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Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Karl Zeumer
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Titel: Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. (Teil 1)
Untertitel: Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle
aus: Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit, Band II., Heft 1
Herausgeber: Karl Zeumer
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1908
Verlag: Hermann Böhlaus Nachfolger
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Erscheinungsort: Weimar
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[A]
Quellen und Studien
zur
Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit.
Herausgegeben
von
Band II. Karl Zeumer. Heft l.




Die
Goldene Bulle Kaiser Karls IV.
Von
Karl Zeumer.
Erster Teil:
Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle.
Weimar
Hermann Böhlaus Nachfolger
1908.

[B] Die Quellen und Studien erscheinen in zwangloser Folge in Heften von etwa 3 – 10 Bogen. Jedes Heft enthält die Arbeit eines Verfassers, bildet ein selbständiges Ganzes, erscheint unter besonderem Titel mit besonderer Seitenzählung und ist einzein käuflich. Nach dem Erscheinen einer Anzahl Hefte im Gesamtumfange von etwa 30 Bogen werden diese zu einem Bande zusammengefaßt, indem dem letzten Hefte ein Bandtitel und Inhaltsverzeichnis beigegeben wird. Anfragen wegen Aufnahme von Arbeiten sowie Manuskriptsendungen sind zu richten an den Herausgeber, Universitätsprofessor Dr. Karl Zeumer. Steglitz bei Berlin, Grunewaldstraße 27.

Der Herausgeber. Die Verlagsbuchhandlung.




Das gleichzeitig erscheinende Zweite Heft enthält:

Karl Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. Zweiter Teil: Text der Goldenen Bulle und Urkunden zu ihrer Geschichte und Erläuterung. VIII und 135 S.

Einzelpreis M 4.60

Subskriptionspreis M 3.80




Allen Beziehern, die sich bei Erscheinen des ersten Heftes eines Bandes zur Abnahme aller folgenden (desselben Bandes) verpflichten, wird für jedes einzelne Heft ein ermässigter Preis eingeräumt, der um 15–20% niedriger ist als der Einzelpreis.

[I]
Karl Zeumer,


Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV.
Erster Teil.


(Quellen und Studien Band II, Heft 1.)
[II]
Quellen und Studien


zur


Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches


in


Mittelalter und Neuzeit.


Herausgegeben


von


Karl Zeumer.




Band II, Heft 1.


Zeumer, Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV.
Erster Teil.




Weimar
Hermann Böhlaus Nachfolger
1908
[III]
Die
Goldene Bulle Kaiser Karls IV.


Von
Karl Zeumer.


Erster Teil:
Entstehung und Bedeutung der Goldenen Bulle.


Weimar
Hermann Böhlaus Nachfolger
1908

[IV]

[Bibliotheksstempel]

[V]
Robert Arnold


in Freundschaft und Dankbarkeit


gewidmet.

[VI]

[VII]
Vorwort




Der erste Teil der vorliegenden Arbeit sollte seiner ursprünglichen Anlage nach ein Kapitel eines größeren Buches bilden, in welchem ich die Geschichte der deutschen Reichsgesetzgebung zu behandeln gedachte. Als ich dann durch meinen Gesundheitszustand gezwungen wurde, den größeren Plan aufzugeben, beschloß ich, das Kapitel über die Goldene Bulle zu einer selbständigen Arbeit auszugestalten, die ein Heft der Quellen und Studien bilden sollte. Ein revidierter Text des Gesetzes sollte nebst wenigen Urkunden als Anhang hinzugefügt werden. Im Verlaufe der Arbeit aber wuchs der Umfang so sehr, daß ich mich zu einer Teilung des Werkes in zwei Teile entschließen mußte, um es dem Rahmen der Quellen und Studien noch einfügen zu können. Der zweite Teil enthält den Text des Gesetzes nebst den notwendigsten Anmerkungen, sowie eine Sammlung von 35 Urkunden zur Geschichte und Erläuterung der Goldenen Bulle. Es wird gleichzeitig mit dem vorliegenden ersten Teile als zweites Heft des zweiten Bandes der Quellen und Studien ausgegeben.

Neben dem selbständigen Zwecke, den meine Arbeit in beiden Teilen verfolgt, hat sie zugleich noch die Bedeutung einer Vorarbeit für die Ausgabe der Konstitutionen Karls IV. in den Monumenta Germaniae historica. Aus diesem Verhältnis aber erwuchs meiner Arbeit reiche Förderung, indem ich die Möglichkeit hatte, nicht nur die Materialien der Monumenta Germaniae in weitem Umfange heranzuziehen, wie sich das namentlich in dem zweiten Teile im einzelnen zeigen wird, sondern auch den [VIII] Rat und die Hülfe der Mitarbeiter der Monumenta und besonders derjenigen Herren, die an der von mir geleiteten Abteilung tätig sind oder waren, in Anspruch zu nehmen.

Die Hülfe, deren ich in besonders hohem Grade bedarf, ist mir denn auch in reichem Maße und in freundlichster Weise von dieser und anderer Seite zuteil geworden.

Bei der Bearbeitung dieses ersten Teiles haben mich einander ablösend dauernd durch Nachschlagen, Vorlesen, Exzerpieren und sonst mit Rat und Tat unterstützt die Herren Dr. Dr. Fritz Kern, Mario Krammer, Max Rintelen und Karl Rauch. In letzterer Zeit hat mir dann in besonders wirksamer Weise Herr Dr. Richard Salomon bei der endgültigen Redaktion des Manuskripts, und namentlich bei der Abfassung zahlreicher Anmerkungen, zum Teil auch durch ganz selbständige, in meinem Interesse angestellte Nachforschungen in regelmäßiger Mitarbeit zur Seite gestanden. Derselbe hat sich auch der Mühe unterzogen, von fast allen Druckbogen die erste Korrektur mit Manuskript zu lesen, während mein Freund, Herr Archivrat Dr. Robert Arnold, mich in der Beaufsichtigung der Drucklegung vertrat, nachdem er zuvor noch das Manuskript einer Durchsicht unterzogen hatte. Indem ich allen genannten Herren und auch allen denen, die mir außerdem mit Rat und Hülfe beigestanden haben, meinen herzlichsten Dank ausspreche, kann ich nicht umhin in diesen Dank ausdrücklich meine liebe Frau Melanie, geb. Eyßenhardt, einzuschließen, die dieses Werk vom ersten Entwurf bis zur letzten Korrektur mit stets tätiger Hülfe und Sorge begleitet hat, und auf deren Unterstützung allein ich zeitweilig angewiesen war.

Steglitz bei Berlin, den 22. Dezember 1907.

Karl Zeumer.



[IX]
Inhaltübersicht.



Seite
Einleitung 1 – 9
Aufgabe und Plan der Arbeit S. 1–2. Quellen für die

Geschichte der Goldenen Bulle S. 2–9 Chronikalische Quellen S. 3–4. Das Trierer Rechnungsbuch S. 4–9.

Erstes Kapitel: Inhalt und Ursprung der einzelnen Bestandteile der Goldenen Bulle 10 – 109
Eingangsverse und Proömium S. 10–12. c. I und II S. 12–25. Geleit der Wähler S. 12–15. Berufung zur Wahl S. 15. Gefolge der Wähler S. 15–16. Wahlpolizei S. 16. Versammlung der Wähler; Messe S. 16. Wahleid S. 16–17. Zwangsmaßregel gegen Verzögerung der Wahl S. 17. Zulassung verspäteter Wähler S. 17–18. Majoritätsprinzip, Gestattung der Selbstwahl zur Herstellung der Majorität in c. II, § 5 S. 18–19. Ist die notwendige Majorität die aller sieben, oder die der am Wahlakt teilnehmenden Wähler? S. 19–21. Die Wahl Ruprechts S. 21–23. Die erste Wahl Sigmunds S. 23–24. Die Refutatio anonymi S. 24–25. c. III–VI S. 25–42. Sitzordnung der geistlichen Kurfürsten S. 25. Geschichte des Streites um den Platz zur Rechten des Königs S. 25–28. Sitzordnung der weltlichen Kurfürsten S. 28–29. Berufung und Leitung der Wahl durch den Erzbischof von Mainz S. 29. Reihenfolge der Abstimmung S. 29–30. Die Erzämter der weltlichen Kurfürsten S. 30–33. Das sog. Reichsvikariat des Pfalzgrafen bei Rhein und des Sachsenherzogs S. 33–39. Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König S. 39–41. Übertragung der Sitzordnung auf analoge Fälle; Vorrang der Kurfürsten vor anderen Fürsten S. 41–42. c. VII S. 42–51. Ursprünglich selbständiges Gesetz über Vererbung und Übertragung der weltlichen Kurfurstentümer S. 42–43. Vorlage für die Bestimmungen über die Primogeniturfolge S. 43–45. Neuverleihung erledigter weltlicher Kurfürstentümer S. 45–46. Selbständige Publikation des Gesetzes vor Abschluß der Goldenen Bulle S. 46–50, wahrscheinlich am 25. Dezember 1355 S. 50–51. c. VIII–XI S. 51–61. Grundlage dieser Kapitel der Entwurf eines Privilegs für Böhmen S. 51–52. Privilegien de non evocando und de non appellando, Regalien, Münzrecht, Ländererwerb S. 52. Ein cc. VIII–X entsprechendes Privileg für Böhmen ist damals nicht ausgefertigt.

[X]

Die Urkunde Erzbischof Gerlachs von 1356, Januar 7 kein Willebrief, sondern Urkunde über ein Kurfürstenweistum S. 52–54. Diesem lag derselbe Entwurf zugrunde wie den cc. VIII–X S. 54. Auch ein entsprechendes älteres Privileg für Böhmen scheint nicht vorgelegen zu haben S. 54–56. Beruht der Entwurf überhaupt auf böhmischer Vorlage? S. 57–58. Zusatz zu c. XI im sog. böhmischen Exemplar (B) des Gesetzes S. 58–61. c. XII S. 61–68. Vereinbarung jährlicher Zusammenkünfte der Kurfürsten und des Kaisers S. 61. Zurückweisung der Ansicht Weizsäckers über Entstehung und Bedeutung dieses Kapitels S. 62–66. Verbot der invitatae generales aus Anlaß von Vorgängen auf dem Nürnberger Tage S. 66–67. Abneigung der Fürsten gegen die kostspieligen Reichsversammlungen S. 67–68. c. XIII S. 68–72. Ausschluß entgegenstehender Privilegien durch die der Kurfürsten S. 68. Veranlassung des Kapitels durch ein am 8. Dezember 1355 der Stadt Köln erteiltes, am 5. Januar 1356 widerrufenes Privileg S. 68–72. c. XIV. Abstellung von Mißbräuchen in der Anwendung des Fehderechts gegen Lehnsherren S. 72. c. XV S. 72–76. Verbot von Bündnissen der Untertanen gegen ihre Herren wie c. XIII auf Betreiben des Erzbischofs von Köln erlassen S. 72–73. Vorlagen: der ronkalische Landfriede von 1158 und ein Privileg für den Erzbischof von Köln S. 73–75. Ein allgemeines Landfriedensgesetz in Aussicht gestellt S. 76. c. XVI S. 76–80. Pfalbürgerverbot, veranlaßt durch Bischof Johann von Straßburg S. 76–78. Betonung des Beirates des Kurfürsten zum Erlaß dieses Verbotes S. 79–80. c. XVII. Vorschriften über die Fehdeansage und Verbot unrechter Fehden, angeregter Zölle und Geleite S. 80–81. cc. XVIII und XIX. Formulare für Wahlausschreiben und Wahlvollmacht S. 81–82. c. XX–XXIII S. 82–90. Vorlage des c. XX: Weistümer vom 7. Januar. Untrennbarkeit von Kurrecht, Erzamt und Fürstentum, Zulassung der Inhaber des Fürstentums zu Wahlen und allen Reichshandlungen der Kurfürsten S. 86–87. cc. XXI. XXII. Ordnung der Kurfürsten bei feierlichen Aufzügen S. 87–88. Vortragung des Zepters S. 88–89. c. XXIII. Geistliche Verrichtungen der geistlichen Kurfürsten bei Hoftagen S. 89–90.

c. XXIV. Übertragung des Majestätsrechtes auf die Kurfürsten nach Vorlage aus dem Codex Iustinianus S. 90. c. XXV. Unteilbarkeit der kurfürstlichen Gebiete und Anordnung einer Vormundschaft über krankheitshalber regierungsunfähige Kurfürsten S. 91. cc. XXVI–XXIX Ritual für große Reichshöfe S. 91–99. Abholung des Kaisers durch die Kurfürsten und Ordnung des Zuges zum Festplatz S. 91–92. c. XXVII. Ordnung der Ehrendienste (Erzämter) der Kurfürsten S. 92. c. XXVIII. Tafelordnung S. 93. c. XXIX. Ort der Wahl, der Krönung und des ersten Reichstages, Bevollmächtigte der Kurfürsten haben keinen Anspruch auf deren Ehrenplätze. Der kaiserliche Hofmeister erhält die bei Reichshöfen gebrauchten hölzernen Estraden S. 93. Vorlage für c. XXVII vielleicht die 1298 in Nürnberg verkündigte Ordnung der Erzämter S. 93–99. c. XXX S. 99–108. Befreiung der Kurfürsten von der Lehnstaxe; Höhe derselben S. 99–100. Das Kapitel ursprünglich

 

[XI]

ein selbständiges Gesetz S. 100. Die Befreiung der Kurfürsten von der Taxe eine Neuerung S. 100. Noch auf dem Nürnberger Tage hatte Erzbischof Boemund sie entrichtet S. 100–101. Höhe der Taxe und Verteilungsmodus nach älteren Quellen S. 101–104. § 4 über das Recht des Erzmarschalls und seiner Substitute auf die beim Lehnsempfang von den Fürsten gerittenen Pferde im Anschluß an das Weistum vom 6. Dez. 1355 abgefaßt S. 104–106. Als Zusatz zu c. XXX war ursprünglich der jetzige § 3 des c. XXIX verfaßt S. 106–108. c. XXXI. Der Sprachunterricht der Kurprinzen S. 108–109.

 

Zweites Kapitel: Geschichte der Gesetzgebung auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz. Nov. 1355 – Dez. 1356

110 – 183

Tätigkeit Karls IV. im Sommer 1355 S. 110–111. Einladung und Vorbereitungen zum Reichstage S. 111. Ankunft der Teilnehmer in Nürnberg S. 111–113. Programm des Kaisers S. 113. Die Goldene Bulle erledigt dasselbe nur zum Teil S. 114–115. Beginn der Verhandlungen S. 115–116. Die Entstehung des Nürnberger Teiles der Goldenen Bulle S. 116–151. Systematische Disposttion des Gesetzbuches S. 116–119. cc. XX–XXIII ein zwischen dem 7. und 10. Januar 1356 entstandener Nachtrag zu dem im übrigen abgeschlossenen Gesetz S. 119 bis 120. Der Publikationstermin vom 6. auf den 10. Januar verschoben S. 120–123. Entstehung des Grundstocks der Gesetze S. 123–130. c. VII wahrscheinlich am Weihnachtstage publiziert; c. XII kaum vor dem 5. Januar entstanden S. 123 cc. I–II wohl unter mainzischem Einfluß entstanden S. 123–125. Die Vorlage zu cc. VIII–XI wahrscheinlich vor, die übrigen Teile sämtlich erst während des Reichstages entstanden S. 125. Der Plan einer umfassenden Kodifikation erst nach Weihnachten gefaßt S. 125–126. Die Mehrzahl der Kapitel nicht von vornherein für die Kodifikation verfaßt S. 126–130. Das Proömium nicht allein zu cc. I–II, sondern als Publikationsedikt zum ganzen Gesetze gehörig S. 130–131. Die Satzungen S. 132 bis 134. Kapiteleinteilung und -Überschriften S. 134–136. Art des Zustandekommens der Gesetze S. 137–145. Beratung des Kaisers mit den Kurfürsten S. 137–140. Hinzuziehung anderer Personen S. 139–140. Die plenitudo imperatoriae potestatis als Quelle des Rechtes S. 141 bis 142. Form der Beratung S. 142–144. Die Publikation S. 144–145.

Frage nach dem authentischen (Kanzlei-)Exemplar des Gesetzbuches S. 145–151. Es ist nicht das böhmische (B) S. 145–146. Die Vorlage der Privilegien für Köln vom 25. Januar und 2. Februar S. 146–149. Die Straßburger Überlieferung des c. XVI S. 149–151.

Sonstige gesetzgeberische Tätigkeit auf dem Nürnberger Tage S. 152–169. Feststellung des sächsischen Kurrechtes S. 152–154. Regelung der Frage des pfälzischen Kurrechtes S. 155–160. Entscheidung über die brandenburgische Kur S. 160–164. Prinzip der Untrennbarkeit von Kurrecht und Kurland S. 164–166. Befestigung der kurfürstlichen Autonomie:

[XII]

Willebriefe und Kurfürstenweistümer S. 167–169. Schluß des Nürnberger Tages S. 169.

Der Metzer Reichstag S. 169–82. Eine Erweiterung der Kodifikation nicht schon zu Nürnberg geplant S. 169–170. Berufung und Beginn der Versammlung S. 170. Entstehung der Metzer Kapitel S. 171–172. Publikation S. 172–175. Die Publikationsnotiz im Mainzer Exemplar (M) S. 172. Der Bericht des Lewold von Northof über die Publikation S. 173–175. Schriftliche Publikation des ganzen Gesetzes auf dem Metzer Tage S. 175. Authentische Exemplare des Gesetzes, Grundlagen der für die Kurfürsten ausgefertigten Texte S. 175–177. Ein offizielles Original nicht nachweisbar; den vorhandenen Texten liegen zwei verschiedene Exemplare zugrunde. Später gilt B als offizielles Exemplar S. 178. Die Frage nach dem Verfasser der Goldenen Bulle S. 178–181. Johann von Neumarkt nicht der Verfasser S. 179–181. Das Weihnachtsfest zu Metz S. 181. Die Goldene Bulle für Sachsen. Schluß des Reichstages S. 182–183.

 

Drittes Kapitel: Die Bedeutung der Goldenen Bulle.

184 – 238

Die Goldene Bulle nicht das Resultat eines Kompromisses, sondern des einheitlichen Willens des Gesetzgebers S. 184 bis 185. Absichten des Gesetzgebers S. 185–190. Keine dynastischen Zwecke, weder in bezug auf Böhmen, noch auf das Reich S. 186–189. Die Goldene Bulle läßt keinen Raum für eine Königswahl vivente imperatore S. 187. Ziel des Gesetzes das Wohl des Reiches S. 189–190. Reinheit der Tendenz des Gesetzes, hervorgegangen aus einer gesteigerten idealen Richtung Karls IV. infolge der Kaiserkrönung S. 190–191. Stellung des Gesetzes zu den Beschlüssen von Rense, Frankfurt und Koblenz 1338 S. 191–195. Angebliche Tendenz gegen päpstliche Ansprüche S. 192. Beseitigung des päpstlichen Anspruchs auf die Reichsverwesung bei Erledigung des Thrones S. 192 bis 193. Die Goldene Bulle schließt eine päpstliche Approbation nicht aus S. 193. Die Frage der Approbation bleibt in suspenso S. 194–195. Verhalten Karls IV. bei Wenzels Wahl S. 195–198. Karl, kein prinzipieller Gegner päpstlicher Einmischung, sucht 1376 selbst eine solche herbeizuführen S. 197–198.

Form der Königswahl in der Goldenen Bulle S. 198 bis 220. Wollte der Gesetzgeber eine neue Form einführen? S. 198. Die Wahlformen von 1308 und 1314 S. 199–203. Die Wahldekrete S. 199–201. Nominatio und Electio; electio per unum S. 201–203. Nominatio in Form der Abstimmung S. 202. Veränderte Formen bei den auf die Goldene Bulle folgenden Wahlen S. 203–205. Die Nominatio nur noch einmal bei Wenzels Wahl S. 203–204. Die electio per unum durch feierliche Abstimmung ersetzt S. 204. Die Goldene Bulle führt keine neuen Formen ein S. 205–206. Sie setzt deren Bestehen bereits voraus. Die Nominatio in c. XIX S. 206. Bedeutung der Abstimmungsordnung in c. IV S. 207–208. Das Recht der ersten Stimme S. 208–220. Die älteste Fassung des Sachsenspiegels schreibt es Trier zu S. 209–211; spätere Fassungen

[XIII]

und der Schwabenspiegel dem Mainzer S. 211. Dagegen richten sich die Bemühungen der Trierer Erzbischöfe S. 211 bis 220. Boemund I. Albrechts I. Urkunde für Mainz 1298, Sept. 23. S. 212. Balduin S. 212–220. Seine Politik 1308 S. 212–215. Drei Wahldekrete für Heinrich VII. S. 213 bis 215. Vielleicht gab Balduin 1314 die erste Stimme ab S. 216. Unter seinem Einfluß Anwendung einer veränderten Form bei Karls Wahl S. 216–220. Gegensatz der Wahlformen vor und nach 1346 S. 220–221. Die Wahlform von 1346 die Grundlage der in der Goldenen Bulle vorgesehenen Form S. 221–222.

Die erzkanzlerischen Rechte S. 222–226. Die Goldene Bulle enthält in ihren wesentlichen Bestimmungen keine Neuerung, sondern kodifiziert bestehendes Recht S. 226–227. Karls IV. Verhalten zu seinem Gesetz S. 227–229. Durchdringen der Goldenen Bulle unter seinen Nachfolgern S. 229–232. Anerkennung als Reichsgrundgesetz 1519 S. 232–233. Würdigung der Goldenen Bulle S. 233 bis 238.

 

Exkurs I: Das Schwertträgeramt bis zur Goldenen Bulle

239 – 244

Exkurs II: Die Anschauungen des 14. und 15. Jahrhunderts über das böhmische Kurrecht

245 – 256



[XIV]

Im zweiten und dritten Kapitel ist von folgenden Stellen der Goldenen Bulle ausführlicher gehandelt:

Proömium S. 130.
c. I, II " 123.
c. IV " 207.
c. VII " 123.
c. XII " 123.
c. XVI " 128. 149.
c. XVII " 128.
c. XVIII " 129.
c. XIX " 129. 206.
c. XX–XXIII " 119.

Im ersten Kapitel sind die einzelnen Kapitel in der Reihenfolge des Gesetzes besprochen, so daß ein Verzeichnis der Stellen sich erübrigt.

[XV]
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Schriften.

Böhmer–Huber, Regesta Imperii VIII.

H. Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit. Wien 1876.

O. Hahn, Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle Karls IV. Breslauer Diss. 1902.

O. Harnack, Das Kurfürstenkollegium bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts. Gießen 1883.

Ch. J. Lacomblet, Urkundenbuch für die Geschichte des Niederrheins. Düsseldorfs 1840–1858.

Ch. Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV. Stuttgart 1882.

J. P. Ludewig, Vollständige Erläuterung der Guldenen Bulle, Frankfurt 1716–1719.

Monumenta Germaniae historica, Constitutiones. (MG. Const.)

Monumenta Germaniae historica, Scriptores. (MG. SS.)

E. Nerger, Die Goldene Bulle nach ihrem Ursprung und reichsrechtlichen Inhalt. Göttinger Diss. 1877.

J. D. von Olenschlager, Neue Erläuterung der Guldenen Bulle Kaysers Carls des IV. Frankfurt 1766.

J. D. von Olenschlager, Erläuterte Staatsgeschichte des Römischen Kayserthums in der Ersten Helfte des Vierzehenden Jahr–Hunderts. Frankfurt 1755.

