Gemein-Nachrichten 1765,1

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Titel: Gemein-Nachrichten 1765,1
Untertitel: erschienen in der Reihe: Gemein-Nachrichten der Herrnhuter Brüdergemeine
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Herausgeber: Herrnhuter Brüdergemeine
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Erscheinungsdatum: 1765
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Erscheinungsort: Herrnhut
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[1]
Der
Gemein-Nachrichten
1765.
Erster Theil,
die merkwürdigsten
historischen Umstände
enthaltend.

Erste Woche

I.

Nachdem das neue Jahr in der Nachtwache in einer herzzerschmelzenden Nähe Jesu und mit einem gläubigen und lieblichen Blick auf unsern künftigen Gang angefangen worden; so regte sich in der ganzen Gemeine und insonderheit in den Herzen der Diener der Kirche in den ersten Stunden dieses Jahrs [2] ein freudiger Geist u. die selige Hofnung, daß wir sollen werden Seine ganze Freud.

Die Gemein-Nachrichten werden nun nach der Anweisung unsers lieben HErrn im Synodo in 2 Theile getheilt, davon der erste die merkwürdigsten historischen Umstände, nebst den dazu gehörigen Beylagen, u. der andre die Gemein- u. Chor-Reden, die den Gemeinen zu communiciren sind, enthalten wird.

♂ d. 1tn Januarii

Vormittag um 10 Uhr hielt Bruder Joseph eine Gemein-Versammlung über die Loosung u. den Lehr-Text, in welcher auch die Kinder zugegen waren.

Nachmittag waren Chor-Versammlungen. Ein jeder Reigen Seiner Kirche prosternirte sich vor unserm HErrn u. weyhete sich Ihm auf die künftigen Stunden, unter Bruder Leonhards Gebet, der auch vorher jedem Chor eine Rede hielt.

In der Abend-Versammlung wurde zuerst aus dem Fest-Psalm vom lezten 13tn Nov. vom Chore gesungen: Wer sich rühmen will, [3] der rühme sich des HErrn u. s. f.

Hierauf sang Bruder Johannes die Tages-Texte, u. der Chorus stimmte dazu an: Wie bin ich doch so herzlich froh, daß Hofnung ist, ich werde so, wie ich Ihm kan gefallen pp. und die Gemeine sang weiter: Wenn ich daran denke, so vergehet mir Furcht u. Angst u. alles p. Amen, theures Amen – Mann von wahren Worten u. mein Bräutigam p. Hör, was die Würmlein sagen – u. was ihr Herz verspricht: Wir woll'n beym Creuze bleiben p. und zum Schluß: O Mutter heilger Geist – ach daß an unsrer Stirn u. Aug u. Brust erscheine p. Ein wahrer Christus-Sinn – von früh bis in die Nacht /:Pacem:/ in einer Gottesfreud.

☿ d. 2tn Jan.

Reisten Geschwister Mahlers nach Neuwied ab, u. mit ihnen die Schwester Soph. Andersin als Arbeiterin der ledigen Schwestern nach Marienborn.

Heute hatte das Directorium seine erste Conferenz in diesem Jahre. Die Loosung war die vom 14tn Aug. vorigen Jahres, an welchem Tage das Directorium vom Heyland constituirt wurde.

[4]
♃ d. 3tn Jan.

hatte das Syndicat seine erste Conferenz in diesem Jahre. Siehe die heutige Loosung.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redte Bruder Johannes über die heutigen Texte.

♀ d. 4tn Jan.

hatte das Vorsteher-Collegium seine erste Zusammenkunft in diesem Jahre mit der schönen Loosung: Bis Dein Volk hindurch komme p. Zeig uns Deine Barmherzigkeit, wie unsre Hofnung zu Dir steht.

Bruder Sack, der etliche Wochen zum Besuch hier gewesen, retournirte nach Königsberg.

♄ d. 5tn Jan.

Abends begaben sich die Brüder Johannes, Joseph, Layriz und Jonas Paulus nach Hennersdorf, wo die Anstalt in Cathrinenhof in Hinsicht auf ihre baldige Vertheilung zuerst ein gesegnetes Liebesmahl hatte, wobey die während ihres 15-jährigen Aufenthalts daselbst vorgekommenen wichtigsten Umstände u. Veränderungen dankbarlich recapitulirt wurden.

[5] Nachher hielt Johannes dem ganzen Haus-Gemeinlein eine gesalbte Rede über die heutige Loosung vom Bund machen, dankte sodann dem Heyland in einem Gebet auf den Knien für alle der Anstalt in diesem Hause erwiesene Gnade u. Nähe, u. empfahl Seinem Segen alle bisherige Einwohner an ihren künftigen Orten. Es waltete dabey eine selige Gnade u. floßen gar viele Thränen.

Zulezt kamen die sämtlichen dasigen Abendmahls-Geschwister noch zusammen. Bruder Johannes dankte denen, die bey der Anstalt gedienet, für die an die Kinder gewendete Treue. Sodann wurde zur Danksagung für alles Gute, das unser lieber HErr dieser Anstalt die Jahre her widerfahren laßen, u. zu neuer Treue in dem, was Er einem jeden nun auftragen werde, der Lobe- u. Verbindungs-Kelch gehalten.

In Herrnhuth hielt Bruder Leonhard die Beter-Versammlung über die heutige Loosung.

Aus Zeist bekamen wir diese Woche Nachricht, daß die Schwester Rupleberin, ehemalige Bubolzin am 25tn Dec. daselbst selig heimgegangen sey.

[6]
Auch fügen wir bey
Bruder Ettweins Brief an Bruder Joseph
d. d. Bethabara 1tn Oct. 1764.

Daß ich in Bethlehem grade zum Schluß des Synodi u. Bruder Petri Abreise angekommen bin, habe ich schon gemeldet. In Bethlehem hat mich mein lieber HErr zu meiner großen Beschämung Gnade bey den Geschwistern finden laßen, u. ich habe eine durchgängige Liebe gefühlt. Mein Aufenthalt u. meine Reise war meinem Herzen zum Segen. Wir kamen am 23tn Jun. wieder nach Bethabara zurück, wo wir alles wohl angetroffen. Es war hier ein heißer Sommer, und wir hatten eine gute, aber nicht große Erndte, weil nur 50 Acker eingesäet worden waren. Es haben wieder viele von uns das Fieber gehabt; die meisten aber sind leicht u. bald durchgekommen. Nur der Bruder Abraham Bleß ist am 15tn Aug. am Friesel[WS 1] selig heimgegangen. Bruder Graff lag auch wieder sehr hart darnieder u. war nahe am heimgehen, sonderlich an dem Tag, da der Text hieß: „Wer ein Amt hat, der warte des Amts“, welchen ich ihm vorhielt; u. nun [7] hoffe ich kindlich, daß der liebe Heyland ihn noch bey uns laßen wird; er ist wirklich schon beßer. In Bethanien ist alles gesund geblieben. Von Pennsylvanien haben wir d. 28tn Sept. die Intimation des General-Synodi erhalten. Bruder Marschall u. Frommelt gedachten zu Anfang Octobris von Bethlehem abzureisen, um uns zu besuchen. In Ansehung der Indianer ist hier alles ruhig u. stille. Die Cherokeesen wollen Friede halten u. sind freundlich. Die Creeks u. Catawas haben die Blattern u. sterben sehr. Bruder Gammern und Lösch waren vorige Woche in Salisbury bey der General-Court. Ersterer hat dem obersten Richter die vidimirte[WS 2] Copien von den Deeds[WS 3] der Wachau praesentirt, u. er hat geordnet, sie zu registriren; es ist also nun auch diese Sache in Richtigkeit. Ich empfehle mich u. alles in der Wachau eurer Liebe p.


[8]
Die IIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Epiphanias d. 6tn Jan.

als am Heyden-Feste versammlete sich die Gemeine Vormittag um 9 Uhr. Es wurde zuerst gesungen: Deine heilige Blut-Taufe zünde hin durch Gottes Erdboden; und darauf aus der Gemein-Litaney gebetet: Du aller Heyden Trost! halt über Deinen Boten zu Land u. See – – Segne unsre liebe Gemeinen aus den Heyden, in Grönland, Nord- u. Süd-America u. in den West-Indischen Inseln. – Wie Du diese Neger u. Wilden besuchet hast, so suche auch heim alle übrige Heyden, sonderlich in Ost-Indien, in Africa, in Barbados, an der Cap u. an der Rußischen Grenze. Erhöre uns, lieber HErre Gott! worauf die Gemeine sang: O könten wir in künftger Frist – alle Lande zur Jüngerschaft – reizen p. Sodann brachte Bruder Johannes den heutigen Tag in Erinnerung, als einen Tag der Freude, des Gebets u. der Thränen: [9] der Freude, daß so wol wir, die wir meistentheils, so viel wir wißen, von heydnischen Vorfahren abstammen, als auch besonders diejenigen Heyden, an denen Er unser Zeugniß von Seiner Versöhnung gesegnet hat, Ihn als den Heyland der Heyden erkannt haben, u. da sie ehedem fremde vom Testamente der Verheißung waren, nun mit uns an Jesu Wunden weiden: und ein Tag des Gebets u. der Thränen, daß Er die uns verliehene Gnade, Seine Zeugen u. Boten zu seyn u. das Evangelium unter die Nationen der Erde zu tragen, uns erhalten, u. daß Er nicht nur die Geschwister, die sich am Werke des HErrn unter den Heyden befinden, der Sünde u. aller Noth der Erden zusiegeln u. ihnen Glück u. Segen geben, sondern auch unsere Geschwister aus den Heyden, die den Nachstellungen des Satans besonders ausgesezt sind, in Seinen Schutz nehmen wolle, damit der Feind ihnen nichts anhaben könne.

Hierauf wurden Vor- u. Nachmittag bis auf den Abend die Diaria von NeuHerrnhuth u. Lichtenfels u. St. Thomas, wie sie in der Beylage [10] zur 47tn Woche 1764 sub No XVI. enthalten sind, zu herzlicher Theilnehmung der Geschwister communicirt.

Nachmittag um 1 Uhr wurde mit 20 Brüdern, die ihre künftige Posten (meist unter den Heyden) bereits wißen, u. 10, die der Heyland auf ihr Anerbieten als Candidaten darzu ernennet hat, ein reales u. gesegnetes Liebesmahl gehalten.

Gegen Abend kam Louis v. Schrautenbach von Lindheim hier an.

In der Gemein-Versammlung redete Bruder Leonhard zuerst über das kündlich große Geheimniß, das, nach dem heutigen Texte, auch den Heyden geprediget wird, u. empfahl darauf in einem herzlichen Gebet auf den Cnien unsere Gemeinen aus den Heyden u. die ganze Missions-Sache unserm lieben HErrn zu fernerer Gnade, und daß Er uns die Beylage u. das Kleinod, Seinen Namen unter den Heyden bekannt zu machen, bis ans Ende der Tage erhalten wolle.

Zum Abendsegen wurde gesungen: Stärck uns mit Deinem Freuden-Geist pp.

[11]
☽ d. 7tn Jan.

Reisten 20 Kinder von Cathrinenhof u. mit ihnen die Brüder Bell, Steg, Schubart, Zander u. Bugge nach Gnadenbergel ab. Die Brüder Layriz, Saalwaechter u. Westmann begleiteten sie dahin.

♂ d. 8tn Jan.

Fing Bruder Johannes an, die Knaben zu ihrem bevorstehenden Chor-Feste zu sprechen.

♃ d. 10tn Jan.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redte Bruder Johannes über den gestrigen u. heutigen Lehr-Text: „Das ist je gewißlich wahr – daß Jesus Christus kommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen, unter welchen ich der vornehmste bin. Darum ist mir auch Barmherzigkeit widerfahren“ pp. mit besonderem Gefühl des Herzens u. unter manchen Thränen der Geschwister.

♀ d. 11tn Jan.

retournirten von Gnadenbergel die Brüder Layriz u. Saalwaechter. Mit ihnen kamen von daher Geschwister Schmidts auf ihrem Wege nach Ebersdorf.

[12]
♄ d. 12tn Jan.

Nachmittag um 3 Uhr wurde das den Geschwistern Schmidts (Uhrmacher) gestern geborne Söhnlein Johann Heinrich in Beyseyn der ganzen Gemeine von Bruder Reichel getauft.

Nach den Communion-Agapen in den Chören war die Absolution, nach welcher 4 Brüder u. 2 Schwestern zum ersten Genuß des heiligen Sacraments mit der Gemeine durch Handauflegung confirmirt wurden, welches hier der erste Actus von der Art nach dem Synodo war.

Gegen 9 Uhr beging die Gemeine das heilige Abendmahl zum erstenmal in diesem Jahre aufs allerseligste.


[13]
Die IIIte Woche. 1765.

I.
Am ersten Sonntage post Epiphan. d. 13tn Januar.

war früh um 8 Uhr die Amts-Communion u. Abendmahls-Liturgie.

Nach derselben hatten die Knaben u. Jünglinge, die heute ihr Chor-Fest begehen u. sich dazu in ihrem Fest-Morgensegen dem Heyland u. Seiner Gnade empfohlen hatten, ihre Classen. Darauf war nach einer kurzen Rede des Bruders Johannis die Aufnahme folgender 12 Knaben unter die Jünglinge: Gottlob Brezel, Christ. Thiel, Christ. Friedrich Denter, Joh. Friedrich Jaeschke, Christ. Gottfried Winkler, Matth. Gewinn, Christ. Friedrich Fockel, Georg Heinrich Pfenniger, Joh. Hartmann, Joh. Bernike, Joh. Ludwig Schnepf u. Joh. Guts.

Nachmittag um 1 Uhr wurden nach einer Rede von Bruder Johannes über den heutigen Text, 8 Kinder ins Knaben-Chor aufgenommen, nemlich [14] Pet. Schüz u. Christian Müller von hier, u. Christ. Friedrich Bubolz, Christ. Friedrich Neisser, Joh. Leonhard Gammern, Jos. Jacob David, Benjamin Nitschmann u. Paul Hansen aus Cathrinenhof.

Um 3 Uhr waren ihre Fest-Agapen, die mit biblischen Gesängen in Application auf dieses Chor u. untermengten Choralen lieblich unterhalten wurden. Nachher erinnerte man sich der Veränderungen, die seit einem Jahre in diesem Chore vorgefallen sind.

Am Brüder-Feste kamen 15 Jünglinge unter die Brüder. Zur Aufnahme in die Gemeine sind 10 Knaben u. 2 Jünglinge, u. 8 Knaben u. ein Jüngling zum erstenmal zum heiligen Abendmahl gelangt. Aus andern Gemeinen u. Orten sind 14 hieher gekommen; dagegen hat das hiesige Chor 7 an andere Orte abgegeben. Das ganze Chor besteht gegenwärtig aus 23 Jünglingen u. 46 Knaben. Summa 69.

Hierauf wurden ihnen nach einer kurzen Anrede u. dem herzlichen Wunsch, daß, da ihnen heute die heilige Schrift gegeben werde, ihnen solches zum wahren Segen gereichen u. sie den [15] rechten Gebrauch davon machen möchten, unter folgendem Gesang sämtlichen Knaben u. Jünglingen Bibeln ausgetheilt: Woll'n immer selger Dich verstehn, in Dein'm Erkenntniß wachsen gehn p. Du werthes Licht! gib uns Deinen Schein, lehr uns Jesum Christum erkennen allein p. Denn in der Bibel ist um u. um Christus der Lehre ihr Punct u. Summ p. O Geist, der Jesum preist in seiner ganzen Bibel p. Laßet das Wort Christi reichlich unter euch wohnen, in aller Weisheit p. Hör, was die Würmlein sagen – Wir woll'n beym Creuze bleiben p.

Die Gemein-Versammlung hielt Bruder Leonhard über die Loosung u. die Liturgie war mit dem Te Patrem, worauf Johannes den Knaben zum Beschluß ihres Festes eine nähere Einleitung zum rechten Gebrauch der heiligen Schrift gab u. ihren Abendsegen hielt.

☽ d. 14tn Jan.

Früh reiste Bruder Hocker auf seinen Posten nach Zeist ab, u. mit ihm Bruder Schwarz nach Klein-Welke, wo er der Gemeine als Chirurgus dienen wird.

[16] Die zum heutigen Gemein-Tage gehörige Nachrichten befinden sich in der ersten Beylage zu den Wochen dieses Jahres, u. enthalten:

I.) Diaria aus den deutschen Gemeinen mensis Nov. 64. nebst den Memorabilibus des Kirchen-Jahres 1764.

II.) Aus den Carybischen Inseln.

1.) Diarium von Neu-Herrnhuth in St Thomas Oct. – Dec. 63.
2.) Diarium von Friedensthal in St Crux Nov. u. Dec. 63.
3.) Diarium von Bethanien in St Jan Oct. – Dec. 63.
4.) Reise-Diarium der Brüder Bröndum u. Brandt nach St Thomas.

III.) Aus Grönland.

Diarium von Neu-Herrnhuth Jul. u. Aug. 64. nebst etlichen Briefen von Grönländischen Geschwistern.

IV.) Diarium des Gemeinleins in Asien bey Trankenbar Jan. u. Febr. 64.

V.) Nachrichten aus der Oberlausizischen Diaspora vom 1tn Jan. bis Ostern 64.

Abends um 7 Uhr war die Versammlung der Abendmahls-Geschwister, in welcher die Gemeintags-Pericope, wie folget, besungen wurde:

[17] Im Anfang war das Wort, u. das Wort war bey Gott, u. Gott war das Wort p.

O Vater der Natur, Mittler der Creatur, Jehovah Zebaoth p.

Ohne daßelbige ist nichts gemacht, was gemacht ist p.

Du hast durch Deine Schöpfers-Kraft die Himmel u. die Erd' geschafft p.

In Ihm war das Leben, u. das Leben war das Licht der Menschen.

Leben derer, die verloren, u. ihr Licht dazu, Jesu! süße Ruh!

Das Licht scheinet in der Finsterniß.

Das ewige Licht – gibt der Welt einen neuen Schein p.

Und die Finsterniß haben es nicht begriffen.

Du allerliebstes Herz! was Schmerz geht – durch Mark u. Bein p.

Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet pp.

Und wenn wir den Strahl erblikken einmal – das macht unser Herze vor Liebe erhizt.

Die Welt kannte es nicht.

Wenn doch der ganze Menschen-Stand sich Jesu möcht' ergeben p.

Er kam in Sein Eigenthum, u. die Seinen [18] nahmen Ihn nicht auf.

Den noch Sein Volk verleugnet, ist mein u. meiner Brüder Haupt p.

Wie viel Ihn aber aufnahmen, denen gab Er Macht, Kinder Gottes zu werden p.

Wenn wir tausendmal Seine heilge Füße – küßen für die Gnadenwahl, ists noch nicht mit ausgericht't p.

Welche – von Gott geboren sind.

Sind durch Jesum zu Ihm versöhnte Sünder – Brüder des Lamms.

Das Wort ward Fleisch u. wohnete unter uns.

Unschuldigs Gottes-Lamm p.

Und wir sahen Seine Herrlichkeit – voller Gnade u. Wahrheit.

Du Freude Deiner Freunde, du gnadenvolle Mien' p.

Johannes zeugte von Ihm – Er war ehe denn ich.

Und fuhre aus der Ewigkeit in diese abgemeßne Zeit.

Von Seiner Fülle haben wir – Gnade um Gnade.

Wir die Armen – durchs Erbarmen aber selige p.

– Die Gnade u. Wahrheit ist durch [19] Jesum Christum worden.

Wir wollen Gott loben, der uns auf diese Zeit aufgehoben, da man was hat.

– Der in des Vaters Schooß ist, hat es uns verkündiget.

Der Du Alles in Allem bist – laß uns, wer Dein Vater ist, Dir in Augen lesen.

Hierauf wurde der Gemeine bekannt gemacht, daß heute der Bruder Matth. Christian Knuzen von Barby u. die Schwester Johanna Elis. Mensin, Emmanuel Lindemeyer u. Theodore Vierorthin u. Joh. Gottlieb Rösler u. Anna Engel Doberin zur Ehe versprochen worden, u. ihnen gesungen: Es segne sie Gott unser Gott p.

In der Gemeinstunde um 9 Uhr, darinn Bruder Johannes über die gestrige u. heutige Loosung redete, wurden 3 ledige Brüder u. 2 Knaben aufgenommen u. in einem herzlichen Gebet dem Heyland ans Herz gelegt, u. Ihm die Gemeine, alle Zeugen u. Boten u. die Diaspora zu Gnaden empfohlen.

♂ d. 15tn Jan.

Reisete die Schwester Juliane Marchin, welche vom Heyland zur Pflegerin [20] des ledigen Schwestern-Chores in Gnadenfrey ernennet worden, unter Begleitung der Schwestern Caritas u. Anne Rosel dahin ab. Auch gingen die Brüder Bruiningk, Dehne u. Christian Schmidt zum Besuch nach Schlesien.

Nach der Liturgie redete Bruder Schmid über die heutige Loosung.

☿ d. 16tn Jan.

Heute so wol als gestern gab uns der Heyland die nöthige Anweisung über der Mission nach Terra Labrador. Vors erste wird auf eine nähere Recognoscirungs-Reise angetragen, dazu die Brüder Jens Haven, John Hill, Christian Drachart u. Christian Andreas Schlözer ernennt worden sind.

Pastor Anders zog heute von Hermsdorf hieher.

♃ d. 17tn Jan.

reisten 15 Kinder u. 10 Knaben von Cathrinenhof nach Niesky; erstere mit den Brüdern Hildebrand u. Würgatsch in die Orts-Anstalt u. leztere mit den Brüdern Davidson u. Seidliz ins Paedagogium. Bruder Layriz ging zu ihrer Einrichtung mit hin.

[21]
♀ d. 18tn Jan.

folgten ihnen die Brüder Johannes, Joseph u. Petrus zur Nachfeyer des Knaben-Festes. Daselbst /: in Niesky :/ ging an eben dem Tage die Schwester Harkin, geb. Messaroschin, selig heim.

Die dasigen 33 Knäbgen u. 22 Mädgen hatten ♄ d. 19tn Jan. ein vergnügtes Liebesmahl, u. Abends wurden ihnen u. den Knaben und Jünglingen im Paedagogio in Gegenwart der ganzen Gemeine die Bibeln ausgetheilt.

In Herrnhuth so wol als Niesky wurde in der Beter-Versammlung erinnert, daß heute vor 31 Jahren die ersten Brüder von hier nach Grönland abgereist sind, die unser lieber HErr bey den gewiß schweren u. langwierigen Proben, die sie bey dieser ihrer Botschaft erfahren, auch viel Freude erleben u. das Heyl so vieler Grönländer sehen laßen, zu welchem Vorgang sich die heutige Loosung besonders paßt: „Sie gingen hin zu ihren Hütten frölich u. gutes Muths über alle dem Guten, das der HErr gethan hat.“ pp.

[22] Sonst sind diese Woche noch folgende Nachrichten eingelaufen:

1.) In New-York sind Geschwister Joseph Powels, Carl Schulze u. die Witwe Proskin aus Jamaica angekommen. Unser Bruder Levering aber ist daselbst auf seinem Neger-Posten heimgegangen. So ist auch

2.) die Schwester Gustel v. Tschiersky geb. v. Gersdorf in Gnadenfrey am 11tn Jan. bald nach der Geburt eines Töchterleins, das sich auch nicht lange über der Hütte sehnen dürfen, heimgerufen worden.

3.) haben Geschwister Christ. Schulzens ihren Ruf, an Geschwister Sam. Isles's Stelle nach Antigoa zu gehen, angenommen.


[23]
Die IVte Woche. 1765.

I.
Am 2tn Sonntage post Epiphanias
d. 20tn Januar.

wurde früh um 8 Uhr die Gemein-Litaney gebetet, und der Säugling Joh. Heinrich Schmidt und die in Gnadenfrey heimgegangene Schwester Augusta Erdmuth v. Tschiersky, geb. v. Gersdorf, namentlich eingeschloßen.

Bruder Leonhard hielt Nachmittag die Homilien aus Ehe-Chor und an die Witwer, und Abends die Gemein-Versammlung, worauf um 9 Uhr mit dem Te Matrem[WS 4] der Beschluß des Tages gemacht wurde.

In Niesky war die Nachfeyer des Knaben-Festes, wobey ein Kind unter die Knaben und 4 Knaben unter die Jünglinge aufgenommen wurden. Im Chorhause u. Paedagogio befinden sich dermalen zusammen 75 Knaben u. Jünglinge.

☽ d. 21tn Jan.

reisten Geschwister Schmidts ihrem Ruf zu folge nach Ebersdorf ab.

[24]
♂ d. 22tn Jan.

hielt Bruder Leonhard Abends in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister eine Rede über die Loosung.

Die Brüder Johannes, Joseph u. Petrus retournirten von Niesky.

☿ d. 23tn Jan.

war die Trauung des Bruders Knuzens mit der Schwester Mensin, Bruder Lindemeyers mit der Schwester Theod. Vierorthin u. Bruder Röslers mit der Schwester Anna Engel Doberin, welche nach einer Rede des Bruders Johannis von den Brüdern Petrus, Layriz u. Reichel unter der gewöhnlichen Liturgie verrichtet wurde.

Gegen 9 Uhr war die Chor-Versammlung der ledigen Brüder, darinnen ihnen Bruder Leonhard eine eindrückliche Rede über die Loosung hielt; u. in der Singstunde erfolgte die Abfertigung der morgen abreisenden Geschwister. Bruder Johannes las zuerst die Loosung: „Vielleicht wird der HErr etwas durch uns ausrichten. Stärk uns mit Deinem Freuden-Geist, salb uns mit Deinen Wunden“, u. sagte darauf:

[25] Es ist die seligste Situation eines Dieners u. einer Dienerin Jesu Christi u. Seiner Gemeine, wenn sie sünderhaft u. klein von sich denken, aber auch zu allem da sind, wozu sie der Heyland brauchen will, u. aus Seiner Hand annehmen, was Er ihnen dazu gibt. Er läßt so einen Bruder oder Schwester gewiß nicht zu Schanden werden, sondern steht ihnen kräftig bey, weil Seine Kraft in den Schwachen mächtig ist. Richtet man denn etwas für Ihn aus, so dankt man es Ihm u. bittet Ihn nur, daß Er einen immerfort mit Seinem Freuden-Geist stärken u. mit Seinen Wunden salben wolle. Das bitten wir insonderheit den Geschwistern aus, die morgen von uns auf ihre Posten reisen, Geschwister Friedrich Schmidts, die nach Pennsylvanien bestimmt sind; Geschwister Bürge Piehls, die nach Haerlem als Anachoreten kommen, u. Bruder Babelingh, der nach Amsterdam geht, der Gemeine im innern u. äußern zu dienen, u. ein Gehülfe am dasigen Werke Gottes zu seyn. Unser HErr soll sie zu ihrem künftigen [26] Posten segnen, u. der Friede u. das Gebet der Gemeine soll sie, wo sie sich befinden, unterstützen. Die Gemeine sang hierauf: Gib ihnen muntre Kehlen; die Wunder zu erzehlen, die Deine Treue thut p. Ein Ohr, das Gnade höret p. Bleib Du nur ihr gewogner Fürst, so werden sie Dir dienen p. Ach auserwehlter Heyland – Du willst nun, daß wir bleiben u. Deine Sache treiben p. Und wo man hinkommt auf dieser Welt, da findet man Acker von's Heylands Feld p. Wir woll'n, u. was wir woll'n, das geht p. Laß uns in der blutgen Gnade rein gewaschen vor Dir stehn p. Kräft'ge Wunden Jesu – blut't uns aufs Herze, so werd'n wir muthig p. Stärk uns mit Deinem Freuden-Geist p. So sollen die Unmündigen den Tod des HErrn verkündigen p. Hör was die Würmlein sagen – wir woll'n beym Creuze bleiben p.

♃ d. 24tn Jan.

Früh traten diese Geschwister ihre Reise nach Holland über Barby an.

Nachmittag gegen 2 Uhr kamen die 17 noch übrige Kinder in Cathrinenhof [27] mit den Brüdern Petersen, Hafner u. Stiedemann, ingleichen die Brüder Strack u. Krügelstein von Hennersdorf hieher. Es wurden die Kinder von der hiesigen Knäbgen-Anstalt eingeholt u. im herrschaftlichen Garten unter Posaunen-Schall empfangen, worauf ihnen ihre Wohnungen im Anstalts-Hause angewiesen wurden.

Von Gnadenthal kam heute Bruder Hofmann zum Besuch an.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Johannes über die Loosung u. vor der Singstunde hielt Bruder Leonhard den ledigen Schwestern ihre Homilie.

♀ d. 25tn Jan.

Abends hielt Bruder Leonhard den Witwen eine Chor-Rede über den heutigen Lehr-Text.

♄ d. 26tn Jan.

als an dem ersten Kinder-Gemein-Tage in diesem Jahre beteten die Kinder zuerst ihre Litaney, worauf ihnen in der folgenden Versammlung einige Personalien von heimgegangenen Kindern u. etwas aus den Grönländischen Nachrichten vorgelesen wurde. [28] Nachmittag hatten sie ihre Agapen, die mit einem lieblichen musicalischen Gesang unterhalten wurden.

Nach denselben hielt ihnen Johannes eine Homilie über die heutige Gemein- u. Kinder-Loosung, nach welcher das Mägdlein Hannel Gaertnerin unter dem bey der Aufnahme der Kinder gewöhnlichen Gesange durch den Friedens-Kuß zur Kinder-Gemeine hinzugethan, u. in einem herzlichen Gebet auſ dem Angesicht dieses Kind, die 17 von Cathrinenhof hieher gezogene Knäbgen u. die ganze Schaar der Unmündigen dem freundlichen Anblick u. der Gnade des Heylands empfohlen wurde.

Es zogen auch heute die Witwen u. ledigen Schwestern, die bisher bey der Anstalt in Cathrinenhof gedient haben, hieher in ihre Chorhäuser.

Von Barby kam Bruder Gerner bey uns an. Daselbst ist Bruder Scholler zum Directore Collegii u. Bruder Timaeus zum Schloß-Prediger ernennet worden, u. Geschwister Petschiens haben das Pfleger-Amt im Ehe-Chor übernommen.

Abends um 7 Uhr war die Beter-Versammlung, [29] in welcher Bruder Johannes über die Loosung redete, u. zum Schluß des Tages u. der Woche war der Abendsegen der Gemeine.

Uebrigens sind wir in dieser Woche mit angenehmen Briefen aus Petersburg u. Pennsylvanien erfreut worden. Nach den lezteren sind die Brüder Marschall u. Frommelt d. 8tn Oct. a. p. von Bethlehem nach der Wachau abgereiset. Eben dahin sind 12 Knaben u. Jünglinge abgegangen, unter Bruder Lorenz Bagens Begleitung, der daselbst den Bruder Gottlob Hofmann als ledigen Brüder-Pfleger ablöset, welcher an Bruder Bagens Stelle nach Litiz kommt. Bruder Eckesparre ist nach Bethlehem in Bruder David Zeisbergers jun. Stelle u. dieser an jenes Stelle nach Nazareth-Hall gekommen.


[30]
Die Vte Woche. 1765.

I.
Am 3tn Sonntage p. Epiph. d. 27tn Jan.

wurde in der Litaney der neu getrauten Paare, Geschwister Knuzens, Lindemeyers u. Röslers namentlich gedacht.

Die Nachmittags-Predigt hielt unser Bruder Anders, bisheriger Pastor in Hermsdorf, seitdem er auf erhaltenen Ruf zu uns gekommen, zum erstenmal.

Die Gemein-Versammlung hielt Bruder Johannes über die Loosung.

Im ledigen Brüder-Hause ging heute Bruder Leckebusch zum Heylande.

☽ d. 28tn Jan.

früh reisten Geschwister Saalwaechters u. Benzen nach Gnadenberg ab; erstrer zum Dienst der dortigen Gemeine u. Anstalten, u. lezterer wird mit Bruder Wille die Pflege der Knäbgen besorgen.

♂ d. 29tn Jan.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Petrus über die Loosung.

[31]
☿ d. 30tn Jan.

wurde vom Directorio u. dem Vorsteher-Collegio eine Committée[WS 5] wegen der Sustentations-Diaconie[WS 6] gehalten.

♃ d. 31tn Jan.

hielt Bruder Johannes die Versammlung der Abendmahls-Geschwister, mit einer herzlichen Rede über die Loosung.

♀ d. 1tn Februarii

retournirte Bruder Bruiningk mit seiner Gesellschaft aus Schlesien. Mit ihnen kam Bruder Laux von Gnadenberg, der zum Dienst der hiesigen Knäbgen-Anstalt bestimmt ist.

♄ d. 2tn Febr.

als an dem Tage Mariae Reinigung u. zugleich dem Fest-Tage der verwitweten Chöre, hatten sie früh ihren resp. Morgensegen.

In der Kinder-Stunde erzehlte Bruder Layriz den Kindern die Geschichte dieses Tages, u. redete nachher von der Gnade unsrer Zeit, da wir unsern ungesehenen HErrn u. Heyland eben so u. noch fühlbarer haben können, als zur Zeit, da Er auf Erden war.

Nachmittag nach 2 Uhr hatten die [32] beyden Chöre ihre Fest-Agapen, zu welchen sie aus den andern Chören verschiedene Geschwister invitirt hatten. Es praesentirten dabey der etl. u. 70jährige Bruder Hedelhöfer den Simeon, u. die etl. u. 90jährige Mutter Nitschmannin die Hannah.

Es war dazu folgender Fest-Psalm verfertiget worden:

Chorus. Wir warten Deiner Güte, o Gott, in Deinem Tempel.

Gemeine Auf Erd in christlicher Gemein, bis wir heimfahr'n und allzeit seyn bey Christo – Wo seit so viel tausend Jahren alle Gläub'gen hingefahren, die wie Simeon sich sehnten u. wie Hannah nach Ihm thränten.

Chorus Unsre Seele harret auf den HErrn; Er ist unsre Hülfe u. Schild. Unser Herz freuet sich Sein, u. wir trauen auf Seinen heiligen Namen. Deine Güte, HErr, sey über uns, wie wir auf Dich hoffen.

Gemeine Gönn uns hier schon in der Zeit Deine Nähe p.

Chorus So laß nun die Kraft des HErrn groß werden, wie Du gesagt [33] hast u. gesprochen: der HErr ist barmherzig u. gnädig u. geduldig u. von großer Gnad u. Treue p.

Gemeine Daß wir mögen werden Deine ganze Freud'.

Chorus Habe deine Lust an dem HErrn, Er wird dir geben, was dein Herz wünschet: denn Er ist treu.

Gemeine – Dein, o Jesu, bey mir seyn, nenn' ich meine Lust allein.

Chorus Der HErr ist mein Theil, spricht meine Seele. Ich halte Ihn u. will Ihn nicht laßen. Unter Seinen Flügeln ist Heyl. Und wenn wir nur Ihn haben u. Er unser Herz tröstet: so fragen wir nichts nach Himmel u. Erden u. halten uns zu dem, der uns gemacht u. durch Sein eigen Blut erworben hat.

Gemeine HErr, durch Dein Blutvergiessen laß uns Dein eigen seyn; so hab'n wir all's hienieden – erwart'n in stillem Frieden zu sehn Dein Antlitz klar.

Chorus Vor Dir ist Freude die Fülle u. liebliches Wesen zu deiner Rechten immer u. ewiglich.

Gemeine Deine Kranken am Siechen-Teich [34] komm'n alle ins gesunde Reich, wo sie Umarmungen beschäm'n, die nimmermehr kein Ende nehm'n.

Chorus Wohl denen, die in Deinem Hause wohnen, die loben Dich immerdar! Sela[WS 7].

Gemeine Gehabt euch in der Heimath gut, wir – erwarten mit gebeugtem Muth, bis wir Ihm auch gefallen.

Chorus Unser Wandel ist im Himmel, von dannen wir auch warten des Heylandes Jesu Christi unsers HErrn.

Gemeine Der uns dazu geschaffen in Seinem Arm zu schlafen p.

Chorus Ich weiß, an wen ich gläube, u. bin gewiß, daß Er kan mir meine Beylage bewahren bis an jenen Tag.

Gemeine Das Herze, das gewiße, erhält uns bis zum Sehn p.

Chorus Dem, der überschwänglich thun kan über alles, was wir bitten oder verstehen, nach der Kraft, die in uns wirket, dem sey Ehre in der Gemeine, die da ist in Christo Jesu unserm HErrn.

Gemeine Bis wir singen mit Gottes [35] Heer: Heilig, heilig ist Gott der HErr! u. schauen Ihn von Angesicht in ew'ger Freud u. selgem Licht.

Nach dem Liebesmahl hielt Johannes zuerst den Witwen u. darauf den Witwern eine Fest-Homilie über den heutigen Lehr-Text u. die Loosung. Ueber ersteren redete er auch in der Gemein-Versammlung, u. brachte zulezt die beyden Chöre der Witwer u. Witwen ins Andenken der Gemeine, für deren Gedeyhen im innern u. äußern in diesem Jahre dem Heyland ein besonderer Dank gehöre; u. die Gemeine segnete sie mit den Versen: HErr Jesu! Deine Nähe vor Simeonis Sahe gesegne unser Witwer-Chor. HErr Jesu Christ! Dein Leiden – gesegne unser Witwen-Chor. Und so verbringen sie die Zeit mit Dir in Herz-Vertraulichkeit p.

In der Singstunde um 9 Uhr wurde der Segen des HErrn auf diese beyden Chöre u. auf die ganze Gemeine gelegt.

Uebrigens ist von dieser Woche noch anzumerken, daß Geschwister Andreas [36] Dobers ihren Ruf zum Vorsteher-Amt der Gemeine in Ebersdorf angenommen haben.

Von Barby bekamen wir die Geschichte der Menschen-Sohnes-Tage von der Marter-Woche an bis zur Himmelfahrt unsers HErrn, sauber gedruckt.

Auch geschah vom Directorio eine Erinnerung an die Ordinarios der Gemeinen in Ansehung deßen, was ihnen im Synodo wegen Einsendung der Diptychorum u. wegen der Historie unsrer Gemein-Orte aufgetragen worden.


[37]
Die VIste Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Septuages. d. 3tn Febr.

wurde früh statt der Kirchen-Litaney das Trisagion gesungen.

Nachmittag hielt Bruder Johannes dem Ehe-Chor eine Homilie über den Lehr-Text, u. Bruder Leonhard die Gemein-Versammlung über die Loosung.

☽ d. 4tn Febr.

kamen Geschwister Friesens von Geneve. Daß sie nach Petersburg destinirt sind, ist bereits aus dem Verlaß des Synodi bekannt.

Von Gnadenfrey retournirte die Schwester Charlotte v. Gersdorf, u. mit ihr kam die bisherige Pflegerin der dortigen ledigen Schwestern Maria Wettsteinin hieher.

♂ d. 5tn Febr.

Nachmittag hatte die Knäbgen-Anstalt ein Liebesmahl, dabey Bruder Laux als Pfleger derselben vorgestellt wurde. Zu ihren Lectionen, die von neuem eingerichtet worden, wurde ihnen Fleiß u. Treue gewünscht. [38] Die hiesige Knäbgen-Anstalt besteht mit denen, die aus Cathrinenhof kürzlich hieher gekommen, aus 42 Kindern.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Leonhard über die Loosung.

Von Gnadenfrey kam auch heute Bruder Ernst v. Tschiersky hier an, u. mit ihm sein Bruder Julius und Friedrich Ludwig v. Pfeil.

☿ d. 6tn Febr.

wurde eine Conferenz zu halten angefangen, in welcher von der Diaspora so wol des Luthrischen als reformirten Tropi referirt u. ausgeredet werden soll. Es wurde in derselben heute von Siebenbürgen, Norwegen, Dännemark, Hollstein, Schweden, Pommern, u. der Mecklenburgischen Diaspora Nachricht gegeben, wobey gelegentlich folgende 2 Anmerkungen gemacht wurden:

1.) Man observirt, daß diejenigen Leute, die in einer Gegend zuerst mit der Gemeine bekannt werden, nicht eben allezeit diejenigen sind, die ganz vor Ihn gedeyhen; [39] der Heyland bedient sich aber derselben zur Gelegenheit, daß andere Seelen mit Ihm bekannt werden, an denen Er Seinen eigentlichen Zweck erreichet, u. um deßwillen muß man auch die ersteren nicht negligiren, weil man nicht voraus weiß, was der Heyland aus so einem kleinen Anfang heraus bringen will.

2.) Wenn Leute sich öffentlich an der Gemeine versündiget haben u. ihre Versündigung bereuen: so solten sie nicht nur heimlich Abbitte thun, sondern auch öffentlich ihr Vergehen bekennen.

Heute Nachmittag kamen auch unsere lieben Geschwister Joh. Nitschmanns von Ebersdorf zu unsrer Freude an, u. mit ihnen die ledige Schwester Soph. Wenzelin.

Den ledigen Brüdern hielt Johannes eine Chor-Rede über den Lehr-Text.

♃ d. 7tn Febr.

hatten mit unserm lieben Bruder Friedrich v. Watteville zu seinem 66tn Geburts Tage alle anwesende Mitglieder der Unitaets-Collegiorum ein vergnügliches Liebesmahl, u. in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister wurde er nach der Rede, die [40] Bruder Johannes über die heutige Loosung hielt, der Gemeine ins Andenken empfohlen, die ihm mit Einem Munde und Herzen sang: Gib ihm ein recht vergnügtes Herz p. Ein an der Wunden trinken – u. einen kindlich frohen Muth. O Vater! freue Dich seiner p.

♀ d. 8tn Febr.

hielt Johannes so wol den Witwen als den ledigen Schwestern Chor-Homilien über die heutige Loosung.

♄ d. 9tn Febr.

waren zur gewöhnlichen Zeit die Communion–Agapen in den Chören. Bey dem Liebesmahl des Ehe-Chors wurden demselben Geschwister Joh. Nitschmanns als deßen künftige Pfleger praesentirt.

Abends hatte die Gemeine nach einer gnadenvollen Absolution den seligsten Genuß des Leibes u. Blutes unsers HErrn im heiligen Abendmahle.

Sonst ist noch von dieser Woche folgendes anzumerken:

1.) In Niesky sind in derselben Bruder Neumann u. die Schwester Tscheringin, Christian Drews u. Lenel Rudolphin, Michael Lisberger u. Gewinnin, Joh. Daniel Daub u. Gertraud [41] Langin u. Andreas Höger u. Hannel Queisnerin zur Ehe versprochen worden.

2.) erhielten wir Briefe aus der Wachau d. d. 23tn Oct. 64. nach welchen sich unsere dasigen Geschwister von außen in Ruhe befanden. Sie haben einen sehr heißen Sommer gehabt u. in Bethabara abermals viele Kranken; in Bethanien aber sind sie gesund geblieben.

