finden, unbefriedigt von allem, doch auch alles wieder nach Würden zu schätzen und mich auf meiner Reise durch die Welt an allen Kreaturen zu freuen, vom Epheu und Ysop bis zur Eiche und bis zur Ceder. Nicht die Wollust am zeitlichen Wesen, sondern der Geist und das Verlangen der Ewigkeit treibe und führe mich; aber laß mich auch davon nicht, wie von einer auszehrenden Heimwehkrankheit ergriffen werden, sondern wie von einer Lebenskraft, ähnlich jener, durch welche der frische Jüngling zur Vollkommenheit des Mannesalters reift. Nicht leben, nicht sterben, sei es auch leben oder sterben in Dir, sondern das Sein in Dir werde meine höchste Freude. In diesem Sinne laß mich frieden- und freudenvoll singen: „Leben wir, so leben wir dem HErrn; sterben wir, so sterben wir dem HErrn; darum wir leben oder wir sterben, so sind wir des| HErrn.“ Weder das Hiesige, noch das Zukünftige sei mir höher und größer als Du selbst. Sei Du meiner Seele wahrhaftige und selige Heimath. „Wenn ich nur Dich habe, so laß mich nicht fragen nach Himmel und Erde“, weil ich in dir Himmel und Erde, ja mehr als Himmel und Erde besitze. Gottselig und tief befriedigt von Dir laß mich dahin gehen durchs unvollkommene Leben, bis mein Verlangen erfüllt wird und mein Durst nach der ewigen Heimath gestillt, bis der Leib dieses Todes dahinfällt und damit jede Schranke und jedes Hindernis vollkommener Freude. Es ersterbe in mir die unordentliche Lust an allen zeitlichen Dingen durch die Liebe zu Dir, auf daß ich in Dir alles hundert und tausendfältig wiedergewinne, die zeitliche und die ewige Heimath. Das verleihe mir, o HErr, der Du Deine Heimath Galiläa auch nach Deiner Auferstehung liebtest und suchtest, aber mit tausendfacher Freude sie und die Erde verließest und unter Jubelklang auffuhrest zu der ewigen Stadt. Amen.




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5.
Um Befreiung von Last und Druck des irdischen Berufes auf der Reise.
O Du barmherziger Gott und HErr, der Du nicht allein weißt, sondern auch zu rechter Zeit gibst alles, was Deine Kinder bedürfen, und darum nicht willst, daß wir um der irdischen Dinge willen unruhig seien und uns ihretwegen Gram und Sorge machen: ich bekenne Dir mit Reue und Leid, daß ich in meiner zeitlichen Arbeit und in meinem irdischen Berufe wie ein Sklave und wie ein Gefangener dahin gehe, mich schleppe, oftmals darunter keuche und seufze, daß meine arme Seele mit Banden der Sorge und übermäßiger Arbeit gefeßelt und aller Freuden baar ist. Ja, ich bin in meinem Berufe, wie in einem Kerker, aus dem ich keinen Ausgang finde: alle meine Gedanken und meine Kräfte sind darin wie gebannt, meine Seele klebt an ihrer Last, auch mein Leib leidet darunter. Darum habe ichs nun gewagt, habe mich aufgemacht und bin| weggegangen von dem Ort meiner Mühsal, ob ich etwa könnte aufseufzen, entwirrt, entlastet und entledigt, frei und fröhlich werden. Dein heiliger Geist sei mein Befreier, mein Erquicker, mein Freudenmeister, und wirke in mir durch sein theures Wort, das nicht von meinem Aug und Herzen kommen soll auf dieser ganzen Reise, Freiheit von allen Banden dieser Welt nach seinem heiligen Wohlgefallen. Es ist ja allerdings Dein Gebot und Wille, daß ich meinem irdischen Berufe und meiner Arbeit nachgehe; aber ich soll meine theuer erkaufte und erlöste Seele nicht in die Banden des Berufes schmieden laßen, als wäre ich ein Züchtling, und sie nicht erliegen laßen unter der Wucht meiner täglichen Last. Nicht Knecht, sondern in Deinem Namen Herr meines Berufes, soll ich also durch die zeitliche Arbeit gehen, daß ich Freiheit, Kraft, Macht und Lust behalte, ja auch die nöthige Zeit, mein ewiges Heil zu schaffen, und vor allem nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit zu streben. So hilf mir denn, o mein Helfer, und laß mir diese meine Reise und leibliche Entfernung von meinem Orte und meiner Werkstatt dazu dienen, daß ich zwischen übermäßiger Sorge und Vergeßenheit meines| Berufes die rechte Mitte einer freien Seele finde; stell meine Füße auf den mittleren Weg, und bringe mich dann nach wohl benützter Zeit meiner Reise, wenn es Dir wohl gefällt, mit erneutem Sinne, mit klarem und festem Geiste wieder zurück zu meiner Arbeit, daß ich fortan von ihr nicht mehr überwogen werde, sondern sie in neuer Weise vollbringe, sie in Geist und Kraft eines Gotteskindes und in der seligen Freiheit eines Menschen thue, der hier nicht daheim ist, sondern durch alles Irdische hin, zu dem ewigen Aufenthalt eilt. O mein HErr und mein Gott, hilf mir, der Du mir allein geben kannst, wonach Du mich sehnsüchtig gemacht hast, der Du kannst alleine das Vollbringen dessen wirken, was ich durch Deine Gnade von Grund meiner Seele will. Erhöre mich durch den Einzigen, der mich erlöset hat mit seinem theuren Blute, der ewig lebt, mit mir, und für mich betet. Amen.




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6.
Um Sammlung auf der Reise.
O HErr, die Menschen dieser Welt reisen in Haufen, um sich zu zerstreuen; wenn sie von ihrer Arbeit, von Sorge und Kummer niedergedrückt und niedergeschlagen sind, wollen sie durch Reiselust und den Genuß der Fremde sich wieder erfrischen und stärken, ihre Sinnen und Nerven stählen zur Fortsetzung des alten Tagewerkes. Sie suchen für die ungöttliche Gebundenheit ihrer Seele Erleichterung und Heilung in ungöttlicher, ungebundener Freude, im Labyrinthe des Reisens und Vagierens. Sie gehen bei allen Deinen Kreaturen, bei Bergen und Thälern, bei Flüßen und Seen betteln, naschen am Safte aller Deiner Werke, schlürfen aus allen Bechern verführerischer Vergnügungen. Wird ihnen das auch helfen, wenn sie wieder heimkehren? Werden sie nicht von den alten Banden wieder gefangen und gebunden, von den Lasten, die Du ihnen beschieden hast, wieder niedergedrückt werden? Vermag die Mannigfaltigkeit der Dinge, die vor ihren Sinnen vorüber| giengen, und der Genuß sündiger Freuden auf die Dauer Kraft und Nerven, geschweige die arme Seele zu stärken und zu stählen? Wird nicht die alte Last alle die dünnen Bande und Fäden, an denen sie anknüpften, um sich zu heben, bei der ersten Probe zerreißen und sie wieder niederschmettern an den Boden, an dem sie zuvor so müde und bedürftig gelegen sind. Wird nicht das Letzte nach der Reise ärger werden, als das Erste vor derselben? O mein Gott, ich bin auch ein Reisender und fahre dahin mit dem Schwarm, unter ihrem Geschwätz und Geschrei, unter ihrer rauschenden Lust, die eitler ist als der Dampf, der sie dahin reißt auf der Bahn; aber meine Seele hat ein Grauen an dem allen. Auch ich reise und suche Stärkung und Stählung für meine Leibes- und Seelenkraft; ich suche es auf der Reise, aber nicht in der Reise, nicht in der Flucht, obwohl ich meiner Tageslast entflohen bin, sondern in dem Ziele, zu dem ich unaufhaltsam fliehen möchte. Mitten unter dem Haufen der Reisegenoßen bin ich einsamer als einsam; ich würde diese Umgebung nicht ertragen können, wenn ich nicht in ihr dem stillen Orte näher gebracht würde, der mir die Pforten der süßen| Ruhe öffnen soll, in welcher ich, abgeschieden von aller Welt, Dich besuchen und Dein genießen kann, Du Brunnen aller Freuden. O führe mich durch diese Unruhe an den fernen und stillen Ort, den ich suche! Da laß mich Muße und Ruhe finden von dem gewohnten Treiben, und Dich finden, der Du allen Müheseligen und Beladenen alleine Erquickung schaffen kannst, den sie alle suchen sollten. Ja, schon auf dem Wege, noch mitten im Schwarm der breiten Bahn, auf der ich fahre, laß mich die Einsamkeit und Verlaßenheit, die ich allenthalben in weltlicher Gesellschaft fühle, anwenden und benützen, die Fühlhörner meiner Seele zu Dir auszustrecken und nach Deiner Nähe zu spüren. Ich will über Berge und durch Thale, über Seen und Flüße gehen und Dich suchen. Ich will bei keiner Kreatur suchen, was sie nicht hat; aber Deine Spur soll sie mir zeigen, und sie suchen helfen. Nichts soll mich zerstreuen, alles soll mir beistehen, mich zu sammeln. Und wenn ich an den Ort meiner Reise gekommen bin, an dem ich weilen werde, so gehe Du mit mir ein, wie mit den Jüngern von Emmaus, und bleibe bei mir. Ich habe kein Verlangen nach neuer Bekanntschaft; ich bin Dir zwar dankbar für eine oder| zwei Seelen, die Du mir geben kannst, auf daß wir zusammen Dich suchen; aber es soll mich auch nicht verdrießen, ganz allein zu sein, allein zu gehen, Dich allein zu suchen. Deine innigere Bekanntschaft will ich machen, mit Dir will ich mich betend fester verbinden, Dich will ich in Andacht fester ergreifen, Du sollst meine Freude sein, die Freude am HErrn soll meine Stärkung und Stärke, und Er soll der Hort meines Heils, meiner Heilung und Genesung sein. O nicht Zerstreuung, sondern Sammlung zu Dir soll mir helfen, daß ich meiner Tageslast neue Kraft und eine starke Schulter bieten kann. Komm, mein HErr, zu mir, auf daß ich reise mit Dir in eine verborgene Hütte: da lehre mich Dein Wort betrachten, da lehre mich beten und richte mich zu, wie Du mich haben willst im täglichen Leben. Hilf mir, daß ich meiner Last wieder gewachsen werde, der ich entlaufen bin. Gib mir, denn ich bitte auf dein Gebot; thue mir auf, denn ich klopfe an; laß Dich finden, denn ich suche Dich. „Mit Segen mich beschütte, mein Herz sei Deine Hütte, Dein Wort sei meine Speise, bis ich gen Himmel reise“. Amen.




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7.
Gegen Langeweile, böse Lust und melancholische Erstarrung auf der Reise.

Vor drei Dingen fürchte ich mich auf der Reise, mein Gott, Du unsichtbarer Begleiter, dem ich alle meine Nöthen klage:

Vor langer Weile,
Vor Hinsinken meiner Seele in melancholische Erstarrung,
Vor bösen Lüsten, wie sie beim Müßiggang der Seele leicht entstehen.
 Diejenigen, welche auf der Reise Zerstreuung in irdischen Dingen suchen und ihre Aufmerksamkeit auf den Strom der Mannigfaltigkeit richten, auf dem sie fahren, der sie umwogt, erfahren allerdings von langer Weile nichts. Wer aber viel Dings gesehen hat und von allem nicht satt geworden ist, – wem allenthalben nur Eitelkeit begegnet, – wem die fröhliche Macht nicht gegeben ist, aus jedem wiederkehrenden Dinge die| Besonderheit herauszusuchen, und sich von ihr unterhalten, lehren, strafen zu laßen, mit einem Worte, sie zu benützen; der fährt oft seinem Ziele zu, ohne des Weges zu achten, nichts spricht ihn mehr an, er eilt mit dem Gedanken mehr als mit dem Fahrzeug und dem Wege zum Ziel und Zweck, und es ist ihm, was zwischen Ausgangs- und Endpunkt der Reise liegt, oft eitel Aufenthalt und Seelenplage. Dann wird die Zeit so lang, die Gedanken lösen sich schwer aus dem Abgrund der Seele und man sinkt so gerne in ein dumpfes, regungsloses Brüten; wie eine lahme Gebundenheit umfaßt den müden und kranken Geist. Eine ganz andere Versuchung ist das, als die Reiselust, aber keine geringere, vielleicht eine beschwerlichere, und die meine und vieler meiner Brüder Seelen oftmals anficht. O wie hebt sich da der Flügel der Seele so schwer! Die Pferde und der Dampf schleppen den finsteren Träumer, von dem auch die Bezeichnung Träumer noch zu viel Bewegung aussagt, dahin wie einen schwerfälligen Stein, bis er endlich zu seinem Ziele gelangt, und dann erst allmählich wieder Regung bekommt.
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 Aus der langen Weile kommt diese melancholische| Erstarrung, dieser tiefe Müßiggang der Seele, dies Erlahmen und Aufhören des innern Seelenathmens. Der Müßiggang aber wird dann oftmals des Lasters Anfang. Der Satan erregt in der trägen Seele seine Bewegung, die Lust zum Bösen, irgend eine Sinnenlust, – und während die Tiefe im Innern regungslos schweigt, kräuselt sich vielleicht über die Oberfläche hin irgend eine lüderliche Regung – und die dumpfe Nacht des Herzens wird feucht, wie vom Nebel der sinnlichen Begier.