F. M. Pelzel, Kaiser Karl IV. Prag 1780–81.

E. Reimann, Untersuchung über die Vorlagen und die Abfassung der Goldenen Bulle. Hallische Diss. 1898.

M. G. Schmidt, Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle. Hallische phil. Diss. 1894.

E. Werunsky, Geschichte Kaiser Karls IV. Innsbruck 1880–92.

Die im zweiten Teile gedruckten Urkunden sind zitiert: Urkunden Nr. 1 usw.



[XVI]

[1]
Einleitung




Über Ursprung und Bedeutung des unter dem Namen der Goldenen Bulle bekannten Reichsgesetzes haben in den wesentlichsten Punkten Zweifel nie bestanden. Die ersten 23 Kapitel hat Kaiser Karl IV. am 10. Januar 1356 auf dem Nürnberger Reichstage publiziert und am 25. Dezember desselben Jahres auf einem Reichstage zu Metz noch eine Anzahl ergänzender Kapitel hinzugefügt. Durch dieses bis zum Ende des heiligen römischen Reiches als dessen vornehmstes Fundamentalgesetz anerkannte Gesetz wurde das Recht der Königswahl dauernd festgelegt, die hervorragende Stellung der Kurfürsten gesichert, und das Zeremoniell für die feierliche Repräsentation des Reiches bei den großen Reichsfesten für alle Zeit geordnet. Über diese Punkte hinaus aber herrschten und herrschen im einzelnen viele Zweifel und Dunkelheiten, die auch durch die ziemlich reiche neuere Spezialliteratur über die Goldene Bulle keineswegs völlig behoben sind, wenn auch manche Fragen durch tüchtige Einzeluntersuchungen bereits endgültig gelöst erscheinen. So schien es mir wünschenswert, die Frage nach Ursprung und Bedeutung der Goldenen Bulle noch einmal im Zusammenhange unter Heranziehung des gesamten Quellenmaterials zu untersuchen und die gesicherten Resultate eigener und fremder Forschung in einer größeren Darstellung zusammenzufassen.

Bei der Frage nach dem Ursprung mußten schon aus praktischen Gründen gesondert behandelt werden der Ursprung der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes im ganzen. Damit aber ergab sich die Einteilung der nachfolgenden Arbeit von selbst. In einem ersten Kapitel werden die einzelnen Bestandteile des Gesetzes, die einzelnen [2] Kapitel oder die Gruppen zusammengehöriger Kapitel untersucht, ihr Inhalt analysiert, die etwa vorhandenen Quellen und Vorlagen nachgewiesen, und die Geschichte der darin behandelten Institute, soweit das nicht schon anderweit in genügender Weise geschehen ist, bis zur Kodifizierung durch das Gesetz verfolgt. Wenn dabei die Erörterung einzelner Kapitel sich fast zu einem Kommentar gestaltet, so wird dadurch hoffentlich die Forschung gefördert, und die Erörterung mancher vielleicht unwesentlich erscheinender Einzelheiten nicht allzusehr als Ballast empfunden. Das zweite Kapitel bringt dann die Darstellung der Gesetzgebung auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz, soweit sie sich unmittelbar oder mittelbar auf die Goldene Bulle bezog. Dabei finden auch die Fragen der Textgeschichte besondere Berücksichtigung. Das dritte Kapitel erörtert die Bedeutung der Goldenen Bulle, die Ziele und Absichten des Gesetzgebers, die Wirkungen des Gesetzes im allgemeinen und insbesondere seine Bedeutung für die Entwicklung des Rechtes der Königswahl und ihrer Formen.

Bevor wir uns unserer eigentlichen Aufgabe zuwenden, mögen noch einige Bemerkungen und Erörterungen über die uns für die Lösung derselben zu Gebote stehenden Quellen voraufgeschickt werden.

Unsere Hauptquelle für die Entstehungsgeschichte der Goldenen Bulle ist der Text des Gesetzes selbst. Daneben kommen in erster Linie eine Anzahl Urkunden in Betracht, deren Inhalt in Beziehung zu Bestimmungen des Gesetzes steht, und die zum Teil auch Angaben über seine Entstehung und Publikation enthalten.[1] Dazu kommen einzelne Briefe, welche entweder unmittelbar Bezug nehmen auf die Gesetzgebung oder doch Angaben enthalten, die irgendwie für deren Geschichte von Bedeutung sind.

Merkwürdig ist, wie überaus geringfügig die Spuren sind, welche von den Urkunden abgesehen der Akt der Gesetzgebung in den gleichzeitigen Aufzeichnungen hinterlassen hat. Während seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts die Goldene Bulle sich [3] einer schnell steigenden Wertschätzung erfreute, sind die Zeitgenossen fast durchweg achtlos an ihr vorübergegangen. Selbst die auf den Reichstagen, auf denen das Gesetz publiziert wurde, anwesenden Personen scheinen von den bedeutsamen Vorgängen, abgesehen natürlich von den unmittelbar beteiligten Kreisen, kaum etwas gemerkt zu haben. Und wenn wir es vielleicht begreifen, daß der Verfasser des gleich näher zu besprechenden Trierer Rechnungsbuches aus seiner Küchenperspektive zum 10. Januar 1356 nur von den vom Erzbischof von Trier zur Tafel geladenen Personen zu berichten weiß, und entsprechend auch zum 25. Dezember zu Metz nur die große Festtafel erwähnt, so muß es doch wundernehmen, daß auch die Städteboten in ihren Berichten von dem Hauptereignis der Reichstage so wenig zu sagen wissen. Gewiß sind viele derartige Korrespondenzen verloren gegangen; doch gibt es auch unter dem überlieferten Material einen deutlichen Beweis für den Mangel an Interesse in diesen Kreisen. In dem kurz nach dem Weihnachtstage 1356 von den Straßburger Ratsboten über diesen Tag erstatteten Bericht[2] wird von allen möglichen Dingen gehandelt, von der großen Zahl der anwesenden Fürsten und Herren, von dem großen Festmahle, bei dem die von den Kurfürsten geübten Erzämter hervorgehoben werden; von der an demselben Tage vollzogenen Publikation des Gesetzes kein Wort! In demselben Schreiben melden die Boten, daß sie ihre Angelegenheit beim Kaiser noch nicht hätten anbringen können wegen der vielen Geschäfte, die er mit den Fürsten zu erledigen hätte. Man scheint demnach hier die Städteboten auch gar nicht zu dem Akte der Publikation herangezogen zu haben, vielleicht, weil es sich in den Metzer Gesetzen nicht mehr um Dinge handelte, die für die Städte von unmittelbarem Interesse waren.

Jedenfalls machen es solche Beobachtungen erklärlich, wenn in noch ferner stehenden Kreisen die Goldene Bulle fast gar nicht beachtet wird. Von den gleichzeitigen chronikalischen Quellen erwähnt nur eine die Nürnberger Gesetzgebung, und zwar in der allerdürftigsten Weise. Es ist das, worauf [4] Th. Lindner hingewiesen hat, Werner von Lüttich.[3] Sonst berichtet über den Nürnberger Tag etwas eingehender Heinrich von Dießenhofen, der jedoch nur von einer damals vereinbarten Landfriedensorganisation zu berichten weiß, nicht aber von unserm Gesetze.[4]

Die hohe Politik, die Regelung der Königswahl und des Rechtes der Kurfürsten interessierte die weiteren Kreise damals offenbar nicht. Dagegen war fast jedermann an der Aufrichtung des Landfriedens mehr oder weniger direkt beteiligt. So fanden von allen Gesetzen allezeit die Landfriedensgesetze das allgemeinste Interesse im Volke; und dieses Interesse war es auch in erster Linie, welches den einzigen gleichzeitigen Chronisten, der etwas näher auf die Goldene Bulle eingeht und ein Exemplar derselben eingesehen hat, Lewold von Northof, zu seinen Mitteilungen bewogen hat. Er spricht in seiner Chronik der Grafen von der Mark von den nützlichen Gesetzen, die Karl IV. zu Metz erlassen habe, und teilt dann aus der Goldenen Bulle das 17. Kapitel mit, welches er wegen der darin enthaltenen Bestimmungen zur Einschränkung der Fehde für besonders heilsam in Anbetracht seiner westfälischen Heimat hält. Wir kommen später noch bei Besprechung der Metzer Gesetzgebung auf die Mitteilung Lewolds zurück.

Eine Quelle von ganz hervorragender Bedeutung für die Geschichte der Reichstage von Nürnberg und Metz und damit für die Entstehungsverhältnisse der Goldenen Bulle ist das bisher freilich nur in einem verkürzten Auszuge gedruckte Rechnungs- und Tagebuch über einige Reisen Erzbischof Boemunds von Trier. Überliefert ist uns dieses Buch nur durch einen kürzeren Auszug und eine vollständigere Bearbeitung des kurtrierischen Geheimschreibers Peter Maier von Regensburg[5], der nach etwa 60jähriger Tätigkeit im Dienste der Erzbischöfe von Trier im Jahre 1542 starb. Die vollständigere Fassung des Rechnungsbuches [5] ist enthalten in dem von Peter Maier im Jahre 1532 mit Benutzung von Urkunden und anderem archivalischem Material verfaßten Huldigungsbuche, dessen Handschrift sich seit 1873 im Staatsarchiv zu Koblenz befindet. Dieser Text, den wir als A bezeichnen, ist noch nicht gedruckt, wird aber demnächst im Neuen Archiv (Bd. 33) durch R. Salomon, dessen Abschrift ich benutze, herausgegeben werden. Eine kürzere Fassung hat Peter Maier einem anderen 1536 geschriebenen Werke, dem schon zu den älteren Beständen des Koblenzer Staatsarchivs gehörenden Ämterbuch, einverleibt. Der hier gegebene Text, den wir als B bezeichnen, ist bereits zweimal gedruckt und zwar in ein und demselben Jahre 1838: das eine Mal nach der Koblenzer Originalhandschrift von H. Beyer[6], das andere Mal von Wyttenbach und Müller nach einer späteren Abschrift in der Trierer Stadtbibliothek.[7] Auch in dieser unvollkommneren Gestalt hätte die Quelle eine ganz andere Beachtung verdient, als sie bisher gefunden hat. Ganz vereinzelt sind Angaben aus ihr in der Literatur benutzt. Für die Geschichte der Goldenen Bulle hat Harnack eine Angabe über die Publikation der Metzer Gesetze benutzt, die aber leider gerade zu den wenigen eigenen Zutaten Maiers gehört, während er wie alle andern an den Angaben, welche für die Erläuterung und Entstehungsgeschichte des Gesetzes von wirklicher Bedeutung sind, vorübergeht.

Erst die in das Huldigungsbuch aufgenommenen Mitteilungen lassen den Charakter der Quelle und die Art ihrer Bearbeitung durch Peter Maier genauer erkennen. Es war ein am Hofe Boemunds von Trier während dreier Reisen desselben geführtes Rechnungs- und Tagebuch. Die erste der Reisen ist die Huldigungsfahrt durch das Territorium im Juli 1354, die zweite die zum Nürnberger Reichstage im Dezember 1355 und Januar 1356, die dritte die zum Metzer Tage vom November 1356 bis Januar 1357. Die Eintragungen waren durchweg völlig gleichzeitig und meist von Tag zu Tage fortschreitend aufgezeichnet. Die Sprache war durchaus die lateinische. Wo in A die deutsche Sprache begegnet, handelt es sich um Übersetzung und Bearbeitung oder auch um Zusätze Maiers. Doch hat er auch [6] einzelne Zusätze da, wo es ihm bequemer war, in lateinischer Sprache eingefügt. Den Grundstock der Aufzeichnungen über die beiden uns hier allein interessierenden Reichstagsreisen bildet ein genaues Itinerar mit Angabe der Nachtquartiere, der Anzahl der jeweilig zu verpflegenden Pferde und die periodisch wiederkehrende Angabe über die in gewissen Zeiträumen aufgewendeten Kosten. Gastmähler, welche der Erzbischof gibt, bieten Anlaß, die bei solchen Gelegenheiten gemachten Aufwendungen zu verzeichnen. Es werden aber auch die vornehmsten Gäste namhaft gemacht und ebenso wird vermerkt, wenn und bei wem der Erzbischof zur Tafel geladen ist. So kommt es, daß namentlich die Aufzeichnungen über den Nürnberger Tag fast einem vom Standpunkte der Trierischen Hofhaltung oder speziell der erzbischöflichen Küche aus verfaßten Reichstagsdiarium ähnlich sehen. Das Übermaß der Festlichkeiten bot dem Kaiser, wie unsere Quelle berichtet, Anlaß zum Einschreiten; eine Nachricht, die auf eine Bestimmung in c. XII der Goldenen Bulle und auf eine Stockung in den Vorbereitungen des Nürnberger Gesetzbuches helles Licht fallen läßt. Neben dem fortlaufenden Verzeichnis der Ausgaben für die eigentliche Hofhaltung findet sich am Ende der Nürnberger Reise noch ein Verzeichnis außerordentlicher Ausgaben, welche anscheinend schon in der alten Quelle selbst als extraordinarie (sc. expense) bezeichnet waren, unter denen uns die Zahlungen für den Lehnsempfang an die Hofbeamten und für die Ausfertigung von zwei Privilegien besonders interessieren. Die Notiz über die Zahlung der Lehnstaxe ist von Bedeutung für die Erläuterung des c. XXX. Die Aufzeichnungen über die Gebühren für die Privilegien aber sind bemerkenswert namentlich für die Kritik der Quelle selbst.

Nachdem die Beträge für den Kanzler, den Ingrossator und den Besiegler aufgeführt sind, wird noch ein Posten für die gelbe und schwarze Seide zu den Siegelschnüren verzeichnet, und dann noch 25 Gulden pro bulla aurea. Damit kann natürlich nur ein wirkliches Goldsiegel gemeint sein, und zwar ist es das des Sammelprivilegs für die Trierer Kirche vom 5. Januar 1356.[8] Wenn dann aber weiter hinzugefügt wird: que adhuc [7] habetur in Ehrenbreitstein, so kann dieser Zusatz natürlich nicht vom Verfasser der Vorlage herrühren, sondern erst erheblich später geschrieben sein. Außerdem ist deutlich, daß hier nicht mehr von dem Goldsiegel jenes Privilegs die Rede ist, sondern von dem im erzbischöflichen Archiv zu Ehrenbreitstein befindlichen Exemplar der Goldenen Bulle. Wie hier in einem offenbar nicht dem Texte des Rechnungsbuches angehörigen Satze die Bezeichnung bulla aurea auf das Gesetz bezogen wird, so wird in entsprechender Weise auch noch an einer anderen Stelle, die ebenfalls ihrem Inhalte nach nicht gleichzeitig mit dem Text des Rechnungsbuches sein kann, das Gesetz als aurea bulla bezeichnet. Es ist dies die Stelle, welche von der Publikation der Metzer Gesetze handelt. Sie lautet: illo die sunt promulgate leges auree bulle annexe, que incipiunt: „Si quis cum principibus“ etc. et est 31 capittulum auree bulle. Die Notiz ist auf Grund eines Textes der Goldenen Bulle verfaßt, wie er auf dem Metzer Tage noch nicht vorgelegen haben kann. Das Trierer Exemplar, an das man hier zunächst denken könnte, kann hier nicht benutzt sein, weil es weder die Vorbemerkung vor den Metzer Kapiteln enthält, noch eine Kapitelzählung. Jene Vorbemerkung aber, welche einige der Originalausfertigungen enthalten, und die auch in spätere Abschriften und Drucke übergegangen ist, bildet die Grundlage der ganzen Notiz, und aus ihr sind die Worte sunt promulgate leges direkt herübergenommen. Die Angabe, daß das mit den Anfangsworten zitierte erste Kapitel das 31. der Goldenen Bulle sei, beruht auf einem Irrtum des Verfassers, den wir nicht aufzuklären vermögen, da das Kapitel, wo es überhaupt gezählt wird, stets als c. XXIV beziffert wird. Das aber ergibt die Notiz mit Sicherheit, daß in ihr ein Text des Gesetzes benutzt ist, der auch in den Metzer Zusätzen eine Kapitelzählung enthielt. Solche Texte jedoch hat es unzweifelhaft erst erhebliche Zeit nach dem Metzer Tage gegeben.

Haben wir nun zwei Stellen kennen gelernt, in denen die Bezeichnung aurea bulla auf unser Gesetz bezogen wird, und welche beide sich als spätere Zusätze charakterisieren lassen, so spricht das von vornherein dafür, daß auch die dritte Stelle, in der die Goldene Bulle unter diesem Namen erwähnt wird, eine spätere Zutat ist. Am 10. Januar heißt es in der Quelle: [8] Dominica 10. Ianuarii comederunt cum domino comes Sarepontensis, Galterus frater domini Metensis, dominus de Blaumont, primicerius Metensis, cives Metenses et Virdunenses cum multis. Uff diesen tage hait der romisch keiser in maiestate gesessen und by ime die sehss curfursten sambt andern fursten etc. Daselbst die gulden bulle ussgangen. Hier verrät schon die deutsche Sprache, daß die von der Goldenen Bulle handelnden Worte einen der lateinischen Originaleintragung zum 10. Januar hinzugefügten Zusatz Peter Maiers darstellen. Wäre der Satz vom Verfasser des Rechnungsbuches geschrieben, so wäre er sicher nicht nur lateinisch abgefaßt, sondern auch an der richtigen Stelle eingetragen, d. h. vor der Notiz über das Gastmahl, welches gewiß der Publikation des Gesetzes nicht vorausging, sondern folgte. Endlich ist auch in diesem Satze wie in dem vorher besprochenen die Quelle lediglich der Text des Gesetzbuches selbst. Mit dem so gewonnenen Ergebnis, daß die drei Stellen, in denen das Gesetz mit der uns geläufigen Bezeichnung belegt wird, nicht dem ursprünglichen Texte des Rechnungsbuches angehören können, stimmt nun auch der weitere Umstand, daß die Bezeichnung des Gesetzes als gulden bulle oder aurea bulla zur Zeit, wo es entstand, äußerst unwahrscheinlich und jedenfalls sonst nicht vor dem Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbar ist. Daß aber der Urheber aller dieser Interpolationen Peter Maier selbst war, ist kaum zu bezweifeln. Für die deutsche Stelle ist das durch den Dialekt gesichert, und für die Bemerkung über die Metzer Gesetze durch die Erweiterungen, welche er ganz in der Art der ursprünglichen Notiz ihr im Ämterbuche einige Jahre später hat zuteil werden lassen. Ihm als genauem Kenner des erzbischöflichen Archivs zu Ehrenbreitstein ist auch ohne Zweifel der Zusatz über den Aufbewahrungsort des trierischen Exemplars der Goldenen Bulle zuzuschreiben. Von den sonst für unsere Zwecke allenfalls noch in Betracht kommenden Stellen sind als Interpolationen Maiers nur noch die Sätze anzusprechen, welche von der angeblichen Ausübung der erzkanzlerischen Ehrenrechte berichten, soweit sie nach der Goldenen Bulle jedem der Erzkanzler nur in dem Bezirk seines Erzkanzellariates zustanden. Maier nahm offenbar an, daß Boemund zu Metz, welches doch nicht zu seinem Archikanzellariat gehörte, zur Ausübung der erzkanzlerischen Ehrenrechte [9] befugt gewesen sei und diese damals geübt habe, was er dann mit Hilfe der Goldenen Bulle ausmalte.

So stehen wir denn am Schluß unserer Kritik vor dem eigenartigen Ergebnis, daß in der für die Entstehung und Erläuterung der Goldenen Bulle so wichtigen Quelle gerade diejenigen Stellen als wertlos auszuscheiden sind, welche ausdrücklich von dem Gesetze handeln.[9]



[10]
Erstes Kapitel.
Inhalt und Ursprung der einzelnen Bestandteile der Goldenen Bulle.




Eingangsverse und Proömium.

Den Eingang der Nürnberger Gesetze ziert eine aus 14 Hexametern bestehende poetische Einleitung, deren größerer Teil aus älteren Dichtern entlehnt ist. Längst war es bekannt[10], daß die größere Hälfte der Verse dem Carmen paschale (I, 60. 61 und 53–59) des britannischen Dichters Cölius Sedulius, der im 5. Jahrhundert schrieb, entstammt. Erst kürzlich aber hat die Entlehnung weiterer Verse H. Christensen nachgewiesen.[11] Er zeigte, daß in den Versen 4 und 5 die Worte

. . . . . . . . . . . . . . . ubi regnat Erinis,
Imperat Allecto, leges dictante Megera

dem Anticlaudianus des Philosophen Alanus ab Insulis angehören (lib. VIII, c. III, 24–25, Migne Bd. 210, S. 562 C), und daß in den Versen 3 und 7 sich Reminiszenzen an karolingische Dichtungen finden (Alcuin 48, 5; Dungal I, 4).

In diesen Versen fällt eine Mischung von antik-heidnischen und christlichen Bestandteilen auf, die sich ebenso in dem prosaischen Proömium findet.

[11] Dieses beginnt ganz wie die feierlichen lateinischen Urkunden Karls IV. mit der Invokationsformel, dem Titel des Kaisers und den Worten Ad perpetuam rei memoriam. Dann folgt die Arenga, welche mit Betrachtungen über die Nachteile der Zwietracht für ein Reich beginnt. Die Anfangsworte: Omne regnum in se ipsum divisum desolabitur; nam principes eius facti sunt socii furum, sind auch denjenigen Deutschen, welche niemals die Goldene Bulle gelesen haben, wohlbekannt aus Goethes Wahrheit und Dichtung. Der Dichter erzählt im vierten Buche, wie er als Knabe oft bei dem Schöffen von Olenschlager gewesen sei, als dieser seine auch uns noch so wertvolle Neue Erläuterung der Güldenen Bulle verfaßte. Er habe seine Gewohnheit, die Anfangsworte bedeutender Schriftwerke auswendig zu lernen, auch auf die Goldene Bulle angewandt und so den belehrten Herrn oft überrascht, indem er jene Worte deklamierte. Der kluge Mann habe dann bedenklich den Kopf geschüttelt und gesagt: „was müssen das für Zeiten gewesen sein, in welchen der Kaiser auf einer großen Reichsversammlung seinen Fürsten dergleichen Worte ins Gesicht publizieren ließ.“ Olenschlagers Bedenken würden wohl weniger stark gewesen sein, wenn er beachtet hätte, daß diese Worte nichts waren, als ein Zitat aus der Bibel; wie denn auch die folgenden Sätze in gleicher Weise aus Bibelzitaten zusammengestellt sind. Das ist längst bekannt, aber auch in neuerer Zeit nicht immer genügend beachtet worden.[12]

Auf die Bibelstellen folgen weitere Betrachtungen über das durch Zwiespalt (divisio) angerichtete Unheil: Lucifers Sturz, Adams Vertreibung aus dem Paradies durch den „neidischen Satan“, Trojas Zerstörung infolge der Untreue Helenas und Roms Zerrüttung in dem Bürgerkriege zwischen Cäsar und [12] Pompejus waren die Folgen der divisio. Auch das deutsche Reich sei oft in Wirren gestürzt durch Zwietracht unter den sieben Kurfürsten. Um nun den Gefahren solcher Zwietracht entgegenzutreten, habe der Kaiser, durch seine doppelte Stellung als Kaiser und als Kurfürst dazu berufen, sich entschlossen, die nachfolgenden Gesetze zur Förderung der Einigkeit unter den Kurfürsten und zur Sicherung der einhelligen Königswahl zu erlassen, und habe dieselben nach vorgängiger Beratung auf dem Reichstage zu Nürnberg im Schmuck der kaiserlichen Insignien thronend in Gegenwart der Kurfürsten und vieler Fürsten, Grafen, Herren, Edelen und Städteboten aus kaiserlicher Machtvollkommenheit am 10. Januar 1356 verkündet.


Kapitel I und II.