3.) Es ist resolvirt worden, daß die größeren Kinder in unsern Anstalten etwa vom 9tn oder 10tn Jahre an, so wol in die öffentliche Lection der Reden, als auch zu ein oder mehrern Theilen an den Gemein-Tagen mitkommen mögen. Dabey aber werden die Ordinarii erinnert, daß die Kinder nur zu solchen Theilen bestellt werden, in denen für sie schickliche Materien vorkommen.


[42]
Die VIIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Sexages. d. 10tn Febr.

war früh die Amts-Communion und die Danksagung für den gestrigen Genuß des Leibes und Blutes Christi.

Die Gemein-Versammlung hielt Bruder Johannes mit einer Rede über den gestrigen u. heutigen Text.

☽ d. 11tn Febr.

wurde zu Anfang des Gemeintags die Kirchen-Litaney gebetet, u. in derselben so wol der ledige Bruder Engelbrecht Leckebusch u. der kleine Joh. Friedrich Möschler, die kürzlich hier in Herrnhuth heimgegangen, als der vorige Woche getaufte kleine Joh. Schuler namentlich ins Andenken gebracht.

Hierauf war die Lection der Gemein-Nachrichten, zu deren Anfang im ersten Theil gesungen wurde: O wie sehr lieblich sind all' deine Wohnung p. Der Geist der Zeugen ruht auf den Gemeinen p. Gnade [43] u. Kräfte gibt Er ohne Maaße p.

Es wurden so wol Vor- als Nachmittags Nachrichten u. Briefe aus Grönland, Thomas, Crux u. Jan, Nord-America u. Ost-Indien gelesen, u. unter andern auch folgender Brief von dem Preußischen Unter-Officier Alt, der vor verschiedenen Jahren von der Gemeine gegangen, communicirt:

Theuerste Gemeine des Heylands! Hier legt sich ein armes, verlornes u. schon 15 Jahre in der Irre gehendes, nun aber vom Heyland wieder gefundenes Schäflein zu Deinen Füßen, u. bittet um Vergebung. Ich bin 1747. mit der Loosung: „Ich bin ein Verlobter Gottes von Mutterleibe an,“ in Herrnhaag in die Gemeine aufgenommen u. 3/4tel Jahr darauf auch zum heiligen Abendmahl zu gehen, vom Heyland gewürdiget worden. Ich erkenne nun die Treue des Heylands, daß Er schon damals mit mir aufs Ganze gezielt, aber wegen meines unsünderhaften u. trotzigen Herzens es nicht dazu hat bringen können. Denn wie sich noch sündliche Regungen im Fleische zeigten, erschrack ich u. schämte mich, davon mit einem Bruder zu sprechen, [44] u. verfiel durch selbst beßern u. schön seyn wollen in solche betrübte Umstände, daß ich zulezt gar in die Sünde willigte. In solchen Umständen wurde ich vom Heyland vom Abendmahl ausgeschloßen, u. dieses stieß mich so vor den Kopf, daß ich mich gleich resolvirte, von der Gemeine zu gehen. Weil ich mir den Gedanken machte, daß ich nimmermehr genesen würde, so sagte ich auch gleich den Brüdern meine Resolution. Hierauf wurde ich gerufen, u. Johannes fragte mich, ob ich weggehen wolte? Hätte ich doch damals mein Herz ausschütten können! Aber nein; ich antwortete, da ich doch ganz anders überzeugt war: Euer Evangelium ist mir zu dumm. Darauf ließen sie mich von sich, weil sie sahen, daß mit mir nichts anzufangen wäre: nur wurde ich noch zu dem Vorsteher, Bruder Gammern gerufen. Derselbe verlangte von mir, ich solte mich unterschreiben, daß ich mich niemals rühmen wolte, daß ich zur Gemeine gehöre, auch mich nicht davon nennen. Ich unterschrieb es gleich so leichtsinnig u. war nur froh, daß sie mich so ungehindert von sich ließen. Ich verließ also [45] 1749. im Sommer das ledige Brüder-Haus u. ging nach meinem Vaterlande zu. Nur muß ich erinnern, daß ich in meinem Geburts-Ort Weissenburg am Sand, ehe ich zur Gemeine gekommen, vom Consistorio u. Magistrat aus der Schule gestoßen worden, weil ich nicht von den Brüdern u. der Gemeine abstehen wolte. Ich kam zu Haus, demüthigte mich vor dem Magistrat u. bat um Vergebung, daß ich vor 2 Jahren derselben Rath nicht gefolget; ich sähe nun gut ein, daß man überall Gott dienen könte. Ich war recht willkommen, u. es wurde mir sogleich auch das Stipendium wieder zuerkannt. Ich ging nach Jena auf die Universitaet, da ich nicht länger als von Michaelis bis Ostern war, weil ich daselbst so gewirthschaftet, daß ich davon laufen mußte. Alsdem ließ ich mich unter die Kayserlichen Soldaten anwerben. Diese schleppten mich durch ganz Ungarn bis nach Temeswar unter ein Infanterie-Regiment. Von da gings nach Cronstadt in Siebenbürgen, allwo ich 1753. im Herbst in die Türkische Wallachey desertiret, von da nach [46] Pohlen gegangen u. daselbst unter die Preußischen rothen Husaren gekommen, von denen ich 1759. wieder zu den Oesterreichern gegangen, allda ein Weib genommen, 1762. wieder zu den Preußen herüber gegangen, u. 1763. von den rothen Husaren hieher unter ein andres Regiment als Wachtmeister versezt worden.

Theuerste Gemeine! Alle Umstände wie ich sie nun ansehe, wie mir der Heyland nachgegangen u. wie Er in so vielen Lebens-Gefahren Seine Hand über mich gehalten, anzuzeigen, müßte ich wol etliche Bogen haben. Ich will aber nur dieses anzeigen. Es war mit mir u. meinem Herzen so weit gekommen, daß ich nicht nur alles üppige u. ärgerliche Leben mit der Welt mitmachte, sondern auch allezeit mich bemühete, der vornehmste zu seyn. Da ich in Zuckmantel in Ober-Schlesien unter den Kayserlichen als Corporal in Quartier gelegen, ging ich d. 19tn Nov. 1761. mit 3 Mann über Feld zu Brandewein, welchen wir so viel nahmen, daß wir alle betrunken waren. Im nach Hause gehen gerieth ich mit einem [47] sehr boshaftigen Menschen in Streit, der sich aber nicht lang besann, sondern gleich von Leder zog, mich durch das linke Ohr u. ganzen Backen hieb, sodann übern Kopf bis auf die Hirnschaale, ferner einen Stich in die linke Seite gab, u. indem ich zu Boden fiel, mir noch eine große Wunde übern Rücken machte, u. wie ich mich wehren wolte, davon lief. Ich lief ihm aller Blessuren ohngeachtet voller Zorn u. Wuth etliche hundert Schritte nach, bis ich ihn einholte, sodann wie eine Furie auf ihn losging u. ihn übers Gesicht u. Hals hieb. Weil aber mein Säbel nicht scharf war, so warf ich aus Ungeduld denselben von mir u. ging mit bloßer Hand in seinen Säbel, drehete ihn aus seiner Hand, warf ihn auch weg u. schnitte mir damit in die linke Hand eine große Wunde. Hierauf faßte ich ihn beym Kopf, schmiß ihn zu Boden, suchte in allen Taschen mein Federmeßer, willens ihn umzubringen, aber ich hatte es nicht bey mir; endlich aber sezte ich ihm beyde Daumen in die Kehle u. wolte ihn todt würgen. Allerliebsten [48] Geschwister, wie nun der arme Mensch schon in lezten Zügen unter mir lag, war mir es auf einmal, als wenn mich jemand beym rechten Arm hielte, u. die Worte: die Rache ist mein, fuhren wie ein Blitz in mein finsteres Herz; sogleich ließ ich los, sahe mich um, aber sahe niemand. Der arme Mensch erholte sich wieder, stund auf, fiel mir um den Hals, weinte u. bat um Vergebung. Ich weinte mit, u. weil ich mich so sehr verblutet, so eilte er mit mir zum Verbinden. Wie ich nun dem Feldscheer in die Hände kam, der alle Wunden zusammen nähen mußte, sagte mir jedermann das Leben ab; aber der Heyland hat es ganz anders gemacht. In 4 Wochen war ich schon wieder curirt. Nach diesem kamen wir in Verhör u. Kriegs-Recht; mich sezten sie ab, u. der arme Mensch mußte entsezliche Spießruthen laufen. Von der Zeit an hatte ich keine Ruhe mehr. Oftmals hat mich der Heyland in meinem Herzen überzeugen wollen, daß Er für mich gestorben u. all Sein Blut für mich vergoßen hätte. Aber ich konte es unmöglich glauben, ja [49] wenn Er mir gar zu ofte kam, so wolte ich gar durch äußerliche Zeichen Wunder sehen, u. wenn mir die Gemeine einfiel, so dachte ich, wer weiß, ob noch eine Gemeine ist. Bey dieser Unruhe enthielt ich mich doch aller vorigen Gesellschaft, kaufte mir eine Bibel u. las beständig, wenn ich nur Zeit hatte, darinn, konte mir aber keinen Trost daraus zueignen. Mit dieser Bibel kam ich d. 21tn Jul. 1762. wieder zu den Preußen herüber. Da ich aber bey den rothen Husaren als Wachtmeister so viel Commissionen mit Mondirung, Proviant u. Fourage überkam, daß ich das Bibel lesen bey Seite sezte; so hätte mich dieses beynahe wieder ins alte Wesen gebracht. Der Heyland ließ es aber nicht geschehen, sondern legte mich krank darnieder, u. lehrte mich Sünder seyn, nach Ihn umsehen u. um Vergebung bitten. Ich konte mich auch wol derselben getrösten, u. mir war manchmal recht wohl. Dieses dauerte so anderthalb Jahr, da ich die meiste Zeit das Fieber hatte. Endlich d. 4tn Nov. h. a. besuchte ich einen Bruder u. erzehlte [50] ihm meine Umstände. Derselbe erkannte mit mir die Treue unsers Heylandes, wie Er sich so erstaunlich nach dem Verlornen umsieht. Er gab mir auch die Geschichte unsers HErrn aus den 4 Evangelisten mit nach Hause. Den folgenden Tag las ich darinn, u. während dem Lesen sahe ich immer den Heyland einen Blick auf mich werfen, welches mir eine Zähre um die andere auspreßte. Endlich da ich die Geschichte von der Maria Magdalena in des Pharisäers Haus gelesen, konte ich mich so recht mit ihr zu Seinen Füssen werfen. Mein Herz zerfloß in Thränen u. wolte beynahe zerspringen. Ich krigte völlige Absolution, u. sahe Ihn gleich, wie Er für meine Noth am Creuze sich so milde geblutet hat zu Tod. Wie mir dabey zu Muthe gewesen u. noch ist, kan ich nicht aussprechen. Es ist mir eben, als wenn Er für mich allein geschlachtet, für mich allein Sein Blut vergoßen u. mein Ein u. Alles ist u. bleiben wird. Von der Stunde an ist auch das Fieber weggeblieben.

Theures Geschwister! Ich war nun [51] gleich willig, mich der Gemeine persönlich hinzuwerfen. Weil ich aber noch keine Gelegenheit sehe, so kan ichs ohnmöglich länger anstehen laßen, der Gemeine davon Nachricht zu geben. Ich bitte nur so viel Antwort, daß ihr diese Zeilen erhalten habt. Ich habe bisher, was ich in Herrnhaag unterschrieben, daß ich mich nemlich nicht von der Gemeine nennen will, gut gehalten: aber nun ist der Bann weg, den ich mir selbsten gemacht. Der Heyland versichert mich täglich, daß ich unter Sein Volk gehöre; u. wenn ich solte gefragt werden, so sage ich: ich gehöre zur Mährischen Brüder-Gemeine. Bittet den Heyland für mich, daß Er, was Er mit mir angefangen, auch zu Seinem Preise an mir vollführen möge. Ich weiß, daß Er mein Schöpfer ist; ich weiß, daß Er mein Heyland ist; Er hat mich durch Sein Blut, ich glaubs, ich fühls, ich bin getrost.

d. 8tn Dec.

1764. Christoph Jacob Alt.

Die Gemeine sang ihm mit bewegtem Herzen: Einem solchen armen Kinde, [52] das sich für verloren hält – wird das Lamm zum Lösegeld.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister wurde zuerst die heutige Gemein-Tags-Pericope aus Joh. 3,14–21. folgendermaßen besungen:

Wie Moses – eine Schlange erhöhet hat: also muß des Menschen Sohn erhöhet werden.

Erschein uns in dem Bilde, wie Du – am Creuze Dich – geblutet hast zu Tod.

Auf daß alle, die an Ihn gläuben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.

Nicht mehr, denn, lieber HErre mein! Dein Tod soll mir das Leben seyn p.

Also hat Gott die Welt geliebt, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab.

Da steht die Gemein', des Sohn's Fleisch u. Bein – u. dankt Ihm des Schöpfers Menschwerdung u. Tod.

Auf daß alle, die an Ihn gläuben – das ewige Leben haben.

Und daß alles, was an Ihn gläubt, Sein'm Hause werde einverleibt!

Gott hat Seinen Sohn nicht gesandt – daß Er die Welt richte.

[53] Er hat für uns u. alle Welt bezahlt ein ewigs Lösegeld.

Sondern daß die Welt durch Ihn selig werde.

Wenn doch der ganze Menschen-Stand sich Jesu möcht' ergeben p.

Wer an Ihn gläubet, der wird nicht gerichtet.

Das macht, er ist schon absolvirt, u. seine Schuld ist abgeführt.

Wer aber nicht gläubet, der ist schon gerichtet; denn er gläubt nicht an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes.

So bald als wir die Noth gefühlt, daß uns diese Sünde das Herz durchwühlt, u. um Gnad' u. Glauben mit Thränen baten, hast Du uns gnädig damit berathen.

Das ist aber das Gerichte, daß das Licht in die Welt kommen ist, u. die Menschen liebten die Finsterniß mehr denn das Licht.

Ach das ist die größte Plage, wenn am Tage man das Licht nicht sehen kan.

Wer Arges thut, der kommt nicht ans Licht p.

[54] Reiner Geist :/: sey uns ernstlich, leide nichts, was Dein heilig Antliz scheuet p.

Wer aber die Wahrheit thut, der kommt an das Licht;

Denn wo Jesus ist, gewiß, da ist keine Finsterniß.

Daß seine Werke offenbar werden; denn sie sind in Gott gethan.

Mach uns zum Werk in Gott gethan p. Wir wären gerne Leute Deines Herzens p. Heilge Dir, Immanuel, alle unsre Stunden p.

Hierauf wurde unser lieber Bruder Joh. Nitschmann, der vorige Woche von Ebersdorf hier angekommen, u. nun so wol das Praesidium im Oeconomat der Oberlausizischen Gemeinen, als mit seiner Frau das Pfleger-Amt im Ehe-Chor antreten wird, der Gnade unsers lieben HErrn, Seines Vaters im Himmel u. des heiligen Geistes, u. dem Segen der Gemeine empfohlen, u. ihnen gesungen: Wenn Dein Herz mit ihnen ist, fehlts an keinem Segen p. Laß sie in der blutgen Gnade – vor Dir stehn, u. auf ihrem künftgen Pfade mit dem Siegel an Stirnen gehn. Sodann meldete [55] Bruder Johannes die Verlobung des Bruders Joh. Christian Wohns mit der Schwester Cath. Soph. Wenzelin u. des Bruders David Cranz mit der Schwester Agnes Langin, u. empfahl sie dem Gebete der Gemeine, die ihnen sang: Faß sie an mit neuer Gnade p. u. zum Schluß der Versammlung: Christe, Du Lamm Gottes – laß uns Deinen Frieden.

Um 9 Uhr war nach einer Rede des Bruders Leonhards über die Loosung eine Aufnahme von 7 Geschwistern, welche hierauf samt dem ganzen Volke der Gnadenwahl in einem herzlichen Gebet auf den Knien dem Heyland empfohlen wurden.

Die zu dem heutigen Gemein-Tage gehörige Nachrichten sind in der Beylage sub No II.a befindlich u. enthalten:

I. Diaria aus den deutschen Gemeinen Dec. 64.

II. Aus Nord-America.

1.) Extract des Diarii von Bethlehem u. Nazareth m. Jun. Aug. u. Sept. 64. /:der Monat Julius ist bereits communicirt:/
2.) Diar. des Gemeinleins in Litiz Jun. 64.

[56]

3.) Diar. aus den Stadt- u. Land-Gemeinen, Jan.–Merz 64.
4.) Diar. des Indianer-Gemeinleins in den Barraks zu Philadelphia Jul. u. Aug. 64.

III. Diaspora-Nachrichten.

1.) Extract aus dem Diario von der Ehstnischen Diaspora in der Wyk, vom Jahr 63.
2.)                           der schwedischen u. deutschen Diaspora in der Wyk, vom Jahr 63.
3.) Aus der Oberlausizischen Diaspora Apr.–Sept. 64.
4.) Bruder Pfohls Bericht aus dem Hollsteinischen Jan.–Sept. 64.
5.) Bruder Bakkers Bericht aus Bergen in Norwegen.
6.) Melchior Zeisbergers Bericht von seinem Besuch in Dänischen Landen u. Gothenburg vom Nov. 63.–Nov. 64.
7.) Powalkas Diarium von der Cassubischen Diaspora, May–Sept. 64.
8.) Nachricht aus Siebenbürgen, Oct. 63.–Mart. 64.
♂ d. 12tn Febr.

kamen Geschwister Hüffels aus Stettin bey uns an. [57] Unsre Schwester v. Schrautenbach ging selig in ihre Ruhe ein.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Joseph über die Loosung.

♃ d. 14tn Febr.

reisten Geschwister Knuzens nach Barby ab. Mit ihnen ging Bruder Samuel Krause zum Besuch der Diaspora im Braunschweigischen u. Hannöverischen.

Bruder Johannes redete in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister über die Loosung.

♀ d. 15tn Febr.

retournirte Bruder Hofmann, der einige Zeit hier zum Besuch gewesen, nach Neu-Dietendorf.

♄ d. 16tn Febr.

In der Beter-Versammlung redete Bruder Johannes bey Gelegenheit der heutigen Loosung „Wenn du geßen hast u. satt bist, sollt du den HErrn deinen Gott loben“, von dem in diesen Tagen aufs neue unter unsern Geschwistern rege gewordenen Zeugen-Geist, da sich nicht nur eine große Anzahl lediger Brüder hier in Herrnhuth zum Dienst des Heylands gemeldet, sondern auch aus andern Gemeinen [58] etliche 70 Briefe eingelaufen, aus denen die Herzlichkeit, Einfalt u. Willigkeit der Geschwister, dem Heyland zu dienen, deutlich wahrzunehmen sey. Der Heyland habe auch aus lezteren, etliche u. 30 Geschwister angezeigt, auf die Er theils in der Heyden-Sache, theils zu andern Plans reflectirt haben wolle. Zulezt empfahl Johannes die Geschwister, welche nächste Woche auf ihre Posten abreisen werden, namentlich dem Andenken u. Gebet der Versammlung.

Es sind in dieser Woche die 3 ledigen Brüder Gottfried Grillig, Joh. Georg Flügel u. Joseph Neisser für Grönland ausgemacht worden, die auch ihren Ruf mit Freuden angenommen haben. Auch sind in derselben die in voriger Woche angezeigten 5 Paare in Niesky getraut worden.

Aus America erhielten wir Briefe u. in denselben die erfreuliche Nachricht, daß der Friede mit den Wilden publicirt u. dadurch unsere Indianer in leidlichere Umstände versezt worden sind.


[59]
Die VIIIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Esto mihi d. 17tn Febr.

wurde früh das Trisagion[WS 8] gesungen.

Die Gemein-Versammlung hielt Bruder Joseph mit einer Rede über die Loosung.

Um 9 Uhr wurden in einer besondern Versammlung nach einer Rede des Bruders Johannis zuerst folgende 23 ledige Brüder, die theils bereits zu gewißen Posten bestimmt sind, theils vom Heylande zu Candidaten zur Zeugen-Sache ernennt worden, zu Acoluthen angenommen: Thomas Jones, Rudolph Stolle, Friedrich Vögtle, Gottfried Grillig, Joh. Georg Flügel, Joseph Neisser, Joh. Friedrich Zenner, Ludwig Broberg, Joh. Hazelius, Joh. Daniel Lembke, Adrian Friedrich Pipenburg, Joh. Daniel Michel, Heinrich Christoph Fernow, Abraham Jacob Teutsch, Phil. Friedrich Haecker, Albrecht Gottlob Wille, Georg Conrad Stiedemann, Joh. Hans, Joh. Timaeus, Joachim Wilhelm Wolfes, Joh. Engler, [60] Joh. Gottlieb Krohn u. Andreas Ludwig Morhard. Unter der Annahme wurde gesungen: Da ist die Hand, HErr! hilfs ihn'n thun p. Ihr wollt, u. was ihr wollt, das geht p. Auf Brüder! laßet uns das Wort von Jesu Leiden tragen fort p. Das ist der Text in Seiner Creuz-Gemein, u. wenn wir mitten unter'n Heyden seyn.

Hierauf geschah nach einer vorgehenden Anrede u. der gewöhnlichen Liturgie die Ordination unsrer Brüder Joh. Andreas Dober, Ludwig Christoph Dehne, Thomas Jones u. John Wood zu Diaconis der Brüder-Kirche. Ersterer empfing dazu von den Brüdern Leonhard u. Gregor, der andere von den Brüdern Johannes u. Renatus Laer, der dritte von den Brüdern Joseph u. Gneuß, u. der vierte von den Brüdern Petrus u. Ad. Bruiningk durch Handauflegung den Segen, unter den Versen: Würdigster Geist, der die Kirche führt, u. ihre Diener selbst ordinirt p. Weil man es thun darf, so wünscht man Dir lauter gesegnete Knechte hier p. welchen Gesang der Chorus [61] mit der Doxologie[WS 9] beschloß. Hierauf wurden noch die diese Woche nach Suriname, Terra Labrador u. Ebersdorf abgehende Geschwister namentlich dem Andenken u. Segen der Gemeine empfohlen, u. ihnen die morgende Loosung ans Herz gelegt: „Gott ist mit dir in allem, was Du thust. Bleibet Seine Sünder, euch wirds gelingen, daß ihr dem Lämmlein könnt Früchte bringen, walts Gott am Creuz!“ Die Gemeine sang ihnen diesen Choral u. contiuirte: Er geb euch muntre Kehlen, die Wunder zu erzehlen p. Sey Du nur ihr gewogner Fürst p. Geht, Zeugen, Jesum mahlen p. Seine unschätzbare Näh' segne euch zu Land u. See. Wir sind Seine Leute p. (Pacem) womit diese besonders begnadigte Kirchen-Handlung seliglich beschloßen wurde.

☽ d. 18tn Febr.

früh reisten die Brüder Thomas Jones, Rudolph Stolle, Friedrich Vögtle u. Christ. Andreas Schlözer ab, von welchen die ersten 2 unter die Frey-Neger in Suriname, der dritte zu den Indianern in Saron, u. der vierte zu der Recognoscirungs-Reise nach Terra Labrador bestimmt sind. [62] Den Kindern hielt Johannes Nachmittag zu ihrem Chor-Tag eine Rede über die heutige Gemein-Loosung, in Application auf den izt in der Gemeine waltenden Zeugen-Geist.

Zur Zeit der Lese-Stunde war heute in einer Versammlung des Ehe-Chors nach einer Rede, die Bruder Johannes über die heutige Loosung hielt, die Trauung des Bruders Joh. Christ. Wohns u. der Schwester Cath. Soph. Wenzelin, u. des Bruders David Cranz u. der Schwester Agnes Langin.

♂ d. 19tn Febr.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Johannes über die heutige Loosung.

☿ d. 20tn Febr.

gingen die Brüder Drachart u. Dehne von hier ab, ersterer zu der bereits gedachten Reise nach Terra Labrador u. lezterer unter die Frey-Neger in Suriname. Mit ihnen reiste Christ. David Rothe ins Collegium nach Barby.

Den ledigen Brüdern hielt Bruder Johannes vor der Singstunde eine Chor-Rede.

[63]
♃ d. 21tn Febr.

traten Geschwister Andreas Dobers ihre Reise nach Ebersdorf an, wo sie das Vorsteher-Amt der Gemeine übernehmen werden.

Nach Berlin war schon zu Anfang dieser Woche die Schwester Sus. Munzkyn abgegangen, wo sie im ledigen Schwestern-Chor als Gehülfin gebraucht werden wird.

Die Versammlung der Communicanten hielt Bruder Petrus mit einer Rede über die Loosung, worüber auch Bruder Johannes in der Versammlung der ledigen Schwestern redete.

♀ d. 22tn Febr.

wurde in der Chor-Versammlung der Witwen, nach einer Rede des Bruders Johannis über die morgende Loosung, die Schwester Louise Müllerin zu ihrem Geburts Tage bey den ihr vom Heylande in der Gemeine u. ihrem Chore aufgetragenen Geschäften, dem Andenken u. Gebet der Schwestern empfohlen.

♄ d. 23tn Febr.

fing sich der Kinder-Gemein-Tag um 9 Uhr mit ihrer Litaney an, worauf unter andern Nachrichten, die Berichte von der in den deutschen [64] Gemeinen begangenen Christ- u. Neu-Jahrs-Nachtwache der Kinder gelesen wurden.

Nachmittag in der 3tn Stunde hatten sie ihr Liebesmahl, wobey sie im Gefühl der gegenwärtigen Passions-Zeit das Leiden unsers lieben HErrn lieblich besungen. Nachher hielt ihnen Bruder Johannes eine Homilie, nach welcher sie sich vor dem Heyland prosternirten[WS 10], u. um Seinen freundlichen Anblick u. um neuen Segen weinten.

Von dieser Woche ist noch anzuführen, daß in derselben die Special-Direction der Wirthschaften vom Unitaets-Vorsteher-Collegio dem Bruder Siegmund v. Gersdorf als Bevollmächtigten der Herrschaften von neuem aufgetragen u. ihm die Brüder Ernst v. Gersdorf u. Joh. Caspar Beyer, bisheriger Mitvorsteher des hiesigen ledigen Brüder-Chores, als deßen Gehülfen nach des Heylands Anweisung zugegeben worden. Lezterer wird den Namen eines Wirthschafts-Inspectors haben, und an seine Stelle beym ledigen Brüder-Chor kommt Bruder Nicolaus Hansen von Hennersdorf.

Wegen derer ans Directorium [65] von den Ordinariis einzuschickenden Diptychorum[WS 11] wird gemeldet, daß dieselben[WS 12] den Catalogum von allen an ihren Orten heimgegangenen Geschwistern einschicken; in demselben aber die Diener und Dienerinnen der Kirche und andrer anmerklicher Geschwister Namen unterstreichen sollen.


[66]
Die IXte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Invocavit
d. 24tn Febr.

war früh zur gewöhnlichen Zeit die Gemein-Litaney, in welcher der neu getrauten Paare Geschwister Wohns u. Cranzens, der kleinen Mar. Friederica Schlüterin u. unsrer kürzlich heimgegangenen Schwestern v. Schrautenbach u. Gebauerin namentlich gedacht wurde.

Die Gemein-Versammlung Abends um 7 Uhr hielt Johannes über die Loosung des Tages.

Nach der Liturgie mit dem Te Logos stellte er dem ledigen Brüder-Chor in deßen Abendsegen den Bruder Nicolaus Hansen an Bruder Caspar Beyers Stelle als Bruder Sven Lunds Gehülfen im Vorsteher-Amte vor, u. empfahl ihn der Liebe u. Segen der Brüder.

☽ d. 25tn Febr.

In der Singstunde applicirte Bruder [67] Johannes die heutige Loosung: Laß mich deine Herrlichkeit sehen, auf die Wunden-Herrlichkeit, die uns in der itzigen Gnaden-Zeit des Neuen Bundes erschienen ist, u. die wir an allen Orten der Erden, wo uns der Heyland hinbringt, verkündigen. In dem Sinne /: sagte er :/ gehen auch morgen die 3 Brüder Gottfried Grillich, Joh. Georg Flügel u. Joseph Neisser nach Grönland ab, um unter dortigen Heyden-Gemeinen die Wunden-Herrlichkeit mit anzusehen, die Sprache zu erlernen u. sich zu brauchbaren Werkzeugen in der Hand des Heylands zubereiten zu laßen, damit sie in derer Brüder Fußstapfen treten können, die schon so viele Jahre am dortigen Werke des HErrn treulich gedient u. nach u. nach in ihres HErrn Freude eingehen. Desgleichen reisen morgen Geschwister Friesens u. Bruder Westmann nach Rußland, u. Geschwister Fockels nach Litthauen u. Königsberg.

Bruder Johannes empfahl alle diese Geschwister dem Gebet u. Andenken der Gemeine vor dem Heylande, [68] welche sie mit folgendem Gesang segnete: Hebe auf die durchgegrabnen Hände über die Geschwister u. vollende alle die Segen, die sich in dein'm Herzen für sie regen. Gib ihnen muntre Kehlen, die Wunder zu erzehlen, die Deine Treue thut p. Laß den Gang begnadigt seyn, den sie gehen p. Geht, Zeugen, Jesum mahlen, wie Er – in Tod versank p. Ein evangelischer Bote – hat nichts als seinen Creuz-Verstand. Und wo ihr hinkommt auf dieser Welt, da find't ihr Acker von's Heylands Feld p. Weil man es thun darf, so wünscht man – lauter gesegnete Diener hier p. Bleibet Seine Sünder, euch wirds gelingen, daß ihr dem Lämmlein könnt Früchte bringen p. Der Chorus beschloß diesen mit dem Geist der Gemeine begleiteten Gesang mit den Worten: Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi – sey mit uns allen! (Pacem) Amen.

♂ d. 26tn Febr.

traten nur erwehnte Geschwister Friesens u. Bruder Westmann ihre Reise [69] nach Petersburg an. Mit ihnen reisten Geschwister Fockels bis Königsberg. Desgleichen gingen die Brüder Gottfried Grillich, Joh. Georg Flügel u. Joseph Neisser nach Grönland ab, welche Bruder Wohn bis Stettin begleitet. Mit Bruder Fries u. Westmann waren die vorigen Tage ausführliche Conferenzen, insonderheit wegen des unterhalb Czarizim im Königreich Astracan anzulegenden Brüder-Etablissements, gehalten worden. Die Abfertigung sämtlicher gedachter Geschwister so wol von den Arbeitern als in der Gemeine war mit besonderer Gnade begleitet. Der Heyland gebiete ihnen, daß sie glücklich seyn.

Die Rede an die Abendmahls-Geschwister wurde von Bruder Joseph über die heutige u. morgende Loosung gehalten.

Sonst ging auch heute unsers Bruders Layrizens Töchterlein Mar. Elisabeth zum Heylande.

☿ d. 27tn Febr.

In der Singstunde wurden die Brüder Pierre Christophle Duvernoy u. Daniel Renner zu ihrer bevorstehenden Reise dem Gebet u. Segen der Gemeine empfohlen, und

[70]
♃ d. 28tn Febr.

trat ersterer über Neuwied seinen Besuch in der französischen Diaspora, u. lezterer seinen Besuch in Pohlen u. Cassuben an. So ging auch der Bruder Heinrich Gottfried Dietrich als Vice-Pfleger der ledigen Brüder u. Knaben-Pfleger nach Gnadenfrey. Hingegen kam unser Bruder Daniel mit dem Bruder Jacob Brey, welche beyde nach Astracan bestimmt sind, von Zeist bey uns an.

Die Rede in der Abendmahls-Versammlung hielt Bruder Petrus über die Loosung.

♀ d. 1tn Martii.

retournirten die Schwestern Caritas u. Anne Rosel von ihrem Besuch in Schlesien über Niesky.

♄ d. 2tn Mart.

nahm der Heyland aus dem Herrnhuthischen Ehe-Chor die 2 Schwestern Catharina Greenin u. Mar. Schlüterin zu sich heim.


[71]
Die Xte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Reminiscere d. 3tn Merz

Vormittags sahen Johannes u. noch einige Brüder aus dem Directorio die ledigen Brüder nach ihren Claßen.

Nachmittags hielt Johannes dem Ehe- und darauf dem Witwer-Chor Homilien in Bezug auf das bevorstehende Abendmahl, welches dismal in den Chören seyn wird.

In der Gemein-Versammlung redete Bruder Joseph über die Loosung, in Combination mit dem Lehr-Text.

♂ d. 5tn Merz

war in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister die Rede über die Loosung, welche Bruder Johannes hielt. So wurde auch von ihm

☿ d. 6tn Merz

eine Homilie an die ledigen Brüder, und

♃ d. 7tn Merz

eine in der Abendmahls-Versammlung über die Loosung u. in der Chor-Versammlung der ledigen Schwestern eine über den Text gehalten. In ersterer [72] brachte er den Geburts-Tag unsers lieben Bruders Leonhards, der heute in sein 60stes u. unsers Bruders Nicolas v. Watteville, der in sein 71stes Jahr eintritt, der Gemeine ins Andenken u. wünschte, daß der Heyland sie als 2 in der Gemeine geliebte, respectirte u. gesegnete Brüder in ihrem Alter stärken u. insonderheit ersteren, der seit einiger Zeit krank gewesen, an seiner Hütte gesund machen u. sie erhalten wolle, bis jeder das vollendet u. ausgerichtet, wozu Er ihn geordnet hat. Nachdem ihnen hierauf noch die Erfüllung der heutigen Loosung angewünscht worden, „Er wird dir gutes thun u. dich mehren über deine Väter;“ so segnete sie die Gemeine mit dem Vers: Es salbe sie aufs neue das – für uns verwundte Haupt – zu ihren Amts-Geschäften p.

♀ d. 8tn Merz

wurden in einer besondern Versammlung der Abendmahls-Geschwister, nach einer Rede des Bruders Johannis über die schöne Loosung: „Ihr seyd meine Brüder, mein Bein u. mein Fleisch,“ 2 Brüder u. 4. Schwestern zum ersten Genuße des heiligen Abendmahls mit Handauflegung [73] confirmirt.

Die ledigen Brüder so wol als die Witwer hatten heute nach vorgängigen Communion-Agapen u. der Absolution das Mahl unsers HErrn, welches

♄ d. 9tn Merz

das Ehe-Chor, die Witwen u. die ledigen Schwestern gleichfalls auf eine unbeschreiblich selige Weise begingen. Der Heyland bekannte sich zu jeder Abtheilung Seiner Gemeine ausnehmend gnädig.

Zu dieser Woche ist übrigens noch folgendes hinzuzuthun:

1.) Hier in Herrnhuth sind in derselben unsre ehrwürdige Schwester Catharina Barbara Lampaderin u. die ledige Schwester An. Mar. Leupoldin heimgegangen. Auch lief aus St. Thomas Nachricht ein, daß d. 11tn Nov. in St. Jan die Schwester Mar. Engelhardin heimgerufen worden.

2.) Geschwister Friedrich Schmidts sind am 13tn Febr. in London angekommen. Am 14tn ejusdem[WS 13] gingen sie u. Captain Jacobsen an die Hope, waren d. 15tn drauf in Gravesand u. passirten d. 16tn schon die Downs, ohne Anker zu werfen, mit gutem Ost-Winde. Mit ihnen ging der ledige Bruder Wm King aus Fullneck nach Bethlehem. Der Heyland bringe sie glücklich nach America.


[74]
Die XIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Oculi d. 10tn Mart.

waren früh die Communion-Liturgien des Ehe- Witwen- u. ledigen Schwestern-Chores.

Die Gemein-Versammlung, welcher der Cabinets-Minister v. Einsiedel, der Ober-Cammer-Herr v. Bose u. der General Benkendorf beywohnten, hielt Bruder Joseph mit einer Rede über die heutigen Tages-Texte.

☽ d. 11tn Mart.

Vormittags besuchten gemeldete Herren im Orte u. in den Chor-Häusern, waren auch in der ersten Singstunde der Kinder, u. Nachmittags reiseten sie nach Dresden zurück.

Die zu dem heute angesezten Gemein-Tage gehörige Nachrichten befinden sich in der Beylage zu dieser Woche sub No III. welche enthält:

I. Diaria aus den deutschen Gemeinen mensis Jan. 65.

II. Diaria aus den Englischen Gemeinen vom Aug. bis Nov. 64. nebst den [75] Memorabilien des vorigen Kirchen-Jahres.

III. Diaspora-Nachrichten.

Nachmittag hielt Johannes den Kindern eine Rede über die Loosung.

Um 7 Uhr Abends war die Versammlung der Communicanten, in welcher die heutige unvergleichliche Gemeintags-Pericope folgendermaßen besungen wurde:

Jesus sprach: – Ich bin das Brod des Lebens; wer zu mir kommt, der wird nicht hungern, u. wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.

Hier komm ich, mein Hirte! – o Liebster, bewirthe Dein Schäflein p.

– Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaus stoßen.

Man darf so, wie man ist, zum Lamme kommen p.

Ich bin vom Himmel kommen, nicht daß ich meinen Willen thue, sondern deßen, der mich gesandt hat.

Er sprach zu Seinem lieben Sohn, die Zeit ist hie zu erbarmen – Sey das Heyl der Armen.

Das ist aber der Wille des Vaters – daß ich nichts verliere von allem, das Er mir gegeben hat p.

Wir sind ja Sein ererbtes Gut p.

– Und daß, wer den Sohn siehet u. glaubt an Ihn, das ewige Leben habe.

[76] Und alles das, was an Ihn gläubt, Sein'm Hause werde einverleibt.

Es kan niemand zu mir kommen, es sey denn, daß ihn ziehe der Vater p.

Der des Sohnes wegen, des Sohnes Seinen Lohn weiß als ein Kind zu pflegen p.

Es stehet geschrieben – Sie werden alle von Gott gelehret seyn. Wer es nun höret vom Vater, – der kommet zu mir.

Laß uns in Deiner Liebe u. Erkenntniß nehmen zu p.

Nicht daß jemand den Vater habe gesehen, ohne der vom Vater ist p.

Denn wem wär' der Vater klar, wenn der Sohn nicht wäre.

Wer an mich gläubt, der hat das ewige Leben.

Ein ewigs Leben hast Du mir durch Deinen Tod erworben.

Ich bin das Brod des Lebens.

Ach wie hungert mein Gemüthe p.

– Wer von diesem Brode ißet, der wird leben in Ewigkeit p.

Mann u. Haupt u. einigs Leben, o was hast Du uns gegeben!

Wer mein Fleisch ißet u. trinket mein Blut, der hat das ewige Leben.

[77] Wenn man Ihn hat – u. Er uns Sein Fleisch zu eßen gibet u. Sein wahres Blut flößt ein; wohl dem sterbenden Gebein!

Mein Fleisch ist die rechte Speise, u. mein Blut ist der rechte Trank.

Unsre Seele hungert nur nach Dir, gib Dich ihr!

Wer mein Fleisch ißet u. trinket mein Blut, der bleibet in mir.

O ich freu mich, daß ich bleibe an dem Leibe meiner Liebe p.

Wer mich ißet, derselbige wird leben um meinetwillen.

Wünsche stets, daß mein Gebeine sich durch Dich mit Gott vereine.

Wer dis Brod ißet, der wird leben in Ewigkeit.

Wir haben Jesu Fleisch gegeßen – drum kan Er unsrer nicht vergeßen p.

Hierauf wurde der Gemeine gemeldet, daß resolvirt worden, daß die grössern Kinder in den Anstalten künftighin zu der Lection der Reden des seligen Jüngers[WS 14], wie auch zu einem u. dem andern Theil der Gemein-Tage kommen solten. An statt der bisherigen täglichen Reden an die [78] Kinder werden dieselben 3mal in der Woche, nemlich Montag, Mittwoch und Freytag Singstunde haben, an welchen Tagen dieselben ohnehin in die Lection der Reden kommen.

In der Gemein-Versammlung Abends um 9 Uhr wurden nach einer Rede des Bruders Johannis über den Lehr-Text ein Ehe-Paar, 3 ledige Brüder u. eine ledige Schwester in die Gemeine aufgenommen, u. mit einem gesalbten Gebet beschloßen.

♂ d. 12tn Mart.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Petrus über die heutige Loosung.

♃ d. 14tn Mart.

hielt Bruder Joseph in der gewöhnlichen Versammlung der Abendmahls-Geschwister eine Rede über die Loosung des Tages.

♄ d. 16tn Mart.

In der Beter-Versammlung wurde von Bruder Johannes über die Loosung geredet.

Uebrigens ist noch folgendes bey dieser Woche anzuführen:

1.) Den Brüdern Jacob Remin Göttlich, Balthasar Friedreich u. Joh. Friedrich Zenner wurde angetragen, bald [79] nach Ostern nach St. Thomas zum Dienst des HErrn unter den Negern abzureisen. Sie nahmen diesen Ruf mit Freuden an.

2.) Nach Grönland ist ausführlich geschrieben worden.

3.) Aus Liefland bekamen wir Nachricht, daß der liebe Probst Sprekelsen in Roop, u. aus Neuwied, daß daselbst Bruder Herold am 26tn Febr. heimgerufen worden.

4.) Ist folgendes Pro memoria, die der Unitaet ertheilte Rußisch Kayserliche Ukase betreffend, welches dem Bruder Fries nach Petersburg mitgegeben worden, zu communiciren:

Unserm lieben Bruder, dem ehrwürdigen Herrn Magister Peter Conrad Fries haben wir zu dem Auftrage in St. Petersburg, der ihm von Unitaets wegen gegeben ist, noch folgendes zu treuer Besorgung bestens empfehlen wollen.