 Davor behüte mich auf meiner Reise, o lieber HErre Gott, durch die Wirkung Deines heiligen Geistes.

 Lehre mich die Mannigfaltigkeit der Dinge, die sich vor meinem Auge aufrollt, benützen wie ein Buch, aus dem ich lerne für mich und andere, aus dem ich Stoff und Feuer nehme für meine Andacht, meine Psalmen und Hymnen. Oder wenn ich eine solche Vollkommenheit nicht haben noch finden soll, weil ich für sie eines zu schweren und ungelenken Geistes bin; so verleihe mir, daß ich beim Reisen das Buch der Bücher lese, und meine Gedanken zu deinem Reiche und zur Betrachtung ewiger Dinge lenke. Setz Dich| dann neben mich als Reisegenoße, oder gehe mit mir wie mit den emmauntischen Jüngern: schließ mir die Schrift auf und gib auch mir das brennende Herz voll Licht und fröhlichen Lebens, welches alle bekommen, denen Du die Schrift öffnest. Dein Unterricht, Dein feuriger, entzünde meine Seele zur Liebe Deiner allerheiligsten Person, und zum Gebet für mich und alle Deine Brüder, daß ich meine Sehnsucht, Sorge und Begier vor Dir laut werden laße in seligen Gesprächen. Also vertreibe mir, o HErr, die Anfechtung der langen Weile und ihrer Töchter, der schwarzen Trägheit und der lüderlichen Lust am Eitlen. Laß meine Seele durch Dein Wort rein, geistlicher Freude voll werden, und gib mir Bewegung und Macht, meine inneren Flügel zu regen, meine Gedanken zu Dir zu heben, und vor Dir zu wandeln und zu reisen, wie Du mit mir gehst und reisest. Abwesend von allem, was mir begegnet, laß mich leben in Dir und ein verborgenes Leben führen, bis ich reifer werde, anwesend zu sein in der Mannigfaltigkeit der Dinge, die Du geschaffen hast, und aus allem Nahrung für mein Leben, für Lob und Preis zu nehmen.
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|  O mein HErr und mein Gott, so groß auf einer Reise die Qual einer trägen Seele ist, so groß ist die Freude und Wonne, in stillem, geistlichem Leben bei Deinem Worte zu verharren und bei Dir zu sein, sonst nirgends! HErr, jenes sündenvolle Unglück nimm mir, dies selige Glück schenke mir, durch Jesum Christum. Amen.




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8.
Um rechte Freude an der Creatur.
O HErr, ich weiß, daß viel tausend Menschen kein Auge haben für die Wunder Deines Reiches und des verborgenen Lebens in Dir, und daß sie überhaupt von diesem Leben so wenig gewahr werden, als einer an dem blauen Himmelsbogen die Himmelsherrlichkeit des ewigen Lebens sehen kann. Es ist allein Dein heiliger Geist, der Sinn und Auge für die verborgene Welt des geistlichen Lebens weckt. Ebenso weiß ich aber auch, daß die irdische Kreatur wie ein verschloßenes Buch ist demjenigen, welchem nicht Deines Geistes Hand das Auge öffnet. Und doch ist auch das Wesen dieser Welt, obschon es der Eitelkeit unterthan ist und vergehet, eine Offenbarung Deines unsichtbaren Wesens; Deine ewige Kraft und Gottheit wird aus und an demselben erkannt, wenn man nur die Kunst versteht, die heiligen Schriftzüge zu lesen, welche ihr Deine Hand ein- und ausgeprägt hat. Die ganze geschaffene| Welt ist wie die Gleichnisse im Evangelium: die Jünger erkennen aus ihnen die Geheimnisse des Himmelreichs, die andern haben Augen und sehen nicht und können nichts verstehen. Alles redet von Dir, o HErr, – alles ist Wiederschein eines geistlichen und ewigen Reiches. Ja, obgleich unsere Sünde auch die Kreatur durchdringt, ihren Glanz und Schein umnebelt und verhüllt; so weiset uns doch Dein eigener Mund auf die Lilien und den Weinstock, auf die Bäume und ihre Blüthen, auf die Vögel und viele andere Dinge, und die Kraft des Zeugnisses ist der Kreatur durch unsere Sünden mit nichten ganz und gar genommen. Unzählige Dinge schweben mir vor den Augen vorüber, – alles singt vor meinen Ohren Gottes Lob und Preiß; auch reise ich selbst durch alles hin und schaue und höre. Es spricht mich auch alles an, und alles faßt mich, aber mit einer heimlichen Macht. Ich sehe, aber wie in Zwielicht und lichtem Nebel, – ich höre, ich vernehme Harmonie, aber ich unterscheide die Töne nicht. So fühle ich mich berufen zum Verständnis, wie der Kämmerer, da er den Propheten Jesaias las, aber ich verstehe doch nicht. Ich ahne und verehre Deine| Nähe im Buche der Natur, aber wer lehrt mich lesen? O HErr Gott, heiliger Geist, schon zu spüren und zu merken, daß Gottes Werke reden, ist Deine Gnadengabe. Schon mein dunkles Fühlen lehrt mich anbeten. Aber, o HErr, mehre meine Gnade, schenke mir hellere Erkenntnis. Laß mich die Kunst erlernen, durch alle Kreaturen nicht zerstreut, sondern zu dir geführt und gesammelt zu werden. Nicht Misachtung, oder gar Verachtung, sondern Erkenntnis und dadurch Hochschätzung Deiner Gaben verleihe mir, mein Gott. Das Gras und das Blümlein auf dem Anger, und der goldene Wiederschein der Bergesgipfel, alles predige mir meinen Schöpfer, meinen Erlöser, meinen Tröster, und Deine heiligen Symbole, um mich her zerstreut, mögen mich anmahnen, zu dem deutlich redenden Worte der Bibel zu gehen, und aus ihr den Schlüßel zum Räthsel der Kreatur zu nehmen. O mein Gott und mein HErr, ich unwißender, stammelnder Bettler bitte um Verständnis Deiner, auch in ihrem Falle noch schönen Welt. Du hast Dich in jedem Lande, an jedem Orte geoffenbart, und wer nur ein Auge hat und forschen mag, merkt bald, daß kein Ort, keine Gegend von Dir vernachläßigt,| sondern eine jede mit Zeichen Deiner Gegenwart dermaßen ausgestattet ist, daß sich allenthalben Dein Lob entzünden, und die Welt Deiner Ehre voll werden kann. So laß mich also auch nicht bloß auf den hohen Alpen und in ihren Thalen, sondern überall Dich suchen und finden, überall Deine Kreaturen heiligen Dienst an meiner Seele thun. Wie Deine Psalmisten von Deinen Kreaturen singen, und Dein Geist, da er David Lieder lehrte, von Deinen Werken sang; so mache mich auch des Liedes und Psalmes voll von Deinen Werken. Laß die Sterne oben und das Gras unten und alles, was dazwischen liegt, vor meinen Ohren Deine Herrlichkeit singen, – mich aber laß lebend und sterbend noch singen, wie heilig und hehr Du bist, Gott Zebaoth, auch in dem allen, was vergeht, was dem verzehrenden Feuer verfallen wird an jenem schrecklichen Tage. O HErr, über mein Bitten und Verstehen wirke in mir Erkenntnis der Kreatur zu Deinem Preiße. Laß mich an den vergänglichen Formen Deiner sichtbaren Welt emporsteigen zu dem, was unsichtbar, geistlich und ewig ist, und zu Dir selbst, mein höchstes Gut. Erhöre mich durch Den, dessen Tod alles| erlöst hat, dessen Geist alles heiligen kann, durch JEsum Christum. Amen.




Zwei Psalmen von der Herrlichkeit Gottes in der Natur.
Ps. 19.
01. Ein Psalm Davids, vorzusingen.
02. Die Himmel erzählen die Ehre Gottes,
 Und die Feste verkündiget seiner Hände Werk.
03. Ein Tag sagts dem andern,
 Und eine Nacht thuts kund der andern.
04. Es ist keine Sprache noch Rede,
 Da man nicht ihre Stimme höre.
05. Ihre Schnur gehet aus in alle Lande,
 Und ihre Rede an der Welt Ende;
 Er hat der Sonnen eine Hütten in denselben gemacht.
06. Und dieselbe gehet heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer;|
 Und freuet sich wie ein Held zu laufen den Weg.
07. Sie gehet auf an einem Ende des Himmels,
07. Und läuft um bis wieder an dasselbe Ende,
 Und bleibt nichts vor ihrer Hitze verborgen.
08. Das Gesetz des HErrn ist ohn Wandel,
07. Und erquickt die Seele.
 Das Zeugnis des HErrn ist gewiß,
 Und macht die Albernen weise.
09. Die Befehle des HErrn sind richtig,
07. Und erfreuen das Herz.
 Die Gebote des HErrn sind lauter,
 Und erleuchten die Augen.
10. Die Furcht des HErrn ist rein,
07. Und bleibt ewiglich,
 Die Rechte des HErrn sind wahrhaftig,
 Allesamt gerecht.
11. Sie sind köstlicher denn Gold und viel feines Goldes,
 Sie sind süßer denn Honig und Honigseim.
12. Auch wird Dein Knecht durch sie erinnert,
 Und wer sie hält, der hat großen Lohn.|
13. Wer kann merken, wie oft er fehlet?
 Verzeihe mir die verborgenen Fehle.
14. Bewahre auch Deinen Knecht vor den Stolzen,
14. Daß sie nicht über mich herrschen,
 So werde ich ohn Wandel sein,
 Und unschuldig bleiben großer Missethat.
15. Laß Dir wohlgefallen die Rede meines Mundes,
14. Und das Gespräch meines Herzens vor Dir,
 HErr, mein Hort und mein Erlöser.




Ps. 104.
01. Lobe den HErrn, meine Seele.
 HErr, mein Gott, du bist sehr herrlich;
 Du bist schön und prächtig geschmückt.
02. Licht ist dein Kleid, das du anhast;
 Du breitest aus den Himmel wie einen Teppich.
03. Du wölbest es oben mit Waßer;
 Du fährst auf den Wolken wie auf einem Wagen,
 Und gehest auf den Fittichen des Windes;|
04. Der Du machest Deine Engel zu Winden,
 Und Deine Diener zu Feuerflammen;
05. Der Du das Erdreich gründest auf seinen Boden,
 Daß es bleibt immer und ewiglich;
06. Mit der Tiefe deckest Du es wie mit einem Kleid;
 Und Waßer stehen über den Bergen.
07. Aber von Deinem Schelten fliehen sie,
 Von Deinem Donner fahren sie dahin.
08. Die Berge gehen hoch hervor, und die Breiten setzen sich herunter –
 Zum Ort, den Du ihnen gegründet hast.
09. Du hast eine Grenze gesetzt, darüber kommen sie nicht,
 Und müssen nicht wiederum das Erdreich bedecken.
10. Du läßest Brunnen quellen in den Gründen,
 Daß die Waßer zwischen den Bergen hinfließen;
11. Daß alle Thiere auf dem Felde trinken,
 Und das Wild seinen Durst lösche.
12. An denselben sitzen die Vögel des Himmels,
 Und singen unter den Zweigen.|
13. Du feuchtest die Berge von oben her;
 Du machest das Land voll Früchte, die Du schaffest.
14. Du läßest Gras wachsen für das Vieh
14. Und Saat zu Nutz den Menschen,
 Daß du Brot aus der Erden bringest;
15. Und daß der Wein erfreue des Menschen Herz,
14. Und seine Gestalt schön werde von Oele,
 Und das Brot des Menschen Herz stärke;
16. Daß die Bäume des HErrn voll Safts stehen,
 Die Cedern Libanon, die er gepflanzt hat.
17. Daselbst nisten die Vögel,
 Und die Reiger wohnen auf den Tannen.
18. Die hohen Berge sind der Gemsen Zuflucht,
 Und die Steinklüfte der Kaninchen.
19. Du machest den Mond, das Jahr darnach zu theilen;
 Die Sonne weiß ihren Niedergang.
20. Du machst Finsternis, daß Nacht wird;
 Da regen sich alle wilden Thiere,
21. Die jungen Löwen, die da brüllen nach dem Raub,
 Und ihre Speise suchen von Gott.|
22. Wenn aber die Sonne aufgehet, heben sie sich davon,
 Und legen sich in ihre Löcher.
23. So gehet dann der Mensch aus an seine Arbeit,
 Und an sein Ackerwerk bis an den Abend.
24. HErr, wie sind deine Werk so groß und viel!
24. Du hast sie alle weislich geordnet,
 Und die Erde ist voll Deiner Güter.
25. Das Meer, das so groß und weit ist –
 Da wimmelts ohn Zahl,
 Beide groß und kleine Thiere.
26. Daselbst gehen die Schiffe;
 Da sind Wallfische,
 Die Du gemacht hast, daß sie drinnen scherzen.
27. Es wartet alles auf Dich,
 Daß Du ihnen Speise gebest zu seiner Zeit.
28. Wenn Du ihnen gibst, so sammeln sie;
 Wenn Du Deine Hand aufthuest, so werden sie mit Gut gesättiget.
29. Verbirgest Du Dein Angesicht, so erschrecken sie;|
 Du nimmst weg ihren Odem, so vergehen sie,
 Und werden wieder zu Staub.
30. Du läßest aus Deinen Odem, so werden sie geschaffen,
 Und verneuest die Gestalt der Erden.
31. Die Ehre des HErrn ist ewig,
 Der HErr hat Wohlgefallen an seinen Werken.
32. Er schauet die Erde an, so bebet sie;
 Er rühret die Berge an, so rauchen sie.
33. Ich will dem HErrn singen mein Leben lang,
 Und meinen Gott loben, so lange ich bin.
34. Meine Rede müsse ihm wohlgefallen;
 Ich freue mich des HErrn.
35. Der Sünder müsse ein Ende werden auf Erden,
35. Und die Gottlosen nicht mehr sein.
 Lobe den HErrn, meine Seele.
 Hallelujah.