Die beiden ersten Kapitel des Gesetzes handeln von den Vorbereitungen zur Königswahl und von der Wahl selbst. Ob sich die vorausgeschickte Einleitung, wie man gemeint hat, nur auf diese beiden Kapitel bezieht, lassen wir vorläufig unerörtert. Jedenfalls aber stehen c. I und II im allerengsten Zusammenhange miteinander.

Das erste handelt nicht ausschließlich, wie man nach der Überschrift: Qualis esse debeat conductus electorum et a quibus, annehmen sollte, vom Geleit der Wähler, sondern beschäftigt sich in seiner zweiten Hälfte auch mit anderen Vorbereitungen zur Wahl des Königs.

In § 1 werden zunächst die Kurfürsten verpflichtet, ihren Mitkurfürsten oder deren Wahlgesandten auf Verlangen sicheres Geleit durch ihr Gebiet und, sofern sie dazu imstande sind, auch darüber hinaus zu gewähren. Verletzung dieser Geleitspflicht wird mit der Strafe des Meineides und des Verlustes des Wahlrechtes für diese Wahl bedroht.

Die gleiche Verpflichtung enthält § 2 für alle Reichsfürsten, Grafen, Herren, Ritter und Stadtgemeinden; doch wird hier die angedrohte Strafe verschärft. Die Fürsten, Grafen, Herren und alle Edelen sollen bei Verletzung der Geleitspflicht nicht nur mit der Strafe des Meineides, sondern auch mit Verlust aller Lehen, die sie vom Reich oder von andern Herren haben, sowie mit dem Verlust aller anderen Güter bestraft werden. Städtebürger [13] aber und Stadtgemeinden, welche dieses Gebot verletzen, sollen ebenfalls meineidig sein, aller Privilegien, Rechte, Freiheiten und Gnaden verlustig gehen, ohne weiteres in die Reichsacht verfallen sein und von jedem straflos geschädigt werden können. Die gleichen Strafen werden in § 3 denjenigen Bürgern und Stadtgemeinden angedroht, welche den Kurfürsten oder ihren Wahlgesandten während der Reise den Verkauf der notwendigen Lebensbedürfnisse zu den gewöhnlichen Preisen und unter Annahme des Geldes zu gewöhnlichem Kurse verweigern, und ebenso sollen die Strafen des Geleitsbruches alle Fürsten, Grafen, Herren, Edele, Bürger und Stadtgemeinden erleiden, die gegen die Kurfürsten und Wahlgesandten irgendwelche Feindseligkeiten ausüben. Die Bestimmungen der §§ 2 und 3 gehören so eng zueinander, daß sie besser als ein Paragraph gezählt würden.

In § 4 und in dem ersten Satze des § 5 wird ausdrücklich hinzugefügt, daß für die Verweigerung des Geleites und den Geleitsbruch die oben angedrohten Strafen auch dann eintreten sollen, wenn zwischen den Kurfürsten und den Übertretern zurzeit Feindschaft und Fehde bestand.

Der zweite mit Ad premissorum autem omnium beginnende Teil des § 5 enthält eine Ergänzung zu allen vorhergehenden Paragraphen, indem er bestimmt, daß alle die im vorstehenden Verpflichteten schriftlich und eidlich geloben sollen, diese Verpflichtungen zu erfüllen. Die Verweigerung derartiger Gelöbnisse soll mit denselben Strafen gesühnt werden, wie Verweigerung und Verletzung des Geleites selbst.

Eine eigentümliche Bestimmung, deren Zweck und Bedeutung nicht ganz klar ist, folgt in § 6. Wer sich weigert, die vorstehenden und nachfolgenden Gesetze zu erfüllen, oder ihnen zuwiderhandelt, soll die Belehnung mit den ihm vom Reiche oder sonst zustehenden Lehen nicht erhalten und, wenn er ein Kurfürst ist, von den übrigen Kurfürsten aus ihrem Kollegium ausgeschlossen werden. Namentlich unklar ist, wie weit hier der Begriff der leges infra scriptae zu fassen ist. Ich möchte annehmen, daß der Verfasser dieser Stelle nur die von den Vorbereitungen zur Wahl und der Wahl selbst handelnden Satzungen im Auge hatte; so daß derjenige Kurfürst, Fürst oder Herr, welcher das Wahlgesetz verletzt hatte, damit den Anspruch auf die Investitur mit seinen Lehen durch den neuerwählten [14] König verloren haben sollte. Auf wie lange Zeit sich der Ausschluß aus dem Kurfürstenkollegium erstrecken sollte, ist nicht ersichtlich.

Nunmehr folgen in §§ 7–12 ausführliche Bestimmungen darüber, welche Reichsstände besonders zum Geleit der einzelnen Kurfürsten verpflichtet sein sollen. Daran schließen sich dann in §§ 13 und 14 wieder allgemeine Bestimmungen.

§ 13 ordnet an, daß derjenige Kurfürst, welcher das Geleit von einem Reichsstande in Anspruch nimmt, dasselbe rechtzeitig schriftlich unter Angabe der Reiseroute nachsuchen soll, und § 14 bestimmt nochmals ausdrücklich, obwohl sich das schon aus § 7 ergab, daß auch die im vorstehenden nicht besonders genannten Reichsstände zur Leistung des Geleites verpflichtet sein sollen.

Alle diese Bestimmungen über das Geleit bezeichnen in ihrem Zusammenhange eine Neuerung und einen erheblichen Fortschritt gegenüber den früheren Zuständen. Bisher genossen die zur Wahl reisenden Kurfürsten keinerlei besondere Vorrechte. Es lag ihnen gegenüber keine besondere Verpflichtung zum Geleit vor, und das Fehderecht war ihnen gegenüber nicht suspendiert. Daher konnte es sich ereignen, daß ein Kurfürst der Wahl fernbleiben mußte, weil er das Gebiet eines Feindes nicht durchreisen konnte, wie das noch im Jahre 1314 dem Erzbischof Heinrich von Köln begegnet war. In andern Fällen mußte ein Kurfürst, um sicher zum Wahlorte und wieder zurück in sein Land zu gelangen, Verträge wegen sichern Geleits oder wegen Stellung von Geleitsmannschaften abschließen.[13] Nur wenn man dies berücksichtigt, wird man die Bestimmungen des Gesetzes gerecht beurteilen und nicht, wie das wohl geschehen ist, deshalb tadeln, weil sie den Zustand der Fehde und der Unsicherheit im allgemeinen unbeachtet und unberührt lassen und sich darauf beschränken, den Frieden und die Sicherheit, wie sie nach unsern Vorstellungen die Staatsgewalt dauernd herstellen [15] und daher als die Regel betrachten sollte, für die zur Königswahl reisenden Kurfürsten oder deren Gesandtschaften zu verbürgen.[14]

In den folgenden Paragraphen werden noch wichtige Einzelheiten in bezug auf die sonstigen Vorbereitungen zur Wahl geregelt. Zunächst erkennt § 15 dem zeitigen Erzbischof von Mainz ausschließlich das Recht und die Pflicht der Berufung zur Wahl zu, in Übereinstimmung mit c. IV, § 2. Damit ist gesetzlich die Ausschließlichkeit dieses Rechtes für Kurmainz gegenüber den im 13. Jahrhundert hervortretenden Ansprüchen des Pfalzgrafen bei Rhein auf ein konkurrierendes Berufungsrecht für die Dauer zur gesetzlichen Anerkennung gebracht. Der Inhalt des Berufungsschreibens wird kurz angegeben, wegen des Wortlautes und der Form desselben aber wird auf das Formular verwiesen, welches sich nebst dem Formular für die Prokuratorien der Wahlgesandten am Ende des Gesetzes befinde. Auf die Bedeutung dieser Stelle ist später noch näher einzugehen. Als gesetzlicher Wahlort wird hier wie an andern Stellen der Goldenen Bulle Frankfurt a. M. bezeichnet.

Der folgende Paragraph fügt in Ergänzung dieser Bestimmungen hinzu, daß, wenn die Nachricht vom Tode des Königs in der Mainzer Diözese bekannt geworden ist, der Erzbischof die Todesanzeige und zugleich die Berufung zur Neuwahl den Kurfürsten übersenden soll. Die Berufung soll erfolgen auf einen Tag, der von dem mutmaßlich spätesten Tage der Zustellung dieses Schreibens drei Monate entfernt ist. Unterläßt der Mainzer die ihm obliegende Berufung, so haben sich die Kurfürsten ohne weiteres nach Ablauf der drei Monate am Wahlorte einzufinden.

In § 17 wird bestimmt, daß jeder Kurfürst in die Wahlstadt mit nicht mehr als 200 Berittenen, unter denen sich höchstens 50 Bewaffnete befinden dürfen, einziehen solle. Daran schließt sich in § 18 die weitere Bestimmung, daß der Kurfürst, welcher, obwohl geladen, weder selbst erscheint noch gehörig [16] beglaubigte und bevollmächtigte Gesandte schickt, und ebenso derjenige Kurfürst, welcher vor der Vollendung der Wahl die Stadt verläßt, für diesesmal seines Wahlrechtes verlustig gehen solle.

Die letzten Bestimmungen unseres Kapitels, §§ 19 und 20, betreffen die Wahlpolizei, welche den Bürgern von Frankfurt übertragen wird. Die Bürger werden verpflichtet, die Kurfürsten nebst ihrem Gefolge vor gegenseitigen Angriffen und vor jedermann zu schützen, und müssen dies durch einen besonderen Eid versprechen, dessen Verletzung mit den schwersten Strafen bedroht wird. Die Frankfurter Bürger sollen auch während der Wahl außer den Kurfürsten oder deren Gesandten nebst dem gesetzlichen Gefolge keine Fremden in der Stadt dulden.

Für die Bestimmungen in §§ 18 und 19 über Verlust des Wahlrechtes und die eidliche Verpflichtung der Bürger der Wahlstadt haben dem Verfasser unzweifelhaft die entsprechenden Bestimmungen der Konklaveordnung Gregors X. zum Vorbild gedient.[15]

Das zweite Kapitel trägt die Überschrift: De electione Romanorum regis, welcher der Inhalt völlig entspricht.

Zunächst wird in § 1 bestimmt, daß sich die Kurfürsten oder ihre Wahlgesandten am Tage nach ihrer Ankunft in Frankfurt in aller Frühe in die Bartholomäuskirche begeben sollen. Dort sollen sie die Messe vom Heiligen Geist (Veni creator Spiritus) singen lassen, damit der Heilige Geist ihre Herzen und Sinne erleuchte, daß sie einen gerechten, guten und tüchtigen Mann zum Könige erwählen. Darauf sollen sie an den Altar herantreten, auf welchem das Johannisevangelium: In principio erat verbum aufgeschlagen liegt. Die Geistlichen sollen vor dem Evangelium die Hände auf der Brust kreuzen, die Weltlichen dasselbe mit der Hand berühren und so alle zusammen in deutscher Sprache (vulgariter) den Wahleid schwören, dessen Formel ihnen der Erzbischof von Mainz vorsprechen soll. Nun folgt der Wortlaut des Eides, aber nicht, wie man nach dem Vorhergehenden vermuten sollte, in deutscher, sondern in lateinischer Sprache; so daß der Mainzer Erzbischof und die mit [17] ihm Schwörenden eine deutsche Übersetzung des gesetzlichen Formulars benutzen mußten.[16]

Vor der Goldenen Bulle wird eines Wahleides der Kurfürsten nur einmal gedacht, und zwar im Kaiserlichen Land- und Lehnrechtsbuch, dem sog. Schwabenspiegel (Landrecht Laßberg c. 130; Gengler c. 109), wo der Inhalt des Eides in indirekter Rede angeführt wird. Richtig hat schon Reimann S. 19 darauf hingewiesen, daß Anklänge an diesen Eid sich in unserem Formular finden. Es sind namentlich die Worte: absque omni pacto, sripendio, precio vel promisso, welche fast wie eine freie Übersetzung der Worte des Rechtsbuches: daz si durch guotes miete, daz in geheizen si oder gegeben si, aussehen. Der Verfasser der Goldenen Bulle hat entweder die Angaben des Schwabenspiegels über den Eid oder eine deutsche Eidesformel ähnlichen Inhalts als Vorlage benutzt. Da aber außer im Schwabenspiegel sich nirgend eine Spur von einem solchen Wahleide findet, und der Schwabenspiegel auch an anderen Stellen der Goldenen Bulle offenbar als Vorlage gedient hat, so möchte ich das auch hier annehmen.

Weiter wird dann in § 3 angeordnet, daß die Wähler nach Ablegung des Eides zur Wahl schreiten und die Stadt nicht verlassen sollen, bis sie ein weltliches Haupt der Christenheit erwählt haben. Erfolgt eine solche Wahl vom Tage der Eidesleistung ab gerechnet nicht innerhalb 30 Tagen, so sollen die Wähler nur noch mit Wasser und Brot verpflegt werden.

Diese Bestimmung ist ebenso wie die Festsetzungen der §§ 18 und 19 des vorigen Kapitels in Anlehnung an die Konklaveordnung Gregors X. abgefaßt.[17]

Daran knüpft sich die Bestimmung, daß verspätet eintreffende Wähler an der Wahlhandlung vom Augenblick ihrer Ankunft an teilnehmen können; sie treten in das Stadium der Wahlhandlung ein, in welchem diese sich gerade befindet, ohne Anspruch [18] auf Wiederholung bereits erledigter Teile der Handlung zu haben. Auch hier wieder liegt eine Nachahmung der oben zitierten päpstlichen Bestimmungen vor.

Der folgende § 4 enthält in seinem Eingange eine der wichtigsten Bestimmungen des ganzen Gesetzes, die nämlich, daß der von der Mehrheit der Kurfürsten Gewählte als einhellig von allen ohne jeden Zwiespalt erwählter König gelten solle. Es ist das die ausdrückliche und feierliche Proklamierung des Majoritätsprinzipes, durch welches man alle zwiespältigen Königswahlen für die Zukunft zu beseitigen hoffte. Nachdem hieran noch die Bestimmung gefügt ist, daß des neugewählten Königs erste Regierungshandlung die Bestätigung der Rechte und Privilegien der Kurfürsten sein solle, behandelt der Gesetzgeber im letzten Absatz dieses Kapitels, § 5, noch einen besondern Fall der Anwendung des Majoritätsprinzips.

Die entscheidenden Worte dieser Bestimmung lauten: In casu denique , quo tres principes electores ... quartum ex se seu ipsorum consorcio, videlicet principem electorem ... in regem Romanorum eligerent, vocem illius electi ... plenum vigorem habere et eligencium augere numerum partemque maiorem decernimus constituere ...

Nehmen wir den Wortlaut dieser Stelle für sich allein, so kann über seine Bedeutung ein Zweifel kaum obwalten. Wenn drei Wähler einen vierten aus ihrer Mitte zum Könige gewählt haben, so kann dieser seine eigene Stimme für sich abgeben und dadurch für seine Wahl die erforderliche Majorität herstellen. Hier zuerst tritt uns der Gedanke an die Möglichkeit entgegen, daß jemand bei der Königswahl sich selbst seine Stimme geben könne. Es ist ein der mittelalterlichen Anschauungsweise fernliegender Gedanke, der nicht aus der Praxis des Königswahlrechts entsprungen, sondern infolge theoretischer Erwägung des Gesetzgebers in das Gesetz und auf diesem Wege in die Praxis eingedrungen ist. Die Anregung aber gab dem Verfasser des Gesetzes eine Bestimmung des kirchlichen Rechts, welches ja so vielfach zur Entwicklung des Königswahlrechts durch seine vorbildlichen Einrichtungen beigetragen hat. Schon Ludewig[18] hat auf eine Stelle der Dekretalen Gregors IX. hingewiesen, in der [19] wir wohl das Vorbild für unsere Bestimmung zu erblicken haben. Sie handelt von der Wahl eines Dekans. Wenn bei einer solchen auf eine Kommission von sieben Wählern kompromittiert ist, und drei von diesen sieben einen vierten aus ihrer Mitte, die drei übrigen einen Außenstehenden wählen, so soll ersterer als gewählt gelten, wenn er seine Zustimmung dazu gibt und so die Majorität herstellt.[19] Die kirchliche Bestimmung vermied die eigentliche Selbstwahl; bei der Herstellung einer analogen Bestimmung für die Königswahl konnte man die Abgabe der eigenen Stimme wohl nicht umgehen.

Wie in der kanonischen Vorlage handelt es sich auch in der Goldenen Bulle um einen aus sieben Mitgliedern bestehenden Wahlkörper, dessen zu einer gültigen Wahl nötige Majorität aus mindestens vier Stimmen besteht. Ist der Zweck der Bestimmung, das Zustandekommen einer Majoritätswahl für einen gewissen Fall zu erleichtern, so legt sie für uns zugleich vollgültiges Zeugnis dafür ab, daß der Gesetzgeber an dem älteren Reichsrechte, nach welchem die Mehrheit der Kurfürsten, d. h. also vier derselben, zu einer rechtmäßigen Wahl erforderlich waren, festhielt. Denn darüber kann kein Zweifel sein, daß seit dem Auftreten des Majoritätsprinzips in bezug auf das Kurfürstenkollegium stets die Mehrheit dieses gesamten Kollegiums als diejenige Majorität galt, welche für dessen Beschlüsse, besonders aber für eine rechtsgültige Wahl gefordert wurde. Das zeigen schon alle die Stellen, welche die maior pars principum electorum schlechtweg nennen und eine Deutung auf eine Majorität der an einem Beschlusse beteiligten Kurfürsten kaum zulassen.[20] Einzelne Zeugnisse aber betonen ganz ausdrücklich, [20] daß die geforderte Mehrheit durch vier Wähler gebildet wurde; so schon der Schwabenspiegel, wenn er Landrecht 130 erklärt, daß die Zahl der Kurfürsten darum ungleich gesetzt sei, daß, wenn drei derselben dem einen, vier einem andern zufallen, die mindere Menge der mehreren folge, wie das bei jeder Kur Recht sei. Mit schlichten Worten aber spricht die Sachsenhäuser Appellation von 1324 aus, daß derjenige rechtmäßiger König sei, der von der Mehrheit der Kurfürsten, d. h. von vieren, gewählt sei.[21] Somit stimmt die Goldene Bulle in II, 5 völlig überein mit dem älteren Recht.

Ist nun aber diese Auffassung vereinbar mit dem Inhalt des § 3, wenn wir ihn in Verbindung mit einigen Bestimmungen des ersten Kapitels betrachten? In I, § 1. 6 und 18 wird den Kurfürsten als Strafe für Geleitsbruch und andere Verletzungen der Wahlgesetze, sowie als Rechtsfolge des Fernbleibens von der Wahl oder des Verlassens der Wahlhandlung vor deren Beendigung der Verlust des Wahlrechtes wenigstens für dieses Mal angedroht.

Wenn dann in II, § 3 gesagt wird, daß derjenige als einhellig erwählter König gelten solle, den die Kurfürsten oder der größere Teil derselben gekoren hätten, so liegt der Gedanke nahe, daß der Gesetzgeber hier mit dem Ausdruck: ipsi vel maior pars ipsorum nur die tatsächlich an der Wahl teilnehmenden Wähler und deren Majorität habe bezeichnen wollen, so daß hier unter der Majorität unter Umständen die des durch Wahlrechtsverlust um einige Mitglieder verminderten Kurfürstenkollegiums zu verstehen wäre.

Bei näherer Prüfung aber müssen wir diesen Gedanken zurückweisen. Lesen wir das zweite Kapitel im Zusammenhange, [21] so ergibt sich, daß die Kurfürsten, von deren Ankunft in Frankfurt, von deren Versammlung in der Bartholomäuskirche, von deren Wahleid und von deren Verhandlungen gesprochen wird, die Mitglieder des Kurfürstenkollegs überhaupt sein sollen. Die Bestimmungen ordnen gesetzlich das Verhalten der Kurfürsten insgesamt, ohne daß dabei die Möglichkeit ins Auge gefaßt wäre, daß einer oder der andere an der Ausübung seines Rechtes verhindert sein könnte. Das Gesetz berücksichtigt naturgemäß die Regel, wenn es nicht ausdrücklich auf Ausnahmen eingeht. Hätte der Gesetzgeber bei den Worten: ipsi vel maior pars ipsorum nicht die Gesamtheit der Kurfürsten, sondern nur die persönlich anwesenden oder durch Bevollmächtigte vertretenen gemeint, so hätte er das sicher ausdrücklich gesagt. Er mußte in diesem Falle etwa einen Ausdruck wählen, wie ipsi vel maior pars presencium, umsomehr als es sich dabei um eine Änderung des bisher geltenden Rechtes der Königswahl in einem sehr wichtigen Punkte gehandelt hätte. Wohl muß man sich hüten, an die Genauigkeit und Konsequenz mittelalterlicher Gesetzgeber zu hohe Anforderungen zu stellen; dennoch aber darf man bei einem im ganzen sorgfältig redigierten Gesetz, wie es die Goldene Bulle ist, nicht annehmen, daß in § 3 eines Kapitels eine pars maior der Kurfürsten als ausreichend zur rechtmäßigen Wahl genannt wäre, von welcher der Gesetzgeber stillschweigend im Hinblick auf einzelne Bestimmungen des vorhergehenden Kapitels voraussetzte, daß sie unter Umständen weniger als vier Stimmen betragen konnte, daß man aber in § 5 wieder in Übereinstimmung mit dem bisher geltenden Rechte die notwendige Majorität ohne Andeutung irgendwelcher Ausnahme als mindestens aus vier Stimmen bestehend vorausgesetzt hätte. Wir dürfen demnach nicht bezweifeln, daß c. II, § 3 ohne Rücksicht auf die Bestimmungen in c. I, § 1. 6 und 18 so zu interpretieren ist, wie es § 5 in Übereinstimmung mit dem bisher anerkannten Reichsrecht fordert, und wie es der Wortlaut und der Zusammenhang fast notwendig erscheinen läßt.

In diesem Sinne ist denn auch bei Gelegenheit der zweiten Königswahl nach Erlaß der Goldenen Bulle, bei der Ruprechts, unser Kapitel von den maßgebenden Kreisen verstanden worden. Die Wahl des Jahres 1400 schließt sich so eng an die Bestimmungen des § 5 an, daß sie wie ein Schulbeispiel zu der dort [22] gegebenen Rechtsregel aussieht, und in der Tat haben die Wähler Ruprechts und dieser selbst bei ihrer Wahlhandlung sich mit bewußter Absicht eng an die Norm jenes Paragraphen angeschlossen. An der Wahl nahmen Teil die drei geistlichen Kurfürsten und als einziger weltlicher der Pfalzgraf. Dieser wurde von den drei geistlichen Kollegen gewählt, stimmte seiner Wahl zu und gab selbst seine Stimme für sich ab oder ließ sie abgeben. Zwar werden in einer Proklamation der drei geistlichen Kurfürsten, sowie in einer Wahlanzeige derselben an den Papst und ebenso in einer Mitteilung Ruprechts an die Stadt Straßburg nur die drei Erzbischöfe als Wähler genannt[22], doch berichten die drei Erzbischöfe in zwei anderen Wahlanzeigen, von denen die eine an die Kardinäle, die andere an die Stadt Rom gerichtet ist, ausdrücklich, daß zu ihren Stimmen die eigene Stimme Ruprechts nebst dessen Zustimmung hinzugekommen sei.[23] Die Lösung dieses anscheinenden Widerspruchs ergibt sich aus einer anderen Wahlverkündigung der drei Erzbischöfe, sowie aus dem Bericht, den einige Monate nach der Wahl der pfalzgräfliche Notar Sobernheim seinem Freunde, dem Straßburger Stadtschreiber Spatzinger, erstattete. In ersterem Schriftstück erklären die Aussteller, daß sie mit der Stimme ihres Mitkurfürsten, des Pfalzgrafen Ruprecht, diesen zum König erkoren hätten[24], und entsprechend berichtet Sobernheim, daß die drei geistlichen Kurfürsten mit vier Stimmen gewählt hätten, da nach der Goldenen Bulle der Gewählte durch seine Zustimmung die Majorität für sich herstellen könne.[25] Die Zustimmung [23] hatte nach Sobernheims Darstellung Ruprecht schon vor Wenzels Absetzung auf inständigste Bitten seiner Mitkurfürsten gegeben und bei dem Wahlakte selbst wohl noch einmal wiederholt. Die beiden letztgenannten Quellen lassen kaum eine andere Deutung zu, als daß Ruprecht mit der Führung seiner Stimme die drei Erzbischöfe oder einen von ihnen beauftragt habe, eine Annahme, mit welcher sämtliche anderen Zeugnisse in Einklang zu bringen sind. Unter allen Umständen steht aber fest, daß Ruprechts eigene Stimme bei seiner Wahl mitgewirkt hat, und damit wäre auch ohne Sobernheims ausdrückliche Berufung auf die fragliche Bestimmung der Goldenen Bulle erwiesen, daß die Kurfürsten damals als notwendige Majorität die von vier Kurstimmen ansahen und also den § 5 ebenso auslegten, wie wir. Wäre ihrer Meinung nach nur die Majorität der Anwesenden nötig gewesen, so genügten ja die drei Stimmen der Erzbischöfe, und es war nicht erforderlich, zu dem nach den Anschauungen der Zeit wohl immer etwas bedenklichen Mittel der Selbstwahl zu greifen.