Wir observiren nemlich in der von Ihro Majestät der Kayserin von Rußland der evangelischen Brüder-Unitaet, die sich zur Lehre der ungeänderten augspurgischen Confession bekennt, allergnädigst ertheilten Ukase de dato 11/22[WS 15] Febr. 1764., daß mit Bezug auf ein an Ihro Majestät die Kayserin von [80] dem heiligen Synodo der Rußischen Kirche gestelltes allerunterthänigstes Gutachten von erwehnter Evangelischer Brüder-Unitaet gesagt wird, daß sie in Absicht auf ihre Lehre mit den Lutheranern u. mit den Reformirten vornehmlich harmonirten. Nun ist leicht zu vermuthen, daß gedachter uns venerabler Synodus theils aus der Historie der vorigen Zeiten, aus welcher allerdings erweislich ist, daß ein Theil der Brüder den Reformirten näher gekommen, als den Lutheranern, wie denn auch Ihrer Majestät des Königs von Preußen reformirter Ober-Hof-Prediger, der hochwürdige Herr Daniel Ernst Jablonsky bis an sein seliges Ende Bischoff der Brüder gewesen ist, theils aus dem Betragen Betragen verschiedener Lutherischen Theologorum unsrer Zeit, welche gegen den uns unvergeßlichen Ordinarium der Brüder-Kirche, den Herrn Grafen Ludwig v. Zinzendorf u. Pottendorf /: ohngeachtet dieser so wol in einem Examine rigoroso der unstreitig orthodoxen Herren Theologorum in Stralsund, als von der theologischen Facultaet in Tübingen bey dem Antritt seines geistlichen [81] Standes, nicht weniger von den Lutherschen Herrn Pröbsten in Berlin, die auf Befehl Ihrer Majestät des Königs in Preußen vor Seiner Ordination zum Bischoffe der Brüder-Kirche ein Colloquium mit ihm gehalten, als ein guter Lutheraner erfunden worden, wovon auch sein an Ihro Majestät den König in Schweden gestelltes u. auf dem Reichstage zu Regenspurg ad aedes praesentirtes Schreiben, worinn er sich sehr praecis zur ungeänderten augspurgischen Confession bekennt, gnugsam zeuget :/ heftige Streit-Schriften herausgegeben; theils aus der moderaten Aufführung verschiedener reformirten Theologorum, die sich auch schriftlich u. vielleicht überdem mündlich der Brüder halber gegen den venerablen Rußischen Synodum erklärt haben; müße geschloßen haben, die evangelische Brüder-Unitaet harmonire mehr mit den Reformirten als mit den Lutheranern in der Lehre. Wir können aber nicht unbezeugt laßen, daß wir, bey allen dem Respect gegen den kaum erwehnten heiligen Synodum, einen Mißverstand darinnen finden, u. denselben zu Steuer der Wahrheit zu removiren [82] unsrer Schuldigkeit zu seyn erachten. Wir können nicht glauben, daß unsere beyden Deputirten an besagtem Mißverstand Schuld sind; sintemal wir nicht nur aus den von ihnen sorgfältig gesammleten u. uns vorgelegten Acten sehen, daß sie die Lehr-Artikel der unveränderten augspurgischen Confession als der Evangelischen Brüder-Unitaet ihr Glaubens-Bekenntniß gehörigen Orts übergeben, sondern auch aus der Kayserlichen Ukase, worinn wir als der augspurgischen Confession zugethane ausdrücklich gleich Anfangs erkannt werden, deutlich abnehmen, daß solches nicht unattendirt geblieben sey. Hätten wir gefunden, daß durch ihr Versehen dieser Mißverstand bey dem heiligen Synodo veranlaßt worden : so würde es gewiß auf unsrem im Julio u. Augusto des verwichenen Jahres versammleten General-Synodo ernstlich gerüget worden seyn.

Wir wollen also unserm lieben Bruder Fries hiermit aufgetragen haben, in Petersburg allen u. jeden, die uns zu kennen sich Mühe geben, nachstehendes auf alle mögliche Weise zu bezeugen: [83] 1.) Es sey der Evangelischen Brüder-Unitaet ihre Weise nicht, diese oder jene Confession zum Schein anzunehmen. Wir hätten uns zur ungeänderten augspurgischen Confession als dem eigentlichen Glaubens-Bekenntniß der Lutheraner, nicht um Menschen zu gefallen, nicht um einigen Leiden zu entgehen, nicht um einige Vortheile zu erhalten, sondern von Herzen vor Gott u. darum bekannt, weil wir ihre 21 Lehr-Artickel mit der heiligen Schrift übereinstimmend fänden, u. weil wir durch Gottes Gnade damit harmonirten. Solten aber Leute denken, wir harmonirten doch mehr mit den Reformirten; so könte ihnen leicht zugleich einfallen, es wäre mit unserm Bekenntniß zur augspurgischen Confession kein rechter Ernst; u. darinn geschähe uns Unrecht.

2.) Wir wolten wol nicht in Abrede seyn, daß ein großer Theil der Reformirten, so wol im Punct der absoluten Erwehlung u. Verwerfung, als auch in Absicht auf die Lehre vom heiligen Abendmahl, sich viel beßer ausdrückten, als wol manche Lutheraner unsrer Zeit nicht thäten. Inzwischen [84] wäre doch ein anderer Theil, wo man ein absolutes Decretum so wol in Absicht auf die Verwerfung als auf die Gnadenwahl, nicht nur bis diese Stunde behaupte, sondern auch die Lehrer verbinde, dem conform zu lehren, u. alles vor irrig erkläre, was dem nicht gemäß sey. Da nun eben dieser Theil der Reformirten im Punct vom heiligen Abendmahl mit dem Bekenntniß der ungeänderten augspurgischen Confession nicht übereinstimmte : so könten wir nicht sehen, wie man von der Brüder-Unitaet, die sich zur A. C.[WS 16] bekennt, sagen könne, sie harmonire vornehmlich mit der Lehre der Reformirten.

3.) Wir könten wol nicht leugnen, daß in diesen Zeiten, da man die Philosophie in die Theologie menge, u. bey den heilsamen Worten der Lehre Jesu einfältig u. kindlich nicht bleibe, auf vielen Lutherischen Canzeln u. Cathedern eine Lehre getrieben würde, mit der wir darum nicht einstimmig wären, weil unsers HErrn Christi Verdienst, Leiden, Sterben u. Blutvergießen darinn beynahe vergeßen werde. Wenn wir aber von einer Conformitaet mit der Lehre [85] der Lutheraner redeten, so meynten wir weder dieser oder jener Luthrischen Lehrer ihren verkehrten mündlichen Vortrag, noch auch dieser oder jener in Lutherischen Aemtern stehenden Theologorum ihre von dem Glaubens-Grunde Lutheri abgehende Schriften, sondern wir bezögen uns darinn auf die augspurgische Confession.

4.) Ueberhaupt sey es gar nicht unsre Sache, über den beyden Protestantischen Religionen, der Lutherischen u. reformirten in genere zu judiciren, u. über ihre gehabte oder noch habende Controversen dergestalt zu decidiren, daß wir uns zu der einen oder zu der andern Parthey schlügen. Wir wolten das Gute, das wir auf der einen, wie auf der andern Seite finden könten, erkenntlich ansehen; vor dem, was hier oder da von dem Worte der Wahrheit abgehe, durch Gottes Gnade nach unserm besten Wißen u. Gewißen uns hüten u. lieber drauf denken, wie wir diesen beyden Protestantischen Religionen zum Segen seyn könten, als uns in ihre Controversen, die sie unter einander haben, zu meliren. Und dieses leztere sey auch [86] der hauptsächlichste Zweck der Troporum[WS 17] in der Evangelischen Brüder-Unitaet.

Hiemit wollen wir unsern lieben Bruder Fries dem HErrn unserm Heylande, u. dem Worte Seiner Gnade, dem Schutze u. Segen unsers lieben Vaters im Himmel u. der Leitung des heiligen Geistes empfehlen.

Gegeben Herrnhuth am 25tn Febr. 1765. und unterschrieben im Namen des gegenwärtigen Directorii der Evangelischen Brüder-Unitaet Augustanae Confessionis.


[87]
Die XIIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Laetare d. 17tn Merz

in der Litaney wurden die 3 verehlichten Schwestern Greenin, Schlüterin u. Lampaderin u. die ledige Schwester Leupoldin, desgleichen die Schwester Engelhardin in St Jan und Probst Sprekelsen in Roop namentlich erwehnet.

Nachmittag hielt Johannes so wol dem Ehe-Chor als den Witwern Homilien.

In der Gemein-Versammlung redete er über die Lehr-Texte vom 16tn–18tn.

☽ d. 18tn Mart.

wurde Bruder Praetorius an des seligen Bruders Herolds Stelle zum Vice-Pfleger der ledigen Brüder u. Inspectore der Anstalt in Neuwied ausgemacht. Auch haben die Witwe Anna Schneiderin u. die ledige Schwester Jule Schneiderin ihren Ruf nach St Thomas, der ihnen dieser Tagen angetragen worden, mit Freuden angenommen.

[88]
♂ d. 19tn Merz.

In der Versammlung der Communicanten redete Bruder Petrus über die Loosung.

☿ d. 20tn Merz.

Vor der Singstunde hielt Johannes den ledigen Brüdern eine Chor-Rede. Er hielt auch

♃ d. 21tn Merz

die Versammlung der Abendmahls-Geschwister u. die Homilie an die ledigen Schwestern; u. Bruder Schlicht die Singstunde.

♀ d. 22tn Merz

als am ersten Buß- u. Bet-Tag dieses Jahres wurde Vormittags von Bruder Reichel die Predigt über die vorgeschriebenen Texte gehalten, u. zulezt in einem herzlichen Gebet das Land u. die Obrigkeit unserm lieben HErrn zu Gnaden empfohlen.

Nachmittag wurde den Abendmahls-Geschwistern Bruder Friesens Reise-Diarium communicirt.

In der Gemein-Versammlung Abends um 7 Uhr war die Taufe des Töchterleins unsers Bruders Anders, Friederica Elisabeth. Nachher hielt Johannes den Witwen eine Homilie über die Loosung u. den Text. [89] Der Schluß des Tages wurde mit der Liturgie zum Haupt voll Blut u. Wunden gemacht.

♄ d. 23tn Merz

gingen Geschwister Josephs u. Bruder Gneuß zum Besuch nach Klein-Welke.

Sonst sind in dieser Woche folgende Nachrichten eingelaufen:

1.) Aus St Crux bekamen wir Briefe vom Sept. Die Geschwister in den 3 Eylanden befinden sich wohl, u. der Segen des Evangelii gehet immer weiter.

2.) Von Gnadenfrey erhielten wir Nachricht, daß daselbst die Schwester Eva Grunewaldin, die ehedem mit ihrem Manne als Arbeiter in Peterswalde gewesen, nach einem vieljährigen Krankseyn selig heimgegangen.

3.) Geschwister Friesens, Westmann u. Fockels sind glücklich in Königsberg angekommen, u. die ersten 3 bereits am 13tn Merz von da abgereiset.

4.) Ist aus eingelaufenen Briefen folgendes zu communiciren:

a.) Von Bruder Gottlieb Schneider
aus Berlin.

Sehr liebe u. werthe Gemeine Jesu u. bis diese Stunde bey allem [90] feindlichen Widerspruch legitimirtes Volk des Heylands zu Herrnhuth.

Ich kan nicht genugsam beschreiben, wie erstaunend bestürzend mir vor wahrer inniger Schaam u. Beugung meines Herzens zu Muthe war, als die erwünschte Antwort auf mein voriges Abbitt-Schreiben erhalten u. im Namen der ganzen Gemeine der Vergebung u. Absolution über alle meine geschehene Abweichungen u. der nunmehr wieder hergestellten Versöhnung mit Seinem Volke, das ich 14 Jahr lang so unbeschreiblich viel betrübet u. beleidiget, aufs innigste vergewißert wurde. Ich weiß freylich vor großer Beschämung u. Bestürzung nicht, was ich sagen soll, u. danke es mit tausend Thränen dem so unendlich barmherzigen u. ganz erstaunlich gnädigen Erbarmer aller Seiner durch Blut u. Wunden theuer erlösten, erbärmlich beschaffenen u. grundverdorbenen Creatürlein, unter welchen ich gewiß einer unter den elendesten bin. Und also lege ich mich ganz von neuem meinen lieben Geschwistern, der ganzen Gemeine Jesu zu Herrnhuth hiemit ans Herz, [91] u. empfehle mich mit meiner übrigen gesamten Noth in deren herzliches Andenken vor dem Heylande u. fernern Liebe zu mir u. meiner armen Familie, mit dem innigsten Wunsch meines Herzens : daß man von nun an u. bis zum Schluße meiner Augen u. Ende meiner wenigen Tage, die ich noch etwa möchte zu leben haben, von dem armen Schneider allemal mit Grund vernehmen möchte: Seine Gnadenwahl ist erneuert u. bis zum Heimgange beklieben[WS 18]. Amen. Das thue u. erfülle der ewige Erbarmer, der Sein Blut u. Leben auch für mich in den Tod gegeben, Amen, Amen.

Berlin, d. 12tn Febr. 1765.

Euer durch Gnade
u. ewiges Erbarmen
Euch nun wieder aufs
neue angehöriger armer
Gottlieb Schneider.


b.) Aus einem Schreiben eines Bruders in der Diaspora, deßen Sohn im Dienst des Heylands gebraucht werden soll.

Die Gelegenheit zu diesem Schreiben ist, daß mein Sohn sich in einem Briefe an mich erklärt, daß er [92] sich dem lieben Heyland u. Seiner Gemeine ganz ergeben hätte mit Leib u. Seele, mit ihm zu machen, was sie wolten: er sehe aber doch gerne, daß wir Eltern uns auch gegen die ehrwürdige Gemeine erklärten, daß wir ihn dem Willen des lieben Heylands und Seiner Gemeine ganz überlaßen u. nicht etwa über kurz oder lang eine Forderung an ihn machen wolten, wenn ihn etwa sein lieber Heyland, es möchte auch seyn, wohin es wolte, senden würde. Da wir nun als Eltern schon längst gewünscht u. gebeten haben, daß er vor unsern lieben Heyland gedeyhen möchte und wir ihn als einen Samuel dem HErrn opfern könten; so ist nun nach reichlicher Ueberlegung vor unserm Heylande unser beyder, Vaters u.Mutter herzlicher Wille, in dieser Sache im geringsten nicht hinderlich zu seyn, sondern übergeben ihn hiermit schriftlich ganz dem Heyland u. der Gemeine, mit ihm zu thun, nachdem ihn unser liebes Gottes-Lamm gebrauchen will u. kan. Er bewahre nur sein Herz in Seinen Wunden, daß er Seine bleiben [93] möge in Zeit u. Ewigkeit. Wir können u. wollen aber auch der lieben Gemeine nicht bergen, daß es uns gleichwol ein wenig schmerzlich ums Herz ist, wenn unser Sohn in ein ander Welt-Theil gehen solte; wir wollen aber kindlich vor dem Heyland stehen u. Ihn bitten, daß Er uns in unserm Schmerz tröste u. uns mit Seinem Blute salbe. Dazu wollen wir auch die Gemeine bitten, wenn sie vorm lieben Heyland steht, auch unsrer zu gedenken u. mit vor uns zu flehen, daß wir von Ihm getröstet werden. Wir sind übrigens beschämt über der unverdienten Gnade, daß Er auch uns auf diese Zeit aufgehoben, da Er eine Gemeine gestiftet, mit der Er auch uns hat bekannt werden laßen, daß wir nun auch an dem Geheimniße des Leidens u. Sterbens unsers Heylands einen Antheil haben. Das liebe Lämmlein bevestige uns immer mehr darinn u. schenke unsern Herzen die Gnade, daß wir als die Armen u. so schmählige, aus Erbarmen aber Selige vor Ihm leben können, wozu wir uns der lieben Gemeine ins Andenken empfehlen.

[94]
c.) Vom Obristen v. Krassow aus Diwiz 25tn Jan. 65.

Dero Liebes-Andenken hat mich herzlich erfreut, beschämt u. gebeugt, daß unser lieber HErr mich Unwürdigen in der Connexion Seines seligen Volks erhält u. mir davon so gnädige Merkmaale gibt. Er wolle mich darinn erhalten bis zum Kuß Seiner Seitenspalte. Ich verlange nur aus Gnaden um Seines Verdienstes willen selig zu werden, und empfehle mich und mein Haus Seinem u. Seines Volkes Herzen pp.


[95]
Die XIIIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Judica d. 24tn Mart.

früh war die Gemein-Litaney, in welcher gehörigen Orts der kleinen Friederica Elisabeth Andersin gedacht u. mit dem Bruder Herold in Neuwied u. der Schwester Eva Grünewaldin in Gnadenfrey die ewige Gemeinschaft erbeten wurde.

Abends war zur gewöhnlichen Zeit die Gemein-Versammlung, welche Bruder Petrus hielt.

☽ d. 25tn Mart.

als am Feste der Menschwerdung unsers HErrn versammlete sich Vormittags um 9 Uhr die Gemeine der Erwachsenen u. Kinder.

Nachdem gesungen worden: Gelobet seyst Du, Jesu Christ, daß Du ein Mensch geboren bist p. Wir woll'n von Herzen gern die Gottheit Christi gläuben; die Menschheit unsers HErrn soll uns vor Augen bleiben p. Wenn man sich das überlegt, daß Gott selbst die Hütte [96] trägt p. So bedient man sein sterbend Gebeine, weil mans anzusehen hat als Seine p. So wurde nach einem kurzen Eingang das heutige Fest-Evangelium Luc. 1,26–38 gelesen u. darauf gesungen: Willkommen, o Du reine Seel, in der menschlichen Leibes-Höhl p.

Bruder Johannes hielt hernach eine Rede über die heutige Loosung:

Das ist die Wohnung Gottes von Anfang.
Und Er fuhr aus der Ewigkeit in diese abgemeßne Zeit.

u. den Text: Opfer u. Gaben hast Du nicht gewolt, aber den Leib hast Du mir bereitet.

Willkommen, o Du reine Seel', in der menschlichen Leibes-Höhl.

Es wurde hierauf gesungen: Gelobet sey der Martermann, der unsre Glieder träget p. Unter den Worten: Wir fall'n vor Dir hin p. kniete die Gemeine nieder u. sang weiter: HErr Jesu! habe ewig Preis u. Ehr, wo wären wir doch, wenn kein Jesus wär!

Sodann betete Johannes: Allerliebster Heyland, Du [97] unser Hoherpriester u. Versöhner! Wie sollen wir Dir doch unser Herz ausdrücken u. unsre Dankbarkeit für Deine Zukunft ins Fleisch u. Deine Marter u. bittern Tod bezeigen? Wir sind arme, elende, sündige Gemächte. Wir bekennen Dirs, daß nichts Gutes an uns ist, daß wir bis in Grund u. Boden verdorbene Creaturen sind; aber Du hast Dich unsrer erbarmt. Du hast aus Liebe zu uns armen Sündern den Thron Deiner Majestät verlaßen, bist herab gefahren, auf diese Erde gekommen, hast Fleisch u. Blut an Dich genommen u. bist ein wahrer Mensch worden, wie wir, doch ohne Sünde. Wir können unsre Freude darüber nicht genug ausdrücken. Wir danken Dir es, allerliebster Heyland, daß Du zu uns gekommen u. unser Heyland worden bist; wir danken es Deinem Vater im Himmel, daß Er Dich, Seinen geliebten Sohn, für uns dahin gegeben, damit alle, die an Ihn gläuben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben; wir danken es Deinem Vater, daß Er Seinen Sohn einer Magd in [98] ihren Schooß gegeben; wir danken es dem heiligen Geiste, daß Er Dich hat wollen im Leibe der Mariae bilden u. Dir einen Leib zubereiten. Ach allerliebster Heyland! wir wünschten nun auch, daß Du Dich an uns armen Sündern Deiner heiligen Menschwerdung freuen köntest. Dazu opfern wir uns Dir am heutigen Tage von neuem auf. Laß die Kraft Deines Verdienstes an uns groß werden, daß wir durch dasselbe an Leib u. Geist geheiliget werden, u. der Eindruck, den Deine heilige Menschheit bey Deinen Kindern hat, daß effectuire, was Du uns dadurch verdient hast. Gib, daß jeder Reigen die Segen Deiner heiligen Menschheit ganz genießen möge; thue das auch insonderheit an dem Reigen der Mädgen u. verleyhe ihnen, daß sie sich Deiner Menschwerdung im Leibe Mariae freuen u. Dir dankbar dafür seyn.

Allerliebster Heyland! möchtest Du aber auch am ganzen menschlichen Geschlecht Freude haben; oder möchtest Du, da Du noch so vielen tausend Menschen unbekannt [99] bist, zum wenigsten an Deinem Volke u. Deiner Gemeine, der Du das seligmachende Evangelium gegeben, Dein völliges Vergnügen sehen! Wir opfern Dir dazu Geist, Seele u. Leib auf, u. wollen Dir auch gern darinn behülflich seyn, daß die Erde Deiner Erkenntniß, der Erkenntniß des Verdienstes Deiner heiligen Menschheit, voll werde. Wir können Dich nun als unser Fleisch u. Bein ansehen u. mit Dir umgehen, wie ein Bruder mit dem andern. Wir erzittern nicht mehr vor Dir, seitdem Du Mensch worden u. Dich so herzvertraulich mit uns eingelaßen hast. Führe alle Deine Friedens-Gedanken an uns aus. Laß uns vornemlich nicht aus dem Sinne kommen, daß Du Dir einen Leib bereiten laßen, um denselben zum Opfer für unsere Sünden zu geben. Nimm alle noch übrige Schüchternheit u. Furcht vor Dir von uns weg, daß wir im Glauben u. wahrer Zuversicht zu Dir nahen. Bekenne Dich zu Deiner Gemeine, die Dein Fleisch u. Gebeine ist, u. gib ihr Deinen Frieden. Amen.

Gesang Die Gnade unsrer Zeit besteht [100] in dem Andächtigseyn zur heiligsten Humanitaet des Hauptes der Gemein. Laß unsre Seele – mit Deiner Seele ziehn p. Bis Christi Braut beym Christ wird seyn p.

Die Mädgen hatten zu ihrem heutigen Chor-Feste um 10 Uhr eine besondere Versammlung, in welcher nach einer Homilie 8 Kinder ins Mädgen-Chor aufgenommen wurden.

Um 2 Uhr war ihr Fest-Liebesmahl, wobey sie folgenden Psalm anstimmten:

Chorus: Gnade sey mit allen, die da lieb haben unsern HErrn Jesum Christ unverrückt.

Gemeine Ja, die Gnade unsers HErrn Jesu Christi, u. die Liebe Gottes, u. die Gemeinschaft des heiligen Geistes sey mit uns allen. Amen!

Chorus Wir haben ein Fest des HErrn, u. freuen uns Gottes unsers Heylandes: denn Er ist ein Gott, der nahe ist, u. hat Lust an der Liebe. „Liebe riß Ihn von dem Thron.“ Singet dem HErrn ein neues Lied. Ein Tag sag's dem andern, u. eine Nacht thu's kund der andern: Der HErr ist kommen u. ist uns aufgegangen; [101] Er neigete die Himmel und fuhr herab.

Gemeine Er sprang ins Todes Rachen, uns frey u. los zu machen von solchem Ungeheu'r. Er ward ein Fluch, dagegen verehrt' Er uns den Segen. O unerhörtes Liebes-Feu'r!

Chorus Also hat Gott die Welt geliebt, daß sich Sein Herze drein ergibt, den Sohn, der Seine Freud' u. Leb'n, in Noth u. Tod dahin zu geb'n. Der ward im Leib ein's Jungfräuleins der sterbenden Gebeine eins, daß Er das Fleisch durchs Fleisch erwürb' u. Sein Geschöpf nicht all's verdürb'.

Gemeine Bis willkommen, Du edler Gast! den Sünder nicht verschmähet hast, Du kamst ins Elend her zu mir. Wie soll ichs immer danken Dir?

Chorus Meine Seele erhebet den HErrn, u. mein Geist freuet sich Gottes meines Heylandes; denn Er hat die Niedrigkeit Seiner Magd angesehen u. hat große Dinge an mir gethan, der da mächtig ist u. deß Name heilig ist.

Gemeine Heiliger HErre Gott! heiliger starker Gott! heiliger barmherziger Heyland, Du ewiger [102] Gott! Durch Deine Menschwerdung halfst Du uns aus aller Noth. Hallelujah!

Chorus Gelobet sey der HErr, groß von Rath u. mächtig von That! Er weiß Sein Volk zu erretten, u. hat ein Gedächtniß gestiftet Seiner Wunder, der gnädige u. barmherzige HErr. Denn Er ist erschienen, sich selbst Gotte zu opfern, u. durch Sein eigen Opfer die Sünde aufzuheben, daß, wenn man sie suchen würde, keine mehr da sey u. keine Mißethat mehr gefunden werde, u. man sich verwundern u. entsetzen müße über alle dem Guten u. über alle dem Friede.

Gemeine Man erstaunet billig u. ist voll Bewegung bey derselben Ueberlegung. O Du Lamm! wundersam ist Dein Liebs-Bezeugen; Menschen-Witz muß schweigen.

Chorus Seine Barmherzigkeit ist so groß als Er selber ist; Seine Güte ist beßer denn Leben, u. Seine Gnade währet von Ewigkeit zu Ewigkeit. [103]
Gemeine Das glauben wir u. fühlen's gar; wir wißen, wie uns immer dabey zu Muthe war.

Chorus Kindlein! bleibet bey Ihm, daß ihr nicht zu Schanden werdet vor Ihm in Seiner Zukunft. Ihr seyd theuer erkauft; darum so preiset Gott an eurem Leibe u. an eurem Geiste, welche sind Gottes.

Gemeine Geist, Seel u. Leib :/: so Deine bleib p.

Nach dem Liebesmahle kamen sie noch einmal zusammen, da ihnen denn die Bibeln, nach einer kurzen Anrede von dem rechten Gebrauch der heiligen Schrift, ausgetheilt wurden.

Hierauf hielt Johannes zuerst den Kindern, sodann sämtlichen Schwestern u. zulezt sämtlichen Brüdern Lehr-Reden.

Gegen 9 Uhr war noch folgende Liturgie zur heiligen Menschheit Jesu: Sey willkommen, o mein Heyl, Hosiannah p. Christum wir sollen loben schon der reinen Magd Marien Sohn p. Bis willkommen, Du edler Gast p. Warum ist denn Gott ins Fleisch gekommen? Fragt mans Herz, so heißts: [104] für mich p. Welch ein Liebes-Schmerz übernimmt mein Herz, wenn ich an den Vater denke, wo man her hat das Geschenke p. HErr Gott Vater im Himmel! Wer Ihn siehet, der siehet Dich. Opfer u. Gaben hast Du nicht gewolt; aber Ihm hast Du den Leib bereitet. Täglich o Vater, lobet Dich, was Jesus Christus hat für sich, daß Du Dein Schooß-Kind – einer Magd gabst in ihren Schooß. Denn dieses wäre nicht geschehn – wenn Abba – ein Wörtlein hätte drein geredt. O Du Mutter der Gottes-Leut' – der Jungfrau'n Leib nicht hast verschmäht zu der heiligen Tempel-Stätt' p. Nun singt die selige Gemein' – Du heilige DreyEinigkeit! sey für das Lamm gebenedeyt p. Unschuldigs Gottes-Lamm p. Du hast durch Deine Schöpfers-Kraft – die Menschheit – Dir erbaut nach Deinem Bild p. Und als sie alles das verlor, tratst Du in neuer Form hervor – Und wardst im Leib ein's Jungfräuleins der sterbenden Gebeine eins. Willkommen, o Du reine Seel p. Nun bist Du unsrer Seelen – ihr HErr u. [105] Mann allein p. Unter diesem Vers gaben sich die Geschwister den Friedens-Kuß, u. beschloßen diesen auch dismal besonders gesegneten Menschen-Sohnes-Tag dankbar u. selig.

♂ d. 26tn Mart.

In der Versammlung der Communicanten redete Bruder Johannes über den heutigen u. morgenden Lehr-Text.

Von Hamburg kam der Herr v. Bülow, der ehedem in Ebersdorf u. Herrnhaag gewesen, zum Besuch an.

☿ d. 27tn Mart.

Abends hielt Bruder Johannes den ledigen Brüdern eine Homilie über die Loosung: Ich bin Joseph euer Bruder. Er ist es sicherlich.

Der Eindruck, welchen diese Worte in Application auf unsern lieben HErrn so wol im Synodo, als nachher in den Gemeinen gemacht, wurde heute lebhaft erneuert. In der Singstunde sang der Chorus musicus diese Loosung besonders lieblich, worauf die Gemeine anstimmte:

Ist das mein lieber Bruder? – Er ist es sicherlich. Freund u. Bruder, den wir sterblich lieben – bist Du da? Wir fühlens: ja. Auszusprechen [106] ist es nicht p. Nimms Aug von Thränen naß p. Wir wißen alle, wer wir sind u. daß sich niemand bey uns find't, der etwas vorzubringen wüßt', warum ihn Jesus lieben müßt' p. Mein Alles, mehr als alle Welt, mein Freund, der ewig Treue hält p. Wir wißen nichts zu sagen, als Dich erstaunt zu fragen: Ists möglich p. Das macht uns Liebes-Schmerzen p. Wie könt' es doch seyn freundlicher das Herze Jesulein? Wollst uns fein oft bey seite nehm'n p. O ich freu mich, daß ich bleibe an dem Leibe meiner Liebe p. Nimm uns freundlich in dein' Arme p. Du findst uns blöd u. arm – im Herzen aber warm u. sehr in Dich verliebt.

Sonst retournirte heute Bruder Joseph u. seine Gesellschaft von Klein-Welke, wo sie mit der dasigen Gemeine das Fest der Menschwerdung Jesu begangen hatten.

♃ d. 28tn Mart.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister hielt Bruder Joseph eine Rede über die Loosung.

♄ d. 30tn Mart.

In der Beter-Versammlung brachte [107] Bruder Johannes den heutigen u. morgenden Text in Erinnerung u. sang: Man wagt sich hinan p. Und wenn wir den Strahl erblicken einmal p. Verkläretes Haupt, Du hasts uns erlaubt p. Du unser Freund, Du treuer, komm, schütte Geist u. Feuer auf unser Beter-Chor p. Daß wir beym Wunden-Scheine die Nothdurft der Gemeine u. unsre eigne sehn p. /: Pacem :/

Uebrigens ist dieser Woche noch folgendes beyzufügen:

1.) Die Landesherrliche Concession für die Gemeine in Neu-Dietendorf ist dem Consistorio u. durch daßelbe dem Pastor Frühauf insinuirt worden, daß er sich darnach achten möge.

2.) Aus England bekamen wir Nachricht, daß Geschwister Christian Schulzens am 11tn Mart. vergnügt u. selig nach Antigo abgereiset sind.

3.) Unsere Deputirten in der Labrador-Sache haben nun ihre Petition beym Board of Trade eingegeben. Die 4 Brüder, die zur Recognoscirungs-Reise bestimmt sind, werden vermuthlich mit einem Königlichen Schooner, der jezo ausgerüstet wird, gegen das Ende des Apr. dahin abgehen. [108] Die Resolutionen des Directorii haben mit den Wünschen der Brüder in England, die uns noch nicht bekannt gewesen, durch des Heylands Direction in dieser Sache auf eine gar liebliche Weise von Zeit zu Zeit harmonirt.

4.) ist aus Briefen, die neulich eingelaufen, folgendes zu communiciren:

I. Von Bruder Anton aus Gracehill
d. 12tn Febr. a.c.

Am lezten Januar hatten wir eine herzliche u. gesegnete Conferenz, in welcher uns der liebe Heyland Seinen Sinn u. Willen wegen des bevorstehenden Baues des Gemeinhauses u. Saals zu erkennen gab, daß wir nemlich nun getrost anfangen sollen. Dieses war der ganzen Conferenz eine große Freude. Wir haben auch Anweisung gekrigt, das ledige Schwestern-Haus dieses Jahr zu bauen. Der liebe Heyland gebe nun Seinen Segen dazu u. daß es nicht so viel regnen möge, wie sie sagen, daß es hier fast immer regnet. Wir gedenken um die Mitte des nachsten Monats anzufangen, wo das Wetter gut ist.

Wir haben nun auch die Geschwister in dieser Gemeine gesprochen, u. [109] in Gloonen das Abendmahl mit ihnen gehabt, wobey sich der Heyland innig nahe fühlen ließ. Er hat viel an diesem armen Volke gethan. Es war gestern beym Liebesmahl eine große Freude, da ich den Geschwistern sagte, daß der Heyland uns nun angewiesen, den Gemein-Saal bald möglichst anzufangen. Besonders weinten fast alle ledigen Schwestern vor Freuden, da sie hörten, daß auch ihr Haus angefangen werden solte. Es ist ihnen wirklich zu gönnen, da sie sich lange genug sehr schlecht haben behelfen müßen. Am 1sten dieses bin ich mit meiner Frau in Geschwister Reinhards Haus eingezogen. Ich bin vergnügt in meinem treusten Freunde, Er hält sich zu mir, u. ich darf mich zu Ihm halten u. kan mir als ein armes Kind alles von Ihm ausbitten pp.

II. Aus einigen Briefen von Bruder Lawatsch
1.) d. d. Saron. 2tn Oct. 1764.

Nun bin ich bey meinen lieben Geschwistern in Saron. Ich habe schon oft meinem lieben Heyland für die selige Leitung gedankt; denn Er hat mich wie eine liebe Mutter ihr Kind wahrgenommen, [110] u. zur rechten Stunde, wie ich nicht anders glaube, hieher gebracht. Er wird sich auch noch ferner meiner annehmen u. mit mir seyn, wie bis daher. Wir haben nun die Brüder Schirmer u. Grimm, die nach Corentyn gehen, so gut sichs hat thun laßen, mit allem besorgt. Ich begleite sie bis dahin. Bruder Schirmer soll sich in Ephrem der Seelen-Sache annehmen, u. Bruder Grimm das äußere daselbst, wie hier Geschwister Clevens, besorgen. Geschwister Clevens nehmen sich, wie des Ganzen, so besonders der Eheleute an. Ach! hätten wir noch ein paar Ehe-Geschwister, die die Sprache lernen u. an dem Werke des Heylands unter den Indianern gebraucht werden könten! Bruder Hollaz, der nun ordinirt worden, wird sich fleißig in der Sprache üben. Bruder Reimann, der gern hier ist, soll sich auch mit der Sprache bekannt machen u. der Knaben u. Jünglinge annehmen. Ich denke, wenn meine Geschwister alle activ sind, so brauche ich nur nachzusehen, zu weinen u. zu beten, u. die Sache dem Heyland an Sein verwundetes Herz zu legen.

[111] Der Herr Gouverneur hat uns Erlaubniß gegeben, an der Corentyn ein ander Plätzgen auszusuchen, das gesünder u. näher bey den Arawacken ist; denn die getauften Arawacken halten sich mehrentheils an der Mepenne, die in die Corentyn läuft, ohngefehr 3–4 Englische Meilen von der alten Post auf.

2.) d. d. Saron. 9tn Nov. 64.

Wir sind d. 5tn Oct. auf unsrer Canoe von Saron nach Ephrem an der Corentyn abgereist u. d. 15tn glücklich u. wohlbehalten daselbst angekommen. Tags drauf ging ich u. Bruder Grimm den Fluß hinunter zum Posthalter, der uns sehr freundlich aufnahm u. sich freute, daß wieder Brüder an der Corentyn zu wohnen kommen. D. 17tn fuhr Bruder Grimm auf die andere Seite des Strohms auf die alte Post zum Officier mit unserm Paß vom Herrn Gouverneur. Er ist ein bescheidener Mann, hat in Preußischen Diensten gestanden, ist anno 60. durch Herrnhuth gekommen, wo es ihm, wie er sagt, ungemein wohlgefallen hat. Er wünschte uns zu unserm Vorhaben Glück u. Segen u. einen beßern Ort als Ephrem, [112] denn er hat nach Kaskens Abreise eine Zeit lang da gewohnt u. in der Regen-Zeit vor Näße u. Morast nicht aus dem Hause gekont.

Der Platz, wo jezt der Posthalter wohnt, liegt hoch, hat eine reine Luft u. schönes Waßer. Weil er nun in 5–6 Monaten den Platz verlassen wird u. derselbe der Lage nach zu unserm Zweck ganz gemäß ist: so fragte ich ihn, ob er uns das Haus verkaufen könte? Er gab mir zur Antwort, daß es keine Schwierigkeit haben würde, u. er wolte desfalls an den Herrn Gouverneur schreiben, welchen Brief er mir zur Bestellung mitgegeben. Wir fanden auch beym Herrn Posthalter aus Berbice vom Directeur der Compagnie-Plantage Cornelia Jacoba einen Brief vom 15tn Jun. u. einen andern von Peter Schweizer vom 3tn Jul. 64. Ersterer erwehnt in seinem Briefe, daß er den Bruder Vester auf die Plantage genommen hätte, um die frische Luft zu genießen, wenn er nicht schon unterwegs d. 27tn Apr. verschieden wäre, so wie vorher d. 2tn Apr. bey ihm der Bruder Clemens.

[113] Um ihre hinterlaßene Sachen in Ordnung zu bringen, hat sich Bruder Grimm resolvirt, von Corentyn aus über Land mit noch einigen Indianern dahin zu gehen, weil jetzo noch die trockene Zeit ist. Vielleicht findet er noch einige Indianer-Geschwister da, u. insonderheit den Malatten Gottlieb, den er mitbringen soll.

Ich wäre gern mit unserm Canoe an der See-Kante herum nach Paramaribo gefahren, um unsere Sachen zugleich mitzunehmen; aber es ging nicht. Wir kamen zwar aus der Sarameca glücklich in die See u. ruderten mit der Ebbe bis auf die Moder-Bank; hörten aber vor uns die Wellen brausen, u. wo sie ans Land u. an den Busch anschlugen, sahe es aus, als wenn ein großer Rauch da wäre. Wegen contrairen Windes mußten wir auf der Moder-Bank Anker werfen, u. lagen da den halben Tag u. eine Nacht. Wir wagten es zwar noch einmal durch den bösen Platz durchzukommen, die Wellen aber waren uns entgegen, warfen unser Canoe wie einen Ball herum u. machten uns zur Genüge naß. [114] Weil uns die drauf folgende Fluth in Lebens-Gefahr gesezt hätte, so kehrten wir wieder um auf die Moder-Bank u. sahen uns genöthiget, an statt nach Paramaribo gleich nach Hause zu fahren. Ein Indianer-Bruder war See-krank; ich aber u. Bruder Reimann, den ich mitgenommen hatte, waren wohl u. uns fehlte nichts.

3.) d. d. Paramaribo. 23tn u. 24tn Nov. 64.

Nachdem ich d. 20tn dieses alle Geschwister in Saron, die insgesamt aufs zärtlichste grüßen, gesund u. wohl verlaßen; so bin ich d. 22tn mit meinen Indianer-Brüdern hier in Paramaribo angekommen u. zwar den Waniker Weg, der in der trockenen Zeit zu passiren ist. Ich fand zu meiner großen Freude Briefe aus der Gemeine Loosungen u. etwas vom G. H. Diario. Daß ein General-Synodus sey, darüber habe ich mich gefreut u. habe ihn dem Heyland zum Segnen ans Herz gelegt: denn wir werden eure Arbeit mit zu genießen haben.

D. 24tn dieses als heute ging ich zum Herrn Gouverneur, um zu hören, ob wir das Haus u. Platz des Posthalters an der Corentyn haben könten, [115] wogegen er nichts einzuwenden hatte u. mir desfalls ein Schreiben an den Posthalter mitgeben wolte. Er fragte mich, ob wir denn nicht balde Brüder unter die Frey-Neger schicken würden; denn er sähe es gern, wenn 2 Brüder zu den Frey-Negern an der Creuz-Creek u. 2 Brüder zu denen, die oben an der Sarameca wohnen, gingen. Ich antwortete, daß schon einige Brüder deshalb herein geschickt worden, aber sie wären hier aus der Zeit gegangen. Es wären zwar nachher die 2 Brüder, die in Berbice zurück geblieben, dazu destinirt gewesen; aber auch die wären nun heimgegangen. Solches hätte ich meinen Brüdern in Deutschland gemeldet, u. aufs neue um Brüder vor die Frey-Neger geschrieben.

Hiemit will ich schließen u. mich mit meinen Geschwistern, wie auch das hiesige Werk des Heylands an euer treues Herz legen p.

Unter der Indianer-Gemeine in Saron waltet Gnade, u. von den Getauften, die noch an der Corentyn sind, wird gemeldet, daß, ohngeachtet sie keine Brüder aus der Gemeine bey sich gehabt haben, sie sich doch immer zusammen gehalten.

[116]
III. Von Bruder Hantsch an Bruder Johannes
d. d. Friedensthal auf St Crux. 12tn Sept. 64.

Das selige Gefühl unter unserm lieben Volke u. die liebe Nähe unsers HErrn u. Sein gnädiges Bekennen zu uns, läßt sich wol beßer fühlen als beschreiben. Der heilige Geist arbeitet unermüdet fort an der Neger Herzen, u. es ist unleugbar, daß sie immer mehr auf Grund kommen u. mit unserm lieben HErrn als dem treuesten Sünder-Freund bekannter werden. Ob es gleich noch hie u. da fehlt, oder wol gar etliche in Untreuen verfallen: so sieht man dem ohngeachtet, daß der gute Hirte Seine arme Schäfgen nicht gern verläßt, sondern sie wieder zu Seiner Herde zu bringen sucht, auch wo mans kaum gedacht hätte. Es kommen immer mehr Leute in unsre Predigt, wovon doch immer ein Theil bleibt u. bekleibt. Unsre Kirche faßt oft nur die Helfte des Volks. Unsere lieben Neger-Geschwister addressiren sich fleißig an uns, u. wir haben viel mit ihnen zu thun, sonderlich Sonntags, da wir oft kaum Zeit zum Eßen haben. Meine Frau ist unermüdet in der [117] Arbeit an ihrem Geschlecht, daß sie oft so entkräftet ist, daß es die Hütte kaum aushält. Wir haben unsere Neger sterblich lieb, u. werden auch wieder von ihnen geliebt zu unsrer Beschämung. Wir wollen uns nicht schonen, ihnen zu dienen, wo wir nur können.

Was uns selbst betrift, so sind wir in der Nähe des HErrn selig u. vergnügt, u. der Zufluß aus Seinen theuren Wunden erhält unsere Herzen im Umgang mit Ihm, der uns unentbehrlich ist. Wir sind Sünder, das wißen wir, u. bestünden gewiß nicht, wenn Er uns nicht mit Seinen Augen leitete u. der heilige Geist uns nicht beständig in Seiner seligen Pflege hätte. Dabey fühlen wir auch der theuren u. lieben Gemeine Unterstützung, die uns gewiß sehr zu statten kommt. Wenn ein solches seliges Gefühl u. Hinsinken vor dem Heylande unter uns ist, so fällt mir oft ein, wer weiß, wer itzo in der Gemeine bey unserm lieben HErrn für uns fleht u. uns Seinen Segen erbittet u. erseufzt.

Meine theuren u. allerliebsten Geschwister! denkt ferner an uns [118] arme Kinder, die die Gnade haben, in einer so großen Erndte zu dienen; daß wir Ihm in diesem fremden Lande zur Ehre bleiben und, so lange Er uns in der Hütte läßt, Seinen Namen, ja Sein ganzes Leiden u. Tod ferner bekannt machen mögen, wozu Er sich bisher in Gnaden bekennet hat.


[119]
Die XIVte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Palmarum d. 31tn Mart.

früh betete Bruder Joseph mit der Gemeine die Litaney.