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9.
Um Segen zur Cur.
(Für Badereisende.)
O Herr, ich habe meinen kranken Leib aus meiner Heimath bis hieher an diesen Ort gebracht, ob es Dir etwa gefiele, mir durch den Gebrauch der Waßer, welche du hier aus der Erde sprudeln läßest, Heilung oder doch Erleichterung der Noth zu geben. Ich weiß, daß Gesundheit nicht das größte Erdengut ist, und habe sie als ein solches auch niemals von Dir zu erflehen gewagt, das weißest Du. Wohl aber weiß ich, daß ein kranker Leib und ein immer schwankendes Befinden in diesem ungewißen Leben eine gute und vollkommene Gabe Deiner Hand sein kann, wie ich das auch oft und viel an mir und anderen erfahren habe. Wer alle Tage das Anklopfen Deiner Hand hört und fühlt, und immer neue Warnung empfängt, dem ungewißen Leben zu| trauen, der trägt seine Seele in Händen und sorgt für sein ewiges Bleiben an dem Ort, wo unter dem Stuhl des Lammes der Strom des ewigen Lebens und in ihm ein Waßer entquillt, das alle Krankheit heilt.
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 Aber weil ja doch der doppelte Beruf des Leidens und der Thätigkeit sehr schwer ist, und uns armen Menschenkindern oftmals vorkommt, als könnten wir ohne Satansengel und Pfahl im Fleisch die Aufgabe unseres zeitlichen Lebens und Berufes völliger lösen, – und weil wir doch auch nicht wißen, ob wir nicht durch eines der von Dir geschaffenen Mittel unserer Last oder eines Theils derselben entledigt werden dürfen; so versuchen wir unser zeitliches Heil nach dem Rathe menschlicher Aerzte wenigstens in so lange, bis wir die gewiße Ueberzeugung empfangen, wir sollen unseres Berufes ohne Genesung und ohne Erleichterung warten und Frucht bringen, wie die Palme, unter der Last, in Geduld. So bin denn auch ich zu diesen Waßern gekommen, ob Du mir sie wolltest segnen durch Bad und Becher. Ich hoffe nicht von Mitteln, sondern allein von Dir und auf Dich, das weißest Du. Meine Seele hanget Dir an, Deine rechte Hand erhält, Dein Stecken| und Stab trösten mich, Dein Wort macht Leib und Seel gesund. Meine Hilfe steht bei Dem, der Himmel und Erde gemacht hat; ich kenne die Berge, von denen mir Seine Hilfe kommt, und hebe meine Augen zu ihnen auf. HErr, sende mir Hilfe vom Heiligthum und stärke mich aus Zion. Willst Du mir das Bad segnen, so sei Dein Name gelobet, – wenn aber nicht, so hilf mir, wann und wie Du willst. Laß mich nur an Dir und Deiner heiligen Führung nicht irre werden, sondern laß mich die Wahrheit fest erfaßen, daß Du nicht allein meine Weisheit, Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung, sondern auch meine Genesung seiest, und meine Gesundheit, o Du, der Du alle unsere Krankheit auf Dich nahmest, und alle unsere Leiden trugest. An Deine heilige Vorsehung und an die Regierung des Erlösers meiner Seele glaube ich, und ergebe mich ihr ganz und gar. Ich gehe zum Bade an Deiner Hand. Ich gehe vom Bade an Deiner Hand. Wie Du mich führest, will ich gehen. Sollte ich aber hieher eine Irrfahrt gemacht haben, so verzeihe mir meine Schuld und segne mich mit dem Frieden Deiner Vergebung, und wende mir zum Besten, was ich verkehrt begonnen habe. Ein| Mann schlägt seinen Weg an, aber allein der HErr ist es, der das Gedeihen gibt. Er führe mich auf ebener Bahn um seiner Liebe willen und schenke mir nach aller meiner Irrfahrt endlich die Einkehr bei Ihm und zum Frieden des ewigen Vaterhauses. Amen.




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10.
Um Bescheidenheit im Reden.
O Du Gott der Wahrheit, der Du in Deinem heiligen Worte von Dir und allen Deinen Werken also redest, daß man sagen könnte, Du redest von dem Unermeßlichen und seinen großen Werken mäßiglich, – ja daß man versucht wäre zu sagen, Du seiest nicht bloß ein wahrhaftiger, sondern auch ein bescheidener Gott, wenn man das von Dir sagen dürfte, der Du, um wahr von Dir zu reden, immerhin Worte brauchen mußtest, welche einfältig, wie sie sind und lauten, dennoch tiefer sind weder kein Meer und weit über unsere Faßungsgabe hinausgreifen! Wie gar sind wir das Gegentheil von Dir geworden, wir, die wir doch Beruf haben, auch in Wort und Wahrheit Deine Bilder auf Erden zu sein! Schon wenn wir daheim in unserer Stille sind, denken und| reden wir von uns nicht mäßiglich. Gehen wir aber unter Menschen oder auf Reisen, wie plagt uns dann erst die Versuchung zur Eitelkeit und Prahlerei! So wie viele auf die Reise beßere Kleider anziehen und damit den Schein annehmen, als wären sie wohlhabender und reicher als sie sind; so nehmen wir auch auf der Reise gerne eine andere Haltung, einen anderen Gang, im ganzen Leben eine andere Art, auch eine andere Sprache an, um bei den Reisegenoßen die möglich beste Meinung von uns zu erwecken. Besonders aber, wenn wir veranlaßt werden, von unserer Heimath, unsrer Stellung dortselbst, unseren Besitze, von unsern Verwandten und Freunden zu reden: da geht oft der Mund über, wir schreiten über alles Maß und beladen unser Herz und Gewißen mit Staub, Heu und Spreu eines lügnerischen, heuchlerischen und prahlerischen Wesens. Oder umgekehrt, um dem Vorwurf der Eitelkeit zu entgehen, werden wir allzu stille, oder verkleinern, was uns der HErr, unser Gott, in diesem Leben gegeben hat. Während wir die Wahrheit verleugnen, tröstet sich unser Herz mit dem trügerischen Wahne, demüthig gewesen zu sein. So sind wir dann hochmüthig auf erwiesene| Demuth, wenn es nemlich wahr wäre, daß wir Demuth erwiesen haben. Als ob die Demuth wider die Wahrheit stände! Als ob die Bescheidenheit löge und sich mit kleineren Maßen meßen dürfte als recht ist! – Wie manchmal habe auch ich mein Herz auf die eine oder die andere Weise betrogen! Diese häßliche Schuld der aufgeblasenen oder verschloßenen Eitelkeit wollest Du mir gnädiglich vergeben um des vollkommenen Mannes willen, der auch in keinem Worte fehlte. Wollest mir auch Seinen Geist der Wahrheit verleihen, daß ich mein Maß erkenne, mich desselben bescheide, gerecht und mäßiglich denke und dann auch rede. Ich bitte dich nicht um die Kraft, mein stolzes Herz zu bezwingen, daß ich nicht hoffärtig und eitel mich benehme oder rede; sondern ich bitte Dich um Aenderung meiner Seele, daß ich keine Freude an eitler Lüge habe, mühelos und gerne die Wahrheit sage, und mit Freuden darnach ringe, immer und überall so zu sein und zu reden, wie es meinem Maße entspricht. Befreie mich von der Thorheit, mich in der Nähe anderer wegen geringen Standes oder Kleides oder anderer dergleichen Dinge gedrückt zu fühlen oder zu schämen,| und gib mir die Einfalt, welche das auch den Geringen und Niedrigen von Dir verliehene Recht, unter anderen zu leben, im Frieden gebraucht, weder linkisch, noch übermüthig und roh, sondern so bescheiden, mäßig und frei, ihrem Stande gemäß sich allenthalben bewegt, daß sie von beßeren Menschen aller Stände gerne in ihrer Mitte gesehen und gelitten wird, und sich das Leben nicht deshalb vergällen läßt, daß sie unter anderen sein muß, so wie sie ist. O HErr, mein Heiland, der Du ein Zimmermann warest, eines Zimmermannes Sohn, wie jedermann glaubte, aber von Jugend auf überall, in Jerusalem unter den Lehrern im Tempel, bei Hohen und Niedrigen unbeschwert, in deinem einzig schönen Maße Dich bewegtest und wandeltest, mache mich zu Deinem Bilde, zu einem bescheidenen Jünger, dem aber dennoch das königliche Recht, nach dem eigenen Maße unter anderen freudig zu leben und Deine Gnade zu rühmen, beiwohne, und der ohne Engigkeit und Bangen auch in der Nähe und Umgebung der verschiedensten Menschen den Weg des Lebens gehe. Ja, dieselbe christlich edle Bildung verleihe mir, mein Gott, von innen heraus nach außen, die edle Vollendung, wenn ich es| so nennen darf, vor dir bescheidentlich, ganz meinem Maße, meinem Stande und Berufe angemeßen zu leben und zu reisen, und weder rechts noch links die Bahn zu verlaßen, die mir geziemt. O HErr, erhöre mich um JEsu Christi willen.
Amen.