Freilich ist auch die entgegengesetzte Anschauung, nach welcher nicht die Majorität aller Kurstimmen, sondern lediglich diejenige der bei der Wahl anwesenden erforderlich sein sollte, von einer Partei der Kurfürsten schon bei der nächsten Königswahl vertreten worden.

Am 20. September 1410 wählten zu Frankfurt der Erzbischof von Trier, der Pfalzgraf und der Burggraf Friedrich von Nürnberg, der als Bevollmächtigter König Sigmunds von Ungarn die brandenburgische Kurstimme führte, Sigmund zum römischen König. Die ebenfalls zu Frankfurt anwesenden Erzbischöfe von Mainz und Köln, mit denen eine Einigung nicht zustande gekommen war, hielten sich von der Wahl fern, wählten aber einige Tage später mit Vertretern Wenzels von Böhmen und Josts von Mähren, der die brandenburgische Kur seinerseits beanspruchte, sowie mit nachträglicher Zustimmung Sachsens den Markgrafen Jost zum König.

Die Rechtmäßigkeit der Wahl Sigmunds konnte natürlich nur behauptet werden, wenn man als notwendig für eine gültige [24] Wahl nicht die Majorität aller sieben Kurstimmen ansah, sondern die Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Kurfürsten für ausreichend hielt. Auf diesen Standpunkt stellte sich denn auch Sigmunds Partei. Schon in der Verkündigung ins Reich vom 20. September 1410 erklärten der Erzbischof von Trier und der Pfalzgraf, daß sie „mit Zufall der Stimme und des Willens“ des Bevollmächtigten Sigmunds und also mit dem merern teil der kuren und stimmen, die diese zit hie sind, Sigmund gewählt hätten.[26] Verteidigt wird diese Ansicht in einer in der Umgebung Sigmunds entstandenen Denkschrift, der sog. Refutatio anonymi, welche sich in § 7 auf die Analogie der Papstwahl beruft.[27] Eingehender begründet denselben Standpunkt noch die dem Schriftstück wohl bald nach seiner Abfassung hinzugefügte Glosse. Zu § 7 führt dieselbe im Gegensatze zu dem Hostiensis und im Anschluß an Lupold von Bebenburg aus, daß die Fürsten das Recht der Königswahl nicht als einzelne Personen, sondern nur in ihrer Gesamtheit als Kollegium besäßen, knüpft daran aber noch die von Lupold nicht gezogene Folgerung, daß daraus sich ergebe, daß zur Wahl nicht die Majorität der Gesamtheit, sondern nur die der Anwesenden erforderlich sei.[28] In einer Glosse zu § 9 der Denkschrift setzt sich der Verfasser mit der entgegenstehenden Bestimmung unseres § 5 auseinander.[29] Diese soll, obwohl sie nur für den Fall, daß alle sieben Wähler an der Wahl teilnehmen, anordne, daß die dann vier Stimmen betragende Majorität durch Selbstwahl des bereits von dreien gewählten Kurfürsten hergestellt werden könne, dennoch mit Hilfe eines Analogieschlusses, paritate rationis, dahin zu verstehen sei, daß, falls nur fünf oder weniger Stimmen teilnehmen sollten, die Majorität von drei Stimmen durch Selbstwahl des von zweien gewählten dritten hergestellt [25] werden könne. Nicht ohne Geschick hat der Verfasser den einzigen allenfalls möglichen Ausweg eingeschlagen; dennoch ist seine Auslegung offenbar nur das Ergebnis der Notlage. Die Majorität der Anwesenden mußte genügen, weil für Sigmund eben nur drei Summen vorhanden waren.


Kapitel III–VI.

Kapitel III–VI enthalten eine Reihe von Bestimmungen über die Rangordnung und über Ehrenvorrechte aller und einzelner Kurfürsten. Sie werden auch äußerlich als eine besondere Gruppe gekennzeichnet durch die gemeinsame Inscriptio und Arenga. Freilich stehen diese beiden Eingangsformeln unter der Kapitelzahl und Überschrift des c. III; doch ist das nur eine Folge der rein äußerlichen Kapiteleinteilung des Gesetzes. Die feierliche Inscriptio würde zu dem kurzen Kapitel allein in einem Mißverhältnis stehen, und die Arenga, welche nur bis zu den Worten populo christiano reicht, bezieht sich ausdrücklich auf nachfolgende Verfügungen zugunsten der Kurfürsten überhaupt; während c. III selbst nur Bestimmungen über die Rangordnung der geistlichen Kurfürsten enthält. Auch die Art, in welcher die Texte der folgenden drei Kapitel unmittelbar an die vorhergehenden anknüpfen mit: statuimus insuper, quociens insuper und decernimus, bezeugt, daß es sich hier um eine fortlaufende Reihe von Bestimmungen handelt, welche eine zusammenhängende Satzung bilden. Erst mit c. VII beginnt etwas Neues.

Zunächst wird in c. III die Sitzordnung der drei geistlichen Kurfürsten bei feierlichen Reichsversammlungen geregelt. Dem Kaiser grade gegenüber soll stets der Erzbischof von Trier sitzen, während rechts und links neben dem Kaiser die Erzbischöfe von Mainz und Köln ihren Platz finden. Und zwar erhält der Mainzer den Ehrensitz zur Rechten auf allen Versammlungen, die in seiner Diözese und Kirchenprovinz, sowie im ganzen Bereich seines Archikanzellariats mit Ausnahme der Kölner Kirchenprovinz stattfinden, während der Kölner diesen Platz innerhalb seiner Kirchenprovinz, sowie in Gallien und Italien einnimmt.

Durch diese Festsetzung wurden langdauernde Streitigkeiten endgültig entschieden. Der Streit zwischen den Erzbischöfen von Mainz und Köln um den Ehrensitz zur Rechten des Königs [26] erhob sich zuerst bei Gelegenheit des Krönungsmahles Rudolfs von Habsburg zu Aachen am 24. Oktober 1273. Er brach noch am Krönungstage selbst bei den Vorbereitungen zum Festmahle aus, wurde aber durch einen vorläufigen Vergleich, den der König, die Königin und die Kurfürsten beurkundeten, beigelegt.[30] Der Mainzer gab für dieses Mal seinen Anspruch zugunsten des Kölner Erzbischofs auf; doch sollte ihm das für die Zukunft in seinen Rechten und Ansprüchen nicht schädlich sein. Durch die Verhandlungen über diese Sache war aber die Abhaltung des Mahles am Krönungstage selbst unmöglich geworden, so daß es erst am folgenden Tage stattfinden konnte.[31] Dabei saß denn nach dem Bericht der Sächsischen Fortsetzung der Sächsischen Weltchronik der Erzbischof von Köln dem Könige zur rechten Hand, der von Trier ihm gegenüber.[32] Dieser Platz scheint dem Trierer schon damals unbestritten zugestanden [27] zu haben, so daß er an dem Zwiste unbeteiligt blieb.[33]

Auf dem ersten Reichstage König Albrechts zu Nürnberg am 16. November 1298 entbrannte der Streit um den Sitz zur Rechten des Königs von neuem. Dieses Mal behauptete der Mainzer den Platz angeblich mit der Begründung, daß auf allen Hoftagen in Schwaben und am Rhein dem Erzbischof von Mainz der Ehrensitz gebühre. Der Kölner verließ zornig den Festplatz. Auch hier ist von dem Erzbischof von Trier gar nicht die Rede, wohl weil ihm sein hergebrachter Sitz gegenüber dem Könige nicht bestritten wurde.[34] Nach der Reimchronik soll damals bei dem Fest selbst der König das Vorrecht des Mainzer Erzbischofs anerkannt haben[35]; doch hatte er ihm schon vorher durch eine Urkunde vom 23. September sein Recht auf die erste Stimme bei der nominatio des Königs und auf den ersten Platz bei feierlichen Sitzungen bestätigt.[36]

Noch einmal wiederholte sich der Streit um den Ehrensitz zur Rechten auf dem Reichstage, welchen König Heinrich VII. im August 1310 zu Speier abhielt. Nach dem etwas dunkeln [28] Berichte der Königssaaler Chronik[37] wurde der Streit damals vom Könige nicht eigentlich entschieden, sondern in eigentümlicher Weise ohne prinzipielle Entscheidung beigelegt. Merkwürdig aber ist, was dieselbe Quelle über frühere Entscheidungen des Streites berichtet: a Romanorum imperatoribus diffinitum est saepe in retroactis temporibus, quod Maguntinus in Germaniae, Coloniensis in Italiae, Treverensis in Galliae partibus ad dextram sedere debeat principibus Romanis. Hier wird der Anschauung Ausdruck gegeben, daß jedem der drei geistlichen Kursfürsten innerhalb ihres Erzkanzlerbezirkes der Ehrensitz zustehe. Vielleicht liegt hier eine Erinnerung vor an das Privileg König Albrechts vom Jahre 1298, in welchem dem Erzbischof von Mainz als archicancellarius per Germaniam das Recht auf den ersten Platz zuerkannt wurde auf Grund seines Erzkanzleramtes (ratione archicancellariae), also nur für den Bereich dieses Amtes.[38] Es würde sich daraus etwa die von der Königssaaler Chronik ausgesprochene Regel folgern lassen, die aber sonst nicht begegnet und auch durch die Goldene Bulle nicht anerkannt wurde.

Diese Vorgeschichte des III. Kapitels der Goldenen Bulle zeigt recht deutlich, welche große Bedeutung der hier für alle Zeiten geregelten Frage der Sitzordnung beigelegt wurde, und wie verkehrt es ist, von modernen Anschauungen aus den Gesetzgeber zu tadeln, daß er sich bei solchen Kleinigkeiten und Äußerlichkeiten so lange aufgehalten habe. Es handelt sich hier um Dinge, welchen im Mittelalter weit mehr noch als heute die größte Bedeutung beigelegt wurde; kam doch durch sie fast ausschließlich nach außen hin die Bedeutung der staatsrechtlichen Stellung der ersten Fürsten des Reiches zum Ausdruck.

In unmittelbarem Anschluß an das vorhergehende Kapitel wird in § 1 des IV. Kapitels die Sitzordnung der weltlichen Kurfürsten geregelt, für alle Fälle, wo sie sich mit dem Kaiser zu feierlichen Sitzungen vereinigen, sei es im Rate, beim Mahle oder bei andern Anlässen. Den ersten Platz neben demjenigen Erzbischof, welcher zur Rechten des Kaisers sitzt, erhält der Böhmenkönig, cum sit princeps coronatus et unctus, den nächstfolgenden [29] der Pfalzgraf bei Rhein, während auf der linken Seite des Kaisers nächst dem dort sitzenden Erzbischof der Herzog von Sachsen und dann der Markgraf von Brandenburg ihren Platz finden. Diese Sitzordnung ist dauernd beibehalten und ist mit den nötigen Modifikationen auch für die Sitze der Kurfürsten im Kurfürstenrate des Reichstages maßgebend geworden.[39]

In § 2 wird nochmals das Recht des Erzbischofs von Mainz, die Kurfürsten zur Wahl zu berufen, welches schon in c. I erörtert war, ausdrücklich anerkannt, und zwar als ein Recht, welches ihm seit alters her zustehe (sicut potestatem habuisse dinoscitur ab antiquo). Die ausdrückliche Betonung des Alters dieses Rechtes ist vielleicht hervorgerufen durch den abweichenden Satz des sogen. Schwabenspiegels Landrecht c. 130, nach welchem die Berufung zur Königswahl nicht nur durch den Erzbischof von Mainz, sondern auch durch den Pfalzgrafen bei Rhein erfolgen sollte. Der Gesetzgeber schloß also das konkurrierende Berufungsrecht des Pfalzgrafen, welches dieser vielleicht 1256 und zum letzten Mal jedenfalls 1291 ausgeübt hatte, für die Zukunft stillschweigend aus.[40]

Darauf folgt die Regelung der Stimmabgabe. Der Erzbischof von Mainz und kein anderer (et non alter) hat das Recht, die Stimmen abzufragen. Vielleicht sollte durch den Zusatz die Berufung auf die Wahl von 1308, bei der der Erzbischof von Köln die inquisitio votorum vornahm, ausgeschlossen werden. Der Mainzer soll zuerst den Erzbischof von Trier, dann den Kölner, darauf den König von Böhmen, den Pfalzgrafen, den Herzog von Sachsen und zuletzt den Markgrafen von Brandenburg um die Stimme befragen. Darauf sollen die übrigen gemeinsam an den Erzbischof von Mainz die Frage um seine Stimme richten. Bei dieser Abstimmungsordnung wird ein besonderer Nachdruck auf das Recht des Erzbischofs von Trier, unter allen Kurfürsten zuerst, und ebenso auf das [30] des Böhmenkönigs, unter den Laienfürsten zuerst die Stimme abzugeben, gelegt. Das Vorrecht des Böhmen wird durch den Hinweis auf seinen königlichen Rang begründet, das des Trierer Erzbischofs als etwas bereits Hergebrachtes bezeichnet. Die Bedeutung dieser Abstimmung sowie die Geschichte des Rechts der ersten Stimme wird in einem anderen Zusammenhange erörtert werden.

Der letzte Absatz unseres Kapitels (§ 3) handelt kurz von den Ehrenämtern der weltlichen Kurfürsten, nachdem schon vorher gelegentlich der Reihenfolge, in welcher die einzelnen Kurfürsten abstimmen sollten, das hohe Ehrenvorrecht des Kölner Erzbischofs, den gewählten König zu krönen, ausdrücklich anerkannt war.[41] Es wird bestimmt, daß der Markgraf von Brandenburg dem Könige das Wasser zum Waschen der Hände darreichen, der König von Böhmen ihm den ersten Trunk darbieten, und der Pfalzgraf bei Rhein ihm die Speisen auftragen soll; während von dem Herzog von Sachsen nur gesagt wird, er solle das Marschallamt (marescallatus officium) ausüben. Als Grundlage für diese Bestimmungen werden wir das Landrechtsbuch des Schwabenspiegels ansehen dürfen, welches c. 130 von diesen Verrichtungen ebenso wie die Goldene Bulle im unmittelbaren Anschluß an die Abstimmung handelt. Der älteste Text dieser Stelle wird etwa folgendermaßen herzustellen sein: Under den leigen ist der erste an der stimme ze wem der phalzgrave von dem Rine, des riches truhsaeze, der sol dem kunge die ersten schuzzeln tragen; der ander ist der herzoge von Sahsen, des riches marschalc, der sol dem kunge sin swert tragen. Der dritte ist der marcgrave von Brandenburch, des riches kameraere, der sol dem kunge wazzer geben; der vierde ist [der herzoge von Beiern,] des riches schenke, der sol dem kunge den ersten becher tragen.[42] [31]

Sehen wir ab von der Ersetzung des Königs von Böhmen durch den Herzog von Bayern, welche ihren Grund in den bekannten Vorgängen der ersten Regierungsjahre Rudolfs von Habsburg hat, so ist die Übereinstimmung mit der Goldenen Bulle eine sehr weitgehende. Besonders zu beachten ist, daß vor der Goldenen Bulle das Darreichen des Waschwassers durch den Brandenburger Markgrafen nur in jener Schwabenspiegelstelle erwähnt wird. Ein wörtlicher Anklang an den „ersten Becher“, statt dessen allerdings in manchen Handschriften des Schwabenspiegels nur schlechtweg vom Becher gesprochen wird, findet sich in dem Ausdruck primus potus der Goldenen Bulle. Wegen der Ersetzung des im Schwabenspiegel ausdrücklich erwähnten Schwerttragens durch das officium marescallatus verweise ich auf den Exkurs.

Schon seit den letzten Regierungsjahren Rudolfs von Habsburg war der Böhmenkönig nicht nur wieder im anerkannten Besitze des Kurrechtes, sondern auch des Erzschenkenamtes, was natürlich in der Goldenen Bulle im Gegensatz zu der genannten Quelle zum vollen Ausdruck gebracht ist. Bei dieser Gelegenheit aber wird noch besonders hervorgehoben, daß der Böhmenkönig nach Inhalt der Privilegien des böhmischen Reiches nicht verpflichtet sei, bei Ausübung dieses Amtes seine königliche Krone zu tragen, wenn er es nicht aus gutem Willen tun wolle: primum vero potum rex Boemie, quem tamen sub corona regali iuxta privilegiorum regni sui continenciam, nisi libera voluntate voluerit, non tenebitur ministrare. In der Tat gründete sich dieses Recht auf ein Privileg König Albrechts, welches von Karl IV. 1348 erneuert wurde. Am 17. November 1298 beurkundete König Albrecht auf dem Reichstage zu Nürnberg folgendes (MG., Const. IV, Nr. 35, S. 31 f.): protestamur, quod, licet illustres reges Boemie, dum rogari per reges vel imperatores Romanorum eos ad sollempnem eorum curiam venire contingit, predictis rege vel [32] imperatore coronam regalem gestantibus, cum eisdem et eis presentibus corona regia uti possint, non tamen in corona regia debent predicti reges Boemie predictis regi vel imperatori ministrare in officio pincernatus. Quod autem magnificus Wencezlaus rex Boemie, princeps et frater noster karissimus, nobis apud Nurenberh in sollempni nostra curia proximo die dominico post festum beati Martini sedentibus in corona coronatus ad preces nostras ministravit in officio pincernatus, hoc non de iure, sed ex mera dileccione, quam ad nostram gerit personam, eum fecisse dicimus et ad serviendum sive ministrandum in eodem officio sub corona regia nobis vel successoribus nostris regibus vel imperatoribus Romanorum predictum regem et omnes successores suos reges Boemie testamur et volumus de cetero non teneri nec aliquod eis exinde preiudicium generali. Es liegt auf der Hand, daß dem Verfasser der Goldenen Bulle hier das Privileg Albrechts oder dessen Bestätigung durch Karl IV. vorlag.[43]

Während das Privileg zweierlei enthält, einmal das Recht des Böhmenkönigs, auf Reichsversammlungen in Gegenwart des gekrönten römischen Königs oder Kaisers die böhmische Königskrone zu tragen, außerdem aber das Recht, bei Ausübung des Erzschenkenamtes diese Krone nicht zu tragen[44], hebt die Goldene Bulle an dieser Stelle nur das letztere hervor, während sie sonst auch das erstere ausdrücklich anerkennt. In der Tat scheint auf jenem Nürnberger Reichstage die Frage, ob der König von Böhmen das Schenkenamt im Schmuck seiner königlichen Würde auszuüben verpflichtet sei, den Anlaß zur Erteilung jenes Privilegs gegeben zu haben, so daß die Entscheidung dieser Frage als Kern jener Urkunde anzusehen ist. Das bestätigt auch die, wenngleich etwas poetisch ausgeschmückte, anschauliche Darstellung der steirischen Reimchronik. Nach dieser verweigerte der Böhmenkönig die persönliche Ausübung des Schenkenamtes [33] unter dem Vorwande schlechten Befindens, erschien dann aber, als König Albrecht die Vertretung Wenzels durch seinen Sohn ablehnte und auf persönlicher Leistung bestand, in einem überaus prunkvollen Aufzuge, hoch zu Roß, geschmückt mit der Königskrone (uf saz der gekrônet), zur Leistung des Dienstes.[45] Die ausdrückliche Hervorhebung der Krone deutet ebenso wie die Ablehnung des jungen Königs Wenzel, der die Krone nicht hätte tragen dürfen, darauf hin, daß König Albrecht grade auf diese Wert legte. Er wird dem Böhmenkönige versprochen haben, ihm urkundlich zu bestätigen, daß seine Dienstleistung unter der Krone seinem Rechte für die Zukunft nicht präjudizieren solle, und die Ausstellung dieser Urkunde erfolgte dann tatsächlich am folgenden Tage. Es ist das ein für jene Zeit, welche durch dilatorische Behandlung von Streitfragen einer endgültigen Entscheidung möglichst auszuweichen liebte, typischer Vorgang.

Kapitel V handelt von dem später so genannten Reichsvikariat, welches im größten Teil des Reiches dem Pfalzgrafen bei Rhein zustand, und von der Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König.

Zunächst wird im Anschluß an IV, 2, wo der Fall der Erledigung des Reiches erörtert war, bestimmt, daß mit Eintritt dieses Falles der Pfalzgraf bei Rhein auf Grund der Privilegien seines Fürstentums Verweser des Reiches im rheinischen und schwäbischen Gebiet und im Bereich des fränkischen Rechtes werde. Als die ihm in dieser Eigenschaft zustehenden Rechte werden genannt: 1. die Ausübung der höchsten Gerichtsbarkeit, 2. die Präsentation zu kirchlichen Pfründen, 3. die Erhebung der Reichseinkünfte, 4. die Verleihung der Reichslehen und 5. die Entgegennahme der Treu- und Huldigungseide im Namen des Reiches. Doch sollen alle diese Handlungen von dem künftigen Könige erneuert und diesem auch die dem Reichsverweser geleisteten Eide wiederholt werden. Ausdrücklich vorbehalten bleibt dem römischen Könige oder Kaiser selbst die Verleihung der Fürstenlehen und Fahnlehen, welche also der Reichsverweser [34] nicht vornehmen darf, dem außerdem jede Veräußerung und Verpfändung von Reichsgut untersagt wird.

Das gleiche Recht der Reichsverwesung wird dem Herzog von Sachsen im Geltungsbereiche des sächsischen Rechtes zugesprochen.

Der letzte Absatz unseres Kapitels, § 2, enthält die erwähnte Bestimmung über die Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König. Dabei ist zu beachten, daß diese Gerichtsbarkeit als durch Gewohnheitsrecht eingeführt, also als bestehendes Recht anerkannt, aber durch Bindung an gewisse Bedingungen eingeschränkt wird. Der Pfalzgraf soll sie nur üben am königlichen Hofe in Gegenwart der Fürsten und des Königs.