In der Gemein-Versammlung Abends um 7 Uhr wurde zuerst gesungen: Heiliger HErre Gott – segne die Gemeine durch Dein Leiden, Creuz u. Tod. Sodann sagte Johannes:

Lieben Geschwister, da wir mit dem heutigen Tage die große u. selige Marter-Woche anfangen; so wollen wir die Geschichte derselben u. was an jedem Tage vor u. unter dem Leiden unsers lieben HErrn mit Ihm vorgegangen ist, mit einander lesen. Er sende uns Seinen heiligen Geist, damit wir die uns so tröstliche Historie in unserm Herzen bewegen u. unsern lieben HErrn Schritt vor Schritt in Seinen lezten Stunden mit unserm Geiste begleiten mögen.

Hierauf las er aus der Geschichte der Tage des Menschen-Sohnes von der Marter-Woche an bis zu Seiner [120] Himmelfahrt, wie sie heuer zum Gebrauch der Brüder-Gemeinen gedruckt worden, die Geschichte des gestrigen u. heutigen Tages. Zwischen der Lection wurde unter andern von den Kindern musicalisch gesungen: Sey willkommen, o mein Heyl! Hosianna – zeuch Du Ehren-König ein. Aus dem Munde der jungen Kinder u. Säuglinge hast Du Dir eine Macht zugerichtet p. Schließlich brachte Bruder Johannes den gestrigen u. heutigen Text in Erinnerung, u. sang: Wir laßen Thränen fließen p. welches die Stellung der Herzen gar lieblich ausdrückte.

Um 9 Uhr hielt die Gemeine die Liturgie des Lebens, Leidens u. Todes Jesu.

☽ d. 1tn April.

Abends um 7 Uhr wurde mit der ganzen Gemeine aus der Leidens-Historie Jesu, die Geschichte am Montag u. zum Theil des Dienstags gelesen, worinn

♂ d. 2tn Apr.

zu eben der Zeit mit Gefühl continuirt wurde.

Bruder Wohn kam von Stettin zurück, [121] nachdem er die nach Grönland destinirten 3 Brüder ans Schiff begleitet u. seine Commission bey den dortigen Geschwistern ausgerichtet hatte. Auch kam von Barby Bruder Kersten an.

☿ d. 3tn Apr.

wurde Nachmittags um 4 Uhr die Geschichte vom Pedilavio[WS 19] gelesen u. dazwischen gesungen: Mein Gott! wie wäre mir geschehn, hätt' ich an Petri statt den Fuß auf Seiner Hand gesehn p. Ihr vom Todes-Schweiß triefende Hände! wascht uns unsre Füße. Zerschwizte Haare! trocknet sie. Das Waßer, welches – aus Seiner Seite floß, sey unser Bad p. Wir waschen uns die Füße; o liebster Jesu! mach uns doch Dein ganz Exempel süße.

Bald nachher hatten zuerst diejenigen Schwestern u. darauf auch die Brüder das Pedilavium, welche hernach theils daßelbe ihren resp. Abtheilungen andienen, theils Amts- oder Kränklichkeit halber Abends nicht gegenwärtig seyn können.

Gegen Abend wurde zuerst an den Schwestern u. hernach auch an sämtlichen Brüdern unter der gewöhnlichen Liturgie das Pedilavium verrichtet.

Um 9 Uhr hielt Bruder Gregor die Singstunde.

[122]
Am grünen Donnerstag d. 4tn Apr.

Vormittag um 9 Uhr hörte die Gemeine aus der Leidens-Geschichte dieses Tages die lezten Reden u. das hohepriesterliche Gebet unsers HErrn. Bey den Einsetzungs-Worten des heiligen Abendmahls wurde gesungen: Gemein; sieh's Täflein für das Herz, das länger dauern muß als Erz p. Weß ist das Bild u. Ueberschrift des Denkmaals, das Er sich gestift't? Da ist mein Leichnam, nehmt u. eßt, damit ihr meiner nicht vergeßt. Sein Blut wir trinken mit durstiger Seele p. Er sprach: Mein Leib ist Speise, mein Blut ist wahrer Trank – Wir glaubens, ja wir fühlens gar p. Mit Deinen heiligen Testamenten, segne uns, lieber HErre Gott! p. Das hohepriesterliche Gebet unsers HErrn wurde unter besonderer Zerschmelzung der Herzen gelesen, u. darauf mit Thränen gesungen: Wie wär's, man schwiege gar – u. dächte: Lamm nur Du. Mit diesem Deinem hohenpriesterlichen Gebete segne uns, lieber HErre Gott! O Du Gottes-Lamm, das der Welt Sünde trägt! bekenne Dich [123] zu uns. O Du Gottes-Lamm, das sich für uns geheiliget hat, erfreu Dich über uns! O Du Gottes-Lamm, das die Gemeine erworben hat, laß Du uns Deinen Fried! /: Pacem :/

Abends um 7 Uhr kam die Gemeine zusammen, die Geschichte des Leidens unsers lieben HErrn im Oelgarten anzuhören. Vor der Lection wurde gesungen: Ach einen Blick auf die Gestalt, wie Seine Seele sich müht p. Bey Ihm im Garten bin ich gern p. u. nach den Worten: „Es ward aber Sein Schweiß wie Bluts-Tropfen, die fielen auf die Erde“, sang der Chorus: O Anblick, der mirs Herze bricht! HErr Jesu, das vergeß ich nicht, wie Du am Oelberg für mich büßtest. O daß Du für die Seelen-Angst, in der Du mit dem Tode rangst, auch balde mit mir prangen müßtest! O daß ihr da zu Grabe käm't, wo sich mein Gott aufs Blut gegrämt, all' ihr Unjesushaftigkeiten! Ich weine, mir ist wohl u. weh. Mein Heyland, bis ich zu Dir geh, laß mich dis Plätzgen oft beschreiten. Worauf die Gemeine anstimmte: Ich blicke nach [124] der Höhe, wo ich in Angst u. Weh mein einigs Herze sehe, so blutig weinende p.

Nachher kamen die Abendmahls-Geschwister zusammen, da nach einer Rede des Bruders Johannis in Hinsicht auf das bevorstehende Abendmahl 2 Brüder u. 6 Schwestern von eben so viel Arbeitern u. Arbeiterinnen durch Auflegung der Hände den Segen zum ersten Genuße bekamen.

In der Nacht, da unser lieber HErr verrathen war, beging die Gemeine nach Seinem Testamente das heilige Sacrament Seines Leibes u. Blutes auf eine unbeschreiblich selige Weise.

Char-Freytag d. 5tn Apr.

Vormittag um 8 Uhr war die Amts-Communion u. darauf eine liebliche Abendmahls-Liturgie.

Um 10 Uhr wurde zum Eingang in die Lection der Geschichte dieses Tages gesungen: Herzlich lieb hab ich Dich, o Lamm! so wie Du an dem Creuzes-Stamm für meine Noth gebebet p. Die Lection selbst war mit folgendem Gesang begleitet: Die Geißeln u. die Banden – das hat verdienet meine Seel: O Haupt – zu Spott gebunden mit einer Dornen-Cron [125] – gegrüßet seyst Du mir. Wiederholt's mit süßen Tönen – welch ein Mensch! – und besingt mir meinen Schönen – ach – an Seiner Marter-Schön kan ich mich nicht müde sehn. O da fällt mir ein: Ich Armer bin dran Ursach – u. der Anblick vom Erbarmer tröst't mich wieder p. Wundtes Haupt, zerfleischter Rücken – Augen von den Jammer-Blicken matt u. dunkel – Märtyrer von aus u. innen, solt' ich Dich nicht lieb gewinnen? Ey ja Deus Caritas p. Ein Lämmlein geht u. trägt die Schuld der Welt u. ihrer Kinder – ergibt sich auf die Würgebank – u. spricht: Ich wills gern leiden. Ans Creuz ward Er geschlagen p. Wie heftig unsre Sünden den frommen Gott entzünden – kan man aus Jesu Leiden sehn. Nun ist das Heyl vollbracht durchs Lämmlein, das geschlacht't. p. Gott, mein Herz ist bereit, daß ich singe u. lobe. Ja singet alle meine Glieder zu Seinem Lobe tausend Lieder p.

Nachmittag um 3 Uhr hatte die Gemeine ihre Andacht zum Tods-Momente u. zur eröfneten Seite unsers HErrn unter folgender Liturgie:

[126] Chorus: HErr, HErr Gott barmherzig u. gnädig u. geduldig – groß sind Deine Wunder – Dir ist nichts gleich.

Gemeine O Wunder ohne Maaßen – es hat sich martern laßen der HErr für Seine Knecht' p.

Liturgus: Jesus sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in Deine Hände, u. als Er das gesaget, neigete Er Sein Haupt u. verschied.

Gemeine Heiliger HErre Gott – laß uns nie entfallen unsern Trost aus Deinem Tod. O allerschönster Blick – Du Blick im lezten Nick p. Strahlte doch aus einem jeden Blicke Jesu lezter Abschieds-Blick zurücke p. Und nun Du, o Herze ohne gleichen, Du in Deiner Todes-Schön solst uns nie aus unsern Augen weichen p.

Chorus Wer hätte in der Mittags-Nacht an so viel Herrlichkeit gedacht p.

Gemeine Wir wünschen uns zu aller Zeit ein innerliches Sterb-Geläut p.

Chorus Schönster im Bilde, wie Du so milde für mich am Creuz Dich geblutet zu tod; bis zum Vollenden in Deinen Händen laß sich der Blick [127] nie von Dir verwenden, mein Schöpfer, Erlöser, mein HErr u. mein Gott!

Liturgus: – Alles Volk, das da bey war u. zusahe – was geschah, schlug an die Brust p.

Gemeine HErr Jesu Christ, wahr'r Mensch u. Gott – wir bitt'n durchs bittre Leiden Dein, Du woll'st uns Sündern gnädig seyn.

Liturgus: Es stunden aber alle Seine Bekannte von ferne – die sahen das alles.

Gemeine Ach wie ist mir doch so wohl – an dem Creuze, da Du stirbest p.

Liturgus: – Der Kriegs-Knechte einer öfnete Seine Seite mit einem Speere, u. alsbald ging Blut u. Waßer heraus.

Chorus Da gebar Gottes Marter-Schaaf Seine geliebte Braut im Schlaf.

Unter diesen Worten fiel die Gemeine auf die Knie u. sang: Amen Amen, Hallelujah, der Geist des HErrn ist wieder da. Amen!

Hierauf betete Johannes mit Zustimmung der ganzen Gemeine u. unter vielen Thränen:

[128] Allerliebster Heyland, Du Hoherpriester Deiner Gemeine, die Du durch Dein bitteres Leiden und Sterben erworben u. der Du den lebendigen Geist aus Deiner heiligen Seite gegeben hast! Siehe, hier liegt Deine Gemeine vor Dir auf den Knien u. dankt Dir von Herzen für Deine Seelen-Schmerzen u. Marter bis in Tod. Keines Menschen Herz vermag es auszudenken, was Dir zu schenken. Nimms Auge aber von Thränen naß, nimms Herz dankbar u. warm, nimms hin zum Gratias, ist es gleich noch so arm. Laß dieser Deiner Gemeine u. Deinem ganzen Brüder-Volke Deinen Tod nicht aus den Augen u. Herzen kommen; laß uns auch jezt einen Blick auf Dich in Deinem Tods-Momente u. in Deine heilige geöfnete Seite thun u. daraus von neuem Absolution u. Segen empfangen. Allerliebster Heyland! wir haben kein ander Heyl, wißen auch sonst von keinem in Zeit u. Ewigkeit, als von dem, das aus Deinen blutigen Wunden gefloßen ist. Allerliebster Heyland! nimm uns von [129] neuem hin. Wir opfern uns Dir wieder zu einem lebendigen Opfer, da Du so viel für uns gethan. Ach möchtest Du für alle Seelen-Schmerzen, Striemen u. Wunden an dieser Deiner Gemeine doch ein bisgen Trost haben! Tritt uns vors Herz, bleib uns mit Deinen Wunden nah; laß den Geist, der mit dem Blut u. Waßer aus Deiner Seite gekommen, unser aller Herzen beleben u. in Deiner Gemeinschaft behalten. Wir können uns nicht ausdrücken; aber Du siehest des Herzens Klopfen u. der Augen Tropfen. Segne die Gemeine durch Dein Leiden, Creuz u. Tod. Amen.

Der Chorus continuirte sodann: Mir ists Charfreytagshaftiglich – als hing der HErr am Creuz noch da p.

Liturgus: Geschöpfe zur Geburt gebracht in Christi Todes-Streit p. Nun ruft die fühlende Gemein':

Gemeine Ehre dem heilgen Seitenschrein pp.

Chorus /: Aus dem Passions-Liede anno 1758 :/ Schaut auf u. seht – die neue Schöpfungs-Stätt' in Jesu Seite p. Fahr tief hinein – mein Herz, in Seitenschrein. Wie wirds uns [130] seyn – Du heilger Seitenschrein, wenn wir das Sterben end'gen in Dich hinein. Wir werden sehn – die Pleura[WS 20] offen stehn – um 'nein zu gehn. Hallelujah – u. Pleurae Gloria wird dann erschallen – Ey wär'n wir da!

Gemeine Ich kan vor Freude kaum dran denken p.

Liturgus: Der das gesehen hat – weiß, daß er die Wahrheit saget, auf daß auch ihr gläubet.

Gemeine Wir gläubens auch, wir fühlens gar p.

Liturgus: – Sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben.

Chorus Wer kans beschreiben? Käm's nur vom Gläuben bald zum erwünschten leibhaftigen Sehn p.

Gemeine Der Wunden-Höhle empfehln wir unsern Geist, Leib u. Seele, bis wir Ihn sehn.

In der Demmerung kam die Gemeine zu den Vigilien[WS 21] bey der Leiche Jesu zusammen. Zuerst wurde gesungen: Willkomm'n bey Jesu Leichen p. Ave, mein lieber Mann p. worauf nach Verlesung der Geschichte des Begräbnißes unsers HErrn [131] folgende Liturgie gehalten wurde:

Kinder: Die Leiche von dem Christ haben sie wol zerküßt Joseph u. Nicodem p.

Chorus Ave, o Du blaß u. bleiche Gott- und Menschen-Sohnes-Leiche :/:

Gemeine Das Herz im Leibe wallt – wär's möglich die Gestalt leibhaftiglich zu grüßen p.

Kinder: Ave, o Du blaß und bleiche – Leiche :/:

Chorus Mich führet das Gesehne nach Ihm bis in die Gruft, wo's Leichelein, das schöne, so lieblich drinnen duft't, da seh' ich's sanfte schlafen, ausruhn von Sünden-Strafen u. Todes-Angst u. Bann. Ach hing mein Leben dran!

Gemeine Meine Leiche Jesu – mir ists als lägest Du – für mich so da.

Chorus für mich, für mich, ach ja für mich, für mich; ich hab u. halte Dich, Du schönste Leiche! bis daß ich auch erbleiche, so halt ich Dich.

Gemeine Ich habe mich verschloßen in Jesu Grabes-Gruft p.

Chorus Schönes Antlitz Jesu! wenn wird doch meines einmal so aussehn [132] als itzo Deines p.

Gemeine Wenn mein Mund wird erbleichen in Jesu Arm u. Schooß p.

Kinder: Bis ich zu einer guten Zeit – verscheid, bewegt mich keine Himmels-Schön von meiner Leiche aufzustehn.

Chorus Segens-Hände Jesu! so todten-farbe,

Gemeine Nehmt auf eine jegliche Nägel-Narbe den wärmsten Kuß;

Chorus Den zärtsten Kuß, den andächtigsten Gruß u. Liebes-Thränen-Guß, nehmt liebste Hände. Ach wer euch haben könte, das wär' Genuß :/:

Liturgus. Müde Füße Jesu! nun ruht ein bisgen u. nehmt ein andächtig's Abschieds-Küßgen auf beyde Maal'.

Gemeine Stundenweise möchte ich nichts thun als zu Seinen Füßen meinen Dank vergießen.

Chorus Keusche Wangen Jesu, wie eingefallen! möchten die Zähr'n meiner Augen wallen u. feuchten euch.

Gemeine Stille Thränelein vergoßen, sich in Christi Grab verschlossen p.

[133] Um 9 Uhr war der Abendsegen der Gemeine, in welchem unter dem Verse: In Dein kaltes Kämmerlein, Jesu Leiche! schließ ich mein Gebeine ein p. zur nächtlichen Ruhe der Friedens-Kuß ertheilt wurde.

Am großen Sabbathe[WS 22] d. 6tn Apr. Nachmittag hatte die ganze Gemeine die an diesem Tage gewöhnliche Sabbaths-Agapen. Sie fingen sich mit den Versen an: Altes Volk der Hütten-Wolk, freue dich deiner Sabbaths-Fey'r; die Gemein' – hat ein ander Sabbaths-Fest p. Und auch wir sind darum hier p. worauf der vorjährige schöne Psalm vom Chore musicalisch gesungen wurde.

Abends in der 9 Stunde versammlete sich das Ehe-Chor auf dem Gemein-Saale, die übrigen Chöre aber auf ihren Schlaf-Sälern, baten sich den uns von unserm lieben HErrn durch Seine verdienstliche Ruhe im Grabe erworbenen Segen zu einem Ihm geheiligten Schlafe aus, u. weyheten dazu unter Gebet u. Thränen Ihm u. der Aufsicht des heiligen Geistes ihre Ruhe-Stätten von neuem.

Zum Schluße dieser Woche [134] müßen wir mit gebeugtem Herzen u. thränenden Augen bekennen, daß sich unser lieber HErr alle Tage derselben in Seiner Leidens- u. Todes-Gestalt auf das kräftigste in der Gemeine fühlen laßen, wozu die Verlesung der simplen Geschichte Seiner Marter u. Seines Todes ein gesegnetes u. gnadenreiches Mittel war. Die Liturgien, die in dem Geiste gehalten wurden, waren alle mit dem unschätzbaren Bekenntniße unsers leidenden u. sterbenden HErrn zu Seiner mit Blut erlösten Gemeine so mächtig begleitet, daß fast kein Auge trocken blieb u. alle Herzen vor Ihm zerfloßen. Man sahe u. fühlte in Wahrheit das Herz der gläubigen Gemeine.

Sonst ist noch anzumerken, daß in diesen Tagen die Instruction für die 4 Brüder, die die Recognoscirungs-Reise nach Terra Labrador thun werden, ausgefertiget worden.

Aus Briefen aus North-America vom 28tn Jan. a. c. ersehen wir, daß unsere dasigen Geschwister sich wohl befinden.


[135]
Die XVte Woche. 1765.

I.
Am Oster-Sonntage d. 7tn April

wurde die Gemeine früh gegen 4 Uhr unter Posaunen-Schall geweckt, u. versammlete sich gegen 5 Uhr auf dem Gemein-Saal, wo sie vom Liturgo mit dem frölichen Zuruf gegrüßt wurde: „Der HErr ist auferstanden;“ worauf der Chorus antwortete: „Er ist wahrhaftig auferstanden.“

Gemeine Jesus, Er mein Heyland lebt p.

Liturgus Dem Lamm, das geschlachtet ist – der für uns auferstand p. Dem sey Ehre zu aller Zeit, in der Gemeine, die um Ihn her ist u. die auf Ihn wartet.

Gemeine Von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Hierauf ging die Gemeine in der gewöhnlichen Procession auf den Huthberg zu den Gräbern unsrer entschlafenen Geschwister, woselbst die Oster-Liturgie unter einer gar tröstenden Nähe unsers auferstandenen HErrn gehalten wurde.

[136] Bey den gewöhnlichen Worten wurde der seit den vorjährigen Ostern allhier in Herrnhuth heimgegangenen 28 Geschwister namentlich gedacht, nemlich der Brüder Christoph Friedrich Siegel u. Heinrich Giller aus dem Ehe-Chor; des Bruders Christ. Güttlers aus dem Witwer-Chor; der ledigen Brüder Joh. Friedrich Stryker u. Engelbrecht Leckebusch; der Knäbgen Joh. Christoph Schluckner, Friedrich Heinrich Ludwig Heiges, Joh. Heinrich Wallis u. Joh. Friedrich Moeschler. Ferner der verehlichten Schwestern Mar. Elis. Wolfes, Mar. Elis. Lappin, Mar. Margar. Schikin, Cath. Greenin, Mar. Schlüterin u. Cath. Barbara Lampaderin; der Witwen Sus. Heckin, Ros. Wackerin, Christina Berndtin, Helena Dorothea v. Thiesenhausen u. Rebecca v. Schrautenbach, der ledigen Schwestern An. Elis. Andelmann, An. Elis. Jaeschkin, Dorothea Volkertin, An. Ros. Gebauerin, u. Mar. Leupoldin, u. der Mägdlein Anna[WS 23] Ulrica Hagemann, Marie Dorothée[WS 23] Kastenhuberin u. Maria Elisabeth[WS 23] Layritzin.

Auch wurden von den Dienern u. Dienerinnen Seiner gesamten Kirche [137] folgende 33 Geschwister, welche dieses Jahr in ihre Ruhe eingegangen, oder deren Heimgang wir seit den vorjährigen Ostern erfahren haben, namentlich eingeschloßen:

Die verehlichten Brüder: Joh. Töltschig in Dublin, Georg Proske in Berlin, Levering in Jamaica, Jacob der Erstling der Indianer in Philadelphia, Hans Petersen u. William Dixon in der Wachau, Probst Sprekelsen in Roop, Sigm. Kerber in Niesky.

Die ledigen Brüder: Jacob Wilhelm Herold in Neuwied, Joh. Christ. Petersen in Antigoa, Gottfried Rund in Bethlehem, Heinrich Clemens u. Christoph Vester in Berbice, u. Joh. Staettner in St Crux.

Die verehlichten Schwestern: Maria Goldbergin in Trankenbar, Ros. Kremserin in St Thomas, Maria Magd. Engelhartin in St Jan, Gertraud Gernerin in Barby, Erdmute Augusta v. Tschiersky u. Eva Grunewaldin in Gnadenfrey, Hendrica Margaretha Kalkerin u. Regina Charlotte Rupleberin in Zeist, Phoebe Müllerin in Fullneck, die Indianerin Lydia in Philadelphia, Elis. [138] Angelin u. Elis. Petersin in der Wachau.

Die Witwen Meyerin in Nazareth u. die Indianerin Judith in Philadelphia.

Die ledigen Schwestern: Elis. Brockschin u. Marg. Wernhammerin in Bethlehem, Cath. Schirmerin in Ebersdorf, Anna Kschischang in Klein–Welke u. Ros. Schaffin in Gnadenfrey.

Es war übrigens diesen Morgen erwünschtes Wetter, u. man sahe die Sonne beym Zurückgehen vom Huthberg gar schön u. lieblich aufgehen.

In der Vormittags-Versammlung der ganzen Gemeine um 9 Uhr war die Lection der Geschichte von der Auferstehung unsers HErrn u. Seinen ersten Erscheinungen. Es wurde vorher u. unter derselben gesungen: Jesus Christus unser Heyland – ist auferstanden p. Der ohne Sünde war gebor'n, trug für uns Gottes Zorn – hat uns erlöset – Kyrie Eleison! Tod, Sünd', Teufel, Leben u. Gnad', alles in Händen Er hat p.

– Als Maria wieder zu dem Grabe gekommen war, blieb sie dabey stehen u. weinte draußen p.

Thränen sind die Wunder-Gaben, die den HErrn gereizet haben –.

[139] Ich werde auffahren zu – meinem Gott u. zu eurem Gott.

Bin ich gleich nicht Marie Magd'len, so bin ich doch ein Sünder, u. werde aus der Hütte gehn, wie andre Menschenkinder: da wird mir werden – wie der Maria – da sie den Meister fande.

Brannte nicht unser Herz in uns, da Er mit uns redete – als Er uns die Schrift öfnete?

Mein Herze brennt, das fühle ich p.

Liturgus Was ist das Feu'r, das uns entzünd't – ?

Gemeine Daß wir, daß Er – gestorben ist, erkennet.

Da wurden die Jünger froh, daß sie den HErrn sahen.

Ach einem solchen Glücke – wolt' ich zu Gefallen gern tausend Meilen wallen. Mich zum Gerippe sehnen p.

Thomas antwortete: – Mein HErr u. mein Gott!

Wenn Er mir wolt' erscheinen, so wüßt' ich, daß das Er – mein HErr u. mein Gott wär.

Selig sind, die nicht sehen u. doch gläuben.

Ach lieber Gott – mach mich beym Gläuben selig p.

[140] Petrus sprach: HErr, Du weißest alle Dinge, Du weißest, daß ich Dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: weide meine Schaafe.

Du weißt, es kleben Herze u. Sinnen an Dir p.

Ich bin bey euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Unser Gottes-Lämmelein ist in unsrer Mitte p. Du magst noch so ungesehn unter uns 'rum gehen, unser Geist soll Deiner Schön' gnug fürs Herze sehen. Bleib'n unverrückt bey dem Wunden-Bund, bey der Apostel u. Seher Grund p. Amen, ja, HErr Jesu! komm, bleib nicht lange p.

Die Nachmittags-Stunde um 2 Uhr hielt Bruder Reichel, u. um 8 Uhr Bruder Johannes die Gemein-Stunde über den heutigen Text.

☽ d. 8tn Apr.
am 2ten Oster-Feyertage

war Gemein-Tag, zu deßen Anfang Bruder Joseph um 8 Uhr mit der Gemeine die Litaney betete.

Hierauf communicirte Bruder Johannes in der ersten Versammlung zur Lection folgende Briefe von Brüdern, [141] die sich beym Directorio wegen der Zeugen-Sache gemeldet haben u. nun bereits abgereiset sind:

1.) Gottfried Grillich schreibt an Bruder
Johannes vom 27tn Nov.

Bey den jetzigen Umständen muß ich dich doch einmal erinnern an dein Versprechen, da du mir schon unter den Knaben gesagt, daß ich solte unter die Heyden gehen. Weil es nun in meinem Herzen immer so heißt, daß mich der liebe Heyland aufrufen will unter die Heyden, u. ich Ihn ofte gebeten habe, wenn Er mich in Seinem Dienste brauchen wolte, Er mich doch möchte in meinen jüngern Jahren fertig machen: so habe ich mich doch wollen ins Andenken vor dem lieben Heyland bringen, es möchte auch hingehen, wo es der liebe Heyland haben wolte.

2.) Von Joh. Georg Flügel.

Ich kan vor Freude u. Thränen kaum sagen, was der Heyland an meinem armen Herzen gethan hat. So schlecht u. so verdorben als ich bin u. ich mich fühle gegen Ihn, so kan ich doch nicht anders sagen, als daß Er mich immer mit Geduld u. Liebe [142] getragen u. mein armes Herz weich u. zerschmolzen gemacht hat, daß ich nicht ohne Ihn leben kan u. meine Zeit in Seiner Nähe zubringe. Der heilige Geist, die liebe Mutter hat auch ofte mein Herze aufgeklärt u. mir gezeigt, wo ich gefehlt habe. So hat Er mir auch Freudigkeit zugesprochen, u. mich immer zum lieben Heyland u. Seinen Wunden geführt, u. in meinem Herzen schon als ein Knabe, des Heylands Tod zu verkündigen, Anregung gemacht, daß ich auch einmal als ein armes Herz möge Ihm dienen, wohin Er mich haben will. Ich habe oft gedacht, wenns doch aus meinen Gedanken ginge, es ist vielleicht nur Phantasie, aber es will nicht gehen. Da Er nun wieder anfängt, sich arme Sünder zu erwehlen, so kan ich es kaum länger anstehen laßen, mein Herz zu offenbaren u. ganz einfältig zu sagen, daß ich möchte Ihm von ganzem Herzen dienen u. zu Seiner Freude arme Herzen zu Ihm bringen, wiewol ich noch sehr arm u. schlecht bin. Allein, wenn der Heyland mich armes Herze will, [143] so bin ich fertig dazu, mich Ihm ganz herzugeben, Leib u. Seele herzuleyhen u. Ihn zu erfreuen. Ich habe der Sache nachgedacht, ob es nur so ein Verlangen ist; aber mein Trieb u. der heilige Geist weist mich an, daß ihr den lieben Heyland fragen möget, ob Er es doch haben wolte: denn mein Sinn steht dahin. Es ist freylich nicht so leicht, wie man sichs vorstellt, auf die Pilgerschaft zu gehen; wenn Er es aber haben wolte, so gebe ich mich drein u. bin fertig dazu. Ich habe auch mit meinen lieben Eltern drüber geredt. Sie sind zufrieden, wenn Er mich haben will, u. laßen mich gerne gehen. Ich bin wol in äußerliche Umstände verwickelt, habe gethan u. thue noch, was ich kan, an meinen lieben Eltern im äusserlichen; das würde der liebe Heyland aber wol machen. Ich bin fertig dazu mit Seel u. Muth, u. wenn Er mich unter die Heyden haben will, es sey wohin es sey, so will ich armes Herz es wagen, es gehe wie es gehe, Er wird es wol machen, wenn es seyn soll. Ich will nun schließen; bitte aber [144] dabey, mein einfältiges Herz u. mein Schreiben nicht übel zu nehmen. Es wird wol des HErrn Wille seyn, welchen ich auch will von ganzem Herzen.

3.) Joseph Neisser schreibt ans Directorium:
Vielgeliebte Brüder,

Ich kans nicht länger laßen, euch durch ein paar Zeilen meinen Sinn einfältig zu schreiben. Ich hatte schon in meinen Kinder-Jahren manche Anforderung in meinem Herzen, habe es auch dem Heyland bey gar manchen Gelegenheiten öfters versprochen, daß wenn Er nur erst mein Herz in Seinem Blute gewaschen hätte, u. die Zeit da wäre, daß Er mich brauchen könte u. wolte, Seinen Tod u. Leiden den armen Heyden zu verkündigen, ich solches als eine große Gnade für mich ansehen wolte. Weil ich mich nun dazu sehr ungeschickt fand, so dachte ich darauf, eine Profession zu lernen, wodurch ich dem Heyland u. der Gemeine zu dienen im Stande wäre. Ich sahe daher auf nichts u. bat Ihn, Er möchte mir zu so einer verhelfen. Er hat auch meine Bitte gewiß erhört, u. ob dieses alles wol nur ein guter Wille war, so [145] hat ihn der Heyland doch nicht verworfen, sondern ihn von Zeit zu Zeit immer erhalten u. vermehrt, ohngeachtet ich Ihm gar ofte untreu gewesen bin. Da sich nun der treue u. barmherzige Heyland nach gar manchen Untreuen meinem armen Herzen als der Einige Hohepriester offenbarte, so gab ich mich Ihm ganz hin mit Leib u. Seele, u. wünschte, daß Er mir die Gnade erzeigen wolte, wenns auch nur einem einzigen wäre, diese Gnade zu erzehlen, was Er an mir vor Barmherzigkeit u. Treue gewandt u. noch täglich thut. Gewiß kein Heiden Herz kan so kalt u. todt seyn, als meines war. Von der Zeit an hat sich der Sinn immer in meinem Herzen vermehret, u. ich habe den Bund mit dem lieben Heyland gar oft erneuert, u. glaube, daß, wenn Er nur immer meinem Herzen in Seiner Todes-Gestalt nahe ist, Er mir auch das halten u. schenken wird, den lezten Bluts-Tropfen für Ihn aufzuopfern. Da Bruder Jens Haven nach Terra Labrador ging, habe ich ihm mit großem Verlangen nachgesehen, in der Hofnung, mit der Zeit auch [146] einmal dahin zu kommen. Und da ich wieder von seiner Zurückkunft hörte, wurde dieses Verlangen noch viel größer. Ich sagte es meinem lieben Heyland kindlich u. bat Ihn so wol für mich, als auch für die dasigen Einwohner, daß Er Seine Freude an uns sehen u. auch da Seinen Schmerzens-Lohn einsammlen möchte. Weil ich mich zu dieser Gnade gar sehr ungeschickt ansahe, u. mir mein Elend u. daß ich schon manche Gnade genoßen, aber noch viel mehr vorbey rauschen laßen, einfiel: so schreckte mich das immer ab, mich zu melden. Ich bat daher den treuen Heyland, wenn es Sein Wille wäre, weil es mir doch so oft eingefallen, daß ich mich melden solte, daß Er es mir auch so mache, daß ich es mit einem getrosten Herzen thun könte. Ich erzehlte es einem Bruder, wie mir wäre, u. er erzehlte mir wieder, wie es ihm wäre, u. es fand sich, daß wir beyde fast in allen Stücken einerley Sinn hatten. Und nach einer kleinen Unterredung von unsern Umständen, wie arm u. elend wir dazu wären, gaben wir uns dem [147] treuen Sünder-Freund aufs neue hin, mit uns zu thun, was Ihm beliebet, von uns zu nehmen, was Ihn betrübet. Wenn Er uns dann der Gnade würdigen wolte, unser Scherflein auch darinne beyzutragen, u. Er uns nur in Seiner Todes-Gestalt u. was Er für uns aus gestanden, immer vor den Augen bliebe; so wolten wir bey einander aushalten, es möchte auch gehen, wie es wolte, ja wenn man uns auch vorher sagte, daß wir unser Leben einbüßen würden. Wir gaben uns darauf die Hand, küßten uns, u. unsere Herzen verbanden sich wie das Herz David u. Jonathan; es ging auf beyden Seiten nicht ohne Thränen ab. Dieser Bruder brachte mich auf die Gedanken, ob es dem Heyland vielleicht gefiele, uns auf etliche Jahre nach Grönland zu schicken, denen dasigen Geschwistern in ihren äußern Umständen an die Hand zu gehen u. dabey die Sprache zu lernen, damit Er uns desto beßer brauchen könne. Auch darinn sind wir kindlich überlaßen, es möchte auch hin seyn, wo es wolte. Wir versprachen [148] auch einander, daß wir unsern Sinn den Brüdern darlegen wolten, so arm u. elend wir auch wären. Gefiel es dem Heyland, Sein gnädiges Ja-Wort dazu zu sagen, so wolten wir Ihm recht kindlich davor danken u. es ansehen, als wenn Er unsere Bitte besonders erhört hätte; gefiel es Ihm aber vor die Zeit noch nicht, u. Er wolte uns noch erst der Seligkeit in der Gemeine recht genießen laßen, so wolten wir es auch mit Freuden annehmen u. uns die Zeit beßer zu nutze machen als bisher. Wir waren auch darinn einstimmig u. glaubten, daß Er uns Armen Sein Versprechen doch nicht brechen würde, wozu Er uns so oftmal aufgefordert hat, wenn Er nur sehen wird, daß die rechte Zeit da ist u. wir uns nicht selber zurücke setzen, es sey nun über kurz oder lang. Indeßen sind wir schon gar reichlich davor belohnet, denn eine solche Stunde ist ja nicht zu bezahlen, u. wir hoffen, daß es uns was für unser Herz u. künftigen Gang, weil wir ohnedem beysammen wohnen, austragen wird. [149] Er bleibe uns nur immer in Seiner blutigen Marter-Gestalt vor unsern Augen; so traue ich Ihm auch zu, daß ich durch Seine Gnade u. Barmherzigkeit bey Ihm behalten werde, bis ans Ende der Tage.

4.) Bruder Friedrich Voegtle schreibt:

Es ist mir schon lange so in meinem Herzen geworden, daß ich ein Zettelgen schreiben solte von dem gegenwärtigen Zustande meines Herzens. Ich bin beschämt u. gebeugt über aller Gnade u. Treue, die der Heyland an mir armen Kinde bewiesen hat, u. bete im Staube an für die treue Leitung, Pflege u. Ziehe, die der werthe heilige Geist, unsere liebe Mutter, an mir gethan hat. Das Verdienst meines liebsten Heylands, Seine heilige Menschwerdung, Sein menschlicher Wandel, Sein für uns Beten u. Weinen, Sein ganzes Leiden, Sein blutiges Schwitzen, Sein Zittern und Zagen, Seine blutige Wunden, Sein Sterben u. Blutvergießen, Seine ganze heilige Marter, Sein Ruhen im Grabe, Seine heilige Auferstehung u. Himmelfahrt, sind meinem [150] Herzen lebhafter u. tröstlicher geworden, als es mir jemals gewesen. Darinnen weidet sich mein Herz, Geist u. Seel täglich, u. wenn ich des Morgens aufstehe, so fällt mir ein: Ach Marter-Bild! verrücke Dich auch heut' aus meinen Augen nicht. Mein Herz ist bekümmert, Ihn immer nahe zu haben; denn ich fühle meine Dürftigkeit u. Schwäche, daß ich ohne Seine Gnade u. Bewahrung nicht einen Augenblick bestehen kan. Die Gemein- u. Chor-Gnade ist mir auch mehr aufgeschloßen u. wichtiger worden; besonders seit dem Synodo ist mir die Gnade, daß ich zu so einem Volke gehöre u. mich in so einer Gemeinschaft sehe, erst recht theuer u. wichtig geworden. Doch überm Denkmaal meines Abweichens habe ich auch noch öfters zu weinen, wenn ich mit meinem lieben Heylande alleine rede. Er hat aber auch mein Herz ganz darüber getröstet. Wolte mich der liebe Heyland aus Gnaden wiederum brauchen u. mir wieder etwas anvertrauen; so wäre es meines Herzens Freude, Ihm mit einem frölichen [151] Herzen zu dienen mit Leib u. Seel u. mit allem, was ich bin u. habe, so lange ich hier noch zu leben habe; bis ich endlich ganz zu Ihm heimkommen darf, Seine durchbohrten Hände u. Füße zu küßen für meine Gnadenwahl u. auszuruhen an Seinen Wunden. Ich bin auch an meiner Hütte wiederum ganz gesund.

5.) Bruder Thomas Jones.

Ich will doch eine Sache melden, die mir schon über 12 Monate im Gemüthe liegt, u. heute, da ich ausging u. über das Wort Gottes unter den Heyden dachte, fiel sie mir von neuem ein, u. ich fühlte, daß der Heyland meinem Herzen nahe wurde. Ich wurde überzeugt, daß ich damals der Ueberzeugung meines Herzens nicht gefolgt hatte. Die Sache betrift die Neger in Suriname. Da ich hörte, daß Bruder Rupleber zurück gekommen wäre, afficirte es mein armes Herz gar sehr, u. ich fühlte ein großes Verlangen zu ihnen zu gehen; denn mein Herz brannte aus Liebe zu ihnen. Diese Gedanken [152] begleiteten mich eine lange Zeit. Endlich raisonnirte ich sie mir ganz aus dem Gemüthe u. tröstete mich damit, daß ja Bruder Clemann unter sie gehen würde. Nun ist er aber heimgegangen, u. ich habe nicht gehört, daß jemand unter sie gegangen ist. Da ich nun heute mit dem lieben Heyland alleine war u. über die Gemeine u. ihren Zustand dachte, so fiel mir die Sache wieder auf, so bald ich an die Heyden anfing zu denken, u. ich resolvirte mich kurz, die Sache vor den lieben Heyland u. euch zu legen, u. sie nicht lange auf dem Herzen zu behalten. Ihr könnt nun die Sache vor den Heyland legen, denn Sein Wille ist mein Wille. Ich bin Sein mit Leib u. Seele. Ich devovire mich ganz zu Seinem Dienst mit Leib u. Seele. Wenn ich an meine Schwäche u. Verdorbenheit an Seel und Hütte denke, so könte ich muthlos werden, wenn ich dran denke, unter die Heyden zu gehen; aber ich glaube, wenn mich der Heyland senden will, so wird Er mich auch durchbringen, u. wenn Er mich nicht senden will, so will ich auch keinen [153] Schritt thun. Ich schreibe, wie mirs ums Herz ist, u. empfehle mich dem Lamm u. euch u. bitte, daß Er mich als einen armen Sünder zu Seinen Füßen erhalten u. ein williges Herz geben möge zu allem, was Er u. Seine Gemeine mit mir wollen. Ich opfere mich von neuem dem Heyland u. Seiner Gemeine auf.

6.) Bruder Hans Rudolph Stoll
ans Directorium.

Es ist eine geraume Zeit, daß ich einen Trieb in meinem Herzen fühle, im Dienst des lieben Heylands gebraucht zu werden. Ich habe aber dabey immer den lieben Heyland gebeten, daß Er mich vor unzeitigen Projecten bewahren wolle, u. weil ich in meinem Herzen die völlige Ueberzeugung habe, daß Er gegenwärtig das ganze u. alleinige Regiment in der Gemeine führt, so dachte ich, Er wird mich schon finden, wozu Er mich haben will, u. schämte michs zu melden, weil ich in u. an mir gar keine Geschicklichkeit finde, die zu gebrauchen wäre. Ich erfahre aber auch täglich, daß Er mir aus [154] Gnaden gibt, was ich nöthig habe. In diesem Vertrauen bin ich da, wozu u. wohin Er mich nur immer haben will, mit einem Herzen, das Ihn wol liebt, aber doch noch nicht so, daß ich mit mir selber zufrieden seyn könt. Suriname u. zwar die Frey-Neger-Kinder fallen mir am meisten ein; ich überlaße mich aber ganz dem lieben Heyland u. der Gemeine u. empfehle mich dem lieben Directorio in ihr Liebes-Andenken vor unserm HErrn.

7.) Ludwig Christoph Dehne
ans Directorium:

Hier lege ich euch mit kindlichem ergebenem Herzen mein Herz u. Sinn einfältig dar. Ihr kennet mich, u. ich fühle euer liebendes Herz. Ich danke meinem treuen Freunde mit Sünder-Thränlein für Seine Gnade, die Er mich noch hier in meiner Hütten-Zeit genießen läßt, wofür ich mich Ihm u. euch schuldig bin. Die eigentliche Ursache meines Schreibens ist, daß wenn es dem Heyland u. euch so würde, an die armen Busch-Neger an Sarameca zu denken, [155] u. Brüder dazu auszumachen, so wäre wol meines Herzens Neigung, mit solchen dahin zu gehen. Ihr müßtet aber auf mich nicht zu viel rechnen, als denen zu dienen u. zu helfen, wo ich nach meinem Grade kan, so lange mich mein Heyland in der Hütte läßt. Es liegt mir in der Wahrheit nahe am Herzen, doch noch zu sehen, daß es unter ihnen dazu käme, daß der Heyland u. Sein Volk sich freuen könte. Da ich fast 20 Jahr den Gang in Süd-America mit angesehen, so werdet ihr wol schliessen, wie mir Armen zu Muthe ist. Da bin ich mir selbst zum Wunder, daß ich eine solche Hütte habe, die noch so ist, es auf Sein Geheiß u. mit dem Herzen meiner Geschwister zu wagen. Ob mir wol bekannt ist, wer ich bin, so bin ich doch in Wahrheit Sein. Dabey ist mein Anliegen, daß euch der Heyland doch ja rechte treue Herzen anweiß, die sich bey dem Wunden-Lichte gründlich kennen gelernt haben u. wißen, was sie wollen, damit sie den Feind bald kennen lernen u. wißen, wie sie ihn angreifen [156] sollen. Das ists, was mit kindlich ergebenem Herzen darlege, es vor dem Heyland mit eurem Herzen zu überlegen, indem ich sonst von nichts dependire. Solte es aber so seyn, daß ich in der Gemeine meine Tage beschließen solte, so ist mirs auch eine Gnade.