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11.
Um Freudigkeit des Bekenntnisses.
O HErr, Du wahrhaftiger Gott der Wahrheit, die Welt ist ein Reich des Teufels und der Lüge, und da in allen Landen gegenwärtig auch Deine Kirche und viele ihrer Glieder eine Beute der Welt geworden, und der Same des Feindes allenthalben auch in ihr an Zahl und Kraft übermächtig geworden ist; so kann auch nirgends eine Wahrheit ohne Zorn und Widerspruch des bösen Samens bekannt und behauptet werden. Darum können auch die wahren Kinder Deiner Kirche nirgends dem Geschick entfliehen, im Gegensatz und in der Feindschaft der Welt zu leben um der Wahrheit willen. Gegensatz aber und Feindschaft thun weh, nicht bloß, weil sich dadurch die Gesellschaft theilt und scheidet, sondern weil immer ein Theil an den andern den Anspruch macht, sich zu ihm zu bekehren, und alsbald Haß und Verfolgung| des bösen Samens entbrennt, wenn ihm sein Wille und Begehren nicht durchgeht. Wir aber sind schwach und unrein, auch sehr wehleidig, und ergeben uns ungern darein, Glieder einer streitenden Kirche zu sein, und bis an unser Ende zu bleiben. Darum schonen und sparen wir die Wahrheit, und suchen durch Schweigen über die Nothwendigkeit des Kampfes hinweg zu kommen. Das Schweigen aber, mag es auch in manchem Fall, auch vor Deinem Angesichte das Klügste und Beste sein, nimmt doch so oft nicht allein der Wahrheit die Ehre, sondern auch den Kindern der Welt das eine ihnen geschenkte Mittel, gerettet und selig zu werden, nemlich eben Dein Wort und Deine Wahrheit. So sündigen wir dann oft wider Deine Ehre, wider das Heil der Welt, und eben damit auch gegen unser eigenes Heil, wir sündigen unverantwortlich vor Dir. Das geschieht daheim in unsern gewöhnlichen Verhältnissen, noch mehr aber, wenn wir in der Fremde sind, auf Reisen. Da lädt die Unkenntnis der Personen und der Verhältnisse zum Schweigen und Verleugnen ein, und wie wir über uns selbst die Wahrheit nicht sagen, sondern entweder schweigen, oder prahlen und vornehm thun, und| uns auf die eine oder die andere Weise das Ansehen geben, als wären wir etwas, da wir doch nichts sind; so reden wir auch von Dir, Deinem Worte, Deinem Sacramente, Deiner Kirche, Deinem Reiche nicht, wie es sich vor Dir geziemt. Oft schweigen wir, selbst wenn Dein Wort angegriffen und Dein Name gelästert wird, statt nach dem rechten Wort und Maß zu suchen, Dich vor der Welt zu ehren, die elenden Sünder und Lästerer aber zur Buße zu rufen. Ja, es kann kommen, daß wir sofort den Lohn unsers Schweigens bekommen, indem wir Aergernis nehmen, selbst leichtsinnig werden, den Abscheu vor der frechen Lüge verlieren, ihren schrecklichen Einfluß nicht mehr erkennen, stumpf, blind, taub und fühllos gegen das Geschwätz der Welt und, o Jammer! auch gegen Dein eigenes heiliges Wort werden. Da wir nun solches wißen und vor Deinem Ohre bekennen, so haben wir desto größere Verantwortung, und Dein Auge droht uns desto mehr. Darum rufen und schreien wir nun zu Dir um Hilfe, wider uns selbst und die drohende Gefahr. O HErr, nahe uns auf unsern Wegen mit Deinem heiligen Worte, laß es nicht von unsern Augen und aus unserm Sinne kommen,| und wenn wir uns mit demselbigen beschäftigen, so laß es in uns Erkenntnis, Liebe und Gefühl seiner Wahrheit wirken, auf daß wir rücksichtlich des Bekenntnisses ein zartes Gewißen, und zu demselben Muth und Trieb bekommen. Dein Geist erhalte uns auch wach in der Erkenntnis dessen was Lüge ist, und gebe uns ein spähendes Auge, ein leises Ohr, ein feines Gefühl, es allezeit und überall zu merken, wenn uns des Feindes Macht und Lüge annaht. Da empöre sich dann unser Geist, und es werde unserem Geiste gegeben unseres Vaters Geist, daß wir wißen, was und wie wir reden sollen, zu Ehren Dir, zu Heil dem Nächsten, daß wir nicht zagen, nicht schweigen, aber auch nicht der Wahrheit die Kraft durch Leidenschaft und dadurch nehmen, daß wir das gute Werk des Bekenntnisses in fleischlicher Weise vollbringen. Muthig, unbeschwert, freudig, sanftmüthig, nachdrücklich laß uns die gute Ritterschaft üben und die göttliche Wahrheit priesterlich unter dem unschlachtigen Geschlechte dieser Welt bekennen. Und wenn Du uns gibst, solches zu können, so laß es auch gelingen, daß wir die Befestigungen zerstören und jede Höhe, welche sich wider die Wahrheit und Gerechtigkeit| erhebt. Ob wir aber auch dies süße Gelingen nicht erreichen dürften, sondern berufen würden, zu leiden um der Gerechtigkeit willen, und Schmach zu tragen, so laß uns mit Deinen heiligen Aposteln die hohe Ehre der Nachfolge Christi auf seinem Leidenswege faßen, unter dem Kreuze unverdroßen und fröhlich stehen und aufsehen auf Den, der ein solches Widersprechen von den Sündern erduldete, der Schande nicht achtete, nicht wieder schalt, da er gescholten wurde, nicht drohte, da er litte, sondern Dir, Du gerechter Vater, alles anheimstellte, ja für seine Widersprecher und Mörder betete. O HErr, laß uns in der Fremde der Welt Stephano, dem Erzmärtyrer, nachfolgen im Bekenntnis, in der Freudigkeit und Seligkeit des Bekenntnisses, und, so weit Du es uns zumißest, auch im Leiden um des Bekenntnisses willen. O HErr, Du wahrhaftiger Gott der Wahrheit, schenke uns doch die hohe Gnade, allzeit treu Deinem Worte und Deiner Wahrheit durch die Welt zu gehen, die Seele zu erretten, Deine Fahne ohne Wanken zu tragen, und also andern, wenn es Dir vielleicht wohlgefällt, Vorgänger zu werden zu Dir und dem seligen Reiche der Wahrheit und des Lichtes. O HErr, so wir| etwas bitten nach Deinem Willen, erhörest Du uns. So erhöre uns denn, da wir nach Deinem Willen um Treue im Bekenntnis beten, und laß uns fröhlich und getrost sein im Bekenntnis Deiner Wahrheit bis ans Ende. Amen.




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12.
Um geistlichen Anschluß.
O HErr, mein Gott und mein Führer, ich weiß, daß in der Fremde wie daheim die Kirche nicht bloß mit Kindern der Welt vermengt, sondern fast gar zur Welt geworden ist, so daß man versucht sein könnte zu sagen, der Acker ist ein Saat- und Erntefeld des Geistes dieser Welt, in welches Deine gute Hand eine spärliche Saat Deiner Kinder verstreut hat. Ja, wahrlich es ist, wie die Theologen so gerne lehren, es ist Deine Kirche verborgen in dem gottlosen Haufen dieser Welt. Wie können nun Deine Kinder in dieser Welt heimisch werden, sie seien daheim oder sie wallen? Sonderlich aber fühlen wir die Fremde doppelt und dreifach, wenn wir wallen und reisen. Die Leute dieser Welt laßen es an Zeichen und Zeugnis nicht fehlen, welches Geistes Kinder sie seien. Und damit fehlt dann auch Deinen armen Pilgern Beweis und Ueberzeugung nicht, daß sie| allein und einsam dahin gehen. Wenn man reiset und Christen findet, Glieder Deines Leibes, HErr Jesu: was für eine selige Entdeckung pflegt das zu sein! Wenn man sich Eines Geistes und Eines Glaubens, Eines Weges und Zieles erkennt und fühlt, o dann wird die Reise lieblich und schön, und die Freude der Gemeinschaft pflegt uns erquickender zu sein, wenn sie uns in der Fremde begegnet, als daheim. Keine leibliche Verwandtschaft erfreut das Herz so sehr, als wenn sich unvermuthet geistliche Verwandtschaft findet. O da erkennt und fühlt man erst, was Du, o HErr, den Gliedern Deines Leibes in der Vereinigung mit Dir für einen reichen Freudenquell geschenkt hast: die Regung desselben Geistes, der vom Haupte ausgeht, der Zusammenhang und Drang der einander entgegenwallenden Herzen ist nicht allein heilig, sondern auch süßer als jede Freude dieser Welt; ja weil er heilig ist, gewährt er der Süßigkeit und Freude die Gewißheit eines gesunden Lebens und Deines eigenen Wohlgefallens. O HErr, Du treuer Hirte und Führer auf meiner Reise, wenn es Dir wohlgefällt, wenn Du mich nicht etwa durch Entbehrung hungriger machen und zu desto größerer| Schätzung des seligen Gutes geistlicher Gemeinschaft bringen willst; so führe mich zu Brüdern, mit denen ich meine Kniee vor Dir beugen, zu Deinem Abendmahle gehen, Deines Reiches Gründung und Mehrung schaffen, in Liebe und seligem Umgang leben kann. Ach öffne mir Gotteshäuser, in denen ich knieen und niederfallen und anbeten kann und darf vor Dir. Du HErr aller Lande, und Erlöser aller Welt, führe mich zu Deinen Altären, wo Du die Deinen speisest, und laß mich mit Deinen Hausgenoßen Deine Himmelsspeise und Deinen Himmelstrank genießen! O laß mich Gottes Wort finden und hören und den Trost der ewigen Heimath auch in der Fremde erfahren. Es ist ein wunderlich Ding, daß wir genügsam werden, wenn wir reisen. Da hungert uns nicht nach besonderen Gaben der Prediger, da wird uns schon himmlisch wohl, wenn wir nur denselben allerheiligsten Glauben finden, – das schmuckloseste Zeugnis erfreut uns oft in der Fremde mehr, als das reichste und herrlichste in der Heimath; ja wir kommen über Unterschiede des Verständnisses und der Auffaßung hinweg, die wir in der Heimath nicht vertragen können. So gib uns denn, o| HErr, was wir bedürfen, Gemeinschaft des Glaubens, kirchliche Gemeinschaft und Aufnahme bei frommen Hirten und Heerden. – Ob aber in dem Lande und in der Gegend, wo wir reisen, Dein Wort, Dein theures Sacrament, die Gemeinschaft der Heiligen und die süße Brüderschaft nicht zu finden ist, Gemeinden des reinen Bekenntnisses umsonst gesucht werden, fremde Lehre, fremde Kirche ansäßig ist, das Gefühl der Fremdlingschaft sich schärfer und härter bemerklich macht; so laß uns zufrieden sein mit dem, was da ist, und die Gemeinschaft nicht erzwingen wollen, wo sie nicht sein kann. Kann ich nicht mit denen, die da feiern, zum Abendmahle gehen, – kann ich das Wort nur wie auf der Hut und Wache hören, mich nicht mit Vertrauen der Predigt hingeben; so laß mich doch froh sein, wenn nur Dein allerheiligster Name, o Jesu, noch angebetet, Dein Kreuz erhöht ist, und ich, bei all meinem Widerspruch gegen vorhandenen Irrthum und falsche Lehre, mit den Leuten der Fremde Deine allerheiligste Person loben und anbeten und Dir danken darf. O lehre mich überall lauterlich meines Glaubens leben und froh sein, und mit den Christen der verschiedenen Confessionen die| vorhandene Einigkeit also pflegen, daß ich die besondere Wahrheit, die mir vertraut, den Fremden aber unbekannt und ferne ist, durch heiliges Bekenntnis ohne Tadel preiße und empfehle. Deinem Wort und Zeugnis allenthalben treu – und allenthalben Deines Namens und der Gemeinschaft froh, die da ist, laß mich meines Weges vorwärts gehen. –
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 (Ob ich aber in die volle, wilde Fremde der abfälligen Muhamedaner oder der Heiden müßte ziehen, wo alles, auch das geringste Maß der Gemeinschaft aufhört, völlige Einsamkeit mich schreckt, und ich in Widerspruch mit allem trete, wie meinem Glauben alles widerspricht, wo mir die Gemeinschaft der Heiligen zum puren Glaubensartikel wird, und ich sie gar nicht mehr pflegen kann; so laß mich desto mehr in Deine Gemeinschaft treten und in Deiner Hütte geborgen bleiben in böser Zeit. Verleihe mir, meinen Mund aufzuthun mit Freudigkeit, ein Sendling Deiner Gnade zu werden und unter den Heiden kraft meines geistlichen Priesterthums den Ruf zum Heile einem jeden, zu dem ich kommen kann, vors Ohr und, ach lieber Gott, ins Herz zu bringen. Du kannst Deine reisenden| Jünger segnen, daß sie Frucht bringen und Fische fahen, und Gemeinschaft des Glaubens herstellen, auch wo keine war und ist, Dein Reich und Deine Kirche mehren.)

 O mein HErr, Du weißt, wie sehr mich nach Anschluß und Gemeinschaft verlangt. Du weißt, daß keine Schönheit der Natur und nichts in der Welt mich so ergötzt und labt, als die Gemeinschaft der Heiligen in der Fremde. Nach ihr späh ich, sie verlang und suche ich, – um sie bete ich. Du aber, o mein Gott, gib mir was ich bitte, wenn anders mein Gebet vor Dir Statt haben und Erhörung finden kann. Bewahre mich aber auch vor falscher Gemeinschaft und falschen Brüdern, und laß mich nicht in übermäßiger Sehnsucht nach Anschluß mit denen Gemeinschaft machen, mit welchem Du selbst keine hast. Lieber hungern und entbehren, als die arme Seele mit einer Gemeinschaft täuschen, die keine ist in Dir! O führe mich Deine Steige, leite mich auf sicherem Wege, bewahre meine Seele vor Verführung und vor aller Gemeinschaft, die nur das Ziel verrückt und den sichern schmalen Weg verdunkelt. O Du HErr und Gott der Fremdlinge, erhöre mich um Deiner Liebe willen. Amen.