Das Recht der Reichsverweserschaft bei Erledigung des Reiches, vacante imperio, wird hier als ein einheitliches Recht aufgefaßt, aus welchem eine Anzahl einzelner Rechte sich ergeben. Diese Auffassung ist fast so alt, wie das Recht selbst. So legt Rudolf von Habsburg in seiner Urkunde über das Reichsvikariat in Österreich und Steiermark[46] dem Pfalzgrafen bei Rhein das Recht der Verwaltung des Reichsgutes und der Wahrnehmung der Reichsrechte bei einer Thronerledigung bis zur Wahl eines neuen Königs bei, und ebenso faßt König Ludwig in der Sachsenhäuser Appellation von 1324 das sog. Vikariatsrecht allgemein als ein Recht auf die Verwaltung des Reiches (ius administrandi iura imperii), wobei aber das Recht auf die Vergabung der Reichslehen noch besonders hervorgehoben wird[47]; und dieses Recht bildete vielleicht den ursprünglichen Kern der gesamten Vikariatsrechte. Dafür spricht wohl schon die älteste Urkunde, welche ganz deutlich dieses Recht des Pfalzgrafen bei Rhein bezeugt, die Urkunde von 1267, in welcher der Pfalzgraf über Reichslehen verfügt[48]; er behauptet, daß ihm auf Grund der Würde seines Amtes (iure dignitatis officii nostri) das Recht, vacante imperio unterschiedslos (indifferenter) alle Reichslehen zu vergeben und darüber zu verfügen, zustehe. Wie hier wird von allen Vikariatsrechten auch im Schwabenspiegel, dem [35] nächstältesten Zeugnis über diese Rechte, nur das der Lehnserteilung hervorgehoben. Hier sind es aber nicht mehr unterschiedslos alle Lehen, deren Vergabung den Pfalzgrafen zugestanden wird; vielmehr werden ganz ähnlich wie in der Goldenen Bulle die wichtigsten Reichslehen der Verfügung des Pfalzgrafen entzogen. Die Übereinstimmung des Rechtsbuches mit unserm Kapitel der Goldenen Bulle ist eine so weit gehende, daß wir jenes hier als unmittelbare Quelle des Gesetzes ansehen müssen.

Das Kapitel 147 des kaiserlichen Lehnrechtsbuches geht von der Voraussetzung aus, daß jedes Lehen beim Herrenfalle innerhalb Jahr und Tag erneuert werden muß, widrigenfalls es heimfällt. Damit nun die Inhaber von Reichslehen keinen Schaden leiden, wenn innerhalb Jahr und Tag nach Erledigung des Reiches kein neuer König einhellig erwählt wird, so sollen sie ihre Lehen vom Pfalzgrafen empfangen, dadurch werden sie aber, wie das Rechtsbuch richtig ausführt, nicht des Pfalzgrafen Mannen, sondern, da er ihnen Reichslehen leiht, Mannen des Reiches. In der Beschränkung der lehenrechtlichen Befugnisse des Pfalzgrafen während der Thronerledigung stimmt nun das Rechtsbuch mit der Goldenen Bulle darin überein, daß beide die Fahnlehen und im allgemeinen die Fürstenlehen von der Vergabung durch den Pfalzgrafen ausschließen. Die Goldene Bulle sagt darüber: feudis principum dumtaxat exceptis et illis, que vanlehen vulgariter appellantur, quorum investituram et collacionem soli imperatori vel regi Romanorum specialiter reservamus. Das Rechtsbuch aber bestimmt: Und wird ez nit verrihtet umb einen kunc inr jars vrist, so suln alle, die lehen von dem riche hant, iriu lehen enphahen von dem phalzgraven von Rine, ane die fursten; diu suln ir furstenampt nit von im emphahen. Alle die vanlehen hant von dem riche, daz niht furstenampt sint, diu suln si enphahen von dem phalzgraven von Rine, sie werdent aber davon nit des phalzgraven man, si werdent des riches man; wan er lihet in sin guot niht, er lihet in des riches guot; davon sint si des riches man. ... Die fursten soln ir ampt mit rehte han (d. h. ohne Lehnserneuerung auch über Jahr und Tag hinaus). Und swaz si ander lehen von dem riche hant, unz in ein kunc ane kriec wirt, so suln si diu lehen enphahen von dem phalzgrave von Rine.

[36] Der Schwabenspiegel und die Goldene Bulle stimmen darin überein, daß sie die Fürstenlehen, d. h. diejenigen Lehen der Reichsfürsten, auf welche sich ihr Fürstenamt gründet, und die Fahnlehen der Fürsten von der Verleihung durch den Pfalzgrafen ausschließen. Nur in einem Punkte unterscheidet sich die Goldene Bulle von dem Rechtsbuche: sie versagt dem Pfalzgrafen auch die Belehnung mit Fahnlehen, welche nicht Fürstenlehen sind, und anscheinend auch die Belehnung mit solchen Lehen der Fürsten, welche nicht zu deren Fürstenamt gehören. Das Rechtsbuch dagegen überläßt dem Pfalzgrafen nicht nur die Vergabung nichtfürstlicher Fahnlehen, sondern auch die Verleihung der nicht zum Fürstenamt gehörigen Reichslehen der Fürsten. Deckt sich also die Masse der von der Vergabung durch den Reichsverweser nach beiden Rechtsquellen ausgeschlossenen Lehen im großen und ganzen, so gestattet die Goldene Bulle im einzelnen dem Pfalzgrafen einerseits mehr, andererseits weniger, als das Rechtsbuch. Es war dies wohl eine bewußte Abweichung des Gesetzgebers von der Vorlage, die sich aus einer abweichenden und vielleicht aus der inzwischen erfolgten Weiterentwickelung des Reichsrechtes beruhenden Rechtsanschauung erklärt. Wenn dagegen die Goldene Bulle den wichtigen und durchaus das Richtige treffenden Satz der Vorlage, daß die Fürsten im Falle der Thronerledigung ihr Fürstenamt auch ohne Lehnserneuerung über Jahr und Tag behalten, fortläßt, so beruht das darauf, daß nach der Königswahlordnung der Goldenen Bulle eine Thronerledigung, welche Jahr und Tag oder darüber dauerte, ausgeschlossen sein sollte.

Wir haben oben bei der Anführung des Textes von c. 147 des Lehnrechtsbuches einen Satz ausgelassen, welcher lautet: Swer daz lehen verjaehrt gein dem phalzgraven von Rine, so ist dem riche daz guot och ledic worden. Und verjaert iemen daz guot von dem phalzgraven, so sol sich der phalzgrave des guotes underwinden dem riche ze nutze; und sol daz einem kunge wider antwurten, so der wirt. Einen Anklang an die letzten Worte dieses Satzes möchte ich in der Wendung der Goldenen Bulle erkennen, welche besagt, daß der Pfalzgraf während der Thronerledigung Verweser des Reiches sein solle zuhanden des künftigen Königs: ad manus futuri regis Romanorum ... esse debet provisor ipsius imperii. Der [37] Gesetzgeber dürfte hier eine Wendung der Vorlage, die sich auf einen speziellen Gegenstand der Verwaltung des Reichsgutes bezog, verallgemeinert haben. Ist diese Vermutung über die Entstehung der Klausel ad manus futuri regis richtig, so spricht das nebenbei des weiteren gegen die an sich nicht annehmbare Erklärung Triepels[49], welcher in jener Klausel nichts anderes sehen will, als eine temporäre Begrenzung der Reichsverweserschaft. Wenn dann der Schluß des c. 147 erklärt: Diz ere hat der hohe phalzgrave von Rine davon, daz er rihtaer ist uber den kunc umb sine schulde, und somit die wichtigen lehenrechtlichen Befugnisse des pfalzgräflichen Rechtes während der Thronerledigung auf sein Recht, über den König zu richten, zurückführt, die Goldene Bulle aber im § 2 unseres Kapitels im unmittelbaren Anschluß an die Bestimmungen über die Reichsverweserschaft jenes Richteramt des Pfalzgrafen über den König behandelt, so spricht das überzeugend für die Annahme, daß jenes Kapitel des Schwabenspiegels die wesentliche Grundlage für das gesamte c. V der Goldenen Bulle bildete. Diese Annahme wird noch besonders unterstützt durch folgende Erwägung. Jene Schwabenspiegelstelle handelt nur vom Pfalzgrafen, zunächst von seinem Vikariatsrecht, dann von seinem Richteramt. Auch die Goldene Bulle handelt zunächst nur von dem Vikariatsrecht des Pfalzgrafen, und zum Schluß wieder wie die Vorlage von dessen Gerichtsbarkeit über den König. Dazwischen aber schiebt sie die Bemerkung ein, daß dem Sachsenherzog die gleichen Vikariatsrechte, welche dem Pfalzgrafen im größeren Teile des Reiches zustehen, im sächsischen Rechtsgebiete zustehen sollen. Das ist gewissermaßen eine Parenthese in einem Kapitel, welches nach seiner ursprünglichen Anlage wie die Vorlage nur von den Rechten des Pfalzgrafen handeln sollte.[50]

[38] Das Recht des Pfalzgrafen auf die Reichsverweserschaft war bereits vor der Goldenen Bulle, wie wir sahen, anerkannt; dagegen war bisher ein gleicher Anspruch des Herzogs von Sachsen für gewisse Reichsteile von seiten der Reichsgewalt noch nicht oder doch nicht in voller Bestimmtheit anerkannt.[51] Das ist erst jetzt auf dem Nürnberger Reichstage durch die Goldene Bulle geschehen. Wir dürfen annehmen, daß der Pfalzgraf die Anerkennung seines Rechtes, welches er durch Hinweis auf den Schwabenspiegel erhärtet haben mag, in dem neuen Reichsgesetze verlangte, daß aber auch der Sachsenherzog ein entsprechendes Recht behauptete, und daß dann die beiderseitigen Ansprüche unter lokaler Abgrenzung gegeneinander vom Kaiser anerkannt wurden. Die nachdrückliche Betonung des Erzmarschallamtes des Herzogs von Sachsen im Texte der Goldenen Bulle, welche dann eine gleichartige Hervorhebung des Erztruchsessenamtes des Pfalzgrafen herbeiführte, deutet vielleicht darauf hin, [39] daß der Sachsenherzog seinen Anspruch auf das Marschallamt gründete, auf Grund dessen ja auch der Schwabenspiegel, Lehnrechtsbuch c. 41, ihm neben dem Pfalzgrafen umfangreiche Befugnisse zuerkannte, so daz riche ane kiunig ist.

Über den letzten Satz, § 2, unsres Kapitels hat eingehend und scharfsinnig Julius Weizsäcker[52] gehandelt. Er glaubt aus dem Inhalt und der eigentümlichen Formulierung des Paragraphen die Entstehungsgeschichte desselben erschließen zu können und kommt zu folgenden Ergebnissen. Die Kurfürsten verlangten die Aufnahme des gesamten „Spiegelrechtes“, womit Weizsäcker die sämtlichen Sätze des Sachsenspiegels und Schwabenspiegels über die Gerichtsbarkeit über den König, seine Absetzbarkeit und seine Verurteilung zur Todesstrafe bezeichnet. Karl IV. habe von der Aufnahme solcher Sätze in die Goldene Bulle zunächst nichts wissen wollen, dann aber seinerseits die Erwähnung der Gerichtsbarkeit über den König in dem Gesetze zugegeben, diese Erwähnung jedoch nur in einer möglichst unverbindlichen Form zugelassen und von den Kurfürsten die Zustimmung zur Hinzufügung solcher Bedingungen erlangt, welche den für das Königtum gefährlichen Sätzen der Rechtsbücher die Spitze abbrachen. Die Bestimmung des § 2 sei also das Resultat eines Kompromisses zwischen dem Kaiser und den Kurfürsten.

Ich glaube, diese Ergebnisse in allen wesentlichen Punkten ablehnen zu müssen. Es handelt sich dem ganzen Zusammenhange nach hier nicht um Rechte der Kurfürsten überhaupt, sondern um Spezialrechte einzelner Kurfürsten, und hier insbesondere des Pfalzgrafen bei Rhein. Dieser war es, welcher nach der Anerkennung seiner Vikariatsrechte im ersten Teile des Kapitels offenbar auf Grund des Schwabenspiegels und insbesondere auf Grund der angeführten Stelle des Lehnrechtsbuches, welche Weizsäcker ebenso wie Reimann übersehen hat, nunmehr auch die Anerkennung seiner Gerichtsbarkeit über den König verlangte. Daß nun die übrigen Kurfürsten den Pfalzgrafen in seiner Forderung besonders unterstützt haben sollten, ist nicht sehr wahrscheinlich, und sicher würden sich in der Verklausulierung des Satzes von der Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den [40] König irgendwelche Spuren von der Mitwirkung der Gesamtheit der Kurfürsten vorfinden, wenn diese bei ihrer Fassung beteiligt gewesen wären. Grade die Bedingungen, an welche die Ausübung des pfalzgräflichen Rechtes geknüpft wird, sprechen deutlich dafür, daß es sich hier lediglich um eine Auseinandersetzung zwischen dem Kaiser und dem Pfalzgrafen handelte. Der Kaiser wollte den Mißbrauch des pfalzgräflichen Rechtes verhindern, indem er dessen Gerichtsbarkeit über den König nur am kaiserlichen Hofe und in Gegenwart des Kaisers oder Königs selbst zuließ. Freilich ist die Bezeichnung „Kaiserlicher Hof“, curia imperialis, hier wohl nicht nur in der Bedeutung des Hoflagers zu verstehen, sondern in der des Hoftages oder Reichstages, wie denn auch die älteste Frankfurter Übersetzung schreibt: in des richis hoff. Wäre der Satz durch Kompromiß zwischen den Kurfürsten und dem Kaiser entstanden, so wäre wohl die Anwesenheit der Kurfürsten unter den Bedingungen enthalten.

Zuzugeben ist, daß die Goldene Bulle dem Satze von der Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen einen Ausdruck gegeben hat, welcher den Mißbrauch nach Möglichkeit ausschloß; doch darf man nicht mit Weizsäcker die Sache so ansehen, als sei der Versuch, die Gerichtsbarkeit über den König in dem Gesetze zu kodifizieren, vom Kaiser vereitelt und als mißlungen anzusehen. Freilich ist das Recht selbst zunächst nur hypothetisch erwähnt; indem aber die Ausübung des Rechtes an gewisse Bedingungen geknüpft wird, findet es selbst seine gesetzliche Anerkennung. Welche Kompetenz die Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König haben soll, wird allerdings nicht gesagt; grade dadurch aber wird sie als eine unbeschränkte hingestellt, und wenn die Bedingung der Gegenwart des Königs und der Anwesenheit einer Reichsversammlung praktisch eine Gefahr für den König in der Regel ausschließen mußten, so war doch die Möglichkeit eines Verfahrens gegen Krone und Leben des Königs theoretisch dadurch nicht beseitigt. Wir dürfen daher in dem Satze der Goldenen Bulle nicht den Versuch einer Kodifikation des Spiegelrechtes, sondern die Tatsache der Kodifikation desselben erblicken. Was Eike von Repgow im Sachsenspiegel über die Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König ausführte, war wohl ebensowenig eine von ihm ersonnene Theorie, wie seine Darstellung vom Rechte der Königswahl. Beides beruhte auf einer [41] herrschenden Rechtsanschauung. Ohne diese Voraussetzung wäre die Anerkennung seiner Theorien durch die reichsrechtliche Praxis unerklärlich. Seine Kurfürstentheorie gelangte nach wenigen Jahrzehnten zur unbestrittenen Anerkennung, und daß die von ihm vertretene Anschauung von der Gerichtsbarkeit über den König längere Zeit gebrauchte, bis sie vom Königtume selbst anerkannt wurde, ist bei der Gefahr, die sie für den König enthielt, wohl begreiflich. Das kaiserliche Land- und Lehnrechtsbuch nahm die Anschauung auf und gestaltete sie noch weiter aus. Das ist ein weiteres Zeugnis für das tatsächliche Fortleben derselben in den maßgebenden Kreisen des Reiches, deren staatsrechtliche Anschauungen der Verfasser genau kannte. Wenn die Kurfürsten im Jahre 1298 bei der Absetzung König Adolfs von dem Spiegelrechte keinen Gebrauch machten, so erklärt sich das genügend aus der Tatsache, daß sie den anerkannten Inhaber des Pfalzgrafenamtes nicht auf ihrer Seite hatten. Daß sie jenes Recht wohl kannten, zeigt der Versuch, den sie zwei Jahre später machten, König Albrecht das Schicksal seines Vorgängers zu bereiten, und es ist eine völlige Verkennung der Sachlage, wenn Weizsäcker annimmt, die Kurfürsten hätten erst damals das Recht des Pfalzgrafen, über den König zu richten, entdeckt. Ein Rechtssatz kann in der Rechtsanschauung des Volkes fest begründet sein und darin lange Zeit fortleben, ohne daß er praktisch zur Anwendung kommt, und für die Kraft, welche der Rechtsanschauung von der Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König innewohnte, zeugt am besten die Tatsache, daß Karl IV. sich genötigt sah, sie in seinem Reichsgesetze zum Ausdruck zu bringen.[53]

Kapitel VI enthält den letzten Satz der mit c. III beginnenden Satzung und knüpft gewissermaßen wieder an deren Anfang an. Es wird bestimmt, daß die den Kurfürsten zugewiesenen Ehrenplätze ihnen auf allen Reichsversammlungen unabänderlich zustehen sollen, ohne daß irgendein anderer Fürst ihnen den Vorrang streitig machen darf; insbesondere soll kein anderer König, welcher etwa anwesend ist, dem Könige von Böhmen vorgehen. Zu bemerken ist noch, daß hier die ursprünglich nur [42] für Sitzungen bestimmte Ordnung durch die Worte eundo, sedendo vel stando auch auf die Anordnung der feierlichen Aufzüge ausgedehnt wird; doch hatte das nur eine provisorische Bedeutung, wie wir später sehen werden.


Kapitel VII.

Eine ganz selbständige Satzung enthält c. VII, welche auch, wie wir sehen werden, als besonderes Gesetz publiziert ist, bevor sie der Goldenen Bulle einverleibt wurde. Eine Inscriptio, wie sie die beiden vorhergehenden Satzungen an der Spitze trugen, fehlt hier freilich, doch ist sie wohl erst bei der Aufnahme in die Goldene Bulle, wie das auch in andern Fällen geschah, fortgelassen worden. Eine umfangreiche Arenga erörtert die allgemeinen Motive des Gesetzes, und die folgende Narratio gibt als Zweck des Gesetzes an die Beseitigung jedes Streites über das Kurrecht zwischen den Erben der weltlichen Kurfürsten. Hierbei werden ausdrücklich als weltliche Kurfürsten anerkannt: der König von Böhmen, der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg; diese seien neben ihren drei geistlichen Mitkurfürsten die rechtmäßigen Wähler eines römischen Königs, künftigen Kaisers.

Zunächst wird nun bestimmt, daß nach dem Ableben eines dieser weltlichen Kurfürsten sein Kurrecht auf seinen erstgebornen ehelichen Sohn weltlichen Standes übergehen soll.[54] Ist dieser nicht mehr am Leben, so geht das Kurrecht auf dessen Erstgebornen über; stirbt aber der Erstgeborne ohne Hinterlassung männlicher Leibeserben, so geht das Kurrecht auf den ältesten Bruder des Erstgebornen, eventuell auf dessen erstgeborenen Sohn über. Es wird also hier für das Kurrecht die Vererbung nach den Grundsätzen der Primogeniturerbfolge angeordnet in der ausgesprochenen Absicht, Erbstreitigkeiten über das Kurrecht vorzubeugen, und unzweifelhaft auch in der hier noch nicht ausdrücklich angegebenen Absicht, eine Teilung des Kurrechtes unter mehrere Erben zu verhüten. Im unmittelbaren Zusammenhange damit wird dann für den Fall, daß ein Kurfürst oder [43] sein primogenitus nur unmündige männliche Erben hinterläßt, angeordnet, daß der älteste Bruder des Vaters die Vormundschaft über dieselben führen soll, bis der älteste den Mündigkeitstermin erreicht. Dieser wird für Kurfürsten auf die Vollendung des 18. Jahres angesetzt. Der Vormund soll dem mündig gewordenen jungen Kurfürsten dann die Verwaltung des Kurrechtes und aller davon abhängenden Rechte überlassen.

In dem als § 2 bezeichneten letzten Absatze des Kapitels wird entsprechend dem für alle Reichsfürstentümer geltenden Rechte angeordnet, daß solche weltliche Kurfürstentümer, welche dem Reiche ledig werden, vom Kaiser wieder verliehen werden dürfen und sollen. Eine Ausnahme hiervon wird nur für das Königreich Böhmen statuiert, dessen Rechte und Privilegien betreffend die Königswahl hierdurch nicht berührt werden sollen.

Daß die Bestimmungen bezüglich der Primogeniturerbfolge mit älteren Privilegien Karls IV. für Herzog Rudolf den Älteren übereinstimmen, hat bereits Reimann S. 34 richtig bemerkt. Indem er aber das deutsche Privileg vom 25. August 1355 und nicht die lateinische Wiederholung desselben vom 6. Oktober zur Vergleichung mit den Bestimmungen der Goldenen Bulle heranzieht, deckt er jedenfalls nicht die unmittelbare Quelle dieser Bestimmungen auf; denn diese könnte nur vorliegen in jener lateinischen Ausfertigung, wie die folgende Vergleichung zeigt.

Privileg für Sachsen vom 6. Oktober 1355.[55]

Goldene Bulle c. VII.

. . . decernimus et edicto imperiali presenti perpetuis temporibus valituro sanccimus ..., quod antedictus Rudolfus ..... elector existat .... et post eius obitum filio suo primogenito et illo non extante eiusdem primogeniti primogenito vox et ius predictum competat eligendi. Si vero ipsius primogenitum absque heredibus

. . . statuimus et imperiali auctoritate presenti lege perpetuis temporibus valitura decernimus, ut, postquam iidem principes electores seculares et eorum quilibet esse desierit, ius, vox et potestas electionis huiusmodi ad filium primogenitum legitimum laicum, illo vero non extante, ad eiusdem primogeniti primogenitum similiter laicum

[44]

masculis legittimis mori contingeret, extunc vox et ius seu potestas eleccionis huiusmodi ad seniorem fratrem per veram paternalem lineam descendentem et deinde ad illius primogenitum devolvatur, et talis successio ac devolucio in voce, iure et potestate premissis in ducibus Saxonie perpetuis temporibus observetur.

..... devolvatur. Si vero primogenitus huiusmodi absque heredibus masculis legitimis laicis ah hac luce migraret, ... ius, vox et potestas electionis predicte ad seniorem fratrem laicum per veram paternalem lineam descendentem et deinceps ad illius primogenitum laicum devolvatur, et talis successio in primogenitis et heredibus principum eorundem in iure, voce et potestate premissis perpetuis temporivus observetur.

Die vorstehende Vergleichung läßt keinen Zweifel übrig, daß das Privileg für Sachsen oder ein in diesen Sätzen gleichlautendes für einen andern weltlichen Kurfürsten die unmittelbare Vorlage für c. VII gebildet hat, und da ein anderes derartiges Stück uns nicht überliefert ist, so wird man geneigt sein, jene Urkunde selbst für die Quelle zu halten. Dem steht jedoch ein Bedenken gegenüber, der Umstand nämlich, daß der Text des sächsischen Privilegs an dieser Stelle auf die Verhältnisse des sächsischen Herzogshauses, wie sie zurzeit bestanden, nicht zutrifft; die Goldene Bulle beruft den erstgeborenen Sohn des regierenden Kurfürsten oder, falls er vorzeitig verstorben sein sollte, dessen Erstgeborenen zur Erbfolge: Herzog Rudolfs Erstgeborener aber war damals bereits seit langen Jahren ohne Hinterlassung von Erben verstorben. Es fällt schwer, anzunehmen, daß ein Satz, welcher für den Herzog von Sachsen zurzeit so ganz und gar nicht in Frage kam, grade für ein ihm auszustellendes Privileg formuliert sein sollte. Ich möchte daher die Annahme vorziehen, daß der Kaiser die Einführung der Primogeniturerbfolge für die weltlichen Kurfürstentümer schon vor Erteilung der beiden sächsischen Privilegien plante und in seiner Kanzlei ein Formular herstellen ließ, nach welchem Primogeniturprivilegien an weltliche Kurfürsten überhaupt erteilt [45] werden sollten. Zufällig erhielt nun zunächst grade Rudolf von Sachsen, auf den dieses Formular nicht zutraf, ein solches Privileg, während die Ausstellung eines solchen für die übrigen Kurfürsten wohl unterblieb. Da es nun ferner nicht sehr wahrscheinlich ist, daß Herzog Rudolf der Jüngere die seinem Vater erteilten Privilegien aus dem Nürnberger Reichstage der kaiserlichen Kanzlei zum Zweck der Verallgemeinerung durch ein Gesetz überlassen haben sollte, so möchte ich vermuten, daß bei der Abfassung unseres Kapitels nicht ein sächsisches Privileg, sondern jenes ältere Formular benutzt wurde.