8.) Christian Andreas Schloezer
an das Directorium:

Ich nehme mir die Freyheit, euch die Gedanken meines Herzens u. meinen jetzigen Statum vor Augen zu legen. Ich habe die paar Wochen, daß ich hier in Herrnhuth bin, in einer seligen Stille verbracht, u. muß sagen, daß mir der liebe Heyland recht nahe gewesen ist. Ich weiß nichts anders zu thun, als Ihn beständig um Seine Gnade u. Erbarmung anzuflehen. Ich bin in meinem Herzen versichert, daß Er mir alles vergeben hat, u. es drauf anträgt, mich zu einem ganzen, treuen u. seligen Menschen zu machen. Ich weiß gar gut, daß ich eine arme Creatur bin u. nicht auf eine Minute vor mich repondiren kan; aber [157] ich habe das kindliche Zutrauen zu Ihm, daß Er mich bewahren wird, u. darauf geht auch mein tägliches Flehen u. Bitten zu Ihm. Wenn der liebe Heyland u. die Geschwister mir so viel zutrauen könten, mich zu etwas zu gebrauchen, so würde es mir die größte Gnade seyn. Ich kan euch, allerliebste Brüder, nicht vorenthalten, daß der Zeugen-Geist, der in der Gemeine jetzo so mächtig ist, auch mich armes Kind angereget u. ich bey mir einen großen Trieb verspürt habe. Ich habe ihn aber immer zu ersticken gesucht, weil ich gedacht, daß es nur Phantasien seyn möchten, da er sich aber täglich erneuert u. Bruder Johannes in seiner lezten Chor-Viertelstunde auch mir Muth gemacht, mich, wie ich bin, dem Heyland zu Seinem Dienste zu offeriren u. auf Seine Gnade zu trauen, so kan ich nicht länger anstehen, mich dazu anzubieten. Findets der Heyland u. ihr, allerliebste Brüder, für gut, so ist es mir die größte Gnade u. Barmherzigkeit, u. ich ergebe mich auf alles, auf Leben u. Tod, in Seinem Dienst, wenn [158] ich nur Sein Herz erfreuen u. Ihm dienen kan, als worum es mir von Herzen zu thun ist. Solte es aber nicht approbirt werden, so nehme ichs auch von Ihm an als ein Zeichen, daß ich in der Stille selig u. vergnügt seyn soll, u. Er mich vielleicht sonst noch brauchen will. Er wird am besten wißen, was Sein treues Herze mit mir intendirt; doch so viel bin ich gewiß, daß Er lauter Friedens-Gedanken über mich im Sinne hat, ob ich gleich Sein Herz schon gar oft betrübet habe. Ich empfehle mich u. meine Umstände eurem Andenken vor unserm treuen Heylande.

9.) Bruder Daniel Renner
ans Directorium:

Ich will meines Herzens Anliegen mit gegenwärtigen Zeilen vor dem Heyland in euer Liebes-Andenken empfehlen, nachdem ich vernommen, daß, wenn sich Geschwister in ihrem Herzen überzeugt fühlen u. aufgeregt werden zu was es auch sey im Dienste unsers lieben HErrn, sie sich schriftlich an das Directorium wenden können. Ich habe nun die Gnade gehabt, seit anno 43. d. 29tn Jun. [159] in Seiner Gemeine zu seyn u. der mancherley Gnaden u. Seligkeiten, die Seinem Volke aus Seinem blutigen Verdienst u. Tode zufließen, mit theilhaftig zu werden u. zu genießen. Wenn ich daran denke, so schäme ich mich vor meinem so gnädigen u. liebreichen HErrn, der es mir so gut hat werden laßen. Da kan ich nun nicht anders sagen, als daß ich schon vorlängst in meinem Herzen bin aufgefordert worden, u. habe Freudigkeit dabey verspürt, wenn es mir solte angetragen werden, mich nicht zu weigern, sondern vielmehr willig u. ergeben zu seyn in Seinen Willen, ders haben wolte, daß ich was seliges werden solte, u. andern armen Seelen zu bezeugen, was mein Herz fühlt u. glaubt, u. was ein armer Sünder im Umgang mit dem Schmerzens-Mann als Sein Elendes haben kan. Nun kan ich nicht sagen, daß ich mir einen Ort erwehlt habe, sondern wenn gelegentlich aus Nachrichten vorgekommen vom Heimruf unsrer lieben Geschwister, da ist es mir gemeiniglich sehr aufgefallen. Mich zu melden, habe ich [160] mich nicht recht getraut, wenn es mir auch angelegen hat, sondern gedacht, wenn es des lieben Heylands Sein Sinn u. Wille ist, so wird Er es den lieben Geschwistern zur rechten Zeit u. Stunde zeigen. Da ich auch vernommen, daß an mich sey gedacht worden, u. der liebe Heyland nicht davor gewesen, so habe vor mich mit meinem lieben HErrn darüber ausgeredet u. mich Ihm darinn überlaßen, wie Ers mit mir vor gut findet. Doch kan ich, liebe Geschwister, einen Umstand nicht verbergen, den ich gar viel mit mir herum getragen, u. kans nicht leugnen, daß es nicht noch vorkommt, daß ich nemlich mit meinem Herzen an das wenige, was sich in Pohlen befindet, vor dem lieben Heyland denke u. herzlich Antheil daran nehme. Und wenn der Heyland daselbst für Seine saure Mühe u. Arbeit Seinen Schmerzenslohn bekäme, u. wenn es recht viele würden, wolte ich mich von Herzen freuen. Es sieht zwar noch schwach aus, doch ist es alles möglich; wenn Ers haben will, so [161] kan alles finstere durch das Licht Seiner blutigen Wunden erleuchtet werden. Indeßen will ich mich nichts hindern laßen; was Er mit mir im Sinne hat, u. was Sein liebreiches Herz über mich beschloßen, will ich Ihm kindlich überlaßen. Und wenn es Seine Absicht mit mir ist, daß ich meine Sterbens-Zeit vollends in Seiner Gemeine soll selig beschließen, so nehme ichs auch mit herzlichem Dank an. Ich bin einmal Seine; Leib und Leben u. was in u. an mir ist, bleibt Ihm gewidmet, Er thue mit mir, wies Ihm gefällt. Wenn Er nur mein gnädiger, liebreicher Freund ist u. als der blutige Versöhner mir, Seinem ärmsten Sünder, in der erfreulichen Gestalt, wie Er am Creuze erblaßt ist, nahe bleibt, so bin ich selig u. habe Muth, u. dieses ist meines Herzens sehnlicher Wunsch. Nun dieses wäre so, meine allerliebsten Geschwister, womit ich mich euch vor unserm lieben HErrn ins Andenken empfehle.

[162]
10.) Bruder Peter Duvernoy
ans Directorium:

Bey Gelegenheit, daß von Bruder Jens Haven seinem Briefe Erwehnung gethan wurde u. gesagt, daß der Heyland seinen Versuch unter die Esquimaux zu gehen approbirt hätte, fiel mir diese Sache hart aufs Herz, u. zugleich hieß es bey mir, wie wäre es, wenn du einen Besuch nach Frankreich thätest? Da sind vielleicht manche Seelen, denen du zum Trost seyn köntest. Das verfolgte mich, daß ich es nicht los werden konte, bis ich mich resolvirte, ebenfalls einen Brief zu schreiben. Nachdem wurde ich wieder bedenklich u. dachte, du bist wol nicht der Mann dazu. Die Gefahr u. Beschwerlichkeiten und meine eigene Mangelhaftigkeit machten mich schüchtern, meinen Trieb zu offenbaren. Es fiel mir auch ein, wenn der liebe Heyland so was von dir verlangt, so wird Er Seinen Dienern schon ins Herz geben, dir solches aufzutragen. Denn es ist freylich ein Trost, wenn es schwer geht u. man denken kan: „Lieber Heyland, Du hast es gemacht.“ [163] Seit der Zeit bin ich den Trieb wol nicht los worden; aber er war nicht pressant, bis gestern in der Stunde; die der liebe Johannes hielt. Da wurde es bey mir wieder rege u. zwar auf die nemliche Art, daß ich dachte, wie es wäre, wenn ich in der Stille als ein Handwerks-Pursche dahin reiste u. in den Städten arbeitete, so lang der Heyland die Umstände so fügte. Mir fällt zwar gar nicht ein, daß ich das Geschicke u. Vorsichtigkeit habe, welches zu so einem Plan erfordert wird. Und wer weiß, wenn ich als ein Geselle arbeiten solte, wie ich mich dazu schicken würde; ich habe aber das Zutrauen zum Heyland, daß, wenn Er jemanden schickt, Er es auch an Hülfe u. Beystand nicht ermangeln läßt. Das ist so ins kurze, was ich, meine lieben Brüder, vor dem Heyland zu überlegen bitte. Solte dieses auch nur ein guter Wille von mir seyn, so wird Er mirs wol nicht übel nehmen, da ich doch an dieser Nation besondern Antheil nehme, u. gern sähe, daß Er auch Seinen Schmerzens-Lohn aus derselben sammlen möchte.

[164] Es wurde diesen Brüdern gesungen: Ein evangelscher Bote – hat nichts als seinen Creuz-Verstand. Laß sie in der blutgen Gnade rein gewaschen vor Dir stehn p. Leit sie würdiglich der Gnade p.

In der 2ten Versammlung las Bruder Johannes unter andern: 1.) einen Brief von Gottlieb Schneider in Berlin, darinnen er den Empfang der Antwort auf sein Abbitt-Schreiben meldet. Die Gemeine sang dazu: Laß ihm nie kommen aus dem Sinn, wie viel es Dich gekostet, daß wir erlöset sind. 2.) wurde der Baron v. Crassau der Gemeine ins Andenken empfohlen u. ein Brief deßelben an Bruder Johannes gelesen. 3.) wurde aus einem Briefe des Bruders Antons aus Ireland gemeldet, daß er die dortige Gemeine in einem seligen Gange angetroffen, u. daß nun auch der Anbau in Gracehill zustande kommen würde. 4.) verlas Bruder Johannes die Briefe der Brüder Lawatsch u. Hantsch, die, wie auch die 2 erstern, in der XIItn Woche befindlich, u. beschloß mit dem Lebenslauf des Bruders Rundts aus dem Bethlehemschen Diario.

[165] In den 3 Nachmittags-Versammlungen wurde aus den deutschen Gemeinen vom Monat Sept. u. Oct. u. aus den Englischen u. Irrländischen vom Jun. u. Jul. 64. gelesen, u. um 7 Uhr die heutige Gemeintags-Pericope folgendermaßen besungen:

Wahrlich – ich sage euch: wer nicht zur Thür hineingehet in den Schaaf-Stall, – der ist ein Dieb u. Mörder.

Keinem andern sag' ich zu, daß ich ihm mein Herz aufthu; Dich alleine laß ich ein p.

Der aber zur Thür hineingehet, – demselbigen thut der Thürhüter auf, u. die Schaafe hören Seine Stimme.

Das Herze hört den sachtsten Gruß p.

– Und die Schaafe folgen Ihm nach; denn sie kennen Seine Stimme.

Unser Gottes-Lämmelein ist in unsrer Mitte p. Du kennst unsern ganzen Sinn, unser treues Herze p.

Einem Fremden aber folgen sie nicht – denn sie kennen der Fremden Stimme nicht.

Was alle Welt nicht geben kan, das trifft ein solches Schaaf bey seinem [166] Hirten an.

– Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, ich bin die Thür zu den Schaafen.

Du sprangst ins Todes Rachen, uns frey u. los zu machen.

– Der Miethling aber fleucht – u. achtet der Schaafe nicht.

Schließ uns in Deine Wunden ein p.

Ich bin ein guter Hirte u. erkenne die Meinen u. bin bekannt den Meinen.

Wir sind Deine Leute, wollens auch bleiben p.

– Und ich laße mein Leben für die Schaafe.

Leben, das den Tod, mich aus aller Noth zu erlösen, hat geschmecket p.

Und ich habe noch andere Schaafe – u. dieselbigen muß ich herführen.

Wenn nun so viele Heerden zu Dir versammlet werden, wie Sand ist an dem Meer, so baue ihnen Hütten p.

Und sie werden meine Stimme hören, u. wird Eine Heerde und Ein Hirte seyn.

Drum weiden wir so gern in Jesu Wunden p.

Darum liebet mich mein Vater, daß ich mein Leben laße, auf daß ichs wieder nehme.

[167] Also hat Gott die Welt geliebt, daß sich Sein Herze drein ergibt, den Sohn – in Noth u. Tod dahin zu geb'n.

Niemand nimmt es von mir – ich habe es Macht zu laßen u. habe es Macht wieder zu nehmen.

Christ ist erstanden von der Marter alle p.

Denn meine Schaafe hören meine Stimme – u. sie folgen mir.

Woll'n immer selger Dich verstehn p.

Und – niemand wird sie mir aus meiner Hand reißen.

Das Herze, das gewiße, erhält uns bis zum Sehn p.

Ich u. der Vater sind Eins.

Der des Sohnes wegen des Sohnes Seinen Lohn weiß als ein Kind zu pflegen p. So geben wir uns denn abermal in die Erfüllung der Gnadenwahl p.


Um 9 Uhr war die Aufnahme zweyer lediger Brüder in die Gemeine, vor welcher Bruder Joseph über den heutigen Text redete, u. zum Schluß diese Geschwister mit dem ganzen Volk der Gnadenwahl in einem Gebet auf den Knien dem Segen des Heylands empfahl.

Die zu dem heutigen Gemeintage [168] gehörigen Extracte aus den eingelaufenen Diariis befinden sich in der Beylage sub No IV. enthaltend:

I.) Diaria aus den deutschen Gemeinen mensis Febr. 1765.

II.) Aus Nord-America.

1.) Diarium von Bethlehem u. Nazareth, mensis Octbr. 64.
2.) Diarium von Litiz, menses Jul.Oct. 64.
3.) Extract aus den Diariis der Pennsylvanischen Stadt- u. Land-Gemeinen menses Apr. May u. Jun. 64.
4.) Extract aus dem Diario von Bethabara u. Bethania in der Wachau, menses Jul. – 23tn Oct. 64.

III.) Diarium des Indianer-Gemeinleins in Saron an der Sarameca, menses MaySept. 64.

IV.) Diaspora-Nachrichten.

1.) Bruder Laubingers Relation von seinem Besuch in Cassel u. dortiger Gegend im Oct. u. Nov. 64.
2.) Bericht des Bruders Staehlins vom Aug. u. Sept. 64.
3.) Bruder Macraits Diarium vom Jahr 64.
4.) Extract aus dem Diarium des Bruders Ernst von seinem Besuch im Bergischen, Märkischen u. Schwarzburgischen, vom Jun.Aug. 64.

[169]

5.) Von der Diaspora in der Ober-Lausitz vom Oct.Dec. 64.
♂ d. 9tn Apr.
am 3tn Oster-Feyertage

hatte die Oberlausitzische Diaspora ihre 4teljährige Versammlungen, wozu sich dismal über 900 Geschwister eingefunden hatten.

Nachmittag gegen 1 Uhr hatten diejenigen, die kürzlich in ihren Kirchen gemeinschaftlich zum Abendmahl gegangen waren, ein mit der Nähe des Heylands begleitetes, seliges Anbeten. Darauf waren nach 3 Uhr ihre Agapen, bey welchen aus dem Psalm der Gemeine am großen Sabbath lieblich gesungen wurde.

Nachher verlas ihnen Bruder Layriz die schöne Rede des seligen Jüngers, die er anno 60. zu Ostern an die Diaspora gehalten, und beschloß mit einem herzlichen Gebet auf den Knien.

Die Gemein-Stunde Abends hielt Bruder Johannes mit einer Rede über den Text, u. darauf war die Liturgie mit dem Te Abba[WS 24].

[170]
♃ d. 11tn Apr.

redete Bruder Petrus in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister über die heutige Loosung.

♀ d. 12tn Apr.

reiste der Bruder Joh. Friedrich Moehring nach Ebersdorff ab. Er wird daselbst Pfleger der Jünglinge u. Knaben.

♄ d. 13tn Apr.

Nachmittag um 3 Uhr war auf dem ledigen Brüder-Saale ein Abschieds-Liebesmahl mit denen künftige Woche nach Astracan u. den Carybischen Inseln abreisenden Brüdern, wozu außer den Gliedern der Unitaets-Collegiorum u. andern Arbeitern, auch diejenigen Brüder invitirt waren, die theils auch balde von hier abgehen werden, theils Candidaten zur Zeugen-Sache sind. Das Liebesmahl wurde mit Erzehlungen von St Thomas, Crux u. Jan u. von dem Königreich Astracan in Bezug auf die dahin abreisenden Brüder angenehm unterhalten, u. zum Schluß diese Brüder in einigen Versen dem Heyland zum Segnen empfohlen.

Dieses geschahe auch Abends in [171] der Beter-Versammlung nach einer Rede des Bruders Johannis über die heutige u. morgende Loosung.

Heute kam auch der Bruder Heinrich der XXVste aus Barby hier an u. zwar just zu erwehntem Liebesmahl zurechte.

Aus Copenhagen bekamen wir Nachricht, daß die 3 nach Grönland bestimmte ledigen Brüder am 1tn Apr. daselbst angekommen.

Noch ist anzumerken, daß, da Bruder Praetorius nach Neuwied kommen wird, diese Woche der Bruder Joh. Meder als Gehülfe bey der Arbeit an den Wochen u. Gemein-Nachrichten, ausgemacht worden.


[172]
Die XVIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Quasimodogeniti
d. 14tn April

wurde zur gewöhnlichen Zeit die Kirchen-Litaney gebetet, und bey der Bitte um die ewige Gemeinschaft der kleinen hier heimgegangenen Johanna Elisabeth Lappin namentlich gedacht.

Nachmittag gegen 3 Uhr hatten die seit einem Jahre hier aufgenommenen 56 Geschwister, nemlich 2 Paar Eheleute, 16 ledige Brüder, 9 Knaben, 8 ledige Schwestern, 18 Mädgen u. ein Witwer ein vergnügtes Liebesmahl. Bruder Johannes sagte dabey unter andern folgendes: Wir sind hier beysammen, uns mit denen seit einem Jahre hier aufgenommenen Geschwistern über ihr Gnaden-Looß zu freuen u. mit ihnen den Bund zu erneuern, Sein ganzer Schmerzens-Lohn zu seyn u. zu bleiben. Es war schon in der alten Kirche der Brauch, daß diejenigen, die das Jahr über durch die heilige Taufe derselben einverleibt worden, an [173] dem heutigen Sonntag noch einmal vor der Gemeine in ihren weißen Tauf-Kleidern erschienen, daher er auch noch der weiße Sonntag genennt wird.

Der Heyland hat sich auch unter uns zu der Restitution dieses Kirchen-Gebrauchs gnädiglich bekannt, u. ich habe von mehr als einem Bruder u. Schwester gehört, daß ihnen an diesem Tage die Gnade ihrer Aufnahme vom heiligen Geiste auf die seligste u. eindrücklichste Weise ist erneuert worden, u. das thue Er auch heute an euch.

Die heutige Loosung: Das sey ferne von uns, daß wir abtrünnig werden von dem HErrn p. u. der Text: Lieben Brüder, thut Fleiß, euren Beruf u. Erwehlung veste zu machen p. paßen sich auch gar schön zu eurem heutigen Gedenk-Tage, u. ihr könnt sie als nützliche Lectionen für euch ansehen. Der Heyland hat euch wirklich große Barmherzigkeit widerfahren laßen, u. wenn ihr tausendmal Seine heilge Füße thränend netzt u. küßet für die Gnadenwahl, daß Er euch zu einer lebendigen Gemeine gebracht u. Seiner Kirche [174] auf Erden einverleibt hat, so daß ihr nun alles des Guten, das Er derselben in Seinem Testament vermacht hat, mit theilhaftig werden könnet: so werdet ihr Ihm doch nie genug verdanken können, was an euch geschehen ist.

Ihr wißt es nun, lieben Herzen, daß es eure Destination ist, selige Herzen in Ihm zu seyn u. als Glieder Seines Leibes zu gedeyhen. Da kommt es nun hauptsächlich darauf an, daß ihr euren Beruf u. Erwehlung veste macht. Wo ihr solches thut, sagt der Apostel, werdet ihr nicht straucheln. Die Arbeit des heiligen Geistes geht von der Stunde an, daß ein Bruder oder Schwester in die Gemeine aufgenommen ist, dahin, daß das Herz veste werde in der Gnade u. dieselbe so zu Grunde sinke, daß wir durch nichts auf dieser Seiner Erde von Ihm getrennet werden.

Es muß ja niemand denken: wenn ich nur in die Gemeine aufgenommen bin, so brauche ich nichts mehr; nein, der heilige Geist arbeitet von da an erst recht darauf, uns nach Herz, Seel u. Hütte nach Jesu Herzen zu gestalten [175] u. uns in einen solchen Gang zu bringen, daß wir wißen u. geniessen, was wir am Heyland haben. Und da kommt es auf 2 Sachen an.

Die erste ist, die Erkentniß seiner selbst, daß ein jedes sein tiefstes Grund-Verderben gründlich einsehen lernt, u. die andere, daß man mit dem Heyland in eine Herzens-Connexion komme, nach seiner Gnadenwahl hier fleißig ins Wunden-Maal blicke, sich vom heiligen Geist Seine Tods-Gestalt tief ins Herz drücken laße u. dadurch unser Beruf u. Erwehlung veste werde.

Es muß bey euch nie zu einem Stillestand kommen, sondern die Liebe u. die Zärtlichkeit gegen den Heyland von der Aufnahme an in die Gemeine immer stärker werden. Denn es ist Seine Absicht, die Gnade immer zu vermehren, euch ein Siegel nach dem andern aufzudrücken u. einen freundlichen Blick nach dem andern zu schenken. Ihr sollt als fruchtbare Reben, die in den Weinstock Jesum Christum eingepfropft sind, wachsen, in der Erkenntniß Jesu Christi zunehmen, die speciellen Gnaden u. practischen [176] Principia des Chores, worinnen sich ein jedes befindet, in der Schule des heiligen Geistes lernen u. auf alles attent seyn, was Seine Lehre ziert u. ehrt. So werdet ihr vor der Welt u. vor eurem eigenen Verderben bewahrt bleiben, u. Ihm zur Ehre u. Seiner Gemeine zur Freude eure künftigen Tage zubringen, u. Er wird von Zeit zu Zeit Seine Friedens-Gedanken an einem jeden von euch ausführen.

Gesang Wir woll'n nach unsrer Gnadenwahl hier fleißig sehn ins Wunden-Maal p. Wir woll'n uns Dir geben, Du hast uns versühnet p. Einigs Herze, das soll unsre Weide – seyn allhier, Dir zu leben p. Da hast Du Herz u. Hände, daß wir – woll'n Deine treue Seelen seyn. (Pacem.)

Abends um 7 Uhr hielt Bruder Joseph eine gesalbte Rede über den heutigen Text, u. erwehnte dabey des heutigen Gedenk-Tages der seit einem Jahr aufgenommenen Geschwister, welche vor der Gemeine saßen u. zum Schluß in einem herzlichen Gebet dem Heyland aufs neue empfohlen wurden.

Um ½9 Uhr war statt der sonst gewöhnlichen Liturgie eine aparte [177] Versammlung der Abendmahls-Geschwister. Nachdem gesungen worden: Ach auserwehlter Heyland! Du – wilst nun, daß wir bleiben p. Ach gib uns muntre Kehlen – zu erzehlen, was Deine Treue thut p. so sagte Bruder Johannes:

Lieben Geschwister, wir sind jetzo hier beysammen, im Namen unsers HErrn u. Seiner Gemeine 4 wichtige Kirchen-Handlungen zu begehen.

Erstlich sind hier 8 Brüder vor der Gemeine, die sich der Heyland zum Dienst Seiner Kirche ausersehen u. auch meistentheils bishero schon darinnen gebraucht hat. Sie sind aber noch nicht öffentlich zur Acoluthie angenommen worden, u. das soll jezt vor Seinem u. Seiner Kirche Angesicht geschehen. Sie haben uns heute ihren Sinn bezeugt, daß sie zu allem Willen des HErrn bereit seyn u. sich in der Ordnung der Brüder-Kirche, wozu Er sie haben will, brauchen laßen wollen.

Es ist die Annahme zur Acoluthie schon eine alte Brüder-Kirchen-Handlung, die wir von ihnen in unsere Gemeine bekommen haben, u. zu der sich der Heyland bisher immer gar fühlbarlich [178] bekannt hat. Es stellen sich bey derselben unsere Geschwister dem HErrn Christo u. Seiner Gemeine dar, u. geben den Dienern der Kirche ihre rechte Hand darauf, dem Heyland frölich nachzufolgen, durch keine Schmach, keine Trübsal, keine äußerliche Umstände sich vom Dienst unsers HErrn abschrecken zu laßen, sondern in allem, was ihnen in Seinem Namen von der Gemeine u. derselben Dienern aufgetragen wird, Treue u. brüderlichen Gehorsam zu beweisen.

Wir bitten ihnen dazu vom Heyland aus, daß Er sie mit Seinem Gottes-Blute besprenge, salbe u. heilige u. zu allerley bey Seinen begnadigten Gemeinen tüchtig u. fertig mache. Die ganze Gemeine wird mit ihrem Herzen gegenwärtig seyn u. diese Brüder dem Heyland zum Segnen empfehlen.

Zweytens hat der Heyland den Bruder Balthasar Friedreich nach St Thomas berufen, deßen Abfertigung mit den andern 2 Brüdern, die auch dahin gehen, noch diese Woche geschehen wird; u. unsern Bruder Praetorius hat Er zum Vice-Pfleger [179] der ledigen Brüder in Neuwied ernannt, woselbst er aber auch nach Gelegenheit der ganzen Gemeine zu dienen hat. Diese 2 Brüder sollen zu Diaconis der Brüder-Kirche ordinirt werden. Der Geist der Gemeine sey mit zugegen, heilige sie unserm HErrn Jesu Christo, daß sie gesegnete Diaconi Seiner Brüder-Kirche werden, u. Er sich beym Wort u. Sacrament u. worinnen sie Ihm sonst dienen sollen, zu ihnen bekenne.

Zum dritten wird unser lieber Bruder Daniel zum Ordinario der Brüder-Kirche geweyhet werden; u. endlich 4tens sind wir hier beysammen, ihn u. die andern Brüder, die mit ihm nach dem Königreich Astracan gehen, zu ihrer Abfertigung zu segnen. Da rufe ich nun unsre ganze Gemeine auf, unsern lieben Daniel u. seine ganze Gesellschaft dem Schutze unsers lieben Vaters im Himmel, der Nähe unsers blutigen Marter-Mannes u. der Leitung u. Führung des heiligen Geistes ganz besonders zu empfehlen. Er begleite sie insgesamt auf ihrer ganzen Pilgerschaft bis an Ort u. Stelle, [180] laße sie in dem Lande, das uns noch ziemlich unbekannt ist, u. da es an allerley Schwierigkeiten, Noth u. Gefahr von außen nicht fehlen wird, zur Ehre Seines Namens durchgebracht u. erhalten u. mit der Zeit auch vielen dortigen Einwohnern ein Segen u. zu ihrer Seelen Seligkeit eine Gelegenheit werden.

Hierauf geschahe unter den Versen: Da ist die Hand, HErr, hilfs uns thun p. Das sey euer Tagwerk, den Tod verkünd'gen p. die Annahme folgender 8 ledigen Brüder zu Acoluthen: Joh. Praetorius, Adolph Friedrich Abraham v. Gersdorf, Christlieb Suter, Jacob Christoph Duvernoy, Joh. Meder, Joh. Jacob Brey, Johannes Verbeek u. Christoph Kersten.

Sodann wurde vom Choro die bey der Ordination der Diaconorum gewöhnliche Liturgie angestimmt, u. darauf von der Gemeine fortgefahren:

Würdigster Geist, der die Kirche führt u. ihre Diener selbst ordinirt p. Weil man es thun darf, so wünscht man Dir Zwey recht gesegnete Diener hier p. unter welchen Worten die [181] Brüder Johannes u. Lieberkühn den Bruder Friedreich u. die Brüder Joseph u. Bruiningk den Bruder Praetorius mit Handauflegung zu Diaconis einsegneten.

Nach der Doxologie sang der Chorus die Liturgie zur Priester-Ordination, u. unter dem Vers: Es salbe ihn aufs neue das – für uns verwundte Haupt p. traten die Brüder Johannes u. Lieberkühn vor den Ordinandum, den Bruder Daniel, legten ihm die Hände auf, u. Bruder Johannes betete unter einem durchdringenden Gnaden-Wehen:

„Allerliebster Heyland, Du ewiger Hoherpriester Deines Volks, der Du Dir Deine Gemeine mit Deinem eigenen Blute erworben hast und Deine Diener mit diesem Deinem Gottes-Blute heiligest u. ihnen die Hände füllst: wir heiligen u. weyhen Dir diesen unsern Bruder zu einem Ordinario u. Priester Deiner Brüder-Kirche, in Deinem, Deines lieben himmlischen Vaters u. des heiligen Geistes Namen. Mache ihn zu einem gesegneten Diener im Heiligthum. Wenn er Deinen Tod verkündiget, so laße sein Herz von [182] Deinem Blut u. Wunden brennen u. sein Zeugniß von Deinem Geiste begleitet werden. Wenn er die heiligen Sacramente Deiner Kirche bedienet, so soll er in Deiner Nähe als ein Liturgus des Altars handeln; salbe ihn zu allem, was er als ein verordneter Diener Deiner Kirche zu thun hat. Insbesondere segnen wir ihn zu seinem jezigen Ruf nach Astracan. Gib ihm Gnade u. Weisheit, als ein treuer u. kluger Haushalter zu handeln, segne ihn u. die Brüder, die mit ihm gehen. Sie sind die ersten, die von uns in dieses Land gesandt werden. Sage es Deinem Vater, daß Er Sein Auge über sie offen halte, daß Er sie schütze u. bewahre u. Dein Geist sie leite u. führe. Wandle Du selbsten unter ihnen u. befiehl Deinen Engeln, daß sie sie geleiten u. alles aus dem Wege räumen, was ihnen hinderlich seyn könte. Nun allerliebster Heyland, laß unsern Bruder Daniel Deinen gesegneten Knecht bleiben u. Deinen Geist auf ihm u. seinen Brüdern ruhen. Erhöre uns, liebes Gottes-Lamm! Amen“. [183] Gesang Ein innigs Priester-Herz – werde – dieses Bruders Theil.

Chor. Lob sey Deinem allerehrwürdigsten Priesterthum – Amen Hallelujah!

Bruder Johannes sagte hierauf: Die Gemeine wird nun noch die 7 Brüder, Daniel, den der Heyland zum Interims-Oeconomo der Astracanischen Colonie ernennt hat, Brandt, Busch, Rebel, Nils Hoy, Jacob Brey u. Broberg vor ihrer Abreise unserm lieben HErrn empfehlen. Fünfe von ihnen sind, wie bekannt, dazu bestimmt, den Anfang zu einem Brüder-Etablissement im Königreich Astracan zu machen, u. die Brüder Brandt u. Busch werden sich vors erste in der Stadt Astracan aufhalten. Es ist eine weite Reise, auf der sie mancherley Gefahr exponirt sind. Wir wollen den Heyland bitten, daß Er ihnen durchhelfe; unsere Seufzer u. Thränen sollen sie begleiten u. ihnen den Schutz u. die Vorsorge unsers lieben himmlischen Vaters erflehen helfen.

Das that auch die Gemeine, unter einem gar tröstlichen u. segnenden Gefühl der Nähe unsers HErrn, [184] mit Einem Herzen u. Munde, in folgendem Gesang: Ihr seyd Seine Sünder, euch wirds gelingen p. Ueberall mit einem Schall – werde an der Pilger-Thür angeschrieben: Blut-Revier p. Denk an sie u. ihre Müh; Heyland! sie haben den rechten Paß; wo sie gehn, laß Gnade weh'n p. Der durchgrabnen Hände Weh' segne sie zu Land u. See. Hilf ihn'n durch die enge Bahnen – daß der Pilger ganzer Handel Deiner' Helden Spur erreicht p. Der Vater nimmt euch in Seine Huth, der Sohn wäscht euch mit Seinem Blut, der heilge Geist hat Pfleg' u. Zieh', u. die Engel geleit'n euch hie.

Zum Schluß sang der Chorus: Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi – sey mit uns allen! Amen; unter welchen Worten sich die Gemeine mit einem gewiß bleibenden Eindruck von dieser begnadigten Handlung den Friedens-Kuß ertheilte.

Gleich nachher versammlete sich eine Anzahl Geschwister mit den abreisenden Brüdern nach Astracan u. St. Thomas auf dem Conferenz-Sälgen. [185] Bruder Johannes las zuerst die morgende Loosung:

Mache dich auf u. gehe hin mit deinem Hause, u. sey Fremdling, wo du kanst.
Dem heiligen Blut des HErrn zu gefallen, gehn wir in Andacht u. Liebe wallen; u. sagte darauf:

Unsere nach Astracan bestimmte Brüder gehen in ein Land, das uns noch sehr unbekannt ist, dazu uns aber der Heyland besondere Anweisung gegeben hat. Es sind da noch viele Nationen von Heyden, Mahomedanern p. Es wird ihnen an allerley Gefahr auf ihren Land- u. See-Reisen nicht fehlen. Aber dem heiligen Blute des HErrn zu gefallen, gehn sie in Andacht u. Liebe wallen.

Lieben Brüder, wenn ihr bedenkt, was Er für euch gethan, daß Er so große Seelen-Schmerzen u. Marter u. endlich den Creuzes-Tod für euch ausgestanden hat; so wird euch das reizen, zu alle Seinem Willen da zu seyn u. keine Noth noch Gefahr zu scheuen, Sein Evangelium unter die Nationen der Erde zu tragen. Tragt, o ihr Creuzes-Beuten, [186] durch aller Erden Breiten das Wort von Jesu Todes-Gang!

Wir wollen euch 2 Puncte mit auf den Weg geben. Geht in Andacht u. geht in Liebe wallen. In Andacht zur heiligsten Humanitaet des Hauptes der Gemeine u. zu Seinen blutigen Wunden. Geht aber auch in Liebe zum Marter-Lämmlein, in Liebe unter einander u. in Liebe zu Seinem Volke, deßen Segen euch begleiten u. deßen Gebet für euch gar ofte zu Ihm in die Höhe steigen wird. Der Heyland wirds euch gelingen laßen, der Vater im Himmel wird euch bewahren, u. der heilige Geist wird euch darauf deuten, obs Zeit zu streiten oder obs Rast-Tag sey. Wir haben die gläubige Hofnung, daß aus dem kleinen Anfang, den der Heyland durch euch machen will, etwas zur Ehre Seiner heiligen 5 Wunden u. zum Lobe Seines herrlichen Namens werden wird.

Die Brüder, die nach St Thomas gehen, finden daselbst eine eingerichtete Heyden-Gemeine; es war aber in den dortigen Eylanden auch einmal gar sehr öde, u. doch hat [187] der Heyland nun eine Anzahl von etlichen tausend Negern gesammlet, die Sein Evangelium angenommen u. an Ihn gläubig worden sind.

Ihr lieben Brüder, die ihr nach Astracan gehet, müßt also nicht verzagen, wenn ihr auch in den ersten Jahren nur so da steht u. nicht viel auszurichten scheinet, bleibt auf eurem Posten mit unerschrockenem Herzen, Er wird euch schon zu Seiner Zeit Früchte sehen laßen.

Wir wollen nun noch zu guter lezt mit den 7 Brüdern, die nach Asien u. mit den 3 Brüdern, die nach West-Indien gehen, den Lobe- u. Verbindungs-Kelch trinken u. den Bund erneuern, bey Jesu Creuze zu bleiben u. Seine Marter zu treiben, bis wir Ihn sehn von Angesicht.

Der Kelch wurde unter folgendem Gesang herumgegeben: Wir opfern Dir mit Hand u. Mund Geist, Seel u. Leib aufs neue p. Dein'n Schweiß u. Dein Blut laß über uns regnen p. Wir woll'n, u. was wir woll'n, das geht p. O könten wir in künftger Frist – mit Bluts-Kraft alle Lande zur Jüngerschaft, zum [188] sel'gen Creuz – reizen p. Geht Zeugen Jesum mahlen p. So bringet denn dem schwarzen Volk, den Persen u. Mungalen, als Tröpflein von der Zeugen-Wolk, das Wort von Wunden-Maalen. Wir woll'n mit Freuden Ihm zu Gebote stehn p. Hör, was die Würmlein sagen – Wir woll'n beym Creuze bleiben p. (Pacem) So geht dann in des HErren Freud p.

Mehr genannte 7 Brüder traten also

☽ d. 15tn Apr.

ihre Reise über Barby u. Lübeck nach Petersburg u. Astracan an. Sie wurden von einer großen Anzahl Brüder bis zur Wind-Mühle begleitet, welche daselbst einen Creis schloßen, ihnen noch einige Verse sangen u. sie dann in Frieden ihre Straße ziehen ließen. Es ging beym Abschied auf beyden Seiten nicht ohne Thränen ab.

Heute reisten auch die Brüder v. Heithausen u. Ernst v. Tschiersky, die etliche Wochen zu unserm u. ihrem Vergnügen bey uns gewesen, nach Schlesien zurück.

[189]
♂ d. 16tn Apr.

redete Bruder Petrus in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister um 7 Uhr über den heutigen Text, u. zur Zeit der Singstunde war die Abfertigung der 3 morgen nach St Thomas abgehenden Brüder Balthasar Friedreich, Jacob Remin Göttlich u. Joh. Friedrich Zenner.

Zuerst wurde folgendes Briefgen von Bruder Daniel aus Klein-Welke vom 15tn Apr. gelesen:

Meine allerliebsten Geschwister, Da meine lieben Mitpilger u. ich gegenwärtig in Klein-Welke sind u. die Liebe der hiesigen Geschwister genießen, unsere Herzen aber noch ganz voll von zärtlicher Empfindung u. Dankbarkeit gegen unsern allerliebsten HErrn und unsere lieben Geschwister sind, über alles das Selige u. Gute, was wir in dem lieben Herrnhuth u. besonders am lezten Tage genoßen haben, so haben wir uns der Gelegenheit, da unser lieber Bruder Bruiningk als der lezte von Herrnhuth dahin zurück geht, bedienen wollen, um unsern allerliebsten Geschwistern unser [190] beschämtes u. dankvolles Herz in ein paar Zeilen schriftlich mitzugeben. Wir können mit Wahrheit bezeugen, daß wir das Herz unsrer lieben Geschwister gefühlt haben, u. wir werden uns auf unserm Wege u. an unserm künftigen Plätzgen fleißig u. zum Segen daran erinnern. Unser Herz aber ist zu voll, sich mit mehreren auszudrücken. Sein blutiger Fuß wird noch manchen beschämten Kuß davor krigen. Wir wollen uns dann nur noch allerseits dem fernern Liebes-Andenken u. Fürbitte unsrer lieben Geschwister empfehlen, nebst dem zärtlichsten Abschieds-Gruß, u. auf Jesu Marter ewig mit einander verbunden bleiben.

Im Namen der Astracanischen Pilger
euer
bekanntes armes Herz
Daniel.

Es wurde ihnen gesungen: Leit' sie würdiglich der Gnade u. dem Evangelio p. Sodann sagte Bruder Johannes:

Lieben Geschwister, wir haben hier 3 Brüder vor uns, die morgen nach St Thomas abreisen werden. Das Werk Gottes auf den 3 Inseln [191] Thomas, Crux u. Jan ist eines von den importantesten, das der Heyland unsrer Brüder-Kirche anvertrauet hat. Es war unsere erste Heyden-Mission, u. nun ists schon etlich 30 Jahr, seit die ersten Boten dahin abgegangen sind. Es ging im Anfang durch manche Schwierigkeiten. Wie viele Brüder u. Schwestern sind nicht daselbst in ihres HErrn Freude eingegangen u. ein edler Saame worden, von dem nun die Geschwister, die Er jetzo dort ans Werk stellt, die Früchte erndten. Es ist nicht zu beschreiben, wie einem zu Muthe ist, wenn man eine Gemeine von tausend u. mehr Negern beysammen siehet. Es hat mich viele Thränen gekostet, da ich wieder von ihnen abreisen solte; u. wenn ich nicht vom Heyland einen andern Ruf gehabt hätte, so wäre meine Neigung gewesen, bey diesem lieben Volke meine noch übrigen Tage zuzubringen. Es ist zwar ein beschwerlicher Posten, besonders wegen des heißen Climatis, aber die Liebe zum Heyland, die Erkenntlichkeit gegen das, was Er für uns gethan, u. die [192] Liebe zu den armen Negern, zu den hundert u. tausend heilbegierigen Seelen, zu einer solchen lieblichen Gemeine, wie wir nun daselbst haben, macht, daß einem alle Beschwerlichkeiten Feder-leicht werden. Wir haben auch gesehen, daß der Heyland die Hütten unsrer Geschwister stärken u. sie viele Jahre in Seinem Dienste erhalten kan. Es haben ja schon Geschwister 10, 20 u. mehr Jahre dort ausgehalten.

Der Heiland lege Seinen Geist auf diese 3 Brüder u. mache aus ihnen treue Arbeiter in dieser Seiner Erndte, daß sie so wol im Innern bey der Seelen-Arbeit, als auch in den äußerlichen Geschäften, wo Er eben einen jeden hinstellt, den dortigen Geschwistern treue Gehülfen werden u. dem Heyland einen reichlichen Schmerzens-Lohn einsammlen helfen.

Er gebe ihnen muntre Kehlen, die Wunder zu erzehlen, die Seine Treue thut, besonders aber das Wunder ohne Maaßen, daß sich selbst der wahre Gott für uns verlorne Menschen in den Tod gegeben hat.

[193] Er schenke ihnen einen muntern u. frölichen Geist, der nicht muthlos u. niedergeschlagen wird, wenn gleich die Hütte beschwert ist. Denkt nicht eher ans Heimgehen, bis ihr alles das vollendet, wozu Er euch gesendet u. all Sein Rath mit euch geschehn. Das Gebet der ganzen Gemeine wird euch begleiten, u. wir wollen unsern HErrn gemeinschaftlich anrufen, daß Er euren Pilger-Gang segne, euch selig u. glücklich an Ort u. Stelle bringe u. das ausrichten laße, was Er euch befohlen hat.

Die Gemeine sang darauf: Dein'n Schweiß u. Dein Blut laß über sie regnen p. Dem heiligen Blut des HErrn zu gefallen, geht ihr in Liebe u. Andacht wallen p. Er geb' euch muntre Kehlen p. So könnt ihr dem Lamm zu glückseligen Streitern, dem Sünder-Apostel zu Wege-Bereitern u. all' Seinem Zwecke gemäß gemacht werden p. Ein evangelscher Bote – hat nichts als seinen Creuz-Verstand. So zeigt dann jedermann – daß die Pilger-Brüder das hab'n zu ihrem Plan, Geist, Seel u. Leib – willig herzuleyhn, Jesum zu erfreu'n. [194] So geht dann in des HErren Freud p.