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13.
Für die Kirche, um Liebe zum Fremdling.
O HErr, unser Heiland, der Du in Deinem Worte selbst verkündest, daß Du den Fremdling liebest, und deinem Volke befiehlst, daß sie Dir nach den Fremdling lieben sollen, gib den Gläubigen unserer Tage Deinen heiligen Geist, der sie anrege, zu suchen und zu lesen, was Deine heiligen Schreiber so oft im Buche der Bücher über und für die Fremdlinge verzeichnet haben, was Du zu deren Gunsten im Alten und Neuen Testamente geordnet hast. Dein guter Geist hat deine Kirche und Gemeinde in alter Zeit mit Liebe zu den Fremden, Pilgern und Gästen erfüllt, und diese Fremdlingsliebe war wie eine erstgeborene, liebliche und segensreiche Tochter der brüderlichen Liebe. Nunmehr aber ist der Kirche die Liebe zum Fremdling wie entfallen, und die Gast- und Schenkwirthe der Welt haben Deinen| Gläubigen alle Fürsorge abgenommen, aus dem schönsten Werke der Liebe und Barmherzigkeit ein selbstsüchtiges Gewerbe gemacht. Statt daß, wie in den ersten Zeiten, der Fremdling von den Christen als Bruder und Glied am Leibe Christi aufgenommen wird, ist er nunmehr gezwungen, in die Gasthäuser einzukehren, die so selten etwas anders sind, als Sammel- und Tummelplätze der Welt und ihrer Kinder, ja oftmals Räuberhöhlen gleichen, in denen nicht das arme Reisegeld des Fremdlings, und eben so wenig Jugend und Unschuld sicher ist, in denen die Verführung lauert. Dein heiliger Geist hat unter uns Lust und Liebe zu manch anderem Werke der Barmherzigkeit, zu manch seliger Uebung der Bruderliebe aufgeweckt; ach so laß doch auch Sinn und Willen, Eifer und Fleiß für die Liebe zum Fremdling wieder erwachen! O laß den Fremdling nicht bloß mühsam nach den Brüdern suchen: gib den Christen aller Orten, daß sie sich gerne finden laßen; laß sie Ordnung und Anstalt machen, daß die Kinder Gottes überall wieder mit leichter Mühe Unterkunft und Heimath finden. Entgegenkommende Liebe schenke den Deinen an allen Orten – und Deinen Fremdlingen dankbare Freude; gib, daß die| Gemeinschaft der Heiligen ihren schönsten Ausdruck in der Aufnahme des Fremdlings finde. Warum sollen deine Kinder genöthigt sein, bei deinen und ihren Feinden einzukehren, aus ihrer Armuth die zu bereichern, die doch keinen Gedanken haben, als den einzigen, aus dem Säckel des Fremdlings sich auf Erden Hütten und Paläste zu bauen, denen man alles und jedes theuer bezahlen muß, bei denen man aber dennoch meistens um all das Geld nicht Herz noch Liebe findet? Ist allenthalben die Welt in die Kirche eingedrungen, hat sie sich Platz und Rechte erobert; sollen wir uns deshalb selbst in ihre Hände und Bande überliefern, daß sie uns ausziehe, uns ohne Liebe und Segen wieder laufen laße? Wir sollen und wollen die Gemeinschaft der Welt fliehen, und müßen sie doch suchen von wegen der Nothdurft des armen Leibes. So können wir nicht, was wir sollen. Wir Alten treten mit Seufzen in die unheimlichen Räume der Gasthäuser ein und fühlen uns doppelt und dreifach in der Fremde; unsre arme Jugend aber, unsere unerfahrenen Kinder geben wir dem Einfluße des Geistes der Welt preiß, setzen sie aller Orten den Schrecken und Lockungen der Verführung| aus. HErr, erhöre mich alten Pilgrim und Fremdling, der ich die Dornen fühle, unter denen ich, wie der Sänger in Mesech, wandle und in Hütten und Häusern einkehren soll, die mir ungastlicher und unwirthlicher erscheinen, als die Hütten Kedars. Ich bitte um Herstellung christlicher Liebe zum Fremdling, um Anstalt und mütterliche Fürsorge Deiner Kirche für den Pilgrim, um Erlösung aus den Händen der Gastwirthe, um Friedenshütten in der Fremde, um herzliche Gemeinschaft, um lieblichen Zusammenschluß der Glieder der großen Kette der Deinen zum edlen Werke gastlicher Liebe. Der Du weißt, wie segensreich die Erhörung meiner Bitte wäre, erhöre mich und alle, die in gleichem Sinne zu Dir seufzen, – der Du selbst ein Fremdling auf Erden warest, und ein Freund der Fremdlinge sein wirst und ihre Zuflucht, bis alle Fremde aufhört, und die ewige Heimath herniederkommt.
Amen.




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14.
Fürbitte für die Heimath.
Mein lieber Gott, weil ich in der Fremde bin und meine Liebe zur Heimath nicht anders noch beßer beweisen kann, so wende ich mich zu Deinem heiligen Throne, und bringe zu Dir mein armes Opfer und Gebet für alle, die mir in meiner Heimath angehören, für alle, denen ich angehöre, dazu für alles in meiner Heimath, für Land und Leute. – O HErr, allmächtiger, ewiger Hoherpriester, Jesu Christe, heb auf Deine Hand, und segne mein Heimathland, schirme und schütze es mit Deiner aufgehobenen rechten Segenshand. Wende alles Uebel ab, wende alles Gute zu. Laß dein gnädiges Angesicht über meiner Heimath in Gnaden scheinen wie die Sonne. Laß Dein Wort und Sacrament niemals von uns auswandern, stoß uns niemals Deinen Leuchter um. Der Du die sieben Sterne auf deinen| Händen trägst, halt und trage, erleuchte, stärke und führe die Seelsorger, welche Du uns gegeben hast, und laß von ihrem Leibe auf uns und unsere Kinder Ströme des lebendigen Waßers fließen. Sei Du selbst der Schild und große Lohn Deines Knechtes, unsers Pfarrers, und seiner Gehilfen. Erhalte sie in Deiner Treue, und laß sie dermaleins bei Dir leuchten wie die Sterne immer und ewiglich. Auch wollest Du zeitlichen Segen verleihen meinem Lande, sonderlich denen, die in der Würde sitzen, gehorsame Herzen schenken, daß sie nach Deinem Wort und Willen regieren. Und ob sie Unrechtes thäten, wollest Du, o allerhöchster HErr, ihr Unrecht uns zum Segen wenden, uns aber im Gehorsam gegen sie verharren laßen, und in der Ehrerbietung nach Deinem heiligen Worte. Die Gemeinde, welcher ich angehöre, wollest Du willig machen, Dein Wort anzunehmen, Dir gehorsam zu leben, Dir zu sterben, Dein zu sein im Leben und Tode, – und Deinen heiligen Geist durch das Wort reichlich in ihr wohnen und walten laßen, daß wir mit Danksagung Deine himmlischen und Deine irdischen Gaben empfangen und gebrauchen. Insonderheit empfehle ich Dir meines Vaters| Haus und das meinige. Meine Eltern, Geschwister und Verwandten befehle ich Dir zu allen Gnaden in Dankbarkeit und Liebe, und bitte Dich, Du allmächtiger Hort der Deinen, um das Einzige, daß Du ihnen in meiner Abwesenheit an meiner Statt erzeigest Güte und Liebe, dazu auch meinen reichsten Dank und Ehre. Mein eignes Haus aber sei Dein mit allen seinen Gliedern. Mein Weib, meine Söhne und Töchter übergebe ich Dir zum alleinigen Eigenthum. Ich habe jetzt nichts für sie, als mein Andenken und mein Gebet zur Dir, bin ohnmächtig, ihnen einen kräftigen Segen zu sprechen, und ist mir an meiner Reise offenbar, daß, was mein ist, unendlich mehr Dein ist, als mein. So verleihe nun Du selbst, der Du Himmel und Erde besitzest, daß alle die Meinen mit Freuden und von ganzer Seele Dein Eigenthumsrecht und Deine königliche, göttliche Herrlichkeit und Herrschaft erkennen und von allen Kräften, von ganzem Gemüthe Dein seien, und sich Dir alle Tage und Stunden übergeben, wie ich sie allezeit sammt mir selbst in Deine treuen Hände befehle. Es sei weder Hohes noch Tiefes, weder Fürstenthum noch Gewalt, weder Sichtbares noch Unsichtbares mächtig, ihre| Herzen Dir zu entreißen, und keine Versuchung möge sie auf den Weg der Gottlosen verlocken, oder durch Schrecken dahin treiben. Bewahre meine Kindlein rein an Leib und Seele, keusch und züchtig nach Leib und Geist, freudig und guten Gewißens auf dem rechten Wege. Erhalte mir auch ihre kindliche Liebe und Treue, und laß mein ganzes Haus mir zugethan bleiben, als dem Haupte und Hausvater, welchen Deine Vorsehung darüber gesetzt hat. Auch meine Freunde, Nachbarn und Bekannten, dazu meine Abgönner und Feinde schließe ich hiemit in mein herzliches, inbrünstiges Gebet ein, wie ich schuldig bin, und Du mir Freude und Lust dazu geschenkt hast. O mein Gott und mein Herr, mein Führer und Regierer, laß mein armes Gebet zu Dir gelangen, und Dein Herz neige sich zur Erhörung, wie ich denn auch begierig und verlangend bin, öffentlich zu schauen, was ich in der Entfernung bete. Herr, wenn Du mich zurückführst, so erfreue meine Seele mit der großen Wohlthat, mit Augen sehen und erkennen zu dürfen, daß die Meinen in meiner Abwesenheit und um meiner Abwesenheit willen keinen Mangel gehabt haben an irgend einem Gute,| daß Du allen überall und allezeit ein Brunnen alles Glückes und aller Freuden gewesen bist. Mein Herr, und mein Gott laß mich dies mein Gebet versiegeln mit einem gläubigen:
Amen.




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15.
Um Segen zur Erreichung des Reisezweckes bei einer Berufsreise.
Mein Herr und mein Gott, Du weißt, daß ich nicht auf die Reise gegangen bin, um auszuruhen, sondern daß ich Geschäfte zu erledigen habe, welche ich in der Heimath nicht erledigen konnte. Ich reise in meinem Berufe, welchen Du mir geschenkt hast, und bin zur Arbeit gerüstet, auch wenn ich ruhig sitze und im Wagen fahre, oder still auf dem Wege gehe. Weil ich aber in all meinem Berufe nur Dein Knecht und Haushalter bin, Du aber mein Herr und Meister, und ich nicht, um reich zu werden und gutes Leben zu haben, arbeite, sondern um die Meinen zu ernähren, und damit ich habe zu geben dem Dürftigen; so sei, o Herr, in dessen Dienst ich allezeit bin und reise, Du selbst mein Mitreisender und Mitarbeiter und starke in mir die Gewißheit,| daß ich auch arbeitend in Deiner Gemeinschaft bin, und mich Deines Schutzes, Deines Segens, Deiner Hilfe und Deines göttlichen Gedeihens getrösten darf. Du weißt, daß in vielen Dingen meine natürliche Einsicht und mein Geschick nicht ausreicht, sondern daß ich außerordentlicher Führung, Stärkung und Erleuchtung bedarf. Darum rufe ich Dich an, Du wollest mir Deinen heiligen Geist nicht versagen, sondern meinen Sinn durch denselbigen frei und heiter und klar machen, zu erkennen und zu können, was ich soll. Wie Du mit Jakob und Joseph und Daniel gewesen, so sei auch mit mir, und arbeite mit mir. Siehe, HErr, ich öffne meine Thür, ich lade Dich ein; Deiner empfänglich flehe ich Dich an, kehre ein zu mir. Sitz nieder bei mir in meiner Stille und lehre mich Deine Wege, zeige mir Deine Pfade, und laß mich an Deiner Hand gehen und laufen, und alles wohl vollbringen. Mein HErr und mein Gott, ich schürze mein Kleid, ich greife zum Wanderstabe, ich reise und begebe mich damit an meine Arbeit, – „geh an mein Werk mit Freuden, zu dem mich Gott bescheiden, in mein Beruf und Stand.“ Gelobet sei der HErr, der| mir hilft. „Alles, was ihr thut, das thut im Namen des HErrn“ – ruft Dein Apostel. Wohlan, im Namen Jesu Christi, des Gekreuzigten und Auferstandenen, greife ich an. „Amen, mir ewig wäre die Freude, Gott die Ehre.“ Laß mich selig sein in meiner That. Dir aber sei Ruhm und Preiß von allem und durch alles, was ich thue. Amen.