Nicht in dem sächsischen Privileg enthalten ist die Bestimmung über die Vormundschaft über minderjährige Kurfürsten und über deren Mündigkeitstermin. Kapitel VII enthält in diesem Punkte offenbar neues Recht, indem es bestimmt, daß die Mündigkeit bei Kurfürsten mit dem vollendeten 18. Lebensjahr eintreten soll. Reimann hat S. 22 darauf aufmerksam gemacht, daß auch der Schwabenspiegel, Landrechtsbuch c. 51, das vollendete 18. Jahr als Mündigkeitstermin kennt; es heißt dort: als ein man kumt hinz ahtzehen jarn, so hat er sine volle tage. Obwohl hier der Mündigkeitstermin von 18 Jahren nicht auf die Kurfürsten oder Fürsten beschränkt wird, möchte ich doch Reimanns Annahme, daß auch hier der Schwabenspiegel die Quelle des Gesetzes bildet, für wahrscheinlich halten. Freilich bleibt es dabei völlig unaufgeklärt, wie dieser dem Recht der deutschen Stämme ursprünglich fremde und nur dem alten Langobardenrecht bekannte Mündigkeitstermin in den Schwabenspiegel gelangt ist. So häufig er sich in deutschen Rechtsquellen seit dem ausgehenden Mittelalter findet, so wenig bekannt ist er den älteren Quellen. Vor dem Schwabenspiegel findet er sich, soweit bis jetzt bekannt, nur in wenigen norddeutschen Stadtrechten, welche kaum auf den Schwabenspiegel eingewirkt haben können.[56]

Der letzte Absatz, § 2, enthält in keiner Beziehung neues Recht, sondern bekräftigt nur bereits bestehendes. Das Recht [46] und die Pflicht des Königs, über erledigte weltliche Reichsfürstentümer durch Neuverleihung zu verfügen, war seit langer Zeit unzweifelhaft anerkannt[57], und die besondere Erwähnung desselben hatte wohl nur den Zweck, die Ausnahmestellung Böhmens nachdrücklich hervorzuheben. Wenn dabei bestimmt wird, daß den Einwohnern des Königreichs Böhmen das Recht zustehe, im Falle einer Erledigung des Thrones einen König zu wählen nach Inhalt der jenem Reiche von früheren römischen Kaisern und Königen verliehenen Privilegien, so meint der Gesetzgeber damit natürlich diejenige Form dieser Privilegien, welche er selbst durch seine Bestätigung und Interpretation des Privilegs Friedrichs II. vom 26. September 1212 im Jahre 1348 anerkannt hatte, d. h. mit der Beschränkung der Wahl auf den Fall, daß von der königlichen Familie weder ein männlicher noch ein weiblicher legitimer Sproß vorhanden sei. Irgendwelche Neuerung wird also auch durch diese Bestimmung unseres Kapitels nicht eingeführt.[58]

Schon die ausführliche Einleitung unseres Kapitels und die ausdrückliche Bezeichnung desselben als einer durch kaiserliche Machtvollkommenheit erlassenen lex perpetuis temporibus valitura zeigt, daß wir es hier mit einem ursprünglich selbständigen Gesetze über das Kurrecht der weltlichen Kurfürsten und dessen Vererbung oder anderweitige Übertragung zu tun haben. In der Tat ist denn auch dieses Kapitel noch vor der Publikation der Gesamtheit der Nürnberger Gesetze als besonderes Gesetz vom Kaiser verkündigt worden, wie das zwei einwandfreie [47] Zeugnisse beweisen. Das erste derselben ist der Vertrag, welcher am 27. Dezember 1355 auf dem Nürnberger Reichstage vor dem Kaiser und den übrigen Kurfürsten zwischen den Pfalzgrafen Ruprecht dem Älteren und Ruprecht dem Jüngeren über Besitz und Vererbung der pfälzischen Kurstimme abgeschlossen wurde. Vertragsurkunden der beiden Pfalzgrafen selbst sind nicht überliefert und wahrscheinlich überhaupt nicht vorhanden gewesen[59]; vielmehr dürften die Pfalzgrafen den Vertrag mündlich vor Kaiser und Kurfürsten vereinbart und sich mit der Beurkundung desselben durch diese begnügt haben. Der Kaiser hat hierüber eine Urkunde als Kaiser und einen Willebrief dazu als König von Böhmen ausgestellt. Mit der kaiserlichen Urkunde mutatis mutandis gleichlautende stellten unter demselben Datum die Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg aus.[60]

In diesen Urkunden wird nun Bezug genommen auf eine von dem Kaiser erlassene gesetzliche Bestimmung, nach welcher die Mündigkeit bei einem Kurfürsten mit dem vollendeten 18. Jahre eintreten, und der Vormund dem mündig gewordenen jungen Kurfürsten dann die Herrschaft mit allen Rechten und Ehren des Fürstentums und insonderheit das Kurrecht sogleich überlassen soll. Es ist hier offenbar Bezug genommen auf c. VII der Goldenen Bulle, wofür noch besonders ins Gewicht fällt, daß die Formulierung der Urkunden über den Vertrag der Pfalzgrafen sich möglichst eng an den Wortlaut jenes Kapitels [48] anschließt. Das wird die folgende Zusammenstellung der beiden Texte erweisen.[61]

Goldene Bulle c. VII.

Urkunde Karls IV.

ea tamen condicione et modo, ut si principem electorem seu eius primogenitum aut filium seniorem laicum mori et heredes masculos legitimos laicos defectum etatis pacientes relinquere contingeret, tunc frater senior eiusdem primogeniti tutor eorum et administrator existat, donec senior ex eis legitimam etatem attigerit, quam in principe electore decem et octo annos completos censeri volumus et statuimus perpetuo et haberi; quam dum exegerit, ius, vocem et potestatem et omnia ab ipsis dependencia tutor ipse sibi totaliter cum officio teneatur protinus assignare.

Ouch mit sulchem underscheide, wer daz sache, das ir einer also verschiede, daz er lehens erben liezze, die ire jare nicht hetten, so sol der ander derselben erben furmunde sein in allen sachen, wie die genant sein, uncz an die czeit, das sie mundig werden, und bei namen an der obgenanten kure uncz an die czeit, daz der eldeste us denselben erben achzcehenjerig werde, wanne wir dieselben jare zu der kure zu einem eelichem mundigen alder gemachet haben mit vollinkumenheit unsers keiserlichen gewaldes, unschedlichen doch in beiden und ir beider erben an iren rechten. Wenne aber derselbe elder sun achczehen jar alt wirdet, czuhant sal im derselbe furmunde aller lande, herschefte, wirdikeit, eren und andir rechten nutczen und zugehorungen, die er als ein vormunde eyngenumen hat, an alle widerrede, furgeczog oder hindernuzze abtreten und im die einantworten on geverde.

[49] Wenn der Kaiser in seiner Urkunde erklärt, er habe das vollendete 18. Lebensjahr zu einem eelichen mundigen alder aus kaiserlicher Machtvollkommenheit gemacht, und dementsprechend Erzbischof Gerlach von Mainz in seiner Urkunde vom gleichen Datum sagt: wanne unser herre der keiser keiser Karle dieselben (18) jare czuo der kure cze einem elichen muendigen alter gemachet hat mit volkomicheit sines keiserlichen gewalts[62], so kann sich das nur auf die in c. VII enthaltene Anordnung beziehen. Dieses Kapitel muß also vor Ausstellung jener Urkunden veröffentlicht sein.

Schon zwei Tage später bezeugt das neue Privileg, welches Karl IV. am 29. Dezember dem Herzog Rudolf von Sachsen über Besitz und Vererbung des Kurrechtes ausstellte, nochmals, daß c. VII damals bereits vorhanden war. Es enthält in den Sätzen, welche die Primogeniturerbfolge anordnen, gegenüber dem älteren sächsischen Privileg Änderungen, die unter Anlehnung an den Text jenes Kapitels verfaßt sind, und fügt ebenso im Anschluß an jenes Kapitel die dem ältern Privileg noch fehlende Bestimmung über Vormundschaft und Mündigkeitstermin hinzu. Es möge der in Betracht kommende Absatz des neuen Privilegs hier folgen: et[63] ne inter heredes ipsius eo defuncto super iure huiusmodi dubitacionum aut licium consurgant materie, decernimus et hoc imperiali edicto statuimus, quod post eius obitum, quia primogenitus ipsius ab hac luce migravit, filio seniori eiusdem Rudolfi ducis, avunculi nostri, layco dumtaxat, illo quoque non extante eiusdem filii senioris primogenito, similiter layco, vox et ius predictum seu potestas competat eligendi. Si vero ipsius filium seniorem absque heredibus masculis legitimis laycis seu lavco mori contingeret, extunc vox et ius seu potestas eleccionis huiusmodi ad seniorem fratrem laycum per veram paternalem lineam ab ipso nostro avunculo descendentem et deinde ad illius primogenitum laycum devolvatur, et talis successio ac devolucio in voce, iure et potestate premissis in ducibus Saxonie perpetuis temporibus observetur, ea tamen condicione, ut, si talem primogenitum relictis heredibus masculini sexus defectum etatis pacientibus mori contingeret, tunc frater senior [50] eiusdem peimogeniti tutor et administrator existat, donec ad legitimam etatem perveniat, qua consequta sibi dignitatem, principatum vocemque, ius et potestatem et omnia ab ipsis dependencia teneatur protinus assignare. Etatem quippe legitimam in voce eleccionis Romanorum regis decem et octo annos censeri statuimus; in principatu vero gubernando circa etatem ipsam leges anteriorum imperatorum Romanorum et regum predecessorum nostrorum decernimus observari.

Der engere Anschluß an die Fassung der Goldenen Bulle zeigt sich gegenüber dem älteren Privileg hier namentlich in der Hinzufügung des Wortes laycus zu dem legitimus des älteren Privilegs. Merkwürdig ist, daß erst in diesem Privileg darauf Rücksicht genommen ist, daß der primogenitus Herzog Rudolfs bereits verstorben war. Zu beachten ist auch, daß der im Gesetz festgelegte Mündigkeitstermin von 18 Jahren in unserm Privileg ausdrücklich beschränkt wird auf die Mündigkeit zur Ausübung des Kurrechtes, während bezüglich der Regierung des Fürstentums derjenige Mündigkeitstermin beobachtet werden soll, welchen die Gesetze früherer römischer Kaiser und Könige festgesetzt haben. Welche Gesetze hier gemeint sind, wird nicht ausdrücklich gesagt. Man könnte an das Gesetz Justinians denken, durch welches das vollendete 14. Jahr als Mündigkeitstermin für Männer angesetzt wurde (Cod. V, 60, 3; vgl. Inst. I, 22 pr.), wenn es sich nicht gerade um eine Ausnahme handelte, welche Sachsen betrifft. Ich möchte es daher vorziehen, an die Bestimmung des Sachsenspiegels zu denken, welcher I, 42 das vollendete 12. Jahr als Mündigkeitstermin angibt. Daß der Kaiser oder seine Kanzlei den Sachsenspiegel als kaiserliches Gesetz behandelt, erklärt sich aus dem Einfluß, welchen die Glosse und die übrigen Schriften des Johann von Buch, der in dem Sachsenspiegel nichts anderes sah als ein Privileg Karls des Großen, in damaliger Zeit ausübte. Jedenfalls schließt diese Ausnahme von der im Gesetz enthaltenen Regel sowie jene besondere Rücksichtnahme auf das Fehlen eines Erstgeborenen des Kurfürsten Rudolf die Annahme aus, daß etwa das Konzept des sächsischen Privilegs bei der Abfassung des c. VII bereits vorgelegen hätte und als Vorlage benutzt wäre.

So haben wir ein ausdrückliches Zeugnis dafür, daß c. VII am 27. Dezember bereits publiziert war, und eine Benutzung [51] desselben in einem Privileg vom 29. Dezember, welche ebenfalls diese Publikation voraussetzen läßt. Wann ist diese nun erfolgt?

Schon nach den beiden ältesten nahe zusammenliegenden Zeugnissen vom 27. und 29. Dezember ist anzunehmen, daß sie nicht schon lange vorher geschehen ist; sicher nicht, bevor sämtliche Kurfürsten persönlich anwesend waren. Erst am 22. Dezember aber traf der Erzbischof von Trier in Nürnberg ein. Berücksichtigen wir nun die entschieden in jener Zeit vorhandene Neigung, die Publikation wichtiger Gesetze an hohen Feiertagen vorzunehmen, wie denn ja auch am Weihnachtstage des folgenden Jahres zu Metz der zweite Teil der Goldenen Bulle verkündigt wurde, so werden wir kaum fehlgreifen, wenn wir annehmen, daß das spätere c. VII der Goldenen Bulle als besonderes Gesetz über Kurrecht, Vormundschaft und Mündigkeit der weltlichen Kurfürsten, sowie über die Nachfolge im Kurrecht am 25. Dezember 1355 in feierlicher Sitzung verkündigt wurde.

Somit haben wir in c. VII den dritten ursprünglich selbständigen Bestandteil der Goldenen Bulle kennen gelernt; einen vierten bilden die folgenden vier Kapitel.


Kapitel VIII–XI.

Es steht außer Zweifel, daß die Kapitel VIII, IX und X der ursprünglichen Anlage nach nichts anderes sind als ein Privileg über die Landeshoheit des Königreichs Böhmen, durch welches der Kaiser dem König von Böhmen die volle Gerichtsgewalt, ein nur wenig beschränktes Recht an den wichtigsten Regalien, das volle Münzrecht und das Recht des freien Ländererwerbs verleiht oder vielmehr als bereits bestehend und hergebracht anerkennt. Das erste dieser drei Kapitel, welches von der Gerichtsgewalt handelt, hat denn auch den Charakter eines Privilegs für Böhmen bei seiner Aufnahme in die Goldene Bulle rein bewahrt. Es erkennt den böhmischen Ständen und Untertanen die völlige Freiheit von allen andern Gerichten als denen des Königs von Böhmen zu, indem es ihnen die Freiheit von der Ladung vor auswärtige Gerichte gewährt und die Berufung von böhmischen Gerichten an irgendwelche auswärtige, [52] auch das Reichshofgericht nicht ausgenommen, verbietet (Privilegia de non evocando und de non appellando).

Anders dagegen sind die beiden folgenden Kapitel bei der Aufnahme in die Goldene Bulle behandelt. Hier ist die ursprünglich gleichfalls auf den Böhmenkönig gestellte Fassung durch kurze Zusätze zu einem Privileg erweitert, welches allen Kurfürsten die ursprünglich nur jenem zugedachten Rechte verlieh.

Hatten durch diese Zusätze in cc. IX und X die übrigen Kurfürsten in bezug auf Berg-, Zoll- und Judenregal sowie hinsichtlich des Münzrechts und des Ländererwerbs dasselbe weite Maß von Berechtigungen erhalten wie der Böhme, so wurden ihnen durch ein besonderes nach dem Vorbilde von c. VIII abgefaßtes c. XI auch in Hinsicht der Gerichtsgewalt fast die gleichen Rechte wie jenem zuerkannt. Freilich nur fast die gleichen; denn die Befreiung von der Appellation an auswärtige Gerichte wurde ihnen gegenüber durch eine Ausnahme beschränkt, indem im Falle der Rechtsverweigerung die Berufung an das kaiserliche Hofgericht gestattet sein sollte.

Es erhebt sich nun die Frage: Ist das dem Böhmenkönig zugedachte kaiserliche Privileg damals wirklich ausgefertigt worden?

Während die Privilegien für Böhmen im allgemeinen in ziemlicher Vollständigkeit, teils in Einzelüberlieferungen, teils in Privilegienbüchern erhalten sind, findet sich von einer den drei Kapiteln entsprechenden Ausfertigung keine Spur. Denn auch das Stück, welches man nach Harnacks Angabe (S. 146, 1) für eine solche Ausfertigung halten könnte, ist in Wahrheit die auch sonst bekannte Urkunde Gerlachs von Mainz, Böhmer-Huber, Reichssachen Nr. 259, Urkunden Nr. 20.[64]

Diese Urkunde darf nun nicht, wie dies in den Regesten geschehen ist, als Willebrief zu einer kaiserlichen Verleihung angesehen werden. Eine genaue Interpretation des Wortlautes ergibt zunächst, daß die Urkunde keine Bestätigung eines kaiserlichen Privilegs sein kann. Ganz deutlich geht dies hervor aus dem Satze: sicut in forma constitucionum predicti domini nostri [53] imperatoris, quas desuper nostro et aliorum electorum principum consilio edidisse dinoscitur, plenius est expressum. Sicher hätte Gerlach nicht gesagt: „wie das vollständig in den vom Kaiser erlassenen Gesetzen steht“, wenn er ein ihm vorliegendes kaiserliches Privileg hätte bestätigen wollen. Des weiteren spricht gegen die Annahme, daß es sich hier um die Zustimmungserklärung zu einem kaiserlichen Privileg handelt, der sich unmittelbar anschließende Satz, in welchem Gerlach erklärt: alles Vorstehende habe der Kaiser auf dem Hoftage zu Nürnberg vor den Rat der Kurfürsten gebracht, dort sei es beraten und für rechtmäßig geurteilt und werde nunmehr von ihm, Gerlach, anerkannt, bestätigt und bewilligt. Ich setze den Wortlaut, der nicht ohne weiteres sicher zu erklären ist, hierher: Nos igitur premissa omnia et eorum quodlibet, sicut in solempnis curie Nurembergensis celebracione in commune consilium nobiscum et cum ceteris principibus coelectoribus nostris habitum per ipsum dominum nostrum dominum imperatorem deducta multoque studio ventilata et racionabilia fuerint iudicata, recognoscimus de nostro consilio et pleno processisse consensu, ratificantes ac rata omnia et singula habentes et grata, nostrum eis benivolum adhibemus ex certa sciencia consensum pariter et assensum.

Es fragt sich, ob dieser Passus sich auf die Beratung und Beschlußfassung über die in die Goldene Bulle aufgenommenen Kapitel bezieht, oder ob hier von einer nochmaligen späteren Verhandlung über das speziell in Gerlachs Urkunde Bezeugte, was sich anders als jene Kapitel ja nur auf Böhmen bezieht, die Rede ist.

Schon der eben angedeutete Umstand, daß unsere Urkunde in allen Bestimmungen ausschließlich nur auf den Böhmenkönig Rücksicht nimmt, während jene Kapitel, von dem ersten allein abgesehen, sämtlichen Kurfürsten gleiche Rechte zuerkennen, macht es schwer, das, was über Beratung und Beschlußfassung der vorstehenden Bestimmungen (premissa omnia) gesagt wird, auf jene gesetzlichen Bestimmungen der Goldenen Bulle zu beziehen.

Auch ist es wenig wahrscheinlich, daß Gerlach, nachdem er sich bereits auf die Nürnberger Gesetzgebung als etwas Abgeschlossenes berufen hatte, nochmals ihre Entstehung eingehend [54] erörtert haben sollte. Die Urkunde Gerlachs vom 7. Januar 1356 bestätigt ein wohl an demselben Tage von den Kurfürsten gefundenes Weistum über die Rechte des Königs von Böhmen, welches sich eng berührt mit dem Inhalt der cc. VIII–X der Goldenen Bulle. Gerade aber der Umstand, daß damals ein solches Weistum gefunden wurde, schließt fast die Möglichkeit aus, daß ein jenen Kapiteln entsprechendes Privileg vorhanden war. Wäre es vorhanden gewesen, so war das Weistum überflüssig, und wenn Karl IV. dennoch auf eine Beurkundung durch die Kurfürsten Wert gelegt hätte, so hätte es näher gelegen, diese in der Form von Willebriefen sich erteilen zu lassen.

Sollte nun aber nicht ein ähnliches Privileg bereits in früherer Zeit vorhanden gewesen sein? Dieser Gedanke kann als naheliegend erscheinen. Es finden sich nämlich in der feierlichen Urkunde, welche Karl IV. am 5. April 1355, dem Tage seiner Kaiserkrönung, über die dauernde Verbindung der vor kurzem erworbenen bayerischen Gebiete, der später so genannten Oberpfalz, mit dem Königreich Böhmen ausstellte, eine Anzahl von Bestimmungen, welche nahe Verwandtschaft mit solchen jener drei Kapitel der Goldenen Bulle aufzeigen. Es wird darin jenen Gebieten eine volle Befreiung von allen auswärtigen Gerichten mit Ausnahme des Hofgerichts des böhmischen Königs erteilt, und zwar in Wendungen, die sich zum Teil nahe berühren mit denjenigen, in welchen in c. VIII der Goldenen Bulle dem Königreich Böhmen die entsprechende Befreiung von allen andern Gerichten als denen des böhmischen Königs erteilt wird. Ganz besonders fällt dabei auf, daß die Rechtssachen, in welchen die Evokation verboten wird, ebenso in der Goldenen Bulle wie in jener Urkunde eingeteilt werden in causae civiles, criminales et mixtae. Ferner enthält die Urkunde über die Inkorporation der Oberpfalz Bestimmungen über die Regalien, welche in diesen Gebieten allein dem Könige von Böhmen zustehen sollen, unter denen die über das Bergregal und über das Münzrecht in ihrer Formulierung starke Ähnlichkeit mit den entsprechenden Bestimmungen der cc. IX und X der Goldenen Bulle zeigen.

Man könnte nun vermuten, daß die Übereinstimmung zwischen dieser Urkunde und der Goldenen Bulle aus der Benutzung eines älteren Privilegs für Böhmen als gemeinsamer [55] Vorlage zu erklären sei. Dem steht aber der Umstand entgegen, daß auch von einem solchen älteren Privileg für Böhmen keine irgendwie sichere Spur vorhanden ist.

Freilich sollte nach einer Angabe Čelakovskys, welche Emil Werunsky in seiner Geschichte Kaiser Karls IV. und seiner Zeit III, S. 123, n. 3 anführt, Karl am Tage seiner Kaiserkrönung, also gleichzeitig mit dem Privileg für die Oberpfalz, ein Privileg über die Gerichtsbarkeit in den böhmischen Gebieten erteilt haben, welches also die Vorlage für die Bestimmungen der Urkunde über die Oberpfalz, die die Gerichtsbarkeit betreffen, und zugleich des Kapitels VIII der Goldenen Bulle gewesen sein könnte. Doch dürfte jene Angabe auf einem Irrtume beruhen.