Chorus Die Gnade unsers HErrn Jesu Christi – sey mit euch, mit uns /: Pacem :/ allen. Amen!

Die Abreise dieser 3 Brüder erfolgte dann

☿ d. 17tn Apr.

in aller Frühe. Sie gingen über Lübeck u. Copenhagen.

Abends hielt Bruder Johannes den ledigen Brüdern eine Rede über den heutigen Text.

Aus einem Briefe des Bruders Daniel Renners an Bruder Layritz d. d. 16tn Mart. 1765. aus Pohlnisch Lissa, der in der heutigen Diaspora-Conferenz gelesen worden, ist folgendes zu communiciren:

Nun hat mich der Heyland wohlbehalten nach Pohlnisch Lissa gebracht. Meine Abreise von Herrnhuth that mir wol schmerzlich wehe; allein der liebe Heyland, der mich auch darüber getröstet, hat mich in Seiner lieben Nähe selig geleitet, u. es war mir besonders lieb, daß ich in Gnadenberg das dasige Gemein-Fest am 6tn Mart. u. zugleich das heilige Abendmahl genießen konte. D. 8tn ejusdem reiste ich mit Bruder Meyer nach Neusalz, [195] wo wir des Abends wohlbehalten ankamen. Sie nahmen mich in vieler Liebe auf, u. ich dachte dabey: wenn man überall, wo man einkehrte, Brüder fände, so ließe sichs gut reisen. Weil die Oder sehr angelaufen war, so konte ich mich ein paar Tage hier aufhalten, u. ich muß gestehen, daß ich unter diesem kleinen Häuflein Brüder einen wahren Gottes-Frieden verspürt, u. ihre Liebe unter einander hat mich recht erfreut. Unterwegens besuchte einen mir bekannten Prediger. D. 12tn Mart. kam ich nach Fraustadt, wo ich einen Anverwandten unsers Bruders Hedelhofers besuchte, welcher mich herzlich aufnahm. Was ich ihm von der großen Sünder-Liebe des Heylands erzehlte, war ihm angenehm u. erfreulich. D. 13tn kam ich nach Lissa, wo ich bey Benjamin Schaefer einkehrte. Ich war so wol ihm als seinen Eltern sehr willkommen. Auch den übrigen Geschwistern war es eine Freude, wieder einmal einen Besuch von der lieben Gemeine zu bekommen. Des Abends kamen wir bey Bruder [196] Beer zusammen, wo ich dem kleinen Häuflein zu ihrer herzlichen Freude die Grüsse von der Gemeine ausrichtete. Ich besuche sie übrigens so viel ich kan, und freue mich mit ihnen des Guten, das sie im Umgang mit dem Heyland genießen. Ich bin auch mit einigen Leuten bekannt worden p.

♃ d. 18tn Apr.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Johannes über die heutige Loosung, u. verlas darauf folgenden Brief von Bruder Bülow:

Ehrwürdige u. liebe Brüder, Es wird dem ehrwürdigen Directorio noch erinnerlich seyn, daß ich anno 1763. im Dec. ein Schreiben, nebst einer Declaration wegen eines ehemaligen geschriebenen Briefes, an Bruder Johannes übersandt habe, auf welches ich von demselben eine sehr liebreiche Antwort erhalten, mit Versicherung von denen Brüdern im Namen der ganzen Gemeine, daß sie mir alles vorige, wie auch meine Versündigung wegen des bekannten Briefes, von Herzen vergeben hätten, worüber ich beschämt, erfreut [197] u. von Herzen dankbar bin. Nachdem mir nun der Heyland die ganz besondere Gnade erzeigt, daß ich die hiesige liebe Gemeine zum erstenmal in meinem Leben besuchen kan u. darf: so ist seit der Zeit meines Aufenthalts allhier so viel in meinem Geiste vorgegangen, daß mir es alles auszudrücken nicht möglich ist. Kurz mich zu faßen: alle alte Impressiones von Herrnhaag her, sind nicht nur gänzlich ausgelöschet; sondern ich bin völlig überzeugt, mit innigem Gefühl u. ausnehmenden Genuß meines Herzens, daß ich in einer Gemeine Gottes bin. Mein Herz sagt zu allem Ja u. Amen. Wenn ich nun zurücke denke, daß ich 15 u. ein halbes Jahr mich selbst durch meine Retirade um einen seligen Gnaden-Gang in der Gemeine gebracht habe; wenn ich überlege die betrübten Folgen, die daraus entstanden sind: so macht mir alles dieses einen wehmüthigen Schmerzen. Besonders bereue meine damalige widrige Gesinnung, wodurch ich mich habe zu meinem ehemaligen Brief verleiten [198] laßen. Ich habe mich dadurch offenbarlich an einer Gemeine Gottes versündiget. Ich bekenne daher auch öffentlich vor derselbigen meine darüber schmerzlich tragende Reue, u. meine demüthige Bitte ist, mir deswegen eine öffentliche Absolution in der Gemeine angedeyhen zu laßen. Es wird mir eine besondere Gnade seyn, mich als einen Sünder der lieben Gemeine darzustellen.

Ich habe noch eine Anweisung in meinem Herzen vom Heyland bekommen, die darinnen besteht: Ich wünsche wieder ein Glied an dieser sichtbaren u. lebendigen Gemeine Jesu Christi zu werden. So unwürdig ich deßen bin, so ist mir doch in meinem Herzen klar, mein treuer Heyland hat mir nach Seiner ewigen Gnadenwahl mein seliges Loos unter Seinem Volke in Seinen Händen bewahret u. aufgehoben, u. deßentwegen mich beym Leben erhalten, daß ich es wieder genießen soll. Ich bitte also nach dieser meiner Ueberzeugung um Restitutionem in integrum, als ein ehemaliges gewesenes Mitglied [199] der lieben Gemeine wieder angenommen zu werden. Erlaubt mirs der Heyland, meine übrigen Tage unter Seinem Volke zu wohnen; so wird mirs eine unaussprechliche Gnade seyn. Ich opfere, widme u. ergebe mich also aufs neue dem Heyland u. Seiner Gemeine, mit allem was ich bin u. habe; nur Ihm zu leben u. Seiner Gemeine mit meinen geringen Kräften zu dienen, soll mir eine Freude u. Materie einer beständigen Anbetung seyn; der ich in aller Ergebenheit u. von ganzem Herzen bin,

Ehrwürdige u. liebe Brüder,
Dero
aufs neue verbundener und
geringer Bruder
Gottschalk Fr. v. Bülow.

P.S. Ich bitte diesen meinen Brief der ganzen Gemeine zu communiciren u. vorzulesen, weil mir an der einen Seite an dem Segen u. der Absolution der ganzen Gemeine /: deren Geist ich so besonders in den vergangenen Feyertagen gefühlt :/ gar viel gelegen ist; andern theils will gerne vor dem ganzen Volke Gottes als [200] ein Sünder bekannt werden, der vor dem Angesichte Jesu Christi u. in Gegenwart Seiner Gemeine mit weichem u. sünderhaftem Herzen beichtet: Schau her, hier steh' ich Armer, der sich zu schämen hat, gib mir, o mein Erbarmer! den Anblick Deiner Gnad'.

Die Gemeine, deren theilnehmendes Herz gar merklich zu spüren war, u. die gerne vergibt, weil ihr so viel vergeben ist, sang ihm: Gib ihm, o sein Erbarmer! den Anblick Deiner Gnad'. Hebe auf die durchgegrabnen Hände über diesen Bruder p.

Bruder Johannes fiel sodann mit der Gemeine, die in Wahrheit als eine Sünder-Gemeine vor ihrem HErrn erschien, auf die Knie u. empfahl sie u. den Bruder Bülow, den sie nun wieder in ihre Mitte einnahm, unserm lieben HErrn zur Absolution u. Segen. Unter dem Vers: Zeig uns Deine Barmherzigkeit, wie unsre Hofnung zu Dir steht p. stand die Gemeine wieder auf, u. der Chorus sang: HErr, HErr Gott – barmherzig – u. von großer Gnade – der Du vergibest Mißethat – u. Sünde, u. vor [201] welchem niemand unschuldig ist p. Liturgus Wird auch Deines gleichen – gefunden werden? Gemeine Wir sagen: Nein.

Um 8 Uhr hielt Bruder Johannes den ledigen Schwestern eine Chor-Rede über den heutigen Text, welchen Bruder Gregor in der Singstunde mit folgenden Versen besang: Er mag noch so ungesehn unter uns 'rum gehen, unser Geist kan Seiner Schön' gnug fürs Herze sehen. Unser Gottes-Lämmelein ist in unsrer Mitte p. Er findt uns blöd u. arm p. Und wir verbringen unsre Zeit mit Ihm in Herz-Vertraulichkeit p. Wir lieben Ihn zwar, doch lange nicht gar p. Wir bleiben in Schuld, u. Seine Geduld – macht, daß sich das Herze oft vor Ihm zerweint. HErr! durch Dein Blutvergießen laß uns Dein eigen seyn – es wird uns auch noch werden zu schauen unsern Mann. Gönne uns schon in der Zeit Deine Nähe p. Erschein uns oft im Bilde, wie Du – Dich so milde geblutet hast zu Tod. Ach laß uns Deine Wunden alle Stunden – auch ritzen u. verwunden. Laß uns in Deiner Liebe u. Erkenntniß nehmen zu p. [202] Im innersten Grund – gefühlig u. warm, u. doch niemals anders als elend u. arm. Wer zu allen Zeiten nur ein armer Sünder wär', der wär' immer selig p. Was muß Jesus an uns trüben Herzen lieben p. Drum soll Sein Tod u. Leiden – uns stets in unserm Herzen ruhn.

♀ d. 19tn Apr.

redete Bruder Johannes in der Chor-Versammlung der Witwen über den Text am 20tn Apr.

♄ d. 20tn Apr.

beteten die Kinder zu ihrem Gemein-Tage früh um 9 Uhr ihre Litaney, u. hörten darauf einige Lebensläufe von Kindern verlesen.

Nachmittag um 2 Uhr hatten sie vergnügte Agapen, welche die Knäbgen u. Mädgen wechselsweise mit folgendem Gesang unterhielten: Ach Bein von unsern Beinen – wenn Du uns wirst erscheinen, leibhaftig, weiß man nicht – aufs wenigste erschein uns im Geist den Tag einmal. Dein'n Schweiß u. Dein Blut laß über uns regnen p. Wie ist dem Würmlein doch so gut bey dem Gefühl der [203] Wunden p. Ach wie ist uns doch so wohl – an dem Creuze, da Du stir starbest p. Still Du unsre Sehnsuchts-Pein, blutigs Lämmlein p. In Dein'm Verdienst wir weiden, bis daß wir zu Dir scheiden p. Dein Creuz, die Schmach – die haben unser Herz genommen u. gebunden. Das ist das Feu'r, das uns entzündt p. Hätt'st Du Dich nicht selber an uns gehangen, wir wär'n Dich nimmermehr suchen gangen; wer ist wie Du? Wird auch Seines gleichen – gefunden werden? wir sagen: Nein. Es soll Dein Tod u. Leiden – uns stets in unserm Herzen ruhn. Alle Tag' im Jahre – soll'n uns von nun an Festtage werden der Marter Gott's. So nimm mein Herz u. alles, was ich bin p. Du aber solst auch wieder meine seyn p. Wir geb'n uns heute Dir ganz von neuem hin p. Wir sind sehr schwächlich, das weißst Du selber wohl p. Du hätt'st uns gerne reine – wir danken für die Mühe p. Ja dankt mit Mund u. Händen, die ihr laßts Wundenroth anfangen, mitteln, enden p. Nun wir woll'n mit [204] Freuden sehen, was Du thust p. Drück uns an Dein Herze, an Deine Wunden p. Bleib uns, o Lamm, bleib immer p. Der Umgang mit dem Schmerzens-Mann ist alles, was man machen kan p. O ich freu mich, daß ich bleibe an dem Leibe meiner Liebe p. Wie wär's, wenn der Gesang dem Bräutigam gefiele p. An Seiner Seite sich zu letzen, das wär so was man gerne hätt' p. Bleiben ewig sitzen an den Wunden-Ritzen p. Johannes: Hör, was die Würmlein sagen – Kinder: Wir woll'n beym Creuze bleiben p. (Pacem.)

Bald darauf versammleten sie sich wieder zu ihrer Homilie, die ihnen Bruder Johannes über ihre Loosung hielt, u. sie darauf dem Heyland in einem herzlichen Gebet empfahl. In der Beter-Versamlung redete Bruder Johannes ebenfalls über den heutigen Text, u. zum Schluß der Woche war der allgemeine Abendsegen.

Heute reiste auch die Schwester Mar. Wettsteinin als künftige Vice-Pflegerin des ledigen Schwestern-Chores in Ebersdorf mit noch 11 ledigen Schwestern, die aus dem hiesigen Chorhause dahin versezt werden, von uns ab.

[205] Ferner ist von dieser Woche noch anzumerken:

1.) Geschwister Hüffels haben auf ihr Anerbieten, nach der Stadt Moscau zu gehen, des Heylands Approbation erhalten.

2.) Aus St Crux erhielten wir ein Diarium u. Briefe von unsern Geschwistern aus allen dortigen Eylanden.

3.) Aus einem Bericht des Bruders Joh. Nitschmanns d. d. 2tn Apr. London, ans Directorium, ist folgendes zu communiciren:

Wir hatten vor einigen Tagen eine Conferenz in Ansehung unsers Provincial-Synodi, u. krigten die Anweisung, daß selbiger um den 12tn May herum seinen Anfang nehmen u. in Lindseyhouse solte gehalten werden. Weil unsere Gemeinen nicht gehörig besezt sind, u. in manchen nur 2, in andern aber gar nur ein Arbeiter ist; so wird es freylich in solchen Gemeinen nicht ohne Schwierigkeiten abgehen. Wir haben es einer jeden Aeltesten-Conferenz in den Gemeinen überlaßen, wer von den Arbeitern zum Provincial-Synodo kommen kan, u. ob sie Deputirte [206] senden wollen. Wir empfehlen diese Provincial-Zusammenkunft eurem Andenken u. Gebet, u. wünschen, daß unser lieber HErr, dem das Heyl Seiner Kirche am Herzen liegt, möge unter uns seyn u. den Rath Seiner Diener regieren, daß Seine Friedens-Gedanken über dieses Volk u. Nation seliglich ausgeführt werden.

Francis Ockely kam vergangene Woche hier in London an, u. wir haben ihm die Absolution angedeyhen laßen. Sein Herz ist seitdem weich u. klein.

Bruder Erasmus hat in Northampton u. Culworth besucht. An ersterem Orte ging ein Soldat selig zum Heyland. Er war bey einem Bruder einquartiert, der ihm was vom Heyland gesagt, welches der arme Mann begierig annahm u. zu jedermanns Freude u. Verwunderung an den Heyland u. Sein Verdienst gläubig wurde. O wie dankte er dem Bruder, daß er ihm den Heyland genannt; denn er hatte sein Lebenlang nicht gehört, daß ein Heyland sey. Wie der Pfarrer ihn besuchte u. er ihm erzehlte, daß ihn ein Bruder zum Heyland [207] gebracht habe, sagte der Pfarrer: Gott segne ihn, der hat euch mehr gegeben, als 10000 Welten werth sind. Und so ging der Soldat selig heim.

In Culworth ging eine Witwe Namens Eastmann, zum Heyland, in deren Hause die Brüder ihre erste Versammlung hielten. Da sie zu Bette ging, sagte sie: Ich gehe nun auf die allervergnügteste Reise, die ich mein Lebtage gethan habe; u. des Morgens darauf war sie schon verschieden. Vergangenen Monat wurden die Assizes (Gerichte) in Bedford gehalten. Der Judge Bathurst hatte sichs vorgenommen, unsere Capelle u. Chorhäuser daselbst zu besuchen, u. ließ sich gleich nach Eröfnung seiner Commission nach unsern Gelegenheiten erkundigen. Es that ihm wehe, daß die Predigt an dem Tage schon vorbey war, u. ließ den Tag darauf Bruder Erasmus sagen, ob er gleich wüßte, daß die heutigen Gelegenheiten eigentlich vor unsere Leute wären, so wolle er sichs doch ausbitten, diesen Abend gegenwärtig zu seyn. Er declarirte [208] darauf öffentlich im Gerichts-Hofe, daß er Abends in der Moravian-Chapel seyn würde u. der Verhör u. die Trials so eingerichtet werden möchten, daß er um 8 Uhr da seyn könte. Das ging gleich in der ganzen Stadt herum, u. einige Geschwister waren bange, daß ein Mob entstehen möchte, zumal so viele Leute von andern Orten gegenwärtig at the Assizes waren. Wie die Zeit heran kam, war die Sache, die sie just tractirten, so verwirrt, daß es unmöglich war, abzubrechen. Er sandte daher einen Nachbarn nebst einem seiner Bedienten zu Bruder Erasmus, daß es ihm sehr leid thäte, daß er nicht kommen könte. Der Bediente war in der Stunde zugegen u. dankbar, daß er da gewesen. Den andern Tag besuchte der Judge die Capelle u. Chor-Häuser, u. besahe sich alles mit Attention u. Wohlgefallen, u. nahm aufs freundschaftlichste Abschied. Er ließ auch überall in Bedford seine besondere Neigung gegen die Brüder deutlich blicken, worüber sich viele wunderten.

Der Brief, der vom Synodo an [209] die Kinder gestellt u. ihnen mit den Bibeln ausgetheilt worden, ist auch ins Englische übersezt u. den Kindern in der Fulneckschen Anstalt zu ihren Bibeln gegeben worden, welches eine herzliche Freude verursachet. Bruder Tranecker hat vorigen Monat in Lambsacre besucht u. die Capellen-Sache in Malmsbury in Ordnung gebracht. Die Capelle ist von Steinen gebaut, u. das Haus dabey hat 8 gute Wohn-Stuben, u. dazu gehört ein Garten 100 Schuh lang u. eben so breit. Die Schwester Lyne hat es der Gemeine vor 120 ℔ verkauft, u. der Kauf-Brief wird auf Bruder John West gesezt.

In Bath intendiren sie, diesen Monat den Grundstein zur neuen Capelle zu legen. Der 25te Mart. ist in allen unsern Gemeinen mit Gnade u. Segen gefeyert worden. Hier hatten wir eine selige Gemein-Versammlung u. in den Chören ein Herzzerschmelzendes Anbeten. Die großen Mädgen hatten überall Agapen u. Chor-Homilien. In London waren ihrer 19 u. in Fulneck 120 an dem Tage beysammen.


[210]
Die XVIIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Miseric. Domini
d. 21tn Apr.

war um 8 Uhr die Gemein-Litaney.

Nachmittag war das Begräbniß der Hütte unsrer seligen Schwester Andersin geb. Reichelin, unsers lieben Ordinarii Anders Ehe-Schwester.

Um 3 Uhr freuten sich bey einem Liebesmahl die seit einem Jahre mit der Gemeine zum Genuß des heiligen Abendmahls gelangte 40 Geschwister, nemlich 14 ledige Brüder, 7 Jünglinge u. Knaben, 7 ledige Schwestern u. 12 Mädgen ihres seligen Gnaden-Looses. Bruder Johannes äußerte dabey unter andern folgendes:

Es ist dieser Tag in unsrer Gemeine dazu angesezt, daß die Geschwister, die das Jahr über mit der Gemeine zum erstenmal zum heiligen Abendmahl gelangt, u. des höchsten Gutes, das der Heyland Seiner Kirche hienieden in Seinem Testamente vermacht hat, theilhaftig worden sind, sich gemeinschaftlich [211] ihrer Gnadenwahl freuen u. Ihm dafür ein Auge von Thränen naß u. ein Herz dankbar u. warm zum Gratias bringen. Sie sollen sich an den Bund erinnern, den sie bey dem ersten Abendmahl, das sie mit der Gemeine Jesu genoßen, mit dem Heyland gemacht haben, u. zugleich nachsehen, wie diese Gnade von ihnen angewendet worden u. was Sein Leichnam u. Blut vor Effecte auf ihre Seele u. Hütte gehabt. Unser heutiger Text: Ihr seyd das auserwehlte Geschlecht, das königliche Priesterthum, das heilige Volk, das Volk des Eigenthums. Ihr seyd sonst gar geringe Leut', nun seyd ihr Gottes Ehre, Sein Blut machts, daß ihrs seyd, ist ein gar tröstliches Wort für uns u. ins besondere auch für euch. Von Natur finden wir gewiß nichts an uns, warum Er uns lieben u. so viel Barmherzigkeit an uns erweisen müßte, wir sind in uns gar geringe Leute; aber weil Er Sein Blut einmal für uns vergoßen, so bekennt Er sich nun zu Seinen Elenden u. Blöden, u. theilt sich uns auf eine so unaussprechliche Weise mit. Da soll nun [212] aber auch durch Seine Gnade bey uns zu stande kommen, daß wir durch Seinen Leichnam u. Blut zu einem Volk des Eigenthums geheiliget werden, zu einem auserwehlten Geschlecht u. königlichen Priesterthum. Er hat es haben wollen, daß auch ihr was seliges werden, euch Gottes eures Heylandes freuen, durch Seinen heiligen Leichnam in Seine Aehnlichkeit gestaltet u. durch Sein Gottes-Blut in Liebe gegen Ihn entzündet werden soltet. Er wiederholt auch dieses selige Sacrament in der Gemeine so oft, damit Herz u. Sinnen immer vester an Ihm kleben, u. uns jedes mal die Einleibung in Ihn erneuert u. bestätiget werde.

Wir wollen euch auch an das Wort erinnern: Ihr, die ihr von diesem Brode eßet u. von diesem Kelche trinket, ihr solt des HErren Tod verkündigen. Die ganze Abendmahls-Gemeine ist zu einem Zeugen-Volke berufen, u. wir hoffen u. glauben auch von euch 40 Geschwistern, daß ihr von ganzem Herzen vor den Heyland da seyd, u. auch in dem Theil Seine Friedens-Gedanken an euch gerne werdet ausführen laßen. [213] Macht euch indeß, bis euch der Heyland zu etwas ruft, eure Zeit in der Gemeine recht zu nutze, sammlet euch in derselben einen Schatz von Gnade u. Wahrheit in euren Herzen, daß, wenn Er euch einmal brauchen will, ihr dazu fertig seyn möget. Laßt keinen Tag oder Stunde mehr vorbeygehen, ohne ein gefühliges Herz gegen Ihn zu haben. Ihr werdet zwar euer Elend u. Sündigkeit immer beßer kennen lernen, aber es soll euch dabey an der Nähe der Wunden Jesu nichts abgehen, vielweniger eine Schüchternheit oder Entfremdung gegen Ihn daraus entstehen, sondern es soll euch nur noch immer näher zu Ihm treiben u. attachirter an Ihn machen. Er hat euch nun einmal in Seine Gemeinschaft eingenommen; Kindlein! bleibt bey Ihm, so wird Er eure Seelen Schritt vor Schritt mit Seiner Seele ziehen laßen u. eine Gnade u. Salbung nach der andern mittheilen.

Zum Schluß wurde gesungen: Wir schwören Dir die Herzlichkeit, die Bluts-Verwandte fühlen p. Strahlte doch aus einem jeden Blicke Jesu lezter Abschieds-Blick zurücke p. [214] Bleib uns, o Lamm, bleib immer p. Alle Tag' im Jahre – sollen – Fest-Tage werden der Marter Gott's. Das sey unser Tagwerk, den Tod verkündgen u. uns am Leichnam – entsündgen u. heiligen. Da hast Du Herz und Hände, daß wir – woll'n Deine treue Seelen seyn. (Pacem.)

In der Gemein-Stunde um 7 Uhr redete Bruder Johannes über den heutigen Text, u. um 9 Uhr war die Liturgie mit dem Te Matrem.

♂ d. 23tn Apr.

hielt Bruder Joseph Abends in der Versammlung der Abendmahls-Geschwister eine Rede über die Texte des Tages.

☿ d. 24tn Apr.

Nachmittag um 3 Uhr wurde der Anfang gemacht, einer Anzahl von Geschwistern aus allen Chören den weitläuftigen Extract, den Bruder Abraham Gersdorf aus dem Synodal-Protocoll verfertiget, vorzulesen, welches alle 14 Tage continuiren wird.

♃ d. 25tn Apr.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Johannes über die Loosung des Tages. Desgleichen auch

[215]
♄ d. 27tn Apr.

in der Beter-Versammlung.

Die wegen ihres treuen Dienstes in ihrem Amte bekannte Schwester Hennigin aus dem Witwen-Chore ging heute selig zum Heyland; u. Geschwister Erich Braus kamen mit der Schwester v. Rumohr bey uns an.

Dieser Woche ist noch folgendes beyzufügen:

1.) Aus England bekamen wir Nachricht, daß der Provincial-Synodus daselbst um den 12tn May in Lindseyhouse wird gehalten werden. Der Schlesische Provincial-Synodus wird in der Trinitatis-Woche im Schlössel seyn.

2.) Die Brüder, die zur Revision des Archivs im Synodo ernennet worden, werden in der Pfingst-Woche von hier G. G. nach Zeist abreisen.

3.) Aus Jamaica bekamen wir Briefe vom 9tn Dec. a. p. die uns sehr tröstlich waren. In der Bogue u. in Mesopotamia regt sich neue Gnade unter den Negern, u. am lezten Orte sind 2 getauft worden.

4.) Aus der Wachau meldet Bruder Ettwein, daß Bruder Marschall u. Frommelt [216] bey ihnen fleißig sind, u. die 12 zu Professionen bestimmte Knaben bey ihnen auch angekommen. August Schubert u. die Witwe Krausin, der Töpfer Aust u. die Witwe Heckedorn, der Müller Kapp u. die ledige Schwester Shorin, Jacob Blum u. die An. Mar. Bornin sind verheyrathet worden.

5.) Die 3 nach Grönland bestimmte Brüder sind am Sonntage Quasimod. aus Copenhagen munter u. vergnügt u. mit gutem Winde abgesegelt.

6.) Unser lieber Bruder Joh. Lorenz ist am 15tn Jan. in St Jan in seines HErrn Freude eingegangen. Geschwister Böhners waren im Febr. in St Jan u. besorgten den dortigen Plan.

7.) Geschwister Belows in Ebersdorf haben uns ihren Trieb, nach St Thomas zu gehen, gemeldet, u. der Heyland hat es approbirt.

8.) Geschwister Joseph Neussers sind zum Dienst in den Stadt- u. Land-Gemeinen in Pennsylvanien bestimmt worden, u. habens mit Freuden angenommen.

9.) Bruder Gerner wird, da Bruder Reichel nach Holland geht, Vice-Secretarius beym Directorio.

[217]
10.) Bruder Gottfried Grillich schreibt
an Bruder Johannes d. d. Copenhagen
d. 5tn Apr. 65.

Durch diese paar Zeilen grüßen u. küßen wir Dich u. das ganze Directorium aufs zärtlichste. Dein Briefgen vom 11tn Merz, das wir gleich zum Eintritt in Copenhagen von Bruder Briant empfingen, war uns zu großer Freude u. Vergnügen. Wir konten daraus euer Liebes-Andenken vor dem Heyland an uns, davon wir ohnedem versichert sind, gar deutlich u. zu unserm großen Trost ersehn. Der liebe Heyland ist auf der ganzen Reise mit uns u. uns oft recht nahe gewesen. Wir haben auch gar oft Antheil genommen, wenn wir glaubten, daß die liebe Gemeine diese oder jene Gelegenheit haben würde, zumal am 25tn Mart. Unsere Reise betreffend, so fuhren wir d. 20tn Merz Abends um ½ 6 Uhr von Stettin ab. Bruder Wohn hatte uns bis ans Schiff begleitet, u. wir nahmen herzlichen Abschied von ihm. Unser Schiff war ein Holländisches u. der Schiffer ein sehr guter Mann, den wir lieb behalten werden, so lange [218] wir an ihn denken werden. Er logirte uns in die Cabine u. erzeigte uns viele Liebe. Uebrigens waren nur 3 Matrosen auf dem Schiff u. alle gute Leute. D. 27tn Merz kamen wir in die Schwinemünde, wo wir, weil der Haf noch zugefroren war u. wir überdem auch contrairen Wind hatten, 2 Tage stille liegen mußten. Wir wurden auch hier zum Commendanten gebracht, der uns aber sehr höflich u. freundschaftlich begegnete. Nachdem wir hier 2 neue Passagiers eingenommen, segelten wir d. 30tn in die Ost-See. Die ersten 2 Stunden ging es gut; wir krigten aber bald wieder contrairen Wind, der hernach beynahe auf der ganzen Reise continuirte. D. 31tn stürmte es von Mittag an bis in die Nacht sehr stark. Bruder Flügel wurde dabey Seekrank, u. ich u. Joseph konten ihm nicht viel helfen, weil wir auf dem Schiffe nicht gehen konten, ohne uns anzuhalten. Wir lavirten fast den ganzen Weg, u. kamen in dieser Nacht nahe an Schweden. D. 1tn Apr. früh war ich auch auf einige Minuten Seekrank, wurde aber bald wieder ganz [219] gesund. Zu Mittag sahen wir unsern sehnlichen Wunsch erfüllt, das Wetter klärte sich auf, u. wir erblickten die Thürme von Copenhagen. Als wir Dragoe gegen über waren, steckte der Schiffer seine Flagge aus, worauf 3 Loots-Männer kamen u. uns mit einem Boote vollends ans Land sezten. Wir nahmen daselbst einen Wagen, um unsere Sachen zugleich mit nach Copenhagen zu bringen, wo wir auch gegen 8 Uhr in Bruder Rodes Haus ankamen. Wir trafen daselbst die Brüder Cröger, Briant u. Berthel Nielsen an, u. die Freude war auf beyden Seiten sehr groß. Von ihnen vernahmen wir auch, daß das erste Schiff, das nach Grönland gehet, noch da wäre u. erst nach den Oster-Feyertagen abgehen würde. Wir dankten dem Heyland, daß wir dieses Fest noch unter Geschwistern zubringen konten, wiewol uns die liebe Gemeine sehr oft einfällt, weil wir aus Erfahrung wißen, daß der liebe Heyland dieselbe in den seligen Tagen der Marter-Woche ganz apart besucht. Nun wir empfehlen uns hiemit dem Andenken der ganzen Gemeine u. verbleiben bey Jesu Wunden eure arme Brüder

Gottfried Grillich.
Joh. Georg Flügel.
Joseph Neisser.

[220]
Die XVIIIte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Jubilate d. 28tn April

wurde zur gewöhnlichen Zeit die Gemein-Litaney gebetet, u. gehörigen Orts der hier heimgegangenen seligen Schwester Friederica Elisabeth Andersin gedacht.

Nachmittag hielt Bruder Johannes dem Ehe-Chor eine Homilie über den Text, und darauf auch den Witwern über die Loosung, deren wichtigen Inhalt Bruder Leonhard Abends um 7 Uhr der Gemeine in einer gesalbten Rede ans Herz legte.

☽ d. 29tn Apr.

reiste der Herr v. Wobeser mit dem jungen Herrn v. Wiedebach u. dem Bruder Pet. Nyboe nach Copenhagen ab.

♂ d. 30tn Apr.

In der Versammlung der Communicanten redete Bruder Joseph über die Loosung.

☿ d. 1tn May.

In der Versammlung um 7 Uhr redete Bruder Johannes mit Angethanheit über den Text des Tages.

[221]
♃ d. 2tn May.

kam Bruder John aus Ebersdorf bey uns an.

Die Abend-Versammlung hielt Bruder Joseph, u. redte über den heutigen Lehr-Text.

♀ d. 3tn May

hielt Bruder Leonhard Abends den Witwen eine Chor-Rede über die Loosung.

♄ d. 4tn May

begingen die ledigen Schwestern ihr Chor-Fest. Vormittag war nach einer Rede des Bruder Johannis die Aufnahme von 16 großen Mädgen ins Jungfern-Chor, u. Nachmittag hielt ihnen Bruder Leonhard die Fest-Homilie über die Loosung. Bey ihren Agapen wurde folgendes Lied gesungen:

Solo.

O Chor! die Freud am HErrn
ist deine Stärke;
Er naht sich dir so gern,
sey still und merke,
Was deiner Sabbaths-Ruh'
heut ist beschieden;
Dein Freund tritt selbst herzu
und bringt dir Frieden.

[222]
Chorus.

Er find't uns arm und mit bethränten Wangen,
Doch sehr bereit, Ihn innigst zu umfangen.
Am liebsten wird der ganze Jungfern-Reigen
Sich schaamroth zu den blutgen Füßen neigen;

Voll Lieb' und Dank und zärtlicher Empfindung
Für's Chor-Bund's fünf u. dreyßig jährge Gründung,
Und für Sein unabläßiges Bemühen,
Den Liebes-Rath an uns ganz zu vollziehen.

Gemeine

Nimm's Aug' von Thränen naß,
Nim's Herz dankbar u. warm p.

Solo.

Ihr, die Sein Segens-Mund
von Gottes Gnaden
Zu diesem Liebes-Bund
selbst eingeladen,
Ist eurer großen Schaar,
o ihr Gespielen,
Das Jungfern-Glück recht klar,
was müßt ihr fühlen!

Chorus.
Ein Herz voll Lob und Dank,
Ein Herz vor Liebe krank,
Niedrig und gebogen,
Und von dem Ueberschwang
Der Gnade überwogen;
Ja die Seligkeit

[223]

Unsrer Gnaden-Zeit,
Die geht freylich weit.

Ists Jungfern-Herz erst so
Durchs Blut versühnt u. froh,
Werden Seel und Sinnen
Auch bald incognito
Des Menschen-Sohnes innen,
Und die reine Seel'
Duftet Freuden-Oel
Auch durchs Leibes Höhl'.

Denn geht sie so dahin
Die selge Sünderin,
In sich arm und kleine,
Sie fühlt und denkt: ich bin
     Doch Sein, ach Sein Gebeine!
Hält sich gerne rein
Und will schöne seyn
Nur durch's Blut allein.

Gemeine
Ich bin wol ledig meiner Schmach p.

Solo.
Wie ists dem höchsten Gut
zu solchen Stunden,
Das sich mit unserm Blut
so nah verbunden?
Sein ehmals wohnhaft seyn
im Schooß Marien

[224]

Mag Ihn zu'n Jungfräulein
noch zärtlich ziehen.

Chorus.
Wenn eins die Flamme
Seiner Sünder-Liebe,
Die dem Lamme
Todes-Schweiß austriebe,
Findet, faßet und entzündet;

Das krigt zur Stunde
In dem zarten Herzen
Eine Wunde
Zollt dem Mann der Schmerzen
Thränen u. unendlichs Sehnen.

Ihr habt erfahren,
Selge Jungfern-Reihen,
In den Jahren,
Wies Ihn mag erfreuen,
Seelen zu dem Bund zu zehlen.

Dis Chor ist freylich
Ihm gebenedeyet
Und so heilig
Von Ihm eingeweyhet
Durch die Menschwerdungs-Liturgie.

Drum ists euch eigen,
Ihr selgen Jungfräulein,

[225]

Daß die Reigen
Sich ihres Heylands freu'n,
Tönen ewig vom Versöhnen.

Gemeine
Wir singen heute den Gesang,
Ihr Wunden Jesu pp.

Solo.
Mein Lobgesang wird matt,
ich müß' hinblicken
Und nach der obern Stadt
ein Zährlein schicken.
Ihr gingt und ließt das Gold
zurück im Tiegel,
Wenn kommt, was ihr gewolt,
wer bringt das Siegel?

Chorus.
Ihr Seligen in Seinem Licht,
Seyd inniglich gegrüßet,
Die ihr Ihn seht von Angesicht
Und nichts von Elend wißet!

Gings an, daß euer holder Blick
Zu unsern Hütten reichte,
Das wär ein Festtagsmäß'ges Glück,
Das uns gar lieblich deucht'te.

Vielleicht möcht' sich wol heute gar
Der Mann des HErrn entsinnen,
Wie er vor unserm Chor-Altar
Die lezte Thrän' ließ rinnen.

[226]

Ein flehend Blickgen auf den Freund
Im zärtlichsten Umfaßen
Für's Jungfern-Chor, das hier noch weint,
Wird doch kaum unterlaßen.

Gemeine
Nun Gottes obere Gemein',
Segne uns Deine Kinderlein p.

Solo.
Du fühlende Gemein',
genug vor heute;
Dein Sabbaths-Nu tritt ein,
die Hochzeit-Freude.
Des Bräut'gams Angesicht
voll Gottes-Frieden
Leucht' dir, wie's Herz Ihm bricht,
wie Er verschieden.

Chorus.
Des Lammes Braut bereitet sich,
Der Sabbaths-Tag ist groß,
Ihr ist so Heimweh-fühlerlich
Nach Jesu Arm und Schooß.

Laß, Schönster, doch die Leichnams-Luft
Durch Deinen Garten weh'n,
Und laß Dich, wie in Josephs Gruft,
Den Geistes-Augen sehn.

Doch ach! das Herze weint u. lacht;
Er, der uns Seine nennt,

[227]

Hat sich selbst heut' uns zugedacht
Im heilgen Sacrament.

Das Erzjungfräuliche Gebein,
Die keusche Jesus-Leich',
Die sterbe dann in uns hinein
Und wir mit ihr zugleich.

Gemeine.
Es ist nicht mit Worten zu erreichen p.

Solo.
So ruh denn, froher Muth
der Lamms-Jungfrauen,
Bis Dich die rothe Fluth
wird überthauen.
Denn wache auf und sing
und lern' auch dienen
Dem, der zum Tode ging
dich zu versühnen.

Chorus.

Unsers Weinstocks zarte Reben,
Die leibhaftig an Ihm kleben
Und aus Gnaden sich verstehen
Wirklich in Ihn 'nein zu gehen,

Sind im Geist schon auf den Knien,
Frischen Saft in sich zu ziehen,
Wollen voller Liebs-Verlangen
Heut' den Jungfern-Most empfangen.

[228]

O daß bey dem Wunden-Bache
Doch der Freuden-Geist erwache
Und die ungestörten Triebe
Einer kindlich frohen Liebe!

Daß aus unsern Thun und Werken
Lauter Lob und Dank zu merken,
Und das Herz voll reiner Liebe
Sich in kleiner Treue übe;

Daß die Ehrfurchts-voll u. zarten
Tausendfachen Liebes-Arten,
Wie wir uns mit Ihm begehen,
An der Sünder-Stirne stehen;

Daß die Niedrigkeit und Treue
Dieses Chors Ihn so erfreue,
Daß Er sich bis zum Erblaßen
Kan aufs Jungfern-Herz verlaßen.

Gemeine

Es soll Sein Tod und Leiden
– uns stets in unsern Herzen ruhn.

Abends um 7 Uhr erbat sich die Gemeine, nach einer Rede des Bruders Johannis über die Loosung, in einem herzlichen Gebet auf den Knien die gnädige Absolution ihres blutigen Versöhners u. Hohenpriesters, deßen [229] so geneigtes Herz zum Vergeben sie auch dismal gar seliglich erfuhr.

Darauf wurden 3 Brüder u. 3 Schwestern zum ersten Genuß des heiligen Sacraments eingesegnet, welches sie um ½ 9 Uhr mit der Gemeine aufs seligste begingen.

Sonst ist von dieser Woche noch folgendes zu communiciren:

1.) Da der Heyland die Brüder-Haushaltung in Paramaribo auf einen neuen Fuß restituirt haben will; so sind die Brüder Christian Schmidt u. Kersten dazu ernennet worden.

2.) Die Brüder Drachart u. Schlözer sind in London angekommen.

3.) Diese u. die vorige Woche wurde es wegen der Jünger-Sache, welche am Himmelfahrts-Tage in Gemeinen u. Chören wieder anfangen werden, im Directorio regulirt u. das nöthige deshalben an die Aeltesten[WS 25]-Conferenzen gemeldet.

4.) Graf Max v. Zinzendorf u. Graf Baudissin waren mit ihren Gemahlinnen u. dem Schwedischen Gesandten Baron Höpken etliche Tage zum Besuch hier u. das mit Satisfaction.

[230] 5.) Ohngeachtet der so oftmaligen Erklärung, daß wir weder Beruf vom Heyland haben, noch uns dazu im Stande finden, auswärtige Kinder in unsere Anstalten aufzunehmen; so werden doch seit einiger Zeit dergleichen Ansuchen beym Directorio häufiger als je vorher; u. wir werden gewahr, daß unsere liebe Mit-Arbeiter in Gemeinen u. Diasporis solches dadurch mit veranlaßen, weil sie denen wegen ihrer Kinder verlegenen Eltern, wo nicht rathen, ans Directorium zu schreiben, doch solches nicht abrathen u. ihre Briefe befördern. Unsere Regel ist, schlechterdings von der Annahme aller auswärtigen u. fremden Kinder abzusehen, u. es ist nur den Aeltesten-Conferenzen erlaubt worden, wenn sie bey einem Kinde ganz besondere Ursachen finden, es in ihre Orts-Anstalten zu nehmen, bey so einem Casu extraordinario auf die vorgeschriebene Weise zu verfahren. Daher bitten wir unsere lieben Mitarbeiter, u. sonderlich die in den Diasporis des HErrn Werk treiben, von [231] vorne her drauf zuzulegen, daß wir mit dergleichen Ansuchungs-Schreiben verschont bleiben, darauf wir doch keine andere als abschlägige Antwort geben können, u. dabey es auf beyden Seiten nicht ohne Wehmuth u. Schmerz abgeht.

6.) Bruder Johannis Brief
an die Grönländischen Geschwister.

Meine allerliebsten Geschwister in Neu-Herrnhuth u. Lichtenfels! Ich will euch hierdurch meiner zärtlichen Liebe u. Andenkens vor dem Heyland aufs neue versichern, u. der beständigen Nähe unsers Heylands, der Pflege des heiligen Geistes u. dem Schutze unsers lieben Vaters im Himmel aufs zärtlichste empfehlen.