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16.
Um gute Aufnahme in der Fremde und Segen für die Gastfreunde.
Du weißt, mein Gott, wohin und zu wem ich reise, bei wem ich einkehren und meine Werke vollbringen werde, die ich mir in Deinem Namen vorgenommen habe. Du kennst alle, mit denen ich auf meiner Reise zu thun haben werde. Auch ist es Dir wohl bekannt, wie ungelegen oft ein Fremdling und Besuch einem Menschen kommt, und wie es doch oft gar nicht zu vermeiden ist, daß ein Fremdling Eingang und Aufnahme suche. Auch rufe ich Dich zum Zeugen an, wie weh es oft den armen Fremdlingen thut, keinen Eingang, keine Aufnahme, sondern verschloßene Herzen und Thüren zu finden, – unverrichteter Dinge von einem Hause oder Orte weichen zu müßen. Du bist selbst, o Heiliger, da Du auf Erden kamest, bei den Deinen nicht aufgenommen worden, und Dein Geist klagt darüber noch jetzt in Deinem| heiligen Worte. Du aber hast nach bedachtem Rath Deines Vaters also in die Armuth herunter steigen und die Lieblosigkeit der Menschen erfahren müßen, um ihnen durch Dein heiliges Dulden ein ewiges Gast- und Bürgerrecht in Deiner himmlischen Stadt und im Hause Deines Vaters zu verdienen. Weil nun ich armer Pilger auch als Fremdling nach dem ewigen Vaterhause walle, wie Du ein Fremdling warest; so bin ich zwar wohl bereit, Dir nach der Menschen Ungunst und liebloses, rauhes Wesen dahin zu nehmen, Dir in solchem Falle gleichförmig zu werden, und Dich in meinem bitteren Leide zu ehren: Dir nach leiden zu dürfen ist große Ehre. Aber, o mein Erlöser, Du hast Deinen heiligen Beruf gerade in der schmerzlichen Erfahrung der wilden Fremde am besten hinausgeführt, wie auch ich meines himmlischen Berufes in gleichen Leiden wohl am besten warte; aber mein irdischer Beruf, welchen mir Deine heilige Vorsehung zugewiesen hat, den ich zum irdischen Wohl der Meinen und Deiner armen Glieder vollbringen soll, gedeiht nicht bei Haß und Verachtung der Menschen; ich kann nichts machen, wenn mir mein Geschäftsfreund Thür und Ohr nicht öffnet.| So laß und gib mir darum beides, Deine Nachfolge der Leiden auf dem Wege meines himmlischen Berufes, für den irdischen Beruf aber die große Hilfe, daß auch meine Feinde mit mir zufrieden werden, in den Dingen dieses Lebens gerne mit mir handeln und wandeln. Ich denke daran, wie Du dem Laban befohlen hast, mit Jakob nicht anders als freundlich zu reden, wie Du das Herz des wilden Esau dem Herzen seines Bruders zugeneigt hast. So wollest Du auch mir helfen, daß ich freundliche Aufnahme finde bei denen, welchen ich nahen soll; neige mir insonderheit die Güte derer zu, denen etwa mein Geschäft, das ich mit ihnen erledigen muß, nicht angenehm sein sollte. Gib meiner Arbeit und Mühseligkeit unter allerlei Menschen göttliches Gedeihen. O bereite mir auch Freunde zur Heimsuchung, wie Deiner gebenedeiten Mutter bei Elisabeth und Zacharias selige Heimsuchung vergönnt ward! O gib auch mir, daß ich Gastfreunde finde, mit denen ich singen kann und loben: „Meine Seele erhebe den Herrn, und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes!“ Wie wollte ich Dir für solche Wohlthat danken, und den Gott rühmen, der den Fremdling so lieb hat!| So hilf mir denn und erhöre mein Gebet. Sei auch ein reicher Vergelter denen allen, die mir armen Fremdling wohlthun, und vergilt ihnen jeden Trunk kalten Waßers, jedes freundliche Wort, jeden Gruß. Die Gastfreunde, welche ich finde, laß nicht bloß mich, sondern auch Dich aufnehmen, der Du abermaleins sagen wirst: „Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherbergt“. Mein Friedensgruß sei Deiner, und wo Du mit mir einkehrest, da mögest Du auch bleiben mit Deinem Segen: Dein Mund und Offenbarung und Weisheit, Deine Hand mit dem geistlichen Reichthum der triefenden Wunden und mit der Fülle Deiner mancherlei Wohlthaten thue sich auf unter meinen Wohlthätern und Freunden, bei welchen ich wohne, und die Barmherzigkeit, welche mir erzeigt wird, die komme tausendfältig wieder zu denen, die mich segnen. O HErr, sei anstatt meiner und aller Pilgrime ein allmächtiger Vergelter denen, die mir und andern Fremdlingen Dir zu Gefallen und in Deinem Namen freundlich, hold und hilfreich sind. Der Gott der Fremdlinge erhöre mich um seiner eigenen sauern Fremdlingschaft auf Erden willen! Amen.




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17.
Der Sonntag in der Fremde.
HErr, Du Gott der Gnaden, des Wortes und des Sacramentes, der Tag ist angebrochen, an dem wir pflegen in Dein Haus zu gehen, und anzubeten gegen Deinen heiligen Tempel in Deiner Furcht, – an dem wir Dein heiliges Wort hören, – an dem wir Deinen Tod verkündigen und Deine Auferstehung, und Deine Verherrlichung durch den Geist, welchen Du über die Deinen ausgegoßen hast, und noch ausgießest. Zu der That, o mein HErr, ist unter allem Heimathlichen, was ich liebe, das Heimathlichste, Traulichste und Schönste der gemeinsame Kirch- und Abendmahlsgang. Da bin ich nicht allein in der sichtbaren Gesellschaft der Meinigen, sondern die Familienliebe wird geheiligt durch das gemeinsame Gebet, das gemeinsame Hören des Wortes, den gemeinsamen Genuß Deines Leibes und Blutes und den Zusammenhang mit der Gemeinde der Heiligen. Daher ich auch die Fremde und das Heimweh am| allerschmerzlichsten am lieben Sonntag fühle. Ich bin alleine, und ob ich auch in der Fremde eine Kirche und Gemeinschaft fände, der ich mich anschließen kann und darf, ja ob Du mir auch den besten Trost der Fremde, die herzliche Gemeinschaft der Gläubigen schenktest; ich entbehre doch etwas, nemlich die Nähe der Meinen, meiner heimathlichen Freunde und derjenigen Gemeinde und Gemeindeglieder, mit denen ich zusammengewachsen bin in Eins. Wohl ist es wahr, daß mancher in der Fremde nicht bloß sein Glück, sondern auch seine Seligkeit gefunden hat, daß Dein Wort in der Fremde manchen geweckt, erleuchtet, gerechtfertigt, geheiligt, in Versuchung erhalten, in Trübsal getröstet hat, während er daheim vielleicht an vollen Tischen darbte. Ich weiß es, ich weiß es, und bitte Dich daher, o HErr, inbrünstiglich, daß viele, recht viele in der Fremde die ewige Heimath finden. Aber wie selten ist es dennoch, wie oft geschieht das Gegentheil, wie viele werden in der Fremde lau, wie viele meiden in der Fremde das Gotteshaus und alle geistliche Uebung! Wie viele, die in ihrer Heimath gerne gehen unter den Haufen, die da feiern, laufen in der Fremde die breite| Bahn dahin, unter denen, die verloren gehen! O mein HErr und mein Gott, erbarme Dich über uns arme, leicht verführte und gefällte Fremdlinge, und lehre uns unter allen Umständen, an jedem Orte, die rechte Sonntagsfeier. Lehre uns das irdische Heimweh verleugnen, dagegen aber das Heimweh nach der himmlischen Stadt Jerusalem groß ziehen. HErr, der Du nicht bloß Moria und nicht Garizim, sondern die ganze Welt mit Deiner Gegenwart füllest, überall im Geiste und in der Wahrheit angebetet sein willst, gib Deinen Fremdlingen an allen Orten den Geist des Glaubens und des Gebetes zur seligen Sonntagsfeier, auch wenn sie irgendwo von aller geistlichen Gemeinschaft abgeschnitten wären. Kann man irgendwo in der Fremde in Gemeinschaft anbeten, so zeige es Deinen Pilgrimen und gib ihnen Lust zur heiligen Gemeinschaft und seligen Vorschmack der ewigen Heimath in den Vorhöfen der himmlischen Stadt, in den Gotteshäusern hin und her. Kann man sich irgendwo nicht anschließen, nicht Gemeinschaft pflegen, in Glaube, Liebe und Andacht nicht gefördert werden, so erwecke in uns Sinn und Kraft zur geistlichen Vereinigung mit allen den| Deinen in der Ferne und selige Uebung des Glaubensartikels von der Gemeinschaft aller Heiligen. Gib Gemeinschaft in Einsamkeit, stille selige Sabbathfeier bei tiefer Zurückgezogenheit. Laß deine Pilgrime an ihren einsamen Sonntagen bei Dir einkehren, Dein Antlitz suchen, und begegne ihnen auch, daß sie sich vor Deinem Angesichte und in Deiner Gemeinschaft freuen, und vor Dir wandeln lernen allezeit. Laß uns, zumal wenn wir an einem Orte niemand finden, der mit uns bete, beten mit denen in der Heimath und für sie, und erhalte auch die Unsrigen in der Fürbitte für uns, und uns alle, wo wir auch seien, bei dem Einigen, daß wir deinen Namen fürchten. Führe uns auch, wenn es dein heiliger Wille ist, wieder zusammen und vereinige uns wieder an unserem Orte in deinem Hause, und schenke uns in der irdischen Heimath Vorfreuden der ewigen Heimath, inbrünstiges Verlangen nach derselben, überall aber und wo wir seien, die Kräfte der zukünftigen Welt. Amen.




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18.
Um Gesundheit auf der Reise.
Herr, der Du alles in Deiner Hand hast, und ohne den kein Mensch weder krank noch gesund werden kann, der Du die Krankheit sendest und sie wieder rufest, wie ein Mann seine Dienstboten: ich übergebe mich auf dieser meiner Reise ganz in Deinen Willen, entweder in Kraft und Gesundheit meinen Zweck zu fördern, oder nach deinem Willen aufgehalten, unterbrochen und gehindert zu werden durch Krankheit. Dein Wille ist allein gut und weise, und was Du fügest, ist wohlgethan. Weil ich aber Dein Kind bin, Abba zu Dir rufen und alle meine Wünsche vor Dir darf laut werden laßen, wenn ich nur Deinem Willen meinen armen, irrsamen Willen unterordne; so bitte ich Dich um das edle Gut der Gesundheit und ungehinderter Kraft, so lange ich reise. Es wäre meine Freude, einen Weg nach dem andern, eine Arbeit nach der andern mit| Freuden hinter mich zu bringen und Dir in meinem Berufe eine volle Kraft zu opfern. Um diese Freude bitte ich Dich – anbetend, aber auch bekennend, daß alles gut ist, was Du Deinen Kindern thust. So gib mir denn also, wenn ich in meinem Gebete nicht fehle, den Vorschmack der ewigen Gesundheit und Kraft der auferstandenen Leiber, Gesundheit meines sterblichen Leibes, bei meinem Reisen, oder gib mir, wenn Du lieber willst, Krankheit, auf daß ich lerne sterben und mich nach ewiger Genesung sehnen. Siehe, ich habe Dir meine Bitte vorgelegt, mich selbst aber, sammt aller Erhörung, dir allein in völliger Ergebung überlaßen. So fahre ich nun dahin meine Straße, unbekümmert was werden wird, denn Du weißt mein Bedürfen, und waltest auch über mir armen Sünder, o Du allmächtiger Vater in Christo Jesu, als über einem Sohne, den Du lieb hast. Gelobet sei jederzeit und immerdar Dein heiliger Name! Amen.




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19.
Wenn man auf der Reise krank wird.
O lieber HErr und Gott, in der Fremde krank sein ist ein absonderliches Geschick Deiner Hand, welches dem Fleische nicht angenehm ist. Beschwert man die Seinigen in der Heimath nicht gerne durch die nöthige Wart und Pflege, wie viel unlieber die Brüder und Schwestern in der Fremde! Aber weil es nun also ist, so erkenne meine Seele auch darin Deinen väterlichen Willen, o HErr, und Deine treue Führung, und befaße sich gerne mit der heilsamen, von Dir verordneten Uebung, ferne von den Angehörigen zu leiden und fremden Brüdern und Schwestern Mühe zu machen. Es ist geben seliger als nehmen, weshalb es mir auch viel angenehmer wäre, kranke Fremdlinge in meiner Heimath zu pflegen, als selbst ein kranker Fremdling zu sein. Aber es dient ja zu meiner Heiligung und Vollendung, den Liebesdienst anderer anzunehmen, und die zumuthende| Liebe geduldig auszuüben. Lehre mich nun durch Deinen Geist in dieser Schule und laß mich zu Deiner Ehre darin die Aufgabe lernen, in Demuth, mit Freudigkeit und Freundlichkeit anderer Gast und Pflegling zu sein, und zu glauben, daß sie auch an mir gerne das üben, was sie Dir thun möchten. Gib mir auch, meinen Brüdern in der Fremde nütze zu werden durch ein Beispiel heiliger und friedlicher Geduld und durch dankbares Gebet zu Dir, mein Gott. Laß mich auch nicht aufhören, denen selbst zu danken, und die zu segnen, welche mir Barmherzigkeit und Wohlthat erzeigen. Segne mein Krankenbette und erledige mich, wenn es Dein heiliger Wille ist, bald wieder von demselben. Wenn aber nicht, und soll ich in der Fremde mein Leben laßen, und mein Grab finden, so mache mich Dein heiliger Geist auch dazu willig und unverdroßen. Durch Deine Gnade vermag ich alles zu tragen, was Du mir auferlegst, auch ferne von den Meinen aus der Zeit zu gehen. Ich bin ja Dein, und die Erde ist Dein, o HErr, mit allem, was in ihr ist; auch ist der Weg zum Himmel und zum Aufenthalt der Geister der vollendeten Gerechten nicht weiter von hier als von| meiner Heimath. Daher befehle ich mich auch Dir ganz und gar mit Leib und Seele; Du hast mich erlöset, HErr, du treuer Gott. Amen.