Die fragliche Urkunde soll sich nach Čelakovskys Mitteilung[65] in einem Verzeichnis böhmischer Privilegien von 1471 im Prager Landesarchiv befinden und folgenden Inhalt haben:

1. Kaiser Karl bezeugt, daß seit Menschengedenken niemand von den Bewohnern der Länder des Königs von Böhmen bei irgendeinem Gerichte außerhalb der böhmischen Grenze belangt worden sei, und

2. verordnet, daß, wenn dies in Zukunft geschehen sollte, niemand bei schwerer Strafe der Vorladung folgen dürfe,

3. sowie daß die Bewohner der böhmischen Länder nur vor den von den böhmischen Königen eingesetzten Gerichten belangt werden, und

4. wenn sie sich durch das Urteil niederer Gerichte beschwert fühlen, sich nur an das am königlichen Hofe befindliche Gericht berufen dürfen;

5. überdies könne der König von Böhmen jeden Bewohner seiner Lande, er sei Herr, Edler, Bürger oder Bauer, vor sein Gericht laden und nach altem Brauch über ihn richten.

Nach Ermittelungen, welche Werunsky freundlichst in meinem Interesse angestellt hat, findet sich nun zurzeit weder im Prager Landesarchiv noch im Geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien eine Spur von jenem Verzeichnis und der fraglichen Urkunde. In Wien befinden sich lediglich die [56] Originale von drei verschiedenen Fassungen des Privilegs für die Oberpfalz vom 5. April 1355, einer lateinischen, die den gesamten Inhalt umfaßt, einer lateinischen und einer deutschen, welche nur die auf die Gerichtsbarkeit bezüglichen Bestimmungen enthalten. Vgl. Böhmer–Huber Nr. 2019.

Auch der Inhalt der angeblichen Urkunde erregt Bedenken gegen die Annahme, daß es sich um ein Privileg für das Königreich Böhmen handele. Von den fünf Punkten, in die ich den Inhalt der von Čelakovsky exzerpierten Urkunde zerlegt habe, finden sich vier in jenen Urkunden für die Oberpfalz wieder, nämlich 2, 3, 4 und 5, darunter 2 und 3 in umgekehrter Ordnung. Von diesen vier Punkten aber ist der Inhalt des letzten der Art, daß er in einem Privileg für das ganze Königreich kaum enthalten sein konnte, während er in einem Privileg für ein mit der Krone Böhmen vereinigtes Gebiet, das wie die Oberpfalz hinsichtlich der Gerichtsverfassung eine gewisse Selbständigkeit behalten hatte, sehr gut paßte. Hier war die Bestimmung sehr wohl am Platz, daß der König von Böhmen trotz der sonst zugestandenen Freiheit der Einwohner des Landes von der Ladung vor außerhalb desselben gelegene Gerichte doch das Recht habe, die Bewohner dieses Gebietes wie alle seine Untertanen vor sich zu laden und über sie zu richten nach alter Gewohnheit. In einem Privileg für das Hauptland selbst oder für das gesamte Königreich wäre eine solche Bestimmung sehr auffällig, weil sie nur Selbstverständliches sagen würde. Nur der erste Punkt findet sich nicht in den oberpfälzischen Urkunden; er stimmt vielmehr überein mit dem Eingange des Kapitels VIII der Goldenen Bulle.

Nach alledem möchte ich bis zur etwaigen Wiederauffindung der von Čelakovsky benutzten Urkunde annehmen, daß diese nicht ein Privileg für Böhmen, sondern eben jenes Privileg für die Oberpfalz war, vielleicht interpoliert mit Hilfe der Goldenen Bulle.

So bleibt für die Möglichkeit, daß ein älteres Privileg für Böhmen die Vorlage des in die Goldene Bulle aufgenommenen Privilegs gebildet habe, vorläufig kein Raum.

Versuchen wir nun festzustellen, was sich aus vorstehenden Ausführungen für die Entstehung unserer drei Kapitel ergibt. Der Kaiser hatte einen Entwurf zu einem Privileg über die [57] Landeshoheit des Königs von Böhmen herstellen lassen. Die inzwischen begonnene Ausgestaltung der Nürnberger Königswahlordnung zu einer Kodifikation der kurfürstlichen Rechte mochte es dem Kaiser nahelegen, auf die förmliche Ausstellung eines Privilegs für Böhmen zu verzichten und statt dessen den Inhalt des Entwurfs in die im Werke befindliche Gesetzgebung aufnehmen zu lassen. Nun aber werden die übrigen Kurfürsten, welche zum Teil wenigstens nachweisbar im Besitze gleicher oder doch fast gleicher Rechte waren, gewünscht haben, daß auch ihnen diese Rechte in dem Gesetze bestätigt würden. Daraufhin dürften dann jene Zusätze in c. IX und X aufgenommen sein, durch welche den anderen Kurfürsten dieselben Rechte wie dem Böhmenkönige zuerkannt wurden; und ebenso das dem gleichen Zwecke dienende ganze Kapitel XI. Jener Privilegien-Entwurf wurde dann zugleich die Grundlage für das am 7. Januar 1356 von den Kurfürsten gefundene und von Erzbischof Gerlach beurkundete Weistum. Es muß dabei dahingestellt bleiben, ob eine wesentliche Abweichung der Urkunde Gerlachs vom Texte der Goldenen Bulle schon dem Entwurfe angehörte oder erst bei Findung des Weistums vom 7. Januar entstanden ist. Während nämlich in c. IX der Goldenen Bulle den Kurfürsten nur das Recht, die bestehenden Zölle zu erheben, zugestanden wird, erkennt das Weistum dem Böhmenkönig die Berechtigung zu, auch neue Zölle zu errichten: „thelonea a preterito instituta seu indicta percipere et nova racionabiliter instituere potuisse et posse.“ Vielleicht war es der Wunsch nach Erlangung gerade dieses wichtigen Rechtes, der die Veranlassung zur Findung des Weistums gab. Es wurde dadurch dem König von Böhmen in bezug auf das Zollrecht dieselbe volle Unabhängigkeit vom Reiche gegeben, welche ihm in bezug auf die Gerichtshoheit bereits in der Goldenen Bulle selbst zugestanden war.

Ob aber eine der Urkunden für die Oberpfalz vom 5. April 1355 als Vorlage anzusehen sei, bleibt trotzdem ungewiß. Es werden nämlich Ausdrücke und Wendungen, wie sie jene Urkunden mit den fraglichen Kapiteln der Goldenen Bulle gemein haben, schon in älteren aus Karls IV. Kanzlei hervorgegangenen Privilegien gebraucht, und zwar in solchen, welche der König 1354 seinem Oheim, dem Erzbischof Balduin [58] von Trier erteilte.[66] Hier begegnet bereits die aus dem Richtsteig Landrechts des Johann von Buch entnommene Einteilung der Klagen in bürgerliche, peinliche und vermischte (causae civiles, criminales et mixtae) und ebenso die Erteilung oder Bestätigung des Bergregals und des Münzrechtes in den entsprechenden Wendungen und Ausdrücken; so daß man das Vorbild für die Vorlage der drei Kapitel der Goldenen Bulle auch in diesen oder andern entsprechenden Urkunden suchen kann.

Über die Entstehung des Kapitels XI haben wir dem oben Gesagten (S. 52. 57) nichts hinzuzufügen, als den Hinweis auf die Evokations- und Appellationsprivilegien für Trier, welche zeigen, daß die Behauptung unseres Kapitels, daß die geistlichen Kurfürsten, von denen zunächst allein die Rede ist, bereits im anerkannten Besitze der hier verbriefen Rechte gewesen seien, nicht ganz unbegründet war. Bezüglich ihrer Lehensleute war aber schon durch das Kurfürstenweistum vom 3. Dezember 1353 (Urkunden Nr. 6) allen Kurfürsten die ausschließliche Gerichtshoheit, abgesehen vom Falle der Justizverweigerung, zuerkannt.


Zusatz zu c. XI.

In einem Exemplare der Goldenen Bulle, dem sogenannten böhmischen (B), findet sich ein nachträglich, aber von etwa gleichzeitiger Hand am oberen und seitlichen Rande bei c. XI hinzugefügter Zusatz[67], der eine Erläuterung des Kapitels enthält. Um bezüglich des in jenem Kapitel enthaltenen Gesetzes entstandene Zweifel zu beheben, erklärt der Gesetzgeber, daß unter den Vasallen und Untertanen, über welche den Kurfürsten die fast unbeschränkte Gerichtshoheit zuerkannt wird, nur solche zu verstehen seien, welche tatsächlich auf solchen von den Kurfürsten abhängigen Besitzungen wohnen, über die diesen die weltliche Gerichtsbarkeit zusteht. Haben dagegen Lehnsleute der Kurfürsten, welche auch von andern Fürsten Lehen besitzen, ihren Wohnsitz auf deren Lehen, so haben sie ihren Gerichtsstand nicht vor den kurfürstlichen Gerichten; diese sollen vielmehr ihren Gerichtsstand vor den Fürsten haben, auf deren Lehen sie wohnen, [59] falls diese Fürsten den Königsbann und das Recht haben, Kampfgerichte vor sich abzuhalten. Im andern Falle sollen diese Vasallen ihren Gerichtsstand vor dem königlichen Hofrichter haben. Königsbann und Kampfgericht werden hier als Merkmale einer höheren Gerichtsgewalt, deren nicht alle Fürsten teilhaftig sind, genannt. Nicht gesagt wird hier, ob sich das, was über den Gerichtsstand der auf den Lehen der nichtkurfürstlichen Herren wohnenden Vasallen bestimmt wird, allein auf solche Lehnsleute bezieht, die zugleich Lehnsleute der Kurfürsten sind, oder ob es allgemein für Lehnsleute anderer Fürsten gelten soll. Da es sich hier um Auslegung der Bestimmungen über die Gerichtshoheit der Kurfürsten handelt, kann die Angabe über die Gerichtsbarkeit über Lehnsleute solcher Fürsten, die weder Königsbann noch Kampfrecht hatten, nur die Bedeutung haben, daß dadurch die Gerichtshoheit der Kurfürsten, wenn jene auch kurfürstliche Lehen haben, ohne auf solchen zu wohnen, ausdrücklich ausgeschlossen werden sollte. Wahrscheinlich aber war der Wohnsitz des Vasallen stets für dessen Gerichtsstand entscheidend, und ebenso wird jeder Vasall, dessen Territorialfürst nicht Königsbann und Kampfrecht hatte, den Gerichtsstand vor dem Hofrichter gehabt haben, da sie Anspruch auf den Gerichtsstand in einem Gericht gehabt haben dürften, in welchem sie das standesgemäße Beweismittel des Zweikampfes zur Anwendung bringen konnten. Auch wäre nicht einzusehen, weshalb denjenigen Vasallen der Territorialfürsten, denen auch Kurfürsten Lehen erteilt hatten, allein diesen Gerichtsstand vor dem kaiserlichen Hofrichter gehabt haben sollten.

Rechtfertigt der Inhalt des Zusatzes die von Harnack auf ihn angewandte Bezeichnung als authentische Interpretation, so ist doch die Form, in welcher diese Interpretation dem Gesetze hinzugefügt wurde, in hohem Grade befremdlich. Ohne jede urkundliche Form, ohne Nennung des Ausstellers oder Gesetzgebers und ohne Datierung ist die Erklärung einfach als Marginalvermerk in das eine Exemplar eingetragen. Die Entstehungszeit aber läßt sich trotzdem ziemlich genau feststellen. Ein dem Bischof Johann von Straßburg von Karl IV. ausgestelltes Privileg[68] über die Gerichtshoheit der Bischöfe und [60] der Kirche von Straßburg ist im engsten Anschluß an den Wortlaut des c. XI der Goldenen Bulle und des erklärenden Zusatzes verfaßt. Es gewährt dem Straßburger Bischof die in dem Kapitel des Gesetzes den Kurfürsten zuerkannten Rechte und schränkt sie dann erläuternd ein, wie das in dem Zusatze geschieht. Daß der Zusatz die Vorlage der entsprechenden Stelle des Privilegs gewesen ist, zeigt eine Nebeneinanderstellung ganz deutlich.

Zusatz.

Urkunde.

Hanc autem legem propter quedam dubia, que ex ea suborta fuerunt, de illis dumtaxat feudalibus, vasallis et subditis debere declaramus intelligi, qui feuda, bona et possessiones a principibus electoribus ecclesiasticis et secularibus dependentes, que de temporali ipsorum iurisdictione consistunt, obtinere noscuntur et actualiter ac realiter resident in eisdem. Si vero tales electorum principum vasalli et homines ab aliis eciam archiepiscopis, episcopis sive principibus similia feuda possident et larem fovent in illis, extunc, si iidem archiepiscopi, episcopi vel principes ab imperio bannum habent et privilegium duella coram se agi permittere, apud illos agatur de talibus; alioquin ad imperialis curie iudicis examen super hiis decernimus recurrendum

Hanc autem presentem nostram declaracionem et sanccionem cesaream propter quedam dubia, que ex ea possent suboriri, de illis dumtaxat feudalibus, vasallis et subditis deberi declaramus intelligi, qui feuda, bona et possessiones ab episcopo Argentinensi dependentes, que de temporali ipsius iurisdictione consistunt, obtinere noscuntur et actualiter et realiter resident in eisdem. Si vero tales episcopi Argentinensis vasalli et homines ab aliis eciam archiepiscopis, episcopis sive principibus similia feuda possident et larem foverint in illis, extunc, si iidem archiepiscopi, episcopi vel principes ab imperio bannum habent et privilegium duella coram se agi permittere, aput illos agat(ur) de talibus; alioquin ad imperialis curie iudicis examen super hiis decernimus recurrendum.

Ausgestellt ist das Privileg am 3. März 1358. Da nun das Exemplar B, welches den Zusatz zuerst erhalten hat, am 10. Januar 1356, wie wir sehen werden, noch nicht vorhanden war, so kann der Zusatz sicher erst nach diesem Tage entstanden sein. Da aber ferner die sämtlichen auf Grund der zu Metz am 25. Dezember 1356 erfolgten Publikation des ganzen Gesetzes aufgezeichneten Originale keine Spur unseres Zusatzes enthalten, so kann derselbe damals kaum schon vorhanden gewesen sein. Sicher also zwischen dem 10. Januar 1356 und dem 3. März [61] 1358, wahrscheinlich aber erst nach dem 25. Dezember 1356 ist der Zusatz entstanden. Der Umstand, den Harnack für eine spätere Ansetzung der Entstehungszeit geltend macht, nämlich daß in dem erst im Jahre 1366 von der Stadt Frankfurt erwirkten Exemplar, welches in dem das Nürnberger Gesetzbuch umfassenden Teile sicher aus B abgeschrieben ist[69], der Zusatz nicht enthalten ist, kann natürlich gegenüber der Urkunde von 1358 nichts beweisen. Es muß, was auch sehr wohl denkbar ist, entweder die Abschrift nicht damals erst für die Frankfurter neu angefertigt, sondern schon früher zu einem andern Zwecke geschrieben sein, oder der Abschreiber überging den Zusatz mit Absicht oder aus Versehen.


Kapitel XII.

Als c. XII ist dem Gesetze ein Stück eingefügt, welches einen ganz besonderen Charakter trägt. Es ist ein kaiserlicher Erlaß über ein zwischen dem Kaiser und den Kurfürsten geschlossenes Übereinkommen betreffend die Abhaltung regelmäßiger Versammlungen der Kurfürsten oder vielmehr des Kaisers und der Kurfürsten.

Alljährlich einmal vier Wochen nach Ostern sollen die Kurfürsten persönlich zur Beratung wichtiger Reichsangelegenheiten zusammenkommen. Die erste Versammlung soll schon im laufenden Jahre 1356 zu Metz stattfinden. Auf jeder Versammlung soll der Ort der nächstjährigen vom Kaiser mit Rat der Kurfürsten festgesetzt werden. Die Einrichtung soll nur so lange dauern, als es dem Kaiser und den Kurfürsten gefällt. Für die Hin- und Rückreise, sowie für die Dauer der Versammlungen selbst erteilt der Kaiser sicheres Geleit. Damit die Versammlungen nicht durch übermäßige Gastereien in ihren Arbeiten behindert werden, verbietet er während derselben allgemeine Einladungen.

[62] Julius Weizsäcker hat auch dieses Kapitel wie die Bestimmung des c. V über die Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König, und zwar beide im Zusammenhang miteinander, einer scharfen Kritik unterzogen. Er kommt (a. a. O. S. 39–43) zu dem Ergebnis, daß die Kurfürsten durch regelmäßige Kurfürstentage ihr Kollegium zu einem ständigen Reichsregiment entwickeln wollten, welches, ausgestattet mit der Gerichtsbarkeit über den König und dem dadurch gegebenen Absetzungsrecht, das Königtum sich hätte unterwerfen können. Der Kaiser aber hätte durch die Fassung der hierauf bezüglichen Bestimmungen, deren Einfügung in das Gesetz er nicht gänzlich verhindern konnte, jenes ganze System wirksam bekämpft und die Institute der Gerichtsbarkeit des Pfalzgrafen über den König und der regelmäßigen Kurfürstentage trotz ihrer Anerkennung zur Durchführung der kurfürstlichen Absichten untauglich gemacht.

Glaubte ich schon an der früheren Stelle erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung Weizsäckers geltend machen zu müssen, so scheint mir seine Auffassung dieses Kapitels noch weit bedenklicher.

Seit der Zeit Rudolfs von Habsburg war die hervorragende Stellung der Kurfürsten in der Verfassung des Reichs in ihren Grundlagen gesichert. Die Ereignisse unter den nächsten Königen und namentlich unter Ludwig dem Bayern hatten diese Stellung noch weiter entwickelt und befestigt. Die Rechte, welche die Kurfürsten 1338 unter den Augen des Kaisers für sich und ihre Nachfolger im Kurverein von Rense in Anspruch genommen hallen, waren von Karl IV. weder ausdrücklich anerkannt noch bestritten, und wurden von jenen unzweifelhaft aufrecht erhalten. Das Recht, sich an beliebigem oder herkömmlichem Orte zu beliebiger Zeit zu versammeln, um über das Wohl des Reiches zu beraten oder über gemeinsame Angelegenheiten zu verhandeln und zu beschließen, konnte ihnen kaum vom Kaiser mit einem Anschein von Recht bestritten werden. Aus den allgemeinen Reichsversammlungen, wie jetzt zu Nürnberg, bildeten die Kurfürsten den engeren, ja den eigentlichen und ausschlaggebenden Rat des Kaisers. Oft genug wird in der Goldenen Bulle selbst und in Urkunden, welche über das Zustandekommen der in ihr vereinigten Gesetze berichten, gesagt, daß diese Gesetze auf dem mit den Kurfürsten, Fürsten und andern Reichsständen zu Nürnberg [63] abgehaltenen Hofe mit Rat der Kurfürsten erlassen seien. Damit waren den Kurfürsten Mittel genug in die Hand gegeben, ihren Einfluß, ja ihre ausschlaggebende Macht zur Geltung zu bringen. Darüber hinaus eine festere Organisation, eine periodisch zusammentretende Vereinigung oder gar einen ständigen Reichsrat, etwa durch Bevollmächtigte der Kurfürsten gebildet, zu erstreben, dürfte ihnen noch sehr fern gelegen haben. Das waren Gedanken, wie sie erst in den Zeiten der Verwaisung des Reiches unter Königen wie Wenzel und Friedrich III. aufkommen und Gestalt gewinnen konnten, nicht unter einem im Reiche so geschäftig tätigen Herrscher wie Karl. Noch galt der Besuch einer Reichsversammlung als eine Pflicht, als ein Dienst, durch dessen Erfüllung die Fürsten und Stände sich den Dank des Kaisers verdienten, wie das Karl auf dem Nürnberger Tage dem Bischof von Straßburg gegenüber zum schriftlichen und klingenden Ausdruck brachte. Und wie die eigentlichen Reichstage, so scheute man auch andere Versammlungen wegen der großen Mühen und Kosten, welche mit deren Besuch verbunden waren.

Lesen wir nun den Text des c. XII, ohne von Vorstellungen wie die Weizsäckers auszugehen, so gewinnen wir aus dem Wortlaut eher den Eindruck, als wollte der Kaiser den Kurfürsten eine Einrichtung annehmbar machen, von der er sich Erfolge versprach, während jene wenig geneigt waren, auf die Sache einzugehen. Karl schmeichelt den Kurfürsten hier wie auch sonst in der Goldenen Bulle, indem er sie als die Säulen und Grundfesten des Reichs bezeichnet. Er spricht von dem Nutzen, welcher dem Reiche daraus erwachsen werde, wenn sie öfter als bisher zusammenkämen. Er verspricht ihnen sicheres Geleit für die geplanten Versammlungen und will den guten Fortgang ihrer Beratungen von störenden und, wir dürfen wohl hinzufügen, kostspieligen Gastereien frei halten. Der Kaiser verzichtete für diese Versammlungen, doch wohl um sie den Kurfürsten annehmbarer zu machen, auf das Recht der Berufung an einen beliebigen ihm gelegenen Ort, indem er die Wahl des Ortes von ihrem Rat abhängig machte. Wenn die Versammlungen nur zum Zweck der Beratung berufen werden sollen, ihnen also das Recht, für den Kaiser verbindliche Beschlüsse zu fassen, nicht zustehen soll, so darf man darin schwerlich eine [64] Einschränkung weitergehender Wünsche oder Vorschläge der Kurfürsten erblicken. Die Kurfürsten waren im unangefochtenen Besitz des Konsensrechtes zu wichtigen Regierungshandlungen des Königs und damit eines gewaltigen Machtmittels; die Gesetzgebung aber lag noch allein in der Hand des Kaisers, soweit nicht im Wege der Urteilsfindung das der Theorie nach schon vorhandene Recht festgestellt wurde. Die Satzung neuen Rechts geschah allein durch den Kaiser aus seiner kaiserlichen Machtvollkommenheit, wie das die Goldene Bulle oft genug hervorhebt. Der Rat der Kurfürsten tritt wohl hinzu und wird öfter ausdrücklich betont, gilt aber kaum als notwendig für die Rechtsgültigkeit der Gesetze. Wie hätten bei solchen staatsrechtlichen Anschauungen die Kurfürsten plötzlich auf den Gedanken kommen sollen, sich eine so weit über das geltende Recht hinausgehende Befugnis zu verschaffen, noch dazu in einem Augenblick, wo die meisten von ihnen dem Kaiser verpflichtet, und dieser überhaupt in keiner ungünstigen Position war? Jedenfalls entspricht es durchaus den Anschauungen der Zeit, wenn jenen Kurfürstentagen nur eine beratende Kompetenz gegeben wird, so daß dieser Umstand nicht als ein Zurückdrängen gegenteiliger Ansprüche erklärt zu werden braucht. Auch in der Bestimmung, daß die Kurfürsten persönlich erscheinen sollen, will Weizsäcker eine Beschränkung kurfürstlicher Wünsche oder Bestrebungen erblicken; gewiß ebenso mit Unrecht. War doch noch auf lange Zeit hinaus das persönliche Erscheinen der Fürsten auf den Reichstagen durchaus die Regel, und war doch insbesondere bei dem ausgesprochenen Zweck der Kurfürstentage die persönliche Anwesenheit fast selbstverständliche Voraussetzung!

Wenn ferner Weizsäcker meint, daß der Ort der Versammlung vom Kaiser mit voller Absichtlichkeit zu keinem stehenden gemacht sei, so legt er damit jedenfalls dem Kaiser einen Gedanken unter, der ihm völlig fern liegen mußte. Der Wechsel des Ortes war für derartige Versammlungen in jener Zeit das allein Übliche. Reichstage, Städtetage, insbesondere auch die Hansetage fanden noch viel später regelmäßig nicht an einem feststehenden Orte statt. Sowenig der Hof des Königs einen festen Sitz hatte, sowenig hatten die Reichsbehörden, das Reichshofgericht, die Reichskanzlei und die königliche Kammer einen solchen. Wie hätte man damals auf den Gedanken [65] kommen sollen, die regelmäßigen Kurfürstentage stets an demselben Orte zu halten, zumal eine solche Fixierung des Ortes notwendig den einen oder andern der Kurfürsten wegen der Entfernung hätte benachteiligen müssen?