Daß die Gemeine in Europa euch lieb hat u. wir fleißig an euch denken, könnt ihr auch daraus sehen, daß wir euch heuer wieder 3 Brüder senden, die eure Sprache lernen u. zu Gehülfen am Werke der Gnaden, das der Heyland unter euch angefangen u. nun schon so viele Jahre erhalten hat, zugezogen werden sollen. Ich will euch aber noch etwas erzehlen, was der Heyland [232] im vorigen Jahre großes u. seliges an Seinem Brüder-Volke gethan hat. Er hat uns anbefohlen, daß vorigen Sommer die Arbeiter u. Diener der Brüder-Kirche, so viel nur konten, aus allen unsern Gemeinen in Marienborn zusammen kommen u. eine allgemeine Kirchen-Versammlung halten solten. Wir waren daselbst 2 ganzer Monate beysammen, u. haben mit einander über den Zustand unsrer Gemeinen u. Chöre, über unsern Beruf den Tod des HErrn in aller Welt zu verkündigen, u. über unser Herz, wie wir mit unserm lieben HErrn u. unter einander stehen, ausführlich ausgeredet. Der Heyland war wahrhaftig in unsrer Mitte, u. hat uns die Friedens-Gedanken Seines Herzens über unsere Gemeinen u Chöre, u. wie Er als unser HErr u. Aeltester künftig hin unser Volk leiten u. führen will, zu erkennen gegeben. Er hat uns auch gesagt, was Er an uns zu erinnern hat, u. worinnen Sein Herz mit uns noch nicht zufrieden seyn kan. Da haben wir zu Seinen Füßen geweint, Ihn um Vergebung gebeten u. neuen Gehorsam [233] u. Treue versprochen. Er hat uns dann wieder freundliche u. tröstliche Worte als Joseph unser Bruder zugesprochen u. uns Sein gnädiges Angesicht leuchten laßen. Nun sind wir schon einige Monate wieder in unsern Gemeinen zurück gekommen, u. der Heyland bekennt sich in Gnaden zu uns, u. wir sehen in unsern Gemeinen die seligen Früchte dieser großen Kirchen-Versammlung mit Danksagung u. Freuden. Wir haben in derselben auch in herzlicher Liebe an euch gedacht u. euch der Nähe u. Segen unsers HErrn aufs neue empfohlen. Eure Arbeiter werden euch wol noch mehreres von dieser seligen Zusammenkunft der Diener der Gemeine erzehlen; wir haben ihnen davon ausführliche Nachricht gegeben. Ich habe euch aber doch dieses wenige melden wollen, damit ihr unsern lieben HErrn dafür mit uns loben u. danken möget. Gebet euch dem Heyland aufs neue hin, Ihm zur Freude zu werden u. in allen Stücken nach Seinem Sinne einherzugehen, damit ihr als lebendige Glieder Seines Leibes u. als [234] wahre Genoßen der Gnade, die Er an Seinem Brüder-Volke thut, mit uns wachsen u. gedeyhen möget. Kindlein, bleibet bey Ihm, bleibet bey den blutigen Wunden Jesu; es soll Sein Tod u. Leiden, bis Leib u. Seele scheiden, euch stets in euren Herzen ruhn. Ich küße euch alle aufs zärtlichste, besonders aber die Brüder u. Schwestern, die uns voriges Jahr geschrieben haben. Ich empfehle euch dem durchstochenen Herzen Jesu aufs herzlichste, u. bleibe unter herzlichem Gruß von der ganzen Gemeine u. insonderheit ihren Dienern,

     Herrnhuth. Euer treues Herz
d. 28tn Apr. 1765.
als an dem Tage, da Johannes Assarsok.
ich vor 13 Jahren aus Copenhagen
zu euch abreisete.


7.) Extract aus einem Briefe des Directorii
an eine Aeltesten-Conferenz, von der
unumgänglichen Nothwendigkeit, daß ein
jeder Besitzer eines Hauses in einer Orts-
Gemeine einen Rechts-gültigen Revers
von sich stelle.

Wir halten uns vor Gott verbunden, unsern lieben Geschwistern unsern ganzen Sinn über dieser Sache u. ihren [235] Folgen deutlich darzulegen.

Wenn wir einen Gemein-Ort anfangen, so ist unsre erste Absicht dabey, es soll ein Dörfgen des HErrn werden, u. wir wollen uns aller Vorsicht brauchen, daß allen schlechten Dingen, die an einem Gemein-Orte entstehen dürften, insonderheit aber der Verführung unsrer Jugend, von vorne her möge vorgebeugt werden. Zu diesem Ende nimmt man Reverse von den Leuten, die sich in einem Gemein-Orte anbauen, wodurch sie sich verbinden, den Gemein-Ort zu räumen u. ihr Haus gegen eine billige Bezahlung der Gemeine zu überlaßen, wenn sichs etwa zeigen solte, daß sie die Leute nicht mehr sind, die nach der Gemein-Absicht u. ihrer Verfaßung in einem Gemein-Orte wohnen können. Wenn aber in einem Lande solche Reverse nicht gültig sind, so sezt mans in den Kauf-Brief, die Lease oder Contract, welcher mit demjenigen gemacht wird, der in einem Gemein-Orte anzubauen Erlaubniß krigt. Wenn wir nicht auf die Weise verhüten, daß Leute in einem Gemein-Orte [236] wohnen, welche gegen gute, nützliche u. nöthige Gemein- oder Chor-Ordnungen u. Verfaßungen, entweder ins Ganze, oder in diesem oder jenem Stück, angehen : so könte es leicht geschehen, daß Satanas in unsern Gemein-Orten, wo man dem HErrn Seine Kirche bauen will, seine eigene Capellen krigte. Denn wenn auch nur ein einiges Haus in einem Gemein-Orte wäre, das sich der löblichen u. uns vom Heyland so theuer anbefohlnen, insonderheit auch auf dem lezten General-Synodo von Ihm bestätigten Gemein- u. Chor-Ordnung widersezte, u. im Ungehorsam gegen den Geist der Gemeine seinen eigenen Gang nach dem Willen des Fleisches u. der Vernunft ginge; so könte ein Gemein-Ort seine wichtige u. heilige Destination dadurch verlieren. Denn weil man doch immer in einer Gemeine auch mit Leuten zu thun hat, die entweder noch seichte sind u. nicht tief genug gewurzelt haben, oder die in Confusion stehen u. in des Satans Siebe sind : so ists nicht möglich, den Verführungen vorzubauen, wenn ein Gemein-Ort solche Häuser [237] u. Einwohner hat, die sich an die so seligen Gemein- u. Chor-Ordnungen, für welche wir dem HErrn nicht genug danken können, nicht binden u. kehren wollen. Es gehört demnach zu der Grundlage eines Gemein-Orts, daß sich alle u. jede Einwohner u. Hausbesitzer deßelben, auf eine vor Gott u. Menschen gültige Weise, dergestalt, daß es auch vor der Obrigkeit besteht, mit Hand u. Mund u. Herz verbindlich machen, daß sie nicht länger Einwohner u. Hausbesitzer in denen respective Gemein-Orten seyn wollen, als es der Gemein-Verfaßung gemäß ist. Brüderliche Contracte u. Versprechen, die aber nach den Landes-Gesetzen nicht ordentlich vollzogen sind, u. daher bey der Obrigkeit nicht einmal vorgezeigt werden können, stellen einen Gemein-Ort nicht sicher gegen einen Bruder oder Schwester, der dem Heyland untreu wird u. gegen sein eigen Herz u. Gewißen zu denken, zu reden, zu schreiben u. zu handeln anfängt. Denn wir haben nur zu viel Erfahrung davon, daß man von ganz todten u. nie erweckten [238] Welt-Menschen viel mehr Billig- u. Gerechtigkeit, auch Wahrheit u. Befolgung des gegebenen Versprechens, zu erwarten hat, als von solchen armen, aufs neue in des Satans Netze u. Stricke gerathenen u. dem HErrn, unserm Heyland untreu gewordenen Creaturen.

Wir sind demnach einmüthig der Gedanken u. des Sinnes, daß man die mit den Einwohnern in den Gemein-Orten gemachte Contracte, welche statt der bey uns gewöhnlichen Reverse seyn sollen, ohne Ausnahme Rechts-beständig u. den Landes-Gesezzen gemäß zu vollziehen habe.

Unser lieber HErr hat uns auf unserm so gesegneten lezten General-Synodo angewiesen, wir sollen bey den Grund-Ideen Seines Jüngers, deßen Gedächtniß uns immer respectable bleiben wird, unverbrüchlich unsern Gemein-Gang continuiren. Wer weiß aber nicht, /: es müßte denn ein Fremdling unter uns seyn :/ daß dem seligen Jünger bis an sein Ende beständig angelegen hat, man solle doch ja in den Gemein-Orten keine Leute wohnen laßen, die der Gemein- [239] u. Chor-Ordnung u. Brüder-Gemein-Verfaßung nicht könten oder nicht wolten gehorsam seyn; u. daß man zu dem Ende durch Reverse, oder auf andere eben das besagende Weise, den Gemein-Orten die nöthige Vorsorge treulich zu erzeigen habe.

Wir können unsern lieben Geschwistern nicht verhalten, daß es uns nicht anders vorkommt, als wenn einer aufs Verderben u. den Ruin einer Gemeine losginge u. arbeitete, wenn er diesen so wichtigen Punct, davon wir in diesem Schreiben reden, entweder nicht wahrnimmt oder wol gar demselben zuwider ist. Wir haben ja schon mehr Exempel, daß ganze Gemein-Orte darüber zergangen sind, wenn sich Leute in denselben haben vest setzen können, die den Gemein- u. Chor-Ordnungen sich entzogen u. es hernach auf Verführung anderer anstellten. Vor einem solchen Unglück wolle doch Gott alle unsere lieben Orts-Gemeinen in Gnaden bewahren!

Wenn aber Leute in einem Gemein-Orte Häuser haben können u. dieses durchzusetzen im Stande sind, wenn [240] sie gleich die Gemein- u. Chor-Ordnungen mit Füßen treten; weil sie einen Contract oder Revers gemacht haben, der nicht Regelmäßig u. wie es die Gesetze erfordern, vollzogen ist : so siehts mit der Gemeine schlecht aus. Denn da kan der Gemein-Gang so leicht, als man eine Hand umdreht, einen Stoß bekommen, u. die treuesten Gemein- u. Chor-Arbeiter sind eben so wenig als die sorgfältigsten Eltern im Stande, die Jugend vor der Verführung zu verwahren. Wer wolte an einem solchen Gemein-Orte gerne wohnen? wer würde ihn mit gutem Gewißen cultiviren können?

Wir wollen also unsere lieben Geschwister hiemit gebeten haben, diese Sache in reifliche Ueberlegung zu nehmen, u. nicht nur mit dem Directorio, sondern auch mit dem Syndicate der Unitaet darüber zu communiciren.

Herrnhuth d. 30tn Apr. Im Namen
               1765. des Directorii
Joseph u. Gregor.
[241]
8.) Regulativ, welches vom Directorio
wegen der Jünger-Sache ausgefertiget
worden.

Nach dem im Synodo erhaltenen Auftrag, daß das Directorium mit den Aeltesten-Conferenzen die Erneurung der Jünger-Sache in den Gemeinen u. Chören zu reguliren u. in Ordnung zu bringen habe, melden wir zwar an jede Aeltesten-Conferenz, was uns unser lieber HErr in specie auf ihre Vorschläge vor Anweisung gegeben hat; wir wollen ihnen aber auch zugleich folgende Puncte als ein Regulativ vor alle unsere Gemeinen u. Chöre berichten, damit es überall in dieser Sache überein gehalten werde:

1.) Die Erneuerung dieser Einrichtung geschieht, wo es möglich am nächsten Himmelfahrts-Tage, u. in den Chören in der nächsten Chor-Liturgie nach demselben.

2.) Die ersten neuen Jünger werden von den Oeconomis, Gemein- oder Chor-Pflegern dazu geküßt; künftighin aber thun es die abgehenden Jünger, u. so ist es auch, wo bisher noch Jünger gewesen sind.

3.) Der Jünger-Wechsel geschiehet [242] allezeit in Gemeinen u. Chören so, daß die abgehenden u. eintretenden Jünger von Anfang der Versammlung, da der Wechsel geschiehet, neben einander sitzen, u. sie bey dem Friedens-Kuß nur ihre Stelle wechseln. Es werden also die neuen Jünger vorher dazu bestellt. Der Wechsel der Chor-Jünger geschieht in der Chor-Liturgie vor dem ganzen Chor, u. der Gemein-Jünger in einer liturgischen Versammlung der Abendmahls-Geschwister.

4.) Die Gemein-Jünger wechseln alle 4 Wochen; die Chor-Jünger alle 14 Tage oder 4 Wochen, nachdem die Anzahl der Candidaten dazu groß oder klein ist.

5.) Wie die Jünger auf einander folgen sollen, wird jeglichen Orts *[WS 26] ausgemacht. Es werden die Namen aller vom Directorio dazu approbirten Candidaten zusammen genommen u. wen der Heyland ernennen will, herausgezogen. Wer einmal Jünger gewesen, wird nicht wieder ins Loos genommen, bis das nächste Jahr, oder bis alle vom Directorio approbirte Candidaten herum sind u. sie von neuem wieder angefangen werden.

[243] 6.) Wenn die Arbeiter bey jemanden, der sich unter den approbirten Candidaten befindet, seiner Herzens-Situation wegen ein Bedenken finden, ihn ins * zu nehmen, so wird er vor dasmal u. so lange das Bedenken währt, nicht mit ins * genommen.

7.) Wegen des Platzes der Gemein-Jünger in den Gemein-Versammlungen ist resolvirt worden, daß sie, wenns ein Ehe-Paar u. sie beyde gegenwärtig sind, neben dem Liturgo auf der Schwestern Seite sitzen u. da schließen; wenn es aber kein Ehe-Paar oder sie nicht beyde in der Versammlung sind, so sitzen sie gleich neben dem Liturgo, auf der jedem zukommenden Seite.

8.) Die Gemein-Jünger nehmen weder auf, noch segnen sie bey Confirmationen ein, noch dienen sie beym Abendmahl, wenn es auch Arbeiter sind, die sonst dabey concurriren. Bey dem Abendmahl sitzen die Gemein-Jünger gleich nach den Geschwistern, die es bedienen. Wenn in Gemeinen ein Mangel an Arbeitern ist, so leidet freylich diese Regel eine Exception.

[244] 9.) Von Ostern bis Himmelfahrt cessiren die Jünger in Gemeinen und Chören alle Jahr, u. fangen am lezten Tage wieder an.

10.) Zwischen Ostern u. Himmelfahrt wird im Directorio alle Jahre eine Revision der Jünger-Sache geschehen; da haben also die Oeconomi u. Aeltesten-Conferenzen gegen Ostern die Namen der Jünger ihrer Gemeinen u. Chöre, u. was sie etwa dabey zu erinnern haben, wen sie von neuem dazu in Vorschlag bringen, von wem sie denken, daß er künftig wegzulaßen sey, u. s. w. ans Directorium zu berichten. Es muß solches noch vor Ostern eingesandt werden, damit die Resolutiones wegen der etwanigen Veränderungen vor Himmelfahrt schon wieder an sie gelangen können.

Unser lieber HErr bekenne sich zu dieser erneuerten Einrichtung, u. laße uns von derselben viel selige Früchte sehen.

Herrnhuth. d. 30tn Apr. 1765.



[245]
Die XIXte Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Cantate d. 5tn May

war früh um 8 Uhr die Amts-Communion u. Communion-Liturgie.

Abends in der Gemein-Stunde wurde zuerst vom Choro gesungen: Wie köstlich sind für uns, Gott, Deine Gedanken, wie ist ihr so eine große Summa? Das kein Auge gesehen hat noch kein Ohr gehöret hat pp. Er hat uns gemacht u. nicht wir selbst, zu Seinem Volke p. Darauf redete Bruder Johannes, in Gefolg der heutigen Loosung, von den grossen Wundern der Gnade, die unser lieber HErr auch besonders an Seinem Brüder-Volke gethan, u. empfahl zum Schluß den Reigen der ledigen Schwestern, der gestern sein Chor-Fest begangen, dem Segen der ganzen Gemeine, worauf noch vom Choro der Segen des HErrn auf dieses Chor u. die ganze Gemeine, an der Seine rechte Hand so große Wunder thut, gelegt wurde.

[246] Die Liturgie um 9 Uhr war mit dem Te Abba.

☽ d. 6tn May

wurde zum heutigen Gemein-Tag früh um 8 Uhr die Gemein-Litaney gebetet, u. in derselben die ewige Gemeinschaft mit dem in St Jan heimgegangenen Bruder Joh. Lorenz u. der hier heimgerufenen Schwester Rosina Hennigin erbeten. Darauf war Vor- u. Nachmittag die Lection der Gemein-Nachrichten.

In der ersten Versammlung wurden außer denen bereits in den vorigen Wochen befindlichen Briefen noch folgende communicirt:

1.) Von Bruder Schlegel aus Jamaica
d. d. Bogue 9tn Dec. 1764.

Wir sind seit dem 19tn August da Bruder Levering heimgegangen, alle ziemlich wohl; meine Frau wurde d. 28tn Sept. mit einem Töchterlein entbunden, welches am 4tn Octbr. wieder heimgegangen ist. Auch schenkte der Heyland am 16tn Nov. der Schwester Planta ein Söhnlein, welches in der Taufe Johannes genannt wurde. Sonst leben wir im Friede Jesu beysammen, u. die Liebe nimmt [247] nicht ab, sondern zu. In unsrer äußern Haushaltung haben wirs ein wenig schwer, Bruder Shemes ist aber sehr fleißig, und wenns der Heyland segnet, so werden wir wol mit der Zeit aus der Noth kommen. Ich bin nun mit meiner Frau 5 Monate hier u. ziemlich eingewohnt. Das heiße Clima griff mich Anfangs sehr an; nun aber fange ich an, mich allmählig in meine Geschäfte einzurichten. Ich halte mich mehrentheils auf der Bogue auf, wo viele Getaufte sind; sie fangen an, wieder aufzuleben, kommen fleißig in die Versammlungen, u. es ist mir oft recht wohl unter ihnen. Man merkt die Arbeit des heiligen Geistes, u. es liegt uns von Herzen an, sie zu ermuntern u. so viel in unserm Vermögen steht, sie dem guten Heyland zum Lohn Seiner Schmerzen darzubringen. In der gestrigen Abend-Versammlung waren bey 30 Getaufte. Gleich bey unserm ersten Abendmahl in Carmel hat sich der Heyland gnädig zu uns bekannt, u. ich hoffe, daß von Disharmonie von Jamaica nicht mehr soll gehöret werden. Wir alle werden uns sehr freuen, wenn etwas [248] vor den Heyland herauskommt, u. hoffentlich wirds uns gelingen. Es wird uns Gott genädig seyn u. Seinen Segen geben. Am 5tn Dec. kam ich mit meiner Frau von Mesopotamia nach Hause, woselbst wir Geschwister Baders, die Schwester Leveringin mit ihren 2 Kindern u. die Neger besucht hatten. Ich muß gestehen, daß ich mich sehr über den guten Anschein gefreut habe, den es da mit der Neger-Sache hat. Es haben uns täglich viele besucht u. sonderlich Abends, dabey man sieht u. fühlt, daß die Leute was suchen. Geschwister Baders sind sehr geschäftig, sonderlich er u. geht hübsch mit den Leuten um. Die Schwester Leveringin ist nun Witwe u. hat 2 Kinder bey sich; aber mein Herz thut mir wehe, wenn mir einfällt, daß sie wegkommen solte; denn sie ist wirklich wie eine Mutter unter dem armen Volke, sehr geliebt u. wol kein Neger auf dem ganzen Estate, den sie nicht kennt. Ihr Umgang mit ihnen ist herzlich u. gesegnet. Da sichs nicht machen wolte, daß sie mit Schulze u. Geschwister Powels nach Bethlehem [249] gegangen wäre, so habe ichs vor eine aparte Fügung des Heylands angesehen, daß sie vor jezt noch da bleiben soll. Der Plan in Mesopotamia ists auch werth, daß, da nun bald die Erndte-Zeit zu seyn scheint, keine Mühe gespart wird.

Am ersten Advent-Sonntage hatten wir eine besonders begnadigte Versammlung, wozu sich viel Volk eingefunden hatte. In derselben war unter einer großen Bewegung die Taufe eines Ehe-Paars in den Tod des HErrn, nemlich Frauk, nun Johannes, u. Affra, nun Sara. Die Neugetauften waren sehr selig u. den Tag darauf kamen viele, u. hielten auch um die Taufe an. Was mich besonders in Mesopotamia erfreute, war, daß die 5 Erstlinge, die getauft worden, /: Simon ist heimgegangen :/ als Väter u. Mütter unter ihrem Volke angesehen u. respectirt werden. Nun werde ich ehestens mit dem Bruder Smaling nach dem Island gehen, u. ich gedenke dann u. wann Versammlungen daselbst zu halten, da sichs denn zeigen wird, obs nöthig ist, daß es bald wieder besezt werde. Da [250] es nur 6 Meilen von der Bogue ist, so kan ichs vor die Zeit mit besorgen. In Carmel haben unsere wenige Neger wöchentlich eine Versammlung; einige sind nicht ganz leer. Nun will ich schließen u. uns eurer Liebe u. Andenken vor dem Heyland empfehlen. Es grüßen euch herzlich Geschwister Smalings, Michlers, Plantas, Shemes pp.

Ges. Willkommen, theure Heyden p.

2.) Von Bruder Ettwein
d. d. Bethabara 22. Jan. 1765.

Seitdem unser lieber Bruder Marschall u. Frommelt bey uns angekommen habe ich noch keine Gelegenheit gehabt, an euch zu schreiben, wir haben auch nichts von Europa erhalten u. warten sehnlich etwas vom General-Synodo zu hören u. des Segens mit theilhaftig zu werden. Bruder Marschall u. Frommelt sind in Liebe u. Segen da, denken aber schon wieder auf ihre Rückreise nach Pennsylvanien. Bruder Marschall hat mit Bruder Gammern einen Besuch in Brunshwig u. Willmington on Cape fear River gemacht. Sie fanden den alten lieben Gouverneur Dobbs gar sehr [251] geneigt u. freundlich, u. so auch unsern alten Freund Hasel. Der neue Lieutenant-Gouverneur war verreist, u. sie konten ihn also nicht persönlich bewillkommen. Ueberhaupt aber sind sie von allen Gentlemen wohl aufgenommen worden, u. jeder bezeugte seine Hochachtung u. Wohlwollen gegen das Brüder-Settlement. Sie kamen am 19tn Jan. gesund u. wohl wieder bey uns an, in einem ungewöhnlich tiefen Schnee. Wir haben seit Bruder Marschalls Hierseyn mit einander alle proponirte Stadt-Plätze angesehen u. dabey immer gesucht, den rechten Platz auszufinden, haben aber noch nicht den rechten getroffen. Es wird sich nun wol vollends machen, so bald wir wieder in den Busch kommen können; u. wir wißen doch so viel, daß er zwischen der Petersbach, der Wach u. dem Lech seyn soll.

Unser liebes Herz Gottlob Hofmann, mit dem ich 6 Jahr in Liebe u. Verbundenheit hier gestanden u. Freud u. Leid mit ihm getheilt habe, ist durch Bruder Lorenz Bagge abgelöst worden u. reiste mit dem [252] Wagen, der die Knaben herbrachte, nach Pennsylvanien. Die 12 Knaben von Bethlehem sind recht vergnügt u. munter bey uns u. schon in die Professionen eingetheilt. Der Heyland laße sie bey uns gedeyhen, so werden sie sehr nützlich seyn.

August Schubert ist mit der Witwe Krausin, Bruder Aust mit der Witwe Heckedorn, Kapp mit der ledigen Schwester Shorin u. Jacob Blum mit der An. Mar. Bornin verheyrathet worden.

Wir sind Gottlob! alle gesund, kein einiges ausgenommen, wohnen in Ruhe u. Frieden von außen u. innen, u. jedes thut das Seine im Segen. Die gegenwärtige Visitation von unsern lieben Brüdern wird uns allen ein Segen seyn u. bleiben; Bruder Marschall wird sowol davon als auch von dem Gemein-Gang u. allen hiesigen Umständen einen vollständigen Bericht abstatten, aber vermuthlich erst von Bethlehem aus.

Ich vor mein eigen Herz bin arm u. selig in der Nähe meines lieben HErrn; Ihm zu leben, Ihm allein zur [253] Freude, soll mein Himmel seyn allhier. Bruder Marschall, Frommelt, Graffs, Gammerns, Lorenz, Bagge, Loesch pp. laßen alles herzlich grüßen.

3.) Von Bruder Gottfried Grillich
d. d. Copenhagen 14. Apr. 65.

Seit meinem lezten Briefe sind wir hier in Copenhagen unter den Brüdern recht vergnügt gewesen; doch muß ich gestehen, daß ich in den seligen Passions-Tagen gar viel in die liebe Gemeine gedacht habe. Mein Bitten u. Flehen ist jetzo, daß mir der Heyland ein recht armes u. von Seinem Blute warmes Herze schenken u. mich bey Seinen Wunden erhalten wolle. Bisher hat Er mich Seine liebe Nähe gar reichlich fühlen laßen, daß ich sagen kan: wenn ich Dich habe, so hab ich wol, was mich ewig erfreuen soll. Damit kan ich mich trösten u. glauben, daß Er mir auch das nöthige zu dem, wozu Er mich berufen hat, schenken wird. Ich empfehle mich nochmals eurer Liebe u. Andenken, u. grüße u. küße euch nebst den 2 andern Brüdern Fliegel u. Neisser vermuthlich das leztemal aus Europa, weil wir noch heute an board gehen sollen.

[254]
4.) Von Bruder Cröger
d. d. Copenhagen 15. Apr. 65.

Vorgestern habe wieder aus West-Indien d. d. 9. Febr. h. a. Briefe erhalten. Die Brüder Bröndum u. Hantsch melden mir kürzlich dieses, daß die Schwester Engelhardtin im Nov. a. pr. u. Bruder Lorenz am 15tn Jan. 65. beyde auf St Jan selig in Jesu Wunden übergegangen sind. Der Bruder Keiter soll auch ziemlich kränklich seyn u. laborirt an der Auszehrung, so daß sie in West-Indien sehr nach Hülfe von Geschwistern aus der Gemeine verlangen. Geschwister Böhners sind nun auf St Jan u. besorgen dortigen Plan. Sonst waren die Geschwister wohl u. vergnügt, und des HErrn Werk unter den lieben Schwarzen geht selig fort. Am Sonntag Quasimodogeniti Nachmittag sind die nach Grönland destinirte 3 Brüder auf dem Lichtenfelsischen Schiffe an board gegangen u. sogleich mit gutem Winde von der hiesigen Rhede abgesegelt. Sie krigten auch vorher ihre Sachen gut besorgt u. in Ordnung, so daß die Zeit ihnen allhier weder zu [255] kurz noch zu lange, sondern recht abgepaßt zu seyn schien.

Eben an diesem Tage wurde meine liebe Rebecca mit einem Söhnlein glücklich entbunden, welches in der Taufe die Namen Johann Lorenz bekam pp.

5.) Vom Pfarrer Loskiel in Curland,
d. d. Erwahlen 22. Mart. 65. an Johannes.

So wol Dein Schreiben vom 20tn Jul. a. p. als auch das, was Du durch den lieben Bruder Layriz an mich gelangen laßen, habe ich mit einem innigst gerührten u. vergnügten Herzen durchgelesen. Ich habe mich um so viel freudiger entschließen können, die Vocation nach Tukkum, die ich d. 24tn Oct. erhielt, anzunehmen, da ich deines Segens dazu so liebreich versichert wurde. Es gereicht mir zu einer ganz besondern Aufmunterung, das Werk mit Freuden anzugreifen, da ich der lieben Geschwister Herz bey der Mutation auf meiner Seite habe. Mein Abzug aus Erwahlen wird nach Ostern vor sich gehen. Dominica Jubilate werde meine Abschieds-Predigt halten; Dominica Exaudi in Tukkum introducirt [256] werden, u. am ersten Pfingst-Tage wird meine Antritts-Predigt seyn. Ich freue mich darauf, daß ich an dem Tage dein Herz fühlen werde, das ganz gewiß auf meiner neuen Canzel bey mir seyn wird. Warum mich der Heyland, wie ichs aus verschiedenen Umständen schließen muß, express nach Tukkum haben will, kan ich, wenn ich auf mich sehe, gar nicht begreifen, u. ich müßte eher verzagen als hoffen, daß ich dem Heyland was nütze werden würde, wenn ichs nicht mit dem allerbesten, treusten u. generösesten Herzen zu thun hätte. Dem Erbarmungsvollen Herzen habe ich bey dieser Veränderung schon manchmal vorgeweint, u. werde Ihm bey allen meinen Predigten u. Verrichtungen vorweinen: Mache Du, der alles macht; Segne Du alles, was ich thue, ja rede u. gedenke p. Schließlich empfehle mich u. die Meinigen Deiner beharrlichen Liebe pp.

Ges. Ach hilf es ihm doch predigen p.

6.) Von Bruder Fockel
d. d. Königsberg 15. Apr. 65.

Wir sind nun schon in die 6te Woche [257] hier u. also länger, als wir es uns vorgenommen hatten. Wegen des schlechten Wetters u. Weges haben wir noch nicht nach Litthauen kommen können; die dortigen Geschwister werden uns abholen, so bald sichs thun läßt, worauf wir nun alle Tage warten. Wir haben bereits alle hiesige Seelen gesprochen, wobey sich der Heyland zu ihnen u. uns gnädiglich bekannt u. die Unterredungen gesegnet hat. Bruder Schulzes Predigten sind den Seelen zum wahren Nutzen gewesen. Die Gemein-Nachrichten werden hier zu realem Segen communicirt; nur ist zu bedauren, daß die Geschwister wegen Mangel des Platzes nicht auf einmal zusammen kommen können. 2 ledige Schwestern sind in der Zeit unsers Hierseyns recht selig zum Heyland gegangen. Wir empfehlen uns samt dem hiesigen Häuflein eurem treuen Herzen u. Andenken p.

Ges. Wenn Dein Herz mit ihnen ist, fehlts an keinem Segen p.

In der Versammlung um 7 Uhr wurde die Gemein-Tags-Lection [258] auf folgende Weise besungen:

Jesus antwortete ihnen – die Zeit ist kommen, daß des Menschen Sohn verkläret werde.

Nun sizt Er da auf dem Throne Sein, u. Seine Wunden, die funkeln drein p.

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Es sey denn, daß das Waitzen-Korn in die Erde falle u. ersterbe, so bleibets allein.

Du wärst noch immer Gott u. wir des Satans Spott.

Wo es aber erstirbet, so bringets viele Früchte.

Ich weiß, was große Güter in Jesu Leiden seyn, u. daß der Mann des Schmerzens mir dadurch, daß Er starb, die Neugeburt des Herzens – erwarb.

Wer sein Leben lieb hat, der wirds verlieren, u. wer sein Leben – haßet, der wirds erhalten p.

Leib u. Kraft will man bewahren, wenns nur Christo dienen kan; Leib u. Leben läßt man fahren, für den treuen Seelen-Mann.

Wer mir dienen will, der folge mir nach.

[259] So laßet uns dem lieben HErrn mit Leib u. Seel nachgehen, u. wohlgemuth, getrost u. gern bey Ihm im Leiden stehen.

Und wo ich bin, da soll mein Diener auch seyn.

Wir werfen uns ins Stäubige und wißen, wer wir wären, wenn Du nicht Deine Gläubige beliebtest so zu ehren.

Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

O Vater! freu Dich meiner p.

Jezt ist meine Seele betrübt.

Für Dein Zittern, für Dein Zagen – woll'n wir ewig dankbar seyn.

Vater! hilf mir aus dieser Stunde, doch darum bin ich in diese Stunde kommen.

Laß aus unsern Sinnen niemals verschwinden, was Dich die Zahlung für unsre Sünden gekostet hat.

Vater! verkläre Deinen Namen.

Welch ein Name! heiligt Ihn p.

Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe Ihn verkläret u. will Ihn abermal verklären.

Vater! jetzo ist die Zeit, Deinen [260] Sohn zu ehren p.

– Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen.

Auf daß alles, was an Dich gläubt, Sein'm Hause werde eingeleibt p.

Jezt gehet das Gerichte über die Welt p.

Da Du uns durch Dein Leiden in Deine ew'ge Freuden hinein geproceßiret hast.

Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.

Ich weiß, der Teufel glaubt es vor, daß er uns so durchs Recht verlor p.

Und ich – will sie alle zu mir ziehen.

Dein Creuz, die Schmach, die Angst, der Schmerz – die sind es, welche uns das Herz gezogen u. gebunden.

Das sagte Er aber, zu deuten, welches Todes Er sterben würde.

Ans Creuz ward Er geschlagen p. Es soll Dein Tod u. Leiden p.

In der Gemein-Stunde um 9 Uhr redete Bruder Johannes über die heutige Loosung, worauf unter [261] dem gewöhnlichen Gesang 2 ledige Brüder in die Gemeine aufgenommen wurden.

Die zu diesem Gemein-Tage gehörige Beylage sub No V. enthält:

I. Diaria aus den deutschen Gemeinen mensis Mart. 65.

II. Aus North-America.

1.) Diarium von Bethlehem u. Nazareth mensis Nov. u. Dec. 64. nebst den Memorabilien ej. a.
2.) Extract des Diarii von Bethabara u. Bethanien in der Wachau vom 25tn Oct. bis zu Ende des Jahrs 64.

III. Aus der Diaspora.

Das Diarium der deutschen Societaet in Berlin, Jan.Mart. 65.
♂ d. 7tn May

kam Bruder Georgius u. seine Ehe-Schwester von Gnadenbergel an u. Bruder Wille mit ihnen zum Besuch.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister um 7 Uhr redete Bruder Joseph über die heutige Loosung.

Nachdem vorige Woche der Kauf von Ober-Rennersdorff zwischen der Schwester v. Hayniz u. unsrer lieben Benigna zu stande gekommen, auch bereits am 3tn die Uebergabe [262] u. Pflichtleistung der Unterthanen geschehen war, so nahm heute die Benigna nach einer Anrede des Bruder Zezschwiz an dieselben den Handschlag in Person ein, u. sie sangen darauf aus eigener Bewegniß das Te Deum. Den dortigen Kindern wurden Brödel ausgetheilt, u. es war ein Tag der Freude vor den ganzen Ort. Und so ist denn eine alte Anweisung des Heylands in Ansehung dieses Guts in Erfüllung gegangen.

☿ d. 8tn May

retournirte Bruder Gottfried Mann nach Berlin. Heute u. in diesen Tagen wurde wegen Klein-Welke eine Committée gehalten, zu welcher die Brüder Kohler, Langerfeld u. Lange hieher gekommen waren.

In der Singstunde wurden die Brüder Joh. Praetorius u. John Wood zu ihrer Abreise von der Gemeine gesegnet. Bruder Johannes sagte vorher: Wir wollen diese 2 Brüder, die morgen von uns abreisen, dem Gebet u. Segen der ganzen Gemeine empfehlen. Unsern Bruder Praetorius hat der Heyland zum Vice-Pfleger der ledigen [263] Brüder in Neuwied ernennt, u. er wird zugleich die Besorgung der dasigen Knäbgen-Anstalt übernehmen. Der Heyland lege Seinen Geist auf ihn u. salbe ihn zu diesem Amte, damit er Ihm auch in diesem Posten mit frölichem Herzen dienen möge, wie es bisher bey seiner Arbeit an den Wochen u. Gemein-Nachrichten geschehen ist.

Unser lieber Bruder John Wood ist einer von den 2 Brüdern, die uns der Heyland angewiesen hat, als Boten des Evangelii auf die West-Indische Insul Barbados zu senden, um zu sehen, ob unter den viel tausend Negern auf dieser Insul für den Heyland ein Lohn Seiner Schmerzen zu sammlen sey. Der andere Bruder, der mit ihm dahin gehen wird, ist der Bruder Rittmansberger in Zeist. Es ist dieses eine ganz neue Mission, wiewol schon ehedem Brüder bey Gelegenheit einer Reise von Suriname nach Pennsylvanien da gelandet haben, in deren Herzen, da sie die Menge der dortigen Neger gesehen, die Sehnsucht entstanden ist, wenn doch der Heyland [264] auch da so etwas thun möchte, wie in Thomas, Crux u. Jan! Es ist bereits zu des seligen Jüngers Zeiten an diese Insul oft gedacht worden, aber nun hat uns der Heyland angewiesen, daß die Stunde da sey, die ersten Boten hinzusenden.

Die heutige Loosung: Jonathan u. David machten einen Bund mit einander; denn er hatte ihn lieb wie sein eigen Herz; „Wir glauben, das im Paare gehen hat Segen, der noch immer gilt“, u. der Text: Er schaffe in euch, was vor Ihm gefällig ist, durch Jesum Christ, welchem sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen; „Dem Vater aller Kinder, dem Sohn, der's Bild der Sünder an Seinem Fleisch getragen, sey Lob in unsern Tagen“, sind gar tröstliche Worte für unsere Pilger u. Boten, die der Heyland auch besonders an unsern Brüdern John Wood u. Rittmannsberger in Erfüllung bringen wolle. Er sey mit ihnen und bringe sie just zu den Negern, bey denen das Wort vom Creuz haften kan, u. die der heilige Geist dazu bereitet hat. Wir werden uns freuen, [265] wenn wir die erste Nachricht krigen, daß sich der Heyland auch in dem Lande, des Herzens, wenns auch nur eines einzigen Negers wäre, bemeistert u. ihn durch Sein Verdienst selig gemacht hat. Wir wollen indeß den Heyland fleißig bitten, daß Er diese 2 Brüder begleite, sie durchbringe u. zum Segen setze. Das Gebet der Gemeine wird auch nicht ohne Frucht seyn, u. unsere Brüder werden sich deßen getrösten können.

Ges. Ach auserwehlter Heyland – Du willst nun, daß sie bleiben p. Gib ihnen muntre Kehlen – zu erzehlen, was Deine Treue thut p. Ein evangelscher Bote – hat nichts als seinen Creuz-Verstand. Ihr seyd Seine Sünder, euch wirds gelingen p. Du aber Gottes-Füll – bete, weine, denke – wie sich das Creuz-Geschenke noch vermehren soll p. Gemeine, liebe dich durchgängig inniglich – wer liebt mehr als wir alle? ER. Du süße Lieb; schenk uns Deine Gunst p. Hör, was die Würmlein sagen – wir woll'n beym Creuze bleiben p.

Erstgenannte 2 Brüder traten darauf

[266]
♃ d. 9tn May

in aller Frühe ihre Reise an.

Da es heute 5 Jahr war, daß unser lieber HErr Seinen treuen Diener u. Jünger zu sich heimgerufen hat; so versammlete sich die Gemeine um 9 Uhr auf dem Saale, das Andenken dieses Mannes Gottes unter sich zu erneuern. Der Chorus sang zuerst wechselsweise mit der Gemeine:

Chorus Der HErr hat gesagt: Ich will Dich nicht verlaßen, o nein, ich will Dich nicht versäumen. (der heutige Text) Meine Augen sehnen sich nach Deinem Worte u. sagen: Wenn tröstest Du mich?

Gemeine Zu Dir allein, HErr Jesu Christ, mein Hofnung steht auf Erden p.

Chorus HErr Gott Zebaoth! tröste uns, laß Dein Antlitz leuchten, so genesen wir.

Gemeine Wenn Dein Herze mit uns ist, fehlts an keinem Segen p.

Bruder Johannes brachte darauf in einer kurzen Rede das, was der Gemeine durch den Dienst des seligen Jüngers von unserm lieben HErrn für Gnade u. Segen zugewendet worden, in dankbare u. wehmüthige Erinnerung, [267] fiel sodann nach folgendem Gesang: Es segne uns Gott unser Gott – bis an der Tag' ihr End. Der König wende sich herfür p. Wir grüß'n uns ehrerbietiglich – vom Jünger, (Pacem) der zu Ihm entwich u. Ihn nun dorten schaut, mit der Gemeine auf die Knie u. dankte dem Heyland unter milden Thränen der Geschwister, insonderheit für die Gnade, daß Er Seinen nun seliglich vollendeten Jünger brauchen wollen, durch ihn den Grund zu dem zu legen, was Er in dieser Oeconomie mit Seinem Volk gethan haben will.

Zum Schluß wurde in seligem Hinblicken auf die obere Gemeine gesungen: Wir danken Gott dem heiligen Geist – daß Er Seinen Zeugen in Gott verschieden, Jesum gepredigt hat ohn' Ermüden p. Wir zweifeln im geringsten nicht, daß Du – Seinen Creuz-Gemeinen – täglich verklären wirst Seine Wunden p. Das helf uns armen Sündern nach – das Aug u. Wächter Israel bewahre uns Geist, Leib u. Seel.

Chorus Unsre Seele harret auf Dein Heyl; Er ist unsre Hülfe u. [268] Schild; denn unser Herz freuet sich Sein, u. wir trauen auf Seinen heiligen Namen. Deine Güte sey über uns, wie wir auf Dich hoffen.

Gemeine Bis Christi Braut beym Christ wird seyn, hängt Herz u. Sinn p.

In der Versammlung der Abendmahls-Geschwister redete Bruder Georgius über die heutige Loosung, u. um 9 Uhr wurde das Te Sponsam[WS 27] gesungen. Es witterte den ganzen Tag ein Gemeinschafts-Gefühl mit der vollendeten Gemeine.

Aus Ebersdorff kamen heute Geschwister Belows mit ihrer Tochter u. die Schwester Rosina Neusserin mit ihren 3 Kindern an; Bruder Joseph Neusser kam in etlichen Tagen ihnen nach. Ersteres Paar ist nach St Thomas u. lezteres nach Pennsylvanien bestimmt.

♄ d. 11tn May.

In der Versammlung der Stunden-Beter brachte Bruder Johannes die heutige Loosung: Heute dieses Tages bist du ein Volk worden des HErrn deines Gottes. „Kirche Jesu, freue dich über Sein Erwehlen“; u. den Text: Wir sind Christi Haus, so wir anders [269] das Vertrauen u. den Ruhm der Hofnung bis ans Ende veste behalten. „Haus Jesu, lerne, so lange du eben in der Ferne vom Bräutgam mußt leben p.“ als eine selige Praeparation auf das morgende Gemein-Fest in Erinnerung, u. merkte unter andern kürzlich an, wie wir uns zwar zu freuen hätten, daß uns so eine selige Wahl getroffen; daß wir uns aber auch sehr hüten müßten, damit sich nicht etwa unter gutem Schein Dinge einschleichen, die mit dem lautern Christus-Sinn u. der Absicht des Heylands mit uns nicht bestehen können pp.

Ges. Haus Jesu, lerne – gläuben u. dich Ihm einleiben. Wir sind Deine Leute, wollens auch bleiben p. Sey indeß mit uns vergnügt p. Wir sind eben doch gewiß Deiner eignen Richtung p.

Aus Barby langten heute die 5 jungen Brüder Christian Salomo Dober, Christian Clemens, Simon Peter, Joh. Grasmann u. Joh. Friedrich Benade an, u. werden nun zum Dienst in unsern Anstalten gebraucht werden.