20.
Wider Verlust an Hab und Gut.
O mein HErr und mein Gott, da reise ich hin, durch unbekannte Gegend, finde allenthalben Deiner Glieder so wenig und der offen zu Tage liegenden Sünde und Bosheit so viel. Ich reise von Ort zu Ort, hin und her, – und reise damit doch nur immer in der Welt: der Ort wechselt, aber der Mensch bleibt sich allenthalben gleich; überall ist Dein Wort und Gebot bei den meisten verachtet, und die Menschen kennen Dich nicht, und mögen Dich nicht kennen. Wenn ich in die Gasthöfe komme, wo man dem Fremdling entgegen kommt, wie einem längst erwarteten Bruder, und doch nicht der Fremde, sondern nur der Nutzen, den man von ihm hat und haben| möchte, begrüßt wird; so packt mich bei all dem zuvorkommenden Wesen der Kellner und Wirthe doch oft ein Gefühl, wie wenn ich nun sollte ausgezogen und ausgeraubt werden gleich dem, der auf dem Wege nach Jericho unter die Räuber fiel, und es verfolgt mich zuweilen der Gedanke deines Knechtes Luther, daß die Welt ein Stall voll grober, großer Diebe sei. Ich trage mein Reisegeld und andere Habe bei mir, ohne die ich in gewohnter und erwünschter Weise meinen Weg nicht zurücklegen und nicht wieder heim kommen könnte, – bin unkundig vieler Dinge, unerfahren, ein armer Fremdling, der nach der Brüder Güte und Leitung groß Verlangen trägt, dieselbe aber nicht oder doch sehr selten finden und erfahren kann, und statt des Vertrauens, das man üben möchte, nur Mistrauen und Furcht in sich hegen muß. Ich weiß ja wohl, daß mir Deine Güte alles tausendfach ersetzen kann, was mir der Eigennutz und die Habsucht der Menschen abnehmen kann; auch zweifle ich nicht, daß Du mir wirklich alles erstatten oder Beßeres dafür geben würdest, das Glück der Gottseligkeit und reichere Erfahrung Deiner Liebe in geistlichen Dingen. Dennoch sorge ich zuweilen und bin unruhig in| mir, als stünde mir Unglück bevor. Daher fliehe ich zu Dir, und bekenne Dir meine Noth, dazu aber auch mein sündliches Mistrauen und Sorgen, wodurch ich mir die Noth vermehre, schwärzer sehe, als nöthig ist, und mich überdies an manch redlichem Herzen versündige. Bist Du nicht mein Leiter und Führer allenthalben? Kann ich denn mehr thun, als vorsichtig wandeln? Ist mir geholfen, oder bin ich bewahrt, wenn ich griesgrämig dahin reise und allenthalben sorge? Bin ich doch durch Deine Hut, mein Gott, ein Freiherr und habe nicht Noth die arme Seele mit mehr zu plagen als da ist, und als Deine Hand herbeibringt! Ich trete vor Dein Angesicht, mein Gott, und erwecke in mir durch die Erinnerung an alle Deine Treue und Güte von Alters her mein Vertrauen und meinen Glauben, der mich fröhlich macht. Ich spreche meinen Glauben vor Dir aus, auf daß er größer werde, und meinem Flämmchen Luft zukomme von Deinem Angesicht. Ich lege alles in Deine Hände. Der Du das siebente Gebot gegeben hast, bewahre mir, was ich habe, und umschirme mich. Ich bin Dein mit alle dem, was ich habe. Du wirst das Deine bewahren, und mir helfen, daß| ich ohne Schaden heim komme. Soll aber je Schaden kommen, so laß michs in der Erfahrung leichter hinnehmen, als in der Sorge und Voraussicht, und schenke mir eine zufriedene, vergnügte Seele, auch wenn Mangel eintreten sollte, o Du, der du selbst auf Erden Mangel littest, und doch jeden Mangel stillst. Amen.




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21.
Um Bewahrung der leiblichen Unschuld und Keuschheit.
O Du reiner Gottes- und Menschensohn, HErr JEsu Christe, der Du von der jungfräulichen Mutter empfangen bist und geboren ohne Sünde, erhöre mein Gebet und meine Fürbitte, welche ich für alle Reisenden, insonderheit die jüngeren, wie für mich selbst, vor Dein heiliges Ohr und zu Deinem Herzen voll göttlicher Liebe und großer Hirtentreue bringe. O gib allen denen, die da reisen, ein reines Herz, heilige Gedanken und einen unbefleckten, keuschen und züchtigen Leib. Du weißt, wie viele Tausende Deiner armen Schafe in den Schlingen der Midianiter gefangen werden, und wie viel böses Gewißen und Verlust der jugendlichen Unschuld und Reinigkeit sie aus der Fremde mit heim zu bringen pflegen. So hebe denn Deine heiligen Augen auf, Du treuer Hirte, und siehe auf die armen, leicht verführten| Schafe Deiner Heerde. Gib ihren Herzen kräftige Regungen Deines heiligen Geistes, den Leibern aber gib Deine heiligen Wächter zu, welche den Verführern steuern. Bring, o Du heiliger Führer und Leiter aller Jugend, einem jeden Vater seinen Sohn und seine Tochter von Reisen ohne Seelenschaden heim, und ohne Verunehrung des Tempels ihres Leibes. O HErr, Du guter Hirte, erhöre mein Flehen für alle jungen Leute, aber nicht allein für sie, sondern auch für die alten, sintemal es Dir bekannt ist, daß das Alter die Menschen nicht keusch macht, und auch in dem müden Leibe des Greises eine unreine Seele wohnen kann. Mit einem Auge voll Jammers sehe ich, o HErr, auf das unreine Meer der fleischlichen Bewegung, welches die Welt bedeckt, und rufe zu Dir von Grund meiner Seele um Hilfe, daß unser keiner im Meere versinke, sondern wir viel lieber errettet und von seinem Schmutze gereinigt werden durch Dein Blut und Deinen Geist. Kyrie, Eleison. Christe, Eleison. Kyrie, Eleison. Amen.




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22.
Um den Schutz der heiligen Engel.
O HErr, mein Gott, ich danke Dir von Grund meiner Seele für Deine heiligen Engel, die treuesten Freunde, welche Du Deinen Reisenden beigesellt hast. Dank sei dem Engel des Angesichts, der Israel nach Canaan brachte! Dank sei Dir, o HErr, für alle die geschaffenen guten Geister, welche Du in Deiner Gnade ausgesandt hast zum Dienste um unsertwillen, die wir die Seligkeit ererben sollen. An der Offenbarung, die ich von Dir habe, daß sich um alle, die Dich fürchten, der Engel des HErrn lagert mit seinem Heere, und ihnen aushilft, freuet sich meine Seele, und ich glaube Deiner seligen Offenbarung von ganzem Herzen. Weil ich solche Führer und Begleiter habe, fürchte ich mich nun nicht mehr vor den Pfeilen, die am Mittag fliegen, noch vor dem Grauen der Nacht. Ich gehe dahin| unter der Gefahr der Teufel, aber ich bin unerschrocken, denn ich bin geschützt. Geschieht es mir auch nicht, wie dem hohen Patriarchen, welchen Engelheere als den Erben der Verheißung auf seiner Reise hin und her begleitet haben, bei Bethel und Mahanaim; so bin doch auch ich Armer der engelischen Begleitung und Führung sicher und gewiß. Jener Engel Raphael, welcher den jungen Tobias nach der Ueberlieferung geleitet hat, ist ohne Zweifel einer von den zehntausendmal Tausenden, die ihre Ehre in die Demuth setzen, und uns bedienen. Aus derselben großen Schaar habe aber auch ich Führer empfangen, die mit mir sind, wenn ich gleich ihre Namen nicht weiß. Obschon ich ihr Angesicht nicht schaue, weil meine Augen gehalten sind, so sehen und kennen sie doch mich, und führen mich sicher mitten durch alle Nachstellungen des Jägers auf meinem Wege. Dafür danke ich Dir, o Vater, o König der Geister und Engel! Glauben und nicht sehen ist mir beschieden. Wie ich Dich nicht sehe, sehe ich hier auch Deine Engel nicht, und übe meine Liebe zu ihnen, wie meine Liebe zu Dir, im Glauben an Dein heiliges Wort. Gelobt sei der HErr, und geliebt seine Heerschaar.| Ihr vertraue ich mich und das Meine. Sie wird mich schirmen von oben, und bewahren zur Seiten, und behüten auf allen meinen Wegen. Sie wird meinen Leib schützen gegen die Mörder und Räuber, meine Habe gegen Diebe und Betrüger, meine Gesundheit und Kraft gegen die Krankheit und die Macht der Elemente. Ich werde unter ihrer Leitung sicher reisen, daß mir kein Unglück begegne, und ob mir auch irgend ein Uebel nahete, wüßte ich doch, daß es von Dir gesandt ist, weil es die heiligen Engel zugelaßen haben, die allewege Deinen Willen thun. Wie traurig ist oft einem Wanderer sein Weg, weil er sich einsam fühlt: Angst und Furcht umgibt ihn. Wenn aber nur ein Kind an der Hand des Wanderers geht, ist er schon getrost, muthig und furchtlos. So gewöhne sich denn meine Seele an die Wahrheit und Wirklichkeit, die stärker ist, als Kindes- und Manneshand, daß ich nie allein bin, auch wenn ich niemand sehe, daß nicht nur der HErr bei mir ist, der Unermeßliche, sondern daß auch Engel mich umgeben, die mein achten. Der feste Glaube nehme mir auch im dunkelsten Erdenthale meine Furcht, und gebe mir mitten unter den Feinden ein freudiges und fröhliches| Herz. Diesen meinen Glauben erhalte und stärke mir der HErr, mein Gott, durch seinen Geist, daß ich zweifellos alles faße, was mir Sein Wort offenbart, und ich also auch meine unsichtbaren, treuen Freunde persönlich von Herzen lieben und ehren kann. Ich lobe den HErrn und danke ihm für meine Freunde, die heiligen Engel. Ihnen aber, dieweil sie um mich sind, rufe ich zu mit dem 103. Psalm: „Lobet den HErrn, ihr seine Engel, ihr starken Helden, die ihr seinen Willen thut,“ und will, glücklich und fröhlich durch solche Genoßenschaft des Lobes Gottes, den Beschluß machen mit demselben 103. Psalm: „Lobe den HErrn, meine Seele!“ Amen.




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23.
Für die Obrigkeit und das Volk des Landes, in welchem man reist.
Dieweil Du gebeutst, o HErr, daß man für alle Obrigkeit beten soll und der Stadt Bestes suchen, in der man als Fremdling wohnt; so will ich mein Herz und meine Hände aufheben und, gehorsam Deinem Willen, von Grund meiner Seele beten für alle, welche in diesem Lande und dieser Stadt (dieser Gemeinde) in der Würde sitzen und regieren. HErr, die Obrigkeiten sind in Deiner Hand, und Du lenkest die Herzen der Mächtigen wie Waßerbäche. So gib denn allen, die den Beruf haben zu regieren, heiligen Muth, guten Rath, gerechte Werke und schenke ihnen die selige Lust, in Deinem Namen Ordnung, Frieden und allerlei Wohlthat schaffen zu dürfen für viele, und die ihnen anvertraute Heerde die Pfade irdischer| Wohlfahrt zu führen. Gib ihnen auch allen Herzen voll Furcht des HErrn und voll Liebe zu Deinem Wort, damit sie die Regierung nicht bloß in der Absicht zeitlichen Nutzens führen, sondern in Deinem Sinn. Ob sie aber auch dem Geiste, der sie von der Welt zu Dir beruft, widerständen, so bist doch Du der Allerhöchste allein, und kannst auch die, welche Dir nicht willig dienen, dennoch zu Deinen Werkzeugen machen, daß geschehen muß, ja selbst Rath und Beschluß der Menschen werden, was Dein eigener allerbester Wille ist. O HErr, Du König aller Welt, sieh mit den Augen Deiner Barmherzigkeit auf die Einwohner dieses Landes und dieser Stadt (dieses Dorfes) und laß bei ihnen Deine Ehre wohnen, und zu ihnen einkehren Dein Heil. Erzeige ihnen Deine große Gnade, daß Du Deine himmlische Berufung und Dein theures Wort kräftiglich zu ihren Ohren und an ihre Herzen bringest. Sammle Dir auch aus diesem Schafstall Schafe für Deine auserwählte Heerde, daß Dir an jenem Tage nicht Lobsänger fehlen, welche Dich auch in dieser Sprache und Zunge preißen. Laß die Anbetung Deines großen Namens allhier öffentlich und von jedermann geschehen und zwar nicht| bloß mit den Zungen, sondern im Geiste und in der Wahrheit, und laß Jung und Alt in Deinen Rechten und Sitten wandeln. Segne auch alles irdische Leben, das Land und sein Gewächs und die Gewerbe der Menschen, daß jedermann sein täglich Brod habe, oder doch die Nothdurft denen gereicht werden könne, die nach Deinem Willen Mangel leiden. Gib auch allen Einwohnern Liebe zum Fremdling und Erbarmen gegen ihn, daß das Land und seine Gemeinden heimathlich werden für alle, die von der Ferne kommen, und Dank, Segen und Gebet Deiner Pilger über das Land und seine Kinder komme. Dies mein armes Gebet wollest Du in Gnaden anfnehmen, um des Eingeborenen willen, der auf Erden ein Fremdling war und für die Fremdlinge hin und her, ja für die Fremde der ganzen Welt litt und starb. Für alle Deine Gnade und Erhörung aber sei Dir Dank und Preiß gesungen von uns armen Fremdlingen in Ewigkeit! Amen.