[270] Sonst ist dieser Woche noch beyzufügen:

1.) Wegen der Unitaets-Bibliothec ist resolvirt worden, daß dieselbe in unsers lieben Heinrichs Hause in dem einen Flügel unter der Direction des Bruder Layriz von den Brüdern Schell u. Kampmann in eine bleibende Ordnung gebracht u. mehr gemeinnützig gemacht werden solle. Bey der Gelegenheit wollen wir herzlich bitten, daß, da verschiedene zu derselbigen gehörige Bücher von Geschwistern, die sich theils hier in Herrnhuth, theils an andern Orten jetzo befinden, erborgt worden, oder sonst in ihre Hände gekommen, dieselbe an besagte Brüder so bald als möglich eingeliefert oder doch von denjenigen, die sie haben, schriftliche Notiz davon gegeben werde.

2.) Wir müßen Amts u. Gewissens wegen bey Gelegenheit, da in hiesigen u. andern Landen die Einführung von gewißen auswärtigen Waaren u. fabricatis Landesherrlich verboten worden, alle unsere Geschwister herzlich u. ernstlich erinnern, sich doch ja nach solchen Obrigkeitlichen Verordnungen aufs [271] praeciseste zu richten u. nichts, was contraband u. verboten ist, weder selbst kommen zu laßen, noch aus ihren Landen an andere Orte zu versenden, wo dergleichen obrigkeitliche Verbote vorhanden sind. Es kan nicht nur durch dergleichen Handlungen denen Geschwistern, welchen so was vielleicht ihnen unwissend mitgegeben wird /: wie man dann sonst in der Welt dergleichen verbotene Waaren unter andere Sachen zu verstecken pfleget :/ viele Ungelegenheit, ja dem ganzen Brüder-Volke die größte Schmach u. Verletzung unsers guten Characters zugezogen werden; sondern wer dergleichen Dinge thut, versündiget sich gröblich an unserm HErrn, der Seinen Leuten den pünctlichsten Gehorsam gegen ihre Obrigkeit befohlen hat.


[272]
Die XXste Woche. 1765.

I.
Am Sonntage Rogate d. 12tn May

als an dem unsrer gesamten Brüder-Kirche so unvergeßlichen Gedenk-Tage, war Vormittag um 9 Uhr eine begnadigte Versammlung der ganzen Gemeine, die Kinder mit eingeschloßen.

Nachmittag um ½ 4 Uhr hatte die ganze Gemeine Agapen, welche mit Absingung des vorjährigen Fest-Psalms lieblich unterhalten wurden.

In der Gemein-Stunde um 7 Uhr redete Bruder Leonhard über die Loosungen am 11tn, 12tn u. 13tn hujus und um 9 Uhr wurde der Segen des HErrn auf die Gemeine gelegt.

☽ d. 13tn May.

Aus England erhielten wir Nachricht, daß in der Labrador-Sache alles so weit applanirt sey, daß unsere 4 Brüder nun nächstens nach Portsmouth abgehen würden.

♂ d. 14tn May.

Bruder Paschko reisete zum Besuch [273] nach Siebenbürgen ab, u. Bruder Johann Wille retournirte nach Gnadenberg.

In der Versammlung der AbendMahls-Geschwister hielt Bruder Petrus eine Rede über den heutigen Text.

Auch wurden heute im Directorio die von den 3 Brüdern, die zur Revision der Liturgien im Synodo ernannt worden, gemachten Veränderungen zu dem Te Patrem u. Te Matrem durchgegangen, welche beyde Liturgien nach den gemachten Veränderungen in dem 2ten Theil dieser Woche No 6 u. 7 an die Aeltesten-Conferenzen geschickt werden, daß dem Synodo gemäß damit von ihnen in den Gemeinen gehandelt werde.

☿ d. 15tn May.

Heute wurde die Synodal-Committee wegen der Anstalten zu Ende gebracht. Geschwister Weissens sind * das Ehe-Paar, das der Synodal-Resolution gemäß die Aufsicht bey der Unitaets-Mädgen-Anstalt neben der Anstalts-Conferenz hat.

♃ d. 16tn May,

als am Himmelfahrts-Tage unsers HErrn, hatte um 9 Uhr die ganze Gemeine eine selige Fest-Versammlung, [274] wie sie im 2ten Theil dieser Woche befindlich ist.

Die Gemein-Stunde um 7 Uhr hielt Bruder Leonhard mit einer Rede über die Loosung.

Um 9 Uhr war in einer Versammlung der AbendMahls-Geschwister die Introduction der neu eingerichteten Gemein-Jünger. Bruder Johannes hielt zuerst eine Rede von dem Zweck u. Absicht derselben in der Gemeine, worauf unsere lieben Geschwister Wahnerts u. unser lieber Bruder Nicolas Watteville unter dem Vers: Wir wünschen euch den Monat lang bey Jesu Seitenschrein den allernächsten Jünger-Rang in unserer Gemein, zur Jünger-Würde geküßt wurden. Die Gemeine sang noch: Eu'r Herze hör den sachtsten Gruß p. Der Umgang mit dem Schmerzens-Mann ist alles, was man wünschen kan p. Und so verbringen wir die Zeit mit Ihm in Herz-Vertraulichkeit p. (Pacem.) So oft die Nacht mein' Ader schlägt, soll Dich mein Geist umfangen p.

♀ d. 17tn May

hielt Bruder Leonhard Abends den Witwen eine Homilie über die Loosung.

[275]
♄ d. 18tn May

hatten die Kinder ihren Gemein-Tag. Bey ihren Agapen, Homilie u. Anbeten, welches leztere Bruder Leonhard hielt, ließ sich der Freund der Unmündigen recht nahe fühlen.

In der Stunden-Beter-Versammlung redete Bruder Leonhard über den heutigen Text: Kindlein, bleibet bey Ihm p.

Sonst ist bey dieser Woche noch folgendes anzumerken:

1.) Wegen Montmirail wurde diese Woche manches in Ordnung gebracht. Unser lieber Bruder Franke wird auf einige Zeit dahin gehen, u. Geschwister Stehlys werden die äußere Besorgung vors erste übernehmen.

2.) Ferner ist in dieser Woche im Directorio wegen des im Synodo den Brüdern Johannes u. Leonhard geschehenen Auftrags in der Chor-Sache ausführlich Abrede genommen worden, u. den Aeltesten-Conferenzen wird der Extract davon, als eine Beylage zu dieser Woche sub No V.b communicirt.

3.) Den 4 Brüdern, die nach Labrador gehen, ist folgende Instruction nachgeschickt worden:

[276] Allerliebsten Brüder John Hill, Jens Haven, Drachart u. Schloezer, Da wir aus den lezten Briefen unsrer Geschwister in London ersehen haben, daß vermuthlich gegen das Ende künftigen Monats eure Abreise vor sich gehen wird, so haben wir euch hiedurch noch einmal auf das herzlichste küßen, unsrer Liebe, Andenkens u. Segens versichern u. zugleich noch ein u. anderes zu eurer Instruction melden wollen.

Was in der Instruction für die Deputirten in der Terra Labrador-Sache bereits eurethalben enthalten ist, als welches ihr euch in Abschrift geben zu laßen habt, setzen wir dabey zum voraus. Ihr werdet auch vermuthlich von dem Board of Trade oder der Admiralitaet eine Instruction erhalten. Dieselbe habt ihr aufs praeciseste u. nach dem Wort-Verstande zu befolgen u. sie mit dem, was wir euch hier schreiben, bestmöglichst zu combiniren.

Unser lieber HErr, der ja selbst diese Recognoscirungs-Reise der Küste von Terra Labrador veranlaßet u. euch 4 zu derselben ernennt [277] hat, bekenne sich in Gnaden zu euch u. gebiete euch, daß ihr glücklich seyd u. das ausrichten möget, wozu Er euch gesandt hat. Er stärke auch dazu eure Hütten, gebe euch die nöthigen Gemüths- u. Leibes-Kräfte, daß ihr zu Seiner Freude u. zur Ehre der Gemeine vor der Englischen Nation den Zweck der Reise erreichet.

Hauptsächlich liegt es uns an, daß ihr 4 in wahrer, herzlicher Bruder-Liebe u. in Einem Sinn auf der ganzen Reise mit einander u. als eine verbundene Gesellschaft, als ein wahres Schiffs-Gemeinlein vom lieben Heyland erkannt u. mit Seiner seligen Nähe gesegnet werdet. Laßet also ja nichts unter euch aufkommen, daraus Mißverstand entstehen u. der Heyland gehindert werden könte, in eurer Mitte zu wandeln. Solte sich auch einmal ein Mißvergnügen finden, so redet gleich mit einander aus, laßet es nicht bis an den andern Morgen alt werden, sondern thut es bald ab. Habt einander lieb, tragt einander, vergebt einander u. erleichtert einander die Beschwerlichkeiten der Reise.

[278] Es kan seyn, daß euch offerirt wird, in der Cabine, wo der Capitain ist, zu logiren, wo auch nicht euch allen 4, doch einem oder dem andern. Aber da ist unser Rath, daß, wenn auch solches geschiehet, ihr es euch lieber ausbittet, so viel möglich einen schicklichen Platz für euch allein zu haben, wo ihr beysammen seyn, eure Gelegenheiten, Liturgien u. das heilige AbendMahl, ohne von dem übrigen Schiffs-Volk gestört zu werden, halten könnet. Wenn ihr auch nicht so bequemlich logirt wäret, als wenn ihr unter andern seyd; so werdet ihr doch den erstaunlichen Nutzen eines solchen Plätzgens hintennach einsehen. Trennen müßt ihr euch ja nicht laßen. Eure täglichen Versammlungen u. wie ihr es mit dem AbendMahl u. sonst halten sollet, darüber redet mit Bruder Joh. Nitschmann aus. Ihr werdet das so viel möglich wie in den Gemeinen einrichten. So viel aber wollen wir euch hierdurch melden, daß uns der liebe Heyland die Anweisung * gegeben hat, den Bruder John Hill als den ersten unter euch 4, im Geistlichen so wol als im [279] Äußerlichen anzusehen. Er hat in allem gemeinschaftlich mit den 3 andern Brüdern zu handeln; aber doch erwarten wir von ihm, daß er über den euch angewiesenen Plan halte u. die gehörige Ordnung besorge. Er wird auch noch vor eurer Abreise zum Diacono der Brüder-Kirche ordinirt werden. Wir wolten dem Bruder Drachart bey seiner Abfertigung auftragen, euch das AbendMahl unterwegs zu halten; da ers aber verbeten hat, so hat der Heyland auf diese Weise in der Sache gerathen. Wir stellen uns also eure Haushaltung zum voraus recht lieblich u. selig vor u. wünschen, daß unser lieber HErr euch alle Tage so finde, daß Sein Herz gereizt werde, euch zu besuchen.

Was nun eure Commission u. den Zweck eurer Reise anlangt, so ist es mit derselben auf eine nähere Recognoscirung der Küste von Terra Labrador angesehen, theils u. zwar hauptsächlich in Absicht auf das künftige Etablissement der Brüder u. die anzulegende Missiones unter den Esquimaux, theils aber auch mit zum Besten der Englischen Nation, [280] der diese Küste gehöret u. die noch wenig Notiz von derselben hat. Beydes müßet ihr in Augen behalten, u. wo ihr auch in der lezten Absicht etwas beytragen könnet, von Herzen dazu da seyn.

Wir setzen voraus, daß der Capitain des auszurüstenden Schiffes vom Board of Trade oder von der Admiralitaet die nöthigen Instructiones erhalten u. angewiesen werden wird, in der Besegelung der Küste, wo er landen u. wie lange er sich an jedem Orte aufhalten soll, u. s. w., euch zu Rathe zu ziehen u. sich nach euch zu richten. In dergleichen Sachen tragen wir den Brüdern John Hill u. Jens Haven auf, mit dem Capitain u. andern auf dem Schiffe zu communiciren u. Abrede zu nehmen, doch daß sie das nöthige mit den andern Brüdern vorher überlegen u. auch darinnen gemeinschaftlich zu Rathe gehen.

Dabey aber bitten wir euch gar sehr, den Capitain mit aller Submission u. Ehrerbietung zu behandeln, u. wenn er auch die gemeßene Instruction hat, sich nach euch zu [281] richten, es doch nicht mit Autoritaet u. als ein Muß zu fordern, sondern zu bitten u. Ihn mit freundlichen Vorstellungen dahin zu bringen, daß ihr euren Zweck erreichet. Ein Capitain von einem Königlichen Schiffe hat eine große Autoritaet, u. ob man ihn wol verklagen kan, wenn er seine Ordre nicht befolget; so hat er doch, so lange er commandirt, eine absolute Gewalt; daher man von ihm nichts erzwingen, sondern alles mit Liebe u. Herzlichkeit erhalten muß: denn wenn er einmal widrig u. vor den Kopf gestoßen ist, so kan er hundert Ursachen ausfinden, einem in Weg zu treten, u. den ganzen Zweck zu vereiteln. Laßts euch also ja angelegen seyn, ihn euch zum Freunde zu machen u. so viel möglich so zu handeln, daß er euch bey seiner Retour ein gut Zeugniß gebe u. keine Blame auf euch komme.

Eben so behandelt auch die andern Officianten auf dem Schiff; thut auch alles, der Matrosen Liebe zu gewinnen, daß sie es ihr Lebetage nicht vergeßen, daß sie mit Leuten des Heylands eine [282] solche Reise gethan haben. Richtet euch nach den Regeln der Königlichen Schiffe aufs pünctlichste. Wir wissen dieselbe nicht in Absicht aufs Tabackrauchen u. dergleichen. In solchen Dingen müßt ihr nicht gegen den Willen des Capitains etwas durchsetzen, sondern euch lieber accommodiren, wenns auch beschwerlich wäre. Es hat auch eine jede Nation ihre See-Gebräuche, u. die Engländer sind darinn sehr von den Dänen unterschieden; da werden die Brüder John Hill u. Jens Haven drauf sehen, daß euch auch in dem Theil nichts zur Last gelegt werden könne. Es muß auch, wenn ihr die Irreligiositaet der Englischen Seeleute sehet, keine Bitterkeit um deswillen bey euch gegen sie entstehen.

Wenn ihr an die Küste kommet, so habt ihr euch zu bemühen, alle mögliche Notizen von dem Lande u. deßen Einwohnern u. der daran stoßenden See einzuziehen. Notirt euch alles auf, auch den Cours, den ihr segelt, u. die Höhe, wenn dieselbe auf dem Schiffe genommen wird. Führet ein ordentliches Diarium, [283] so weitläuftig als möglich. Das kan Bruder Schloezer in deutscher Sprache thun, welches uns bey der Retour geschickt wird. Die 3 andern Brüder müßen ihm daher alles, was sie sehen u. hören, communiciren, u. er lieset ihnen dann seinen Aufsatz vor. Bruder John Hill setzet dann mit Bruder Jens Haven daraus ein anderes Journal in Englischer Sprache auf, so wie es dem Board of Trade kan vorgelegt werden u. das, wenns der Capitain verlangt, auch von ihm kan gesehen werden. Es ist beßer, daß solches gleich auf der Reise entworfen wird, als wenn es erst nach der Retour geschehen solte. Daßelbe wird auch gleichfalls an uns eingeschickt. In Ansehung des Landes habt ihr euch nach der Lage deßelben, der Küste, der Tiefe der See, den Sandbänken u. Klippen beym Eingang in die Häfen, sichtbaren u. unsichtbaren, wie hoch die Tide an jedem Orte zu steigen pflegt, wenn hoch Waßer ist, der Fruchtbarkeit, den Bäumen u. andern Vegetabilien, den Thieren, Vögeln, Flüßen, deren Breite u. Tiefe, u. kurz der ganzen [284] natürlichen Beschaffenheit zu erkundigen u. was ihr erfahret, aufzuschreiben. Ihr wißet, daß wir auf 4 Plätze zu Etablissemens der Mission angetragen u. zu jedem 100000 Acker Land verlangt haben. Da habt ihr euch nun nach dazu schicklichen Gegenden umzusehen. 100000 Acker ist ein großer District, 12½ Englische Meilen lang und breit im Quadrat, u. bey der Aussuchung so einer Gegend muß man auf allerley reflectiren. Wir wollen nur einige Ideen anführen, zum Exempel daß so ein Etablissement nicht im ersten Anlauf u. an so einer Ecke angelegt werde, wo feindselige Schiffe leicht anfahren u. es zerstören können, wenn etwa wieder ein Krieg wird; daß es aber doch auch nicht zu weit Landeinwärts liege u. die Esquimaux ihre Nahrung aus der See leicht haben können. So eine Situation wie Neu-Herrnhuth oder der dortige Schiffs-Hafen wäre ganz schicklich zum Wohn-Platz; item, daß es solche Plätze sind, wo man vermuthen kan, daß die Esquimaux gerne wohnen u. sich sammlen werden. [285] Wenns an einer Bucht oder schicklichen Fluß wäre, wo außen Inseln vorliegen, würde es ganz convenable seyn, u. dann ist auf beyden Seiten des Flußes das Land zu nehmen u. auch wol die nahe liegenden Inseln.

Die Fruchtbarkeit der Gegend ist zwar auch in Betracht zu nehmen, jedoch ist das Augenmerk hauptsächlich auf die Esquimaux zu richten, daß sie da ihre Convenienz finden. Auch müßt ihr mit darauf sehen, ob sich in der Gegend die Esquimaux aufzuhalten pflegen u. hinkommen. Wie wärs, wenn ihr die Esquimaux selber fragtet u. mit ihnen drüber conferirtet, wo sie am liebsten hätten, daß ihr euch niederlaßet u. sie bey euch wohnen wolten.

Wenn ihr dann so einen Platz ausgesucht habt, so merket ja praecis, wo er lieget, in welchem Grad u. Minute. Gebet mit Hülfe des Capitains den Flüßen, Vorgebirgen u. Buchten schickliche Namen, die noch keine haben, u. Bruder Schlözer wird suchen, von der Küste u. insonderheit den Districten, die ihr ausgesucht, Charten u. Riße, [286] auch von der u. jenen Gegend Abzeichnungen zu machen u. sie mitzubringen.

Sehet nicht nur auf die Südlichen, sondern auch auf die Nordlichen Gegenden, wenn sie auch gleich nicht so fruchtbar seyn solten, weil nach Norden zu vermuthlich die meisten Indianer sind. Sehet euch doch die Gegend besonders an, wo unsere Brüder ehedem gewohnt u. ein Haus gehabt u. ihr Gebet u. Thränen gesäet haben; desgleichen auch die Gegend, wo Erhard u. Robins ums Leben gekommen sind.

Hauptsächlich habt ihr in Absicht auf die Nation alle mögliche Kundschaft einzuziehen u. mit ihnen aufs freundschaftlichste umzugehen, daß sie ein Herz zu euch faßen; u. wir hoffen auch, daß euch der Heyland fein viele Gelegenheit schaffen wird, den Saamen des Evangelii auszusäen u. ihnen Gottes Menschwerdung, Marter u. Tod zu verkündigen. Wenn gleich heuer noch kein bleibendes Etablissement wird, so kan doch der jetzo auszusäende Saame in die Herzen fallen u. zur rechten Zeit Frucht bringen. Bey eurem Umgang mit den [287] Esquimaux habt ihr auf 2 Sachen zu sehen:

1.) Ihnen was von ihrem Heyland zu sagen u. ihnen zu melden, daß ihr wieder zu ihnen kommen, bey ihnen wohnen u. mehr vom Heyland kund thun wollet. Da wird Bruder Drachart so wol als Jens Haven von Herzen dazu da seyn, wo sie Gelegenheit haben.

2.) ihnen auch ein gut Wörtgen von der gnädigen Gesinnung des Königes in England zu sagen, auf eine freundliche u. friedliche Behandlung der Englischen Nation anzutragen, wie es Bruder Jens Haven schon auf seiner vorigen Reise gethan hat. In dem Theil thut alles mögliche: denn unsere Brüder werden es mit zu genießen haben, wenn ihr darinnen was ausrichtet.

Das empfehlen wir insbesondere Bruder Jens Haven; doch ersuchen wir auch Bruder Dracharten, ihm darinnen, so wie ers versprochen hat, zu assistiren, weil er doch der Sprache noch beßer als Jens Haven gewachsen ist.

Erkundiget euch aber nicht nur nach [288] den Esquimaux u. allen ihren Umständen, sondern auch nach den andern Indianischen Nationen, die an dieselben stoßen, u. was ihr von denselben vor Nachrichten erhaltet, merket euch sorgfältig an. Die Franzosen haben die Gewohnheit in Canada gehabt, sich mit den Indianern zu verheyrathen; fragt doch auch nach, ob dergleichen unter den Esquimaux geschehen u. noch solche Familien da sind.

Aus diesem allen sehet ihr von selber die Obliegenheit eines jeden Bruders.

1.) Bruder John Hill wird von uns als der erste Bruder oder euer Vorsteher angesehen, der inneres u. äusseres zu besorgen u. zu verantworten hat. Er hält das AbendMahl, bestellt eure Liturgien u. andere Gelegenheiten, wenn ihr sie gleich wechselsweise haltet, redet u. handelt mit dem Capitain u. andern in eurem Namen, macht den Aufsatz nebst Bruder Jens Haven, der dem Board of Trade bey der Retour überreicht wird. Wenn ein Bruder was zu erinnern hat, bringt ers [289] bey ihm an, u. dann wirds gemeinschaftlich überlegt u. resolvirt.

2.) Bruder Jens Haven ist John Hills Assistent, wenn mit dem Capitain u. sonst auf dem Schiffe zu handeln u. zu reden ist; so auch wenn ihr etwa nach New-Foundland kommt, oder mit dem Gouverneur Palliser zu tractiren seyn solte. Wenn ans Land in Terra Labrador zu gehen ist, ist er allemal mit dabey, handelt u. redet mit den Esquimaux im Namen der Englischen Nation, des Capitains u. alle äußere Handels-Sachen u. dergleichen; sucht dabey mit ihnen auf den Heyland u. Seine Wunden zu kommen u. ihnen das Evangelium zu verkündigen.

3.) Bruder Drachart hilft Bruder Jens Haven bey den Esquimaux in allen diesen Sachen treulich, macht aber dabey zu seiner Haupt-Sache, ihnen den Heyland u. Sein Blut zu bringen u. als ein Zeuge Jesu ihre Herzen warm zu machen.

4.) Bruder Schloezer dient wo er kan, führt das Diarium, macht die Riße, Zeichnungen p. bringt alles zu Papier, was nur im geringsten [290] Anmerkungswerth ist, sucht dabey die Navigation zu lernen u. sich zu einem Diener Gottes aufs künftige zu habilitiren, ist in Liebe unterthan, weil es doch seine erste Reise ist. Ihm u. dem Bruder John Hill recommendiren wir zugleich, so viel möglich von der Sprache der Esquimaux zu lernen. Sie werden es vermuthlich künftig brauchen.

Nun, lieben Herzen! wollen wir hiermit diese Instruction schließen. Leset sie fleißig mit einander unterwegens durch. Der Segen des HErrn sey mit euch! Unser Gebet wird euch begleiten. Wir empfehlen euch Seiner beständigen Nähe u. legen auf euch Seinen Frieden. Wir küßen euch aufs zärtlichste u. sind allezeit

Herrnhuth Eure treue Brüder.
d. 31tn Mart. Das Directorium der
1765. Unitaet.

4.) folget hier auch ein Brief an die Esquimaux auf der Küste von Labrador.

Lieben Innuit. [1]

Hier kommen 4 Brüder zu euch, durch [291] die ich euch in herzlicher Liebe grüße u. folgende Worte sagen will. Der Gott, der Himmel u. Erde geschaffen hat, ist vor vielen Jahren selber herunter auf diese Erde gekommen u. hat unser Fleisch u. Blut an sich genommen. Das menschliche Geschlecht war Ihm ungehorsam worden u. unter die Macht des bösen Geistes gerathen. Daraus hat Er uns, da Er auf Erden war, mit Seinem eigenen Blute u. durch Leiden u. Sterben erlöset, u. ist dadurch der Heyland der Menschen worden. Sein Name ist Jesus Christus. Nach Seinem Tode ist Er in 3 Tagen auferstanden u. gen Himmel gefahren, wird aber einmal wieder kommen, da Ihn alle Menschen sehen u. vor Ihn werden gestellt werden. Er hat aber befohlen, daß indeßen diese große Geschichte von Seiner Menschwerdung u. Tod allen Menschen verkündiget werde, u. alle, die an Ihn gläuben, sollen von der Macht der Sünde u. des bösen Geistes frey werden Seinen heiligen Geist empfangen, Kinder Gottes werden u. ein ewiges Leben haben.

In dem Lande der Kablunaet ist ein Volk Gottes, das heißen die [292] Brüder. Wir glauben an diesen Heyland Jesum Christum, u. haben uns unter einander als Brüder lieb. Wir suchen, nach dem Befehl Gottes, die große Nachricht, daß Gott ein Mensch worden u. Sein Blut für uns vergoßen hat, gar zu gerne denen Völkern, die noch nichts davon gehört haben, bekannt zu machen. Einige von uns sind darum schon vor vielen Jahren nach Grönland, das gegen euch über auf der andern Seite des Meeres liegt, gereiset. Da haben sie von euren Brüdern eure Sprache gelernt u. ihnen das Evangelium verkündiget, u. es haben es viele 100 Innuit angenommen, die nun selige Gottes-Menschen sind. Ich bin auch da gewesen u. habe sie besucht u. gesehen. Sie danken es ihrem Schöpfer, daß Er sie mit Seinem Blute erlöset hat, u. wohnen an 2 Orten als Brüder u. Schwestern zusammen. Wir Brüder in dem Lande der Kablunaet haben euch schon lange lieb gehabt und gewünscht, daß auch einige von uns in euer Land kommen u. euch die große Nachricht bringen möchten, [293] die eure Brüder in Grönland so selig gemacht hat, u. sehet, da kommen nun jetzo die 4 ersten Brüder, die euch besuchen u. mit euch vom Heyland reden wollen. Sie werden sich es ansehen, wo sie bey euch wohnen können, u. dann wieder kommen u. ein Haus bauen, damit sie euch nicht nur des Sommers wie die Schiffsleute besuchen, sondern beständig bey euch bleiben u. als eure Brüder mit euch leben können. Da will ich euch nun noch was melden. In dem Lande u. unter dem Schutze des großen Königes Georg von Great-Britain wohnen sehr viele von unserm Brüder-Volke, u. wir führen unter ihm ein geruhiges u. stilles Leben. Er hat unsern Brüdern geholfen, daß wir nun zu euch kommen u. euch das Evangelium verkündigen können. Er ist wie ein Vater gegen die Innuit gesinnt, u. hat allen seinen Unterthanen der Englischen Nation befohlen, daß sie, wenn sie in euer Land kommen, euch friedlich begegnen u. euch nichts zu leide thun, sondern alles Liebes u. Gutes erzeigen sollen. Thut ihr also auch das [294] gegen sie u. seyd nicht feindselig gegen sie. Es wird auch leiblich euer Nutzen seyn, wenn ihr mit den Engländern handeln u. allerley, was ihr brauchet, von ihnen kaufen könnet.

Unsern Brüdern, die zu euch kommen, haben wir aufgetragen, euch ganz besonders lieb zu haben, als Brüder sich gegen euch zu betragen u. euch von dem ganzen Brüder-Volke zu grüßen. Wenn sie eine Weile unter euch gewesen sind, so werdet ihr Gott im Himmel danken, daß Er sie zu euch gesandt hat, u. werdet mit uns für unsern lieben König Georg beten, welcher unsern Brüdern dazu beförderlich gewesen.

Nun der Gott, der Mensch worden ist, segne euch u. gebe euch gläubige Herzen. Er erhalte euch gesund, daß ihr Ihn noch, ehe ihr sterbet, kennen lernet; Er sey euch gnädig u. gebe euch Seinen Frieden. Dieses hat euch geschrieben

Euer Freund u. Bruder,

der euch lieb hat

Johannes Assarsok.

In der Woche, da Jesus vor mehr als 1700 Jahren für uns gestorben ist.

[295]
5.) Aus eingelaufenen Briefen

ist noch folgendes zu communiciren:

a.) Von Bruder Jannet an Johannes

d. d. Sebastianofka d. 14/3 Mart. 1765.

Nun kan ich endlich einmal mit meinem Schreiben ex oris asiaticis kommen, u. nachdem ich dich zuerst in den Wunden unsers Gottes-Lammes geküßt u. embrassirt habe, berichten, daß ich tandem durch unsers lieben HErrn Gnade denjenigen Platz u. Winkel der Erde ausgefunden, dem ich ein halb Jahr lang entgegen gesehen u. gereiset habe. D. 15tn Febr. styli novi[WS 28] bin ich von Moscau abgereiset u. habe wirklich eine halbe Welt durchzureisen gehabt, bis ich d. 27tn ejusdem in Saratow ankam, u. nachdem ich mich da 4 u. einen halben Tag aufgehalten, d. 4tn Mart. den Ort meiner Bestimmung, der 8 u. eine halbe Meile von Saratow ab, gegen Astracan zu, u. eine Stunde disseits der Wolga Westwärts lieget, glücklich erreichte. O wie froh war ich, diese lange Reise einmal zu Ende gebracht zu haben, u. wie dankbar ist nicht mein armes Herz gegen meinen treusten Seelen-Hirten, [296] der mich auf meinem ganzen Wege, von dem Augenblick an, da ich mein theures Volk verlaßen, bis auf diese Stunde so gnädiglich geleitet u. so treulich vor allem Uebel u. Schaden an Leib u. Seele bewahret hat. Ich habe mich, so gut ich gekonnt, in allen Umständen u. an allen Orten, zu Land u. See, mit allem meinem Elend an mein Einiges Herze gehalten, Ihm meinen innern u. äußern Gang befohlen, u. bin auch von Ihm beständig entweder auf der Stelle oder hintennach getröstet worden. So thue ichs noch, u. bis ich dort vorm Lämmlein werde stehen, wirds so fort gehen.

Meinen Leuten, deren 32 Familien sind, die ohngefehr 100 Personen ausmachen, habe mit meiner Ankunft eine große Freude verursachet. Es sind meistentheils reformirte, doch sind auch einige wenige Lutheraner u. auch ein paar Catholicken drunter. Sie machen sich alle anheischig, um meinetwillen thun zu wollen, was in ihren Kräften stehet, u. haben mir wirklich ad interim schon ein klein Häusgen zurechte gemacht, wo [297] ich schon manche vergnügte Stunde so alleine zu den Füßen den durchbohrten, zugebracht u. dieselben mit manchen Dank- u. Liebes-Thränlein benetzet habe. Sie wohnen noch alle in kleinen, doch ziemlich guten Winter-Hütten von Holz, 26 an der Zahl. Indeßen sind die Zimmerleute schon hier u. arbeiten an den rechten Häusern, die künftigen Sommer guten Theils werden fertig werden, u. da werde ich auch ein ordentliches Pastorat-Haus krigen. Die äußerliche Gelegenheit u. Umstände sind so, daß ich mich hier so ordentlich u. commode einrichten kan, als ich nur wünschen mag. Ich kan Land zu 10 Stück Vieh krigen, wenn ich will. Die Gegend habe ich in ihrer Schönheit noch nicht sehen und betrachten können, weil noch alles mit Schnee bedeckt ist; aber so viel versichern mich meine Zuhörer, es sey eine allerliebste Gegend u. das Land so fruchtbar, daß alles in Ueberfluß wachse. Das ist gewiß, daß fast alle Lebens-Mittel sehr wohlfeil sind. Ich werde ein andermal wol etwas [298] umständlicher hierüber schreiben können. Noch jetzo speise ich u. mein Domestique bey dem Vorsteher der Colonie, Antoni Pant; nach u. nach aber werde ich meine eigene Wirthschaft anstellen. Das ist also etwas von dem äußern Statu. Allein was wäre das u. noch viel mehr, wenn dieser Platz nicht ein stilles, liebes Oertgen werden solte, wo Ihm, der sich doch um Seelen zu Tode gearbeitet hat, nicht mancher harter Knospen u. manch Blümlein zur Freude Seines Herzens aufblühet. Wenn das geschiehet, so ist mein Verlangen gestillt. Mein blutiges Lämmlein wird mich auch bey diesem Seinem Plan erhalten und, wie ich hoffe, noch Freude sehen laßen. Es ist freylich noch wenig zu sehen u. zu fühlen; doch kan es werden; denn Hofnung läßt nicht zu Schanden werden. D. 10tn Mart. habe meine erste Predigt über Marc. 16, 15. mit einem armen, aber doch warmen Herzen, auf einer großen Stube gehalten. Es war alles sehr aufmerksam. D. 12tn ejusdem haben 6 Kinder angefangen, zu mir in die Information zum heiligen [299] AbendMahl zu kommen, die weise ich zum Kinder- u. Sünder-Freunde hin, u. es ist mir allemal wohl dabey. Wenn werde ich denn unsere Astracanische kleine Colonne in diesen Gegenden umarmen können?

Nun mein allerliebster Johannes, für dismal bin ich fertig. Ich habe dich nur noch einmal in Jesu Herzen tausendmal innigst im Geiste zu küssen, mich deinem treuen Herzen zu empfehlen u. durch dich die ganze liebe Gemeine zärtlich u. ehrerbietig zu grüßen.

b.) Von Bruder Fries d. d. Petersburg d. 8/19. Apr. 1765. an Johannes.

Am 4tn Apr. reisten wir aus Orellen, wo wir mit unsern Geschwistern manche selige Stunde gehabt, nach Strikkenhof u. hielten da mit ihnen die Feyertage aufs seligste. Am 5tn hatten wir das große Vergnügen, die Geschwister aus der Nation zu sehen. Bey einem solchen Blick lachten unsere Herzen u. die Augen weinten. Man muß die Leutgen sehen, um sich recht vorzustellen, was man an ihnen hat. Sie sind gewiß dem Heyland u. Seinen Engeln zur Freude; [300] das haben wir gefühlt. Am 6tn kamen wir nach Wollmar, wo wir mit Bruder Hesse den Lammsberg einweyheten u. mit den lieben Geschwistern Noriens u. Barlachs die Zeit vergnügt verbrachten. Weil keine Pferde zu haben waren, so mußten wir uns bis zum 7tn Nachmittag aufhalten, da wir uns denn mit unsern lieben Geschwistern verabscheideten. Der Weg war so schlimm, daß uns jedermann sagte, wir würden nicht fortkommen können, der Heyland müßte uns denn auf eine wunderbare Weise durchhelfen. Wir sahen auch Pferde und Wagen in Löchern stecken, woraus sie nicht zu bringen waren. Uns aber half der Heyland, weil wir uns einfältig auf den Weg begeben hatten, so daß wir am 8tn Abends schon in Dorpat waren, u. kamen d. 11tn in Narva an, wo wir beym Bruder Burghardt übernachteten u. dann von ihm u. seiner Frau bis hieher nach Petersburg, wo wir d. 14tn glücklich ankamen, begleitet wurden. Wir waren am Zollhaus, 3 Meilen von der [301] Stadt, recommendirt u. wurden daselbst gut behandelt. Die Geschwister in Petersburg empfingen uns in vieler Liebe, u. Geschwister Köhlers nahmen uns sogleich in ihr Haus auf, wo wir nun vergnügt u. selig leben. Am 17tn hatte ich die Ehre, dem Herrn Premier-Ministre Graf v. Orlow praesentirt zu werden, u. Seine Excellenz bezeigten sich überaus gnädig u. liebreich gegen mich. Die Herrn Grafen Czernicheff habe auch gesprochen, die mir gleichfalls viele Freundschaft bezeiget. Die hiesigen Brüder haben wir meistens alle gesehen. Weil diese Woche nichts in unsrer Sache vorzunehmen ist, so haben wir derweile mit Bruder Köhler das nöthige überlegt. Der Heyland wolle mit uns seyn! Wir wollen zwar keine Zeit versäumen, uns aber auch nicht übereilen in dem, was wir zu tractiren haben. – Behaltet uns lieb u. fahret fort, fleißig an uns vor dem Heyland zu denken.

[302]
c.) Von Bruder Daniel d. d. Lübeck d. 2tn May 1765. ans Directorium.

Daß eure Herzen u. unsers ganzen Volks Segen uns auf der Reise bis hieher begleitet haben, das haben wir von Herzen geglaubt u. uns ofte dankbarlich daran erinnert. D. 27tn u. 28tn Apr. kamen wir wohlbehalten hier in Lübeck an. Beyde Gesellschaften haben Ursache, unserm lieben HErrn für Seine liebe Nähe u. für den Dienst Seiner Engel gebeugt u. froh zu danken. Die Brüder, die zu Fuße gereiset, sind ohne allen Aufenthalt gesund u. munter ihren Weg fortgegangen. Sie verfehlten einmal des Weges, halfen sich aber mit einem Compass, da sie denn Sträuche u. Wälder gerade durch passiret u. endlich auf ein Dorf gekommen, woselbst sie erfahren, daß sie beynahe eine Meile profitiret u. auch der Gegend aus dem Wege gekommen, wo die Vieh-Seuche grassiret, wo sie wahrscheinlich viele Weitläuftigkeiten wegen ihres Fortkommens würden gehabt haben. In Barby haben [303] wir viele Liebe von unsern Geschwistern genoßen, auch einige Gemein-Nachrichten bekommen, wofür wir von Herzen dankbar sind. D. 24tn reisten wir weiter u. freuten uns in Stendal bey Geschwister Nantikows unsers lieben Bruder Brandts 48stn Jahrs-Tages. Da wir abfahren wolten, bewahrten uns die lieben Engel augenscheinlich, indem die Pferde vom Zapfenstreich scheu wurden u. anfingen auszureißen. Sie lenkten in eine Neben-Straße, u. der Wagen würde gewiß entweder umgefallen oder in den Graben gestürzt seyn, wenn nicht noch einige Soldaten zugesprungen wären u. die Pferde gehalten hätten. Bey Ratzeburg hatten wir einen gleichen Casum, da es einen Berg hinunter ging. Kurz, Er, unser bestes Herz, hats mit uns allen so gemacht, daß wir d. 28tn mit der Loosung frölich u. beschämt sagen konten: Auch wir haben gesehen, wie Er uns auf Adlers-Flügeln getragen hat. Hier haben wir uns nun in einem Wirthshause einlogirt. Unsere lieben 3 Brüder, die nach St. Thomas gehen u. d. 30tn Apr. [304] wohl u. vergnügt hier ankamen, wohnen u. speisen mit uns zusammen, u. haben Hofnung noch eher als wir, dieses Haus u. Stadt zu verlaßen. Bruder Karstens nimmt sich ihrer so wol als unsrer bestens an, u. hat bereits mit einem Schiffer, Namens Joh. Christ. Voss, deßen Schiff die Wachsamkeit heißt, u. der d. 4tn May auslegen will, der Wind mag Favorable seyn oder nicht, unsertwegen geredet. Es befinden sich hier schon wieder etliche hundert grosse u. kleine Menschen, die als Colonisten nach Petersburg gehen werden. Sie krigen ihren Unterhalt, bis sie ein Schiff voll machen, u. wohnen derweile hier am Waßer in etlichen Häusern beysammen.

Wir empfehlen uns noch insgesamt eurem fernern Liebes-Andenken u. grüßen alles herzlich.

d.) Von Bruder Beyer in Zeist d. 26tn Apr. 65. an Bruder Friedrich von Watteville.

Vor ein paar Tagen bin ich von einem Besuch zurück gekommen, auf welchen ich mich gleich nach unsern so seligen Feyertagen begeben hatte. In Amsterdam bin ich von Frühe [305] an bis in die Nacht aus einem Hause in das andere gegangen, habe gar sehr viele Menschen gesehen u. gesprochen, u. bin überall mit Liebe u. Freundschaft empfangen worden. Ich habe auch Gelegenheit gefunden, ein Zeugniß abzulegen auf eine Weise, die mirs gegenwärtig noch in meinem Herzen fühlbar macht, daß mein treuer Heyland mich nirgends hat hinkommen laßen ohne Nutzen. Wenigstens freuten sich alle, mich zu sehen u. dadurch Anlaß zu krigen, mich hier wieder zu besuchen. Von etwa 20 Personen habe Hofnung, daß ich sie in Gesellschaften eintheilen, mit Bruder Babelingh in Umgang bringen u. durch ihn dann u. wann von Heyden-Nachrichten werde was vorlesen lassen können. Auf meiner kurzen Tour nach Nord-Holland hat mich der Heyland einen sehr Herz-angreifenden Blick thun laßen in ein weites Feld, das vor Ihn mit Macht reif zu werden scheint. In Hoorn habe eine gewiß solide u. recht bandenmäßige, begnadigte Unterredung gehabt mit einem Domine, der nebst einem andern nicht nur [306] Seite:GN.A.109 Gemein-Nachrichten 1765,1.pdf/314 [307] Seite:GN.A.109 Gemein-Nachrichten 1765,1.pdf/315 [308] Seite:GN.A.109 Gemein-Nachrichten 1765,1.pdf/316 [309] Seite:GN.A.109 Gemein-Nachrichten 1765,1.pdf/317 [310] Seite:GN.A.109 Gemein-Nachrichten 1765,1.pdf/318

Anmerkungen

  1. So nennen sie sich selber u. heißt eigentlich Menschen; die Ausländer heißen sie Kablunaet.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Ausschlag
  2. beglaubigte
  3. Urkunden
  4. von Zinzendorf gedichteter Wechselgesang auf die Mutter (bis 1770 Synonym für den Heiligen Geist)
  5. Ausschusssitzung
  6. Unterstützung für Hilfsbedürftige
  7. Tonzeichen aus Psalmen, Ruhepunkt
  8. alte christliche Hymne, Lobgesang auf die Dreifaltigkeit
  9. feierliches Rühmen Gottes, oft als Abschluss eines Gebets
  10. niederwarfen
  11. Verzeichnis
  12. Vorlage: dieselbe
  13. des gleichen (Monats)
  14. seliger Jünger: Bezeichnung innerhalb der Brüdergemeine für ihren Gründer Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf nach dessen Tod
  15. Die Zahl im Zähler steht für den Tag nach julianischem Kalender, die Zahl im Nenner für den Tag im gregorianischen Kalender.
  16. Augsburger Konfession, auch CA (Confessio Augustana) abgekürzt
  17. von Tropos, d.h. Art und Weise
  18. von bekleiben: haften, wurzeln, länger ausharren, "kleben" bleiben
  19. Fußwaschung
  20. Seitenwunde Jesu
  21. Nachtwachen
  22. großer Sabbath: Karsamstag
  23. a b c Namensergänzung lt. Dissertation
  24. Abba: aramäisch Vater, Gott. Te Abba ist ein feierlicher Gesang zum Lobe Gottes (lat. Te Deum)
  25. Vorlage: Altesten
  26. in Protokollen und Berichten übliche Kennzeichnung, dass eine Entscheidung per Los getroffen wurde
  27. von Zinzendorf gedichteter Wechselgesang auf die Braut Jesu Christi, d.i. die Gemeine
  28. styli novi: neuen Stils, d.h. nach Gregorianischen Kalender