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24.
Wenn man traurige Botschaft fürchtet.
Allwißender und allmächtiger Gott, ich bin ferne von den Meinigen und weiß nicht, was ihnen geschehen ist oder geschieht, so wie auch sie um mein tägliches Befinden nicht wißen. Obwohl ich tief überzeugt bin, daß ihnen nichts geschehen kann, was Du ihnen nicht zugemeßen hättest in Deiner Liebe und Gnade, – daß kein Uebel in der Stadt ist, das der HErr nicht schaffe, und daß auch das Uebel aus Deiner Hand eine gute und vollkommene Gabe ist; – und ob ich gleich ganz willig und ergeben bin, alles hinzunehmen, was Du uns in Deiner Gnade darreichen willst; so bangt mir doch vor der Botschaft der Dinge, welche Du in meiner Abwesenheit den Meinigen könntest auferlegt haben, wie dem Kranken vor dem Meßer auch des weisesten und besten Arztes.| Nicht das Kreuz fürchte ich, sondern den Augenblick, da es mir gereicht wird, nicht die Last, sondern den Befehl, sie nun auf meine Schultern zu nehmen. Ich schäme mich vor Dir, daß ich so schwach und zag bin, und daß mein psychisch Fühlen dem inneren Muth und Willen so jämmerlich widerspricht, und bitte Dich flehentlich um die Gnade, ergeben in Christo zu sein für alles, was kommen kann. Laß mich allezeit denken, daß Uebel kommen kann, und mich und die Meinigen Deiner Hand befehlen; nimm mir aber die kindische, thörichte Furcht vor den unbekannten Uebeln allen, die da kommen können oder auch nicht. Laß mich zufrieden sein mit dem, das da ist, und für den andern Morgen nicht sorgen, der für das Seine sorgen mag; „es ist genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe.“ Es ist kein Mensch, der nicht neben den guten auch böse Tage hätte: warum sollte ich verschont werden? Auch die bösen sind gut und müssen den Deinen zum Besten dienen: warum sollte ich ihnen ausweichen wollen? Die guten und die bösen Tage vergehen, aber es kommt doch nach allen die Ruhe, die noch vorhanden ist dem Volke Gottes. Wir werden im Glück und Unglück nicht| ansäßig werden; aber der HErr hat uns feste Wohnungen und stolze Ruhe im Himmel bereitet, und ist in keines Menschen Herz gekommen, was der Kinder Gottes in der ewigen Seligkeit wartet. Also vorwärts, Seele, und Du mit mir, mein Gott! Ich befehle meinen Geist und Leib, so wie Leiber und Seelen der Meinigen in Deine Hände. Dir sei alles befohlen; mir aber sei furchtloser Friede, Vertrauen ohne Bangen gegeben von Deiner guten Hand, der Bote bringe mir etwas oder nichts, Gutes oder Böses, nach Deinem Willen. Ich sage Dir auch hiemit aus der Tiefe meines Herzens zum voraus Dank für alles, was kommen kann, und weiß, daß im Lichte der Ewigkeit auch alles, gerade wie Du es schicken wirst, des höchsten Dankes und Preißes würdig sein wird. Preiß sei Dir schon jetzt in der Höhe! Amen.




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25.
Wenn eine traurige Botschaft gekommen ist.
Weil denn nun mein armes Herz nach Deinem Willen mit trauriger Botschaft heimgesucht ist, o mein allerliebster Vater; so lege ich mich hiemit schweigend und anbetend vor Dir in den Staub und erleide die Schläge die Du mir gibst, als ein gehorsam Kind. Meine Seele murre nicht wider deine Gedanken und Wege, und betrübe nicht durch den Unglauben und durch Mistrauen in Deine gnädige Absicht Deinen Geist. Ob mich Dein Angesicht fremde däucht, will ich ihm doch desto anbetender und vertrauender ins Auge schauen, und nicht zweifeln, daß ich bald den Blick Deiner Liebe und deine weise, väterliche Meinung finden werde. Mir ist eine Aufgabe geworden, die ich wie ein Schulkind dem himmlischen Lehrer zu leisten habe: die laß mich auch leisten, mein HErr| und mein Gott, daß Du an mir geprießen werdest, und ich an Dir. Das Kreuz sei von mir ergriffen, wie mein Heiland das Seinige ergriffen hat. Ja, laß michs faßen mit beiden Händen und JEsu nachsprechen: „Deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne.“ Wenn ich es auf meine Schulter nehme, ja an mein Herz drücke; so laß michs inne werden, daß eine verborgene Kraft in ihm ist, und daß Du denen mit himmlischer Stärkung nahest, welche es willig nehmen. O erhebe meinen Muth und Sinn also, daß ich Dich rühmen und preißen kann unter meiner Last. Was es auch sei, das Du mir auflegst, das laß mich vertrauensvoll faßen, und nicht erschrecken, Deinen Kelch zu trinken bis auf den Boden, der keinen Satz hat, sondern fröhlich macht alle, die es mit ihm wagen. O mein Gott, hilf mir, daß ich glaube, gehorche, trage, mich gedulde und endlich Deine Herrlichkeit sehe. Amen.




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26.
Heimkehr.
O HErr, nun wendet sich mein Weg zurück zu der irdischen Heimath, und bald kann alle Mühsal meiner Reise hinter mir liegen. Nun lösen sich meine Gedanken von allem, was die Fremde brachte, von aller Mannigfaltigkeit der sinnlichen, wechselnden Kreatur, und bereiten sich, wieder in die enge Bahn des Berufes und häuslichen Lebens einzulenken. So hilf mir nun wieder zur Freudigkeit, die mir beschiedene tägliche Last und Arbeit zu ergreifen. Wie schwer trennt man sich oft beim Anfang einer Reise vom Beruf, wie mühselig ist oft das Reisen selbst, – und dennoch ist die Seele auch wieder nicht leicht bereit, aufs neue zu Axt und Pflug der Heimath zu greifen. Die Fremde wird nicht geliebt, auch die Heimath oft nicht gesucht, vielmehr gefürchtet.| So gibt es dann einen wehevollen Wechsel in der trägen unlustigen Seele, und die Heimkehr wird getrübt, wie der Abschied. Dies Wehe wollest Du mir ersparen durch ein gottergebenes Herz, welches alles annimmt, wie Du es fügest. Manche sind in die Fremde verliebt und gehen in die Heimath zurück, wie in einen Kerker: vor beidem wollest Du mich auch behüten, mein Gott, und mir Lust und Liebe zu meiner Heimath stärken. Manche beben vor Lust zur Heimath und eilen zu ihr, wie in ein Paradies, suchen in ihr die volle Genüge, welche sie so wenig geben kann, als die Fremde; sie werden also von falscher Begier getrieben, um abermals enttäuscht zu werden. Auch das nicht, lieber Vater, wollest Du mir laßen oder geben. Gib mir lieber ein freudig Herz, aus der Fremde in die Heimath zu gehen, nach Deinem Willen, und laß mich fröhlich singen: „Geh an Dein Werk mit Freuden, zu dem Dich Gott bescheiden in Dein Beruf und Stand.“ – Wohlan, heimwärts, heimwärts! An Deiner Hand heimwärts, und heim und lieb sei mir der Ort, den mir Deine Hand auf Erden zum bleibenden Aufenthalt gegeben hat. Segne meinen Eingang, meinen Heimgang.| Gib meiner Seele Freude und Freudigkeit, meinem Leibe die nöthige Kraft. Schenke mir herzliche Liebe zu den Meinigen und ihr freundliches Entgegenkommen, und vereinige uns von nun an aufs neue zur innigen Gemeinschaft des Lebens und des Gebetes. Der Gott meiner Heimath sei geprießen! Er führe mich in die irdische Heimath zurück, und von ihr aus fröhlich in die ewige Heimath. Amen.




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27.
Ankunft.
Hier bin ich nun wieder auf heimatlicher Flur. Ich ziehe ein in die gewohnte Umgebung. Der Thurm, den ich sehe, deutet mir den Altar, an dem die Schwalbe ihr Nest gefunden. Wie die heimathkundige Biene in ihren Bau, so kehre ich nun wieder zu meiner Arbeit und meinem Berufe, den ich, o HErr, unter Deinen Augen führe, und dessen Früchte ich Dir zum Opfer auf Deinem Altare niederlege. Gelobet sei der HErr, der mir seinen Engel gesandt hat, daß ich ausgehen konnte, und wieder eingehen kann. Der HErr, der meinen Ausgang gesegnet hat, segne auch meinen Eingang; sein Geist erfülle mein Herz mit Liebe zu allem, was mein ist, mit Lust zu meiner Arbeit, mit Muth und Stärke, mit Weisheit und Beständigkeit. Sein Segen ziehe mit mir ein, daß mir gelinge, was ich in| seinem heiligen Namen thue. Sein Wort erleuchte und heilige mich, daß ich die Sünde meide und seinen Willen thue. Er erlöse mich von der alten sündigen Art, mit welcher ich allen den Meinen beschwerlich geworden bin, und schenke mir eine neue, heilige Weise, so zu sein und zu leben, daß es den Meinigen leicht wird, meine Last zu tragen und Liebe gegen mich zu üben. O HErr, mein Gott, meine Heimkehr sei Bekehrung von meinen Sünden. Laß mich das Sündenkleid ausziehen, und anziehen den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit. Laß mich fortan im Geiste leben und im Geiste wandeln. – O HErr, mein Gott, verzeihe mir auch alle meine Reisesünden, wasche meine dickbestaubten und schmutzigen Füße, und reinige mein Gewißen durch den Glauben an Dein Evangelium. Bußfertig und gläubig laß mich ein neues Leben beginnen, der ewigen Heimath auf schmalem Wege entgegen ringen. O HErr, erhöre mich, und sei mir gnädig, daß ich von nun an kann, was ich soll, und soll, was ich kann. Amen.




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28.
Dankgebet.
HErr, mein Gott, ich erscheine hiemit in Deinem Hause und vor Deinem Angesichte und bringe Dir nach vollbrachter Reise und glücklicher Heimkehr schuldigen Dank für alle Barmherzigkeit, die du mir erwiesen hast. Wie der heimkehrende Jakob bekenne ich aus der Tiefe meiner Seele, daß ich nicht werth bin aller Barmherzigkeit und Treue, die Du an mir gethan hast. Unter allen Menschen, die mir auf meiner Reise begegneten, sah ich keinen öfter als mich selbst, und sah ihn niemals anders, als eingehüllt in die Unzier seiner Sünde. Es ist mir nicht eine Mühe, sondern ein Drang der tiefsten Erkenntnis, zu bekennen, daß alle Güte, die Du mir erwiesen hast, mir nicht geschehen ist um meiner Gerechtigkeit willen, die ich hätte, sondern aus lauterem Erbarmen in Christo JEsu. Demselbigen, meinem| Erlöser, und Deiner göttlichen Freude an Ihm und Liebe zu Ihm verdanke ich alles, jeden, jeden Segen, den Du mir von meinem Ausgang bis zu meiner Heimkehr geschenkt hast. Soll ich sie aufzählen, alle die Wohlthaten, die Du mir an Leib und Seele erwiesen hast, während der ganzen Zeit meiner Reise? Was ich weiß, ist viel, aber wie viel weiß ich nicht! Wie oft merkte ich Deine Hand nicht, und nicht den Dienst Deiner Engel, die mir aufwarteten, mir Staub und Sünder, als wäre ich ein hochgeborener Fürst in Deinem Reich! O, ich armer, blinder Pilgrim verberge mein Angesicht in Deinem Schooße, und mein armes Bekenntnis des Dankes geschieht zugleich mit dem innigen Bekenntnis meiner Unzulänglichkeit auch zu dem süßen Geschäfte des Dankes. Dennoch aber ist es von Grund meiner Seele gesprochen, wenn ich sage: „Ich danke Dir, mein Führer, mein Regierer, mein guter Hirte.“ Mein Dank nehme nicht ab. Die Ursachen des Dankes, die sich mit jedem Augenblicke mehrten und mehren, werden meinen Dank nähren, so lange ich lebe. Es wird eine Zeit kommen, da werden meine Psalmen rauschen, und meine Danklieder mächtig ertönen. Das wird die| Herrlichkeit der ewigen Zeit sein, daß ich danken und loben kann, daß ich in dies süßeste aller Geschäfte hinein wachse, und darin groß werde. Dort werde ich sehen, – die Menge, die Größe, die Länge, die Breite und Tiefe des Meeres, des lauteren, Deiner Güte und Barmherzigkeit wird sich mir öffnen, und ich werde aus der Tiefe meiner Gott verlobten, seligen Seele, mit den neuen Sinnen der Ewigkeit alles thun und reden, – danken werde ich also, daß ich meines Dankes selber froher, und durch ihn befriedigter, und doch niemals satt und matt werde. O HErr, zu allen Deinen Wohlthaten füge mir diese ewige Seligkeit, und laß mich Deinen Priester werden, Dir ewiglich zu danken. Einstweilen aber neige ich mich vor Dir tief in den Staub, und spreche, heimgekehrt von meiner Reise, zu dir: Ich danke Dir, mein Gott! Amen. Es ist gewißlich wahr.
Amen.





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