Endlich kann die Klausel, daß die ganze Einrichtung nur so lange bestehen solle, wie es beiden Parteien, d. h. dem Kaiser und den Kurfürsten, gefalle, gewiß ebensogut, wenn nicht mit größerem Recht, als eine Konzession an die Kurfürsten aufgefaßt werden, wie als eine Einschränkung durch den Kaiser, der dadurch eine dauernde Einrichtung hätte verhindern wollen.

Nach alledem glaube ich, daß wir gut tun, das Kapitel so aufzufassen, wie es der Gesetzgeber dem Wortlaute nach verstanden wissen wollte. Der Kaiser, der doch durch das ganze Gesetz bewiesen hatte, daß er die Stellung der Kurfürsten zu heben und zu befestigen bestrebt war, wünschte deren Rat als der ausschlaggebenden Glieder des Reichs öfter und regelmäßiger als bisher für die Zwecke der Reichsverwaltung zur Verfügung zu haben. Deshalb plante er jene Einrichtung, durch welche zugleich den Kurfürsten ein ihrer sonstigen hervorragenden Stellung im Reich entsprechender Platz auch in der Reichsverwaltung zugewiesen wurde. Die Kurfürsten aber, welche die neue Einrichtung vorzugsweise unter dem Gesichtspunkte einer neuen Last betrachteten, ließen sie nur unter gewissen Kautelen zu, unter denen die Widerruflichkeit derselben und die jedesmalige Bestimmung des Ortes nicht ohne ihren Beirat die hauptsächlichsten gewesen sein dürften.

Als möglich zugeben möchte ich nur so viel, daß neben den im Gesetz ausgesprochenen Gründen den Kaiser auch noch die nicht ausgesprochene Absicht zur Einführung von Kurfürstentagen bewogen haben mag, durch diese Einrichtung die weitere Entwicklung der Stellung des Kurfürstenkollegs in der Reichsverfassung in Bahnen zu lenken, weiche den Interessen des Königtums nicht zuwider liefen. Wenn die Kurfürsten sich regelmäßig unter dem Vorsitz und der Kontrolle des Kaisers versammelten, so konnte das leicht die Folge haben, daß sich das Kurfürstenkolleg mehr und mehr zu einem höchsten kaiserlichen Rat entwickele, wodurch eine Rückkehr desselben in Bahnen, wie die Kurfürsten sie unter den Königen Adolf, Albrecht und unter Kaiser Ludwig eingeschlagen hatten, wohl [66] verhindert werden konnte. In je engere gesetzmäßige Verbindung die Teilnahme der Kurfürsten an der Reichsregierung mit dem Kaiser gebracht wurde, um so weniger gefährlich mußte die Machtstellung der Kurfürsten dem Königtume erscheinen. Nichts aber scheint mir für eine Annahme zu sprechen, nach welcher unser Kapitel das Resultat von Verhandlungen zwischen Kaiser und Kurfürsten wäre über weitergehende Wünsche derselben hinsichtlich der Schaffung eines kurfürstlichen Organs in der Reichsverfassung, welche der Kaiser zurückgedrängt und abgeschwächt hätte.[70]

Das Verbot großer Gastereien hat Karl IV. nicht ohne besonderen Anlaß ersonnen; vielmehr boten Vorgänge auf dem Nürnberger Tage selbst unzweifelhaft die unmittelbare Veranlassung dazu. Aus dem Trierer Rechnungsbuche ersehen wir, daß damals zu Nürnberg die Geselligkeit und die Tafelfreuden eine sehr erhebliche Rolle spielten. Seit der Ankunft des Erzbischofs Boemund in der Reichstagsstadt am 22. Dezember verging zunächst nur selten ein Tag, an welchem das Buch nicht eine Eintragung erhielt des Inhalts, daß der Erzbischof beim Kaiser oder bei andern Großen zu Tisch geladen war oder selbst Tischgäste bei sich hatte. Ein besonders großes Gastmahl gab er am 30. Dezember, wo er den Kaiser, die Kurfürsten und viele andere Fürsten und Herren, anscheinend die ganze Reichsversammlung, bewirtete. Mit Staunen lesen wir, welche fast unglaublichen Massen von Lebensmitteln, zumal an Fleisch damals in der Küche drauf gingen: 4 Ochsen, 7 Schweine, 13 Kälber, 18 Ferkel, 178 Rebhühner, 700 Eier usw.

Können wir nun mit Sicherheit voraussetzen, daß auch die übrigen Kurfürsten ähnliche Gastmähler gaben, so begreifen wir, daß hier Unsummen vergeudet und der Gang der Geschäfte lahmgelegt werden mußte. Eine Woche später fand nach derselben Quelle schon wieder ein Gastmahl der Fürsten statt, wohl wieder auf Einladung Boemunds; nun aber gebot der Kaiser, der selbst nicht unter den Teilnehmern genannt wird, Einhalt. Unsere Quelle berichtet: Feria quarta VI. Ianuarii [67] comedit dominus (Boemundus) cum Ruperto duce Bavarie cum principibus electoribus. Deinceps noluit imperator, quod principes festivarent.[71]

Wenn nun der Kaiser die Fortsetzung der Schmausereien über den 6. Januar hinaus verbot, und gleich am nächsten Tage Weistümer der Kurfürsten über die pfälzische und brandenburgische Kur sowie über die Landeshoheit des Königs von Böhmen beurkundet werden, so steht die Wiederaufnahme der Geschäfte durch die Kurfürsten zweifellos mit dem Verbot des Kaisers im engsten Zusammenhange. Wie der Kaiser hier das in den unmäßigen Gastereien liegende Hemmnis der Reichstagsgeschäfte durch sein Verbot beseitigte, so wollte er ähnliche Behinderungen von den geplanten regelmäßigen Reichs- und Kurfürstentagen durch das Verbot der invitatae generales fernhalten. Diese Bestimmung ist vielleicht erst nachträglich um den 6. Januar dem c. XII hinzugefügt, jedenfalls aber unter dem Eindruck der damals gemachten Erfahrungen entstanden. Die Aufzeichnungen des Tagebuches, welche die außerordentlichen Kosten solcher Gastmähler zeigen[72], erklären die Bestimmung auch noch aus einem anderen Gesichtspunkte. Der Kaiser wollte den Kurfürsten die Versammlungen weniger kostspielig gestalten und damit einen der wesentlichsten Gründe für die Abneigung gerade der vornehmsten Reichsglieder gegen den Besuch der Parlamente beseitigen. Wie sehr der Besuch der Reichsversammlungen als Last empfunden wurde, ist uns in mannigfacher Weise bezeugt, und gerade der Erzbischof Boemund, der zu Nürnberg so große Aufwendungen für standesgemäße Repräsentation machte, wohl weil es dem Herkommen entsprach, hat sich ebenso wie sein Amtsvorgänger durch Privileg gegen den zu häufigen Besuch solcher Parlamente zu schützen gesucht. Er ließ sich ein solches Privileg, welches Erzbischof Balduin schon von Ludwig dem Bayern erworben und sich von [68] Karl IV. zweimal hatte bestätigen lassen, eben damals zu Nürnberg am 5. Januar erneuern. Die Beschwerung mit Reichstagen wurde noch im 16. Jahrhundert als eine Last empfunden, ähnlich wie die Beschwerung durch Steuern und andere Auflagen, mit denen sie die Wahlkapitulation von 1519 in Artikel 12 in eine Reihe stellt. Dort lassen sich die Kurfürsten vom Kaiser die Zusicherung erteilen, daß er sie und die anderen Fürsten und Stände auch „in zugelassenen notturftigen Fällen mit Steur, Aufleg und Reichstegen nicht ohn Wissen und Willen der sechs Kurfürsten“ beschweren wolle.


Kapitel XIII.

Dieses Kapitel, welches die Überschrift trägt: De revocatione privilegiorum, enthält die Bestimmung, daß sämtliche Privilegien, welche den Rechten und Privilegien der Kurfürsten entgegenstehen, soweit dies der Fall ist, ungültig sein sollen. So allgemein diese Bestimmung gefaßt ist, so ist sie doch hervorgerufen durch einen Streit zwischen der Stadt Köln und dem Erzbischof Wilhelm von Köln, auf dessen Betreiben dieses Kapitel der Goldenen Bulle eingefügt wurde. Es ergibt sich das schon als wahrscheinlich aus folgenden Tatsachen. Am 8. Dezember 1355 erteilte der Kaiser der Stadt und den Bürgern von Köln eine große Privilegienbestätigung[73], in welche eine Anzahl von Rechten und Freiheiten aufgenommen waren, die den Interessen und Ansprüchen des Erzbischofs stark widersprachen. Unter anderm gewährte sie den Bürgern vollständige Befreiung von allen Zöllen, wodurch die Einnahmen des Erzbischofs erheblich geschmälert werden mußten. Diese Privilegienbestätigung hatten die Ratsboten der Stadt Köln erhalten, bevor Erzbischof Wilhelm in Nürnberg eintraf, was wahrscheinlich am 22. Dezember geschah.[74] Nur kurze Zeit nach seiner Ankunft muß es ihm dann gelungen sein, die Gunst des Kaisers der Stadt zu entziehen und sich und seiner Kirche zuzuwenden.

Am 4. Januar, noch vor der Verkündigung der Goldenen Bulle, erteilte der Kaiser dem Erzbischof einen neuen Geleitszoll[75], [69] welcher mit dem Privileg vom 8. Dezember im Widerspruch stand, und schon am folgenden Tage widerrief der Kaiser durch eine feierliche Urkunde die ganze Privilegienbestätigung vom 8. Dezember, weil sie dem Rechte des Erzbischofs schädlich sei.[76] Da nun am 7. Januar, wie wir später sehen werden, der c. I–XIX umfassende Teil der Goldenen Bulle bereits in Reinschrift vorlag, so ist es als sicher anzusehen, daß c. XIII schon vor dem Widerruf beraten und beschlossen war. Daß aber unter diesen Umständen die Kölner Privilegiensache den Antrieb für die Abfassung des c. XIII gab, ist an sich schon sehr wahrscheinlich. Zur vollen Gewißheit erhoben wird diese Annahme durch die Vergleichung einzelner Bestimmungen des Privilegs vom 8. Dezember mit solchen des c. XIII, wobei sich zum Teil eine wörtliche Übereinstimmung ergibt, die uns berechtigt, in dem Privileg gradezu eine Vorlage unseres Kapitels zu erblicken.

In dem Privileg vom 8. Dezember hatte der Kaiser den Kölnern die Zusicherung gegeben, daß den ihnen darin erteilten Rechten keine andern Privilegien, Rechte und Freiheiten entgegenstehen sollten, weder seither anerkannte noch künftig zu erteilende, und daß ein Widerruf ihrer Privilegien durch den Kaiser oder seine Nachfolger nur dann Kraft haben solle, wenn die widerrufenen Bestimmungen unter ausdrücklicher Nennung der Stadt Köln von Wort zu Wort in den Widerruf aufgenommen würden. Es mag hier der Wortlaut der betreffenden Stelle folgen:

... et[77] volumus de nostra imperiali maiestate, quod in omnibus et singulis predictis et infrascriptis non obsistant quoquomodo statuta locorum generalia et particularia, facta et facienda, et consuetudines quecunque qualitercunque in contrarium vel aliter introducte et introducende, necnon privilegia, gracie et concessiones a nobis vel predecessoribus nostris imperatoribus et regibus Romanorum aut a quocunque alio data et concessa ac date et concesse, aut imposterum a nobis aut successoribus nostris imperatoribus vel regibus Romanorum danda et concedenda, dande et concedende, que et quas quoad hanc nostram imperialem libertatem nullum volumus robur penitus obtinere, nisi huiusmodi a [70] nobis vel nostris successoribus facienda imposterum presentem nostram graciosam liberalitatem et concessionem de verbo ad verbum seriatim ducerent specialiter et singulariter exprimenda, expresso etiam ipsius nomine proprio civitatis; si etiam quod qualitercunque et quibuscunque generalibus verbis et clausulis fieret revocatio generalis, presens nostre liberalitatis concessio non censebitur in illa aliter, quam ut predicitur, videlicet si de verbo ad verbum seriatim narrentur premissa et nomen civitatis specialiter exprimatur, nullatenus comprehendi. ...

Außerdem erklärt der Kaiser in dem Privileg, wie das freilich auch sonst vorkommt, daß er diese Bestätigung „aus eigenem Antriebe“ erlassen habe: ut sic eis pocius beneficiis beneficia cumulemus, ex motu nostro proprio mere liberalitatis imperialem munificentiam apperire, ...

Vergleichen wir nun hiermit den Text des c. XIII, so fällt auf, daß dasselbe, wenn auch nicht ausschließlich, so doch mit besonderm Nachdruck auf Rechte und Freiheiten grade städtischer Gemeinden, welche den kurfürstlichen Rechten entgegen stehen, Rücksicht nimmt; ferner, daß auch hier selbst solche Privilegien als ungültig erklärt werden, welche der Kaiser aus eigenem Antriebe erläßt; sowie endlich, daß auch solche Privilegien, soweit sie den Rechten der Kurfürsten entgegen stehen, für ungültig erklärt werden, in welchen sich die Bestimmung findet, daß sie nur dann als ungültig und widerrufen gelten sollen, wenn sie von Wort zu Wort in dem Widerruf ausdrücklich wiederholt würden.

Ich setze zur Vergleichung die hauptsächlich in Betracht kommenden Worte des Kapitels hierher: Preterea statuimus ..., quod universa privilegia et littere quibuscumque personis ... seu civitatum, opidorum et quorumlibet locorum universitatibus ... proprio motu seu alias a nobis vel ... divis Romanorum imperatoribus et regibus predecessoribus nostris ... concessa et concesse seu a nobis vel successoribus nostris, Romanorum imperatoribus et regibus, futuris temporibus concedenda seu eciam concedende non debeant aut possint libertatibus, iurisdictionibus, iuribus, honoribus seu dominiis principum electorum sacri imperii ecclesiasticorum et secularium aut alicuius ipsorum in aliquo penitus derogare, eciam si in talibus privilegiis et litteris quarumlibet personarum [71] ... seu universitatum huiusmodi erpresse cautum sit vel fuerit in futurum, quod revocabilia seu revocabiles esse non debeant, nisi de ipsis et toto in eis comprehenso tenore in tali revocatione fieret de verbo ad verbum seriatim mentio specialis. ...

Nach vorstehender Vergleichung steht es außer Zweifel, daß c. XIII mit Rücksicht auf das Privileg vom 8. Dezember, also, was auch sonst wahrscheinlich wäre, erst nach diesem Datum verfaßt ist; daß es andrerseits nicht nach dem am 4. Januar 1356 dem Erzbischof erteilten Zollprivileg verfaßt wurde, ist nach dem oben Gesagten wahrscheinlich. Warum aber, so könnte man fragen, hielt man es für nötig, trotz des c. XIII der Goldenen Bulle noch eine feierliche Widerrufung des städtischen Privilegs am 5. Januar zugunsten des Erzbischofs zu erteilen? Der Grund war wohl, einmal den Erzbischof der Mühe zu überheben, in jedem einzelnen Falle nachweisen zu müssen, daß und inwieweit eine Bestimmung des städtischen Privilegs seinen eigenen Rechten und Freiheiten entgegen stehe. Es mochte hinzukommen, daß nach dem Privileg vom 8. Dezember die Widerruflichkeit einer Bestimmung des Privilegs nur in dem Falle möglich sein sollte, daß in dem Widerruf der Name der Stadt Köln ausdrücklich genannt werde. Eine solche Nennung einer einzelnen Stadt war aber im Texte eines allgemein gehaltenen Gesetzes nicht angängig.

In der Widerrufungsurkunde vom 5. Januar 1356 wird nochmals ausdrücklich hervorgehoben : Non[78] obstante si forsan in litteris super dictis privilegiis et largitionibus per nos concessis huiusmodi confectis caveatur expresse, quod a regali aut imperiali auctoritate per nos aut successores nostros reges aut Romanorum imperatores vel alia quacunque revocari vel eis detrahi aut prejudicari per quascunque regias aut imperiales litteras non possit, nisi in eis de toto tenore ipsorum privilegiorum, concessionum aut gratiarum huiusmodi, dictis civitati et civibus Coloniensibus concessorum vel concessarum, facienda esset de verbo ad verbum mentio specialis ... Diese Worte schließen sich zum Teil wörtlich an die des Privilegs vom 8. Dezember an. Sie geben uns aber [72] zugleich ein Zeugnis dafür, daß c. XIII weder allein noch etwa in Verbindung mit c. XII vor der Publikation des Ganzen als besonderes Gesetz veröffentlicht war, da in diesem Falle die Urkunde vom 5. Januar sicher einen Hinweis auf c. XIII enthalten würde.


Kapitel XIV.

Für c. XIV, welches einem Mißbrauche des Fehderechtes durch die Vasallen gegenüber ihren Lehnsherren entgegentritt, fehlt es an jeder Vorlage. Jener Mißbrauch bestand darin, daß die Lehnsleute den Lehnsherren ihre Lehen wörtlich, nicht aber körperlich aufließen und dann sofort den früheren Herren Fehde ansagten, um auf Grund des Fehderechtes die Lehen, welche sie tatsächlich gar nicht aus ihrem Besitz gelassen hatten, in ihrer Gewalt zu behalten. Das Gesetz verbietet nun unter Androhung der Ehrlosigkeit und der Reichsacht den Lehnsleuten die Absage an ihre Herren vor der körperlich und wirklich vollzogenen Auflassung ihrer Lehen; und auch wenn Auflassung und Absage in rechtmäßiger Weise erfolgt sind, dürfen die Lehnsleute sich bei Ausübung der Fehde nicht an ihren ehemaligen Lehen vergreifen. Es ist dies eine Bestimmung, welche in engem Zusammenhange mit c. XVII § 1 steht, und dementsprechend hat dann auch Erzbischof Wilhelm von Köln sich c. XIV und XVII § 1 zusammen am 2. Februar 1356 in Privilegienform ausfertigen lassen.[79] Ich möchte aber bezweifeln, daß der Erzbischof diese beiden Stücke etwa ebenso veranlaßt habe, wie das bezüglich des c. XIII feststeht. Hätte er an diesen Stücken ein ebenso lebhaftes Interesse gehabt wie an c. XIII, so hätte er dieselben sicher gleich in das erste Privileg vom 25. Januar mit aufnehmen lassen, welches unter andern auch c. XIII enthielt.[80]


Kapitel XV.

Dagegen ist c. XV: De conspirationibus wieder mit Sicherheit auf das Betreiben des Kölner Erzbischofs zurückzuführen.[81] [73] Der Text ist im Anschluß an zwei ältere Vorlagen verfaßt; die eine derselben ist der Roncalische Landfriede Friedrichs I. von 1158, dessen Bestimmungen im Texte als sacrae divorum augustorum predecessorum leges sowie als lex antiqua super hoc edita (vgl. auch penam legis eiusdem) angeführt werden; die andere ist ein von Karl IV. selbst dem Erzbischof von Köln erteiltes Privileg vom 18. Dezember 1353.[82] In diesem gewährte der Kaiser dem Erzbischof auf dessen Klage, daß die Schöffen, Räte und Obrigkeiten ihm und der Kölner Kirche untergebener Städte unter sich, mit Herren und andern mächtigen Personen, sowie mit anderen Städten Verschwörungen und Bündnisse zum Schaden des Erzbischofs und seiner Kirche geschlossen hätten, die Gnade, daß die Untertanen des Erzbischofs und der Kölner Kirche keinerlei Bündnisse und Verschwörungen ohne die Zustimmung des Erzbischofs eingehen und ebensowenig ohne solche Zustimmung einen Herzog, Markgrafen, Grafen oder sonst eine mächtige Person als Bürger aufnehmen sollen. Daß nun dieses Privileg, welches ebenso wie die Privilegien der Stadt Köln, die zur Einfügung des c. XIII in die Goldene Bulle Anlaß gaben, in den Streit des Erzbischofs mit seiner Stadt eingreift, neben dem Landfrieden Friedrichs I. die Vorlage unseres Kapitels bildet, erweist nicht nur die übereinstimmende Tendenz, sondern zum Teil auch der unverkennbare Anklang im Wortlaut.

Die Stelle des Roncalischen Landfriedens, welche gewissermaßen die Grundlage unseres Kapitels bildet, lautet: c. 6. Conventicula[83] quoque et omnes coniurationes in civitatibus et extra, etiam occasione parentelae, inter civitatem et civitatem et inter personam et personam sive inter civitatem et personam omnibus modis fieri prohibemus et in preteritum factas cassamus.

Die entsprechende Stelle unseres Kapitels lautet: conspiraciones et conventiculas seu colligaciones illicitas in civitatibus et extra vel inter civitatem et civitatem, inter personam et [74] personam sive inter personam et civitatem pretextu parentele seu recepcionis in cives vel alterius cuiuscumque coloris coniuraciones, insuper et confederaciones et pacta ... reprobamus, dampnamus et ex certa sciencia irritamus. Der Ausdruck cassure, der in der Vorlage gebraucht, hier aber vermieden ist, wird im weiteren Verlauf des Textes verwendet.

Die weitgehende Übereinstimmung beider Stellen ist offenkundig, und das Quellenverhältnis unzweifelhaft. An einigen Stellen aber weicht die Goldene Bulle von dieser Vorlage erheblich ab, indem sie sich hier an ihre andere Vorlage, das Privileg für den Kölner Erzbischof, anschließt. Das ist der Fall da, wo als Vorwand für die Verbindung zwischen Stadtgemeinden und auswärtigen Personen neben der Verwandtschaft die Aufnahme als Bürger, also das Pfal- oder Ausbürgertum, genannt wird. Die receptio in cives fehlt im Roncalischen Landfrieden, ist aber aus dem Kölner Privileg übernommen, wo sie an drei Stellen erwähnt wird: quodque nullum ducem, marchionem vel comitem aut baronem, seu alicuius notabilis potentie virum in suum concivem, burgensem aut opidanum recipiant quomodolibet vel assumant, absque dicti archiepiscopi et successorum suorum consensu et licentia speciali – cassamus ... civium burgensium vel opidanorum receptiones jam factas ... et in posterum faciendas ... decernimus irritas – et si ... aliquas conspirationes, confederationes seu ligas vel civium ... receptiones fecerint.

Außerdem schließt die Goldene Bulle sich bezüglich der für die verbotenen Verbindungen gebrauchten Ausdrücke zum Teil enger an das Privileg als an den Landfrieden an. Das zeigt schon die zuletzt angeführte Stelle des Privilegs, welche den Ausdruck conspirationes an die Spitze stellt; und ebenso geschieht das an drei früheren Stellen: conspirationes et confederationes ... atque ligas – conspirationes, confederationes aut ligas – conspirationes, confederationes et ligas.

Ferner enthält der Landfriede keine Bestimmung, welche das Eingehen von Verbindungen unter Genehmigung der Herren gestattet. Solche Bestimmungen finden sich aber ebenso in der Goldenen Bulle wie in dem Kölner Privileg; nur daß hier die Genehmigung des Erzbischofs erfordert wird, während die Goldene Bulle gemäß ihrem Zwecke die Bestimmung verallgemeinert [75] und die Genehmigung der Herren überhaupt fordert; vgl. Goldene Bulle c. XV: absque auctoritate dominorum; Privileg: absque dicti archiepiscopi et successorum suorum consensu et licentia speciali, und fast ebenso noch einmal.[84]

Es kann demnach als sicher gelten, daß in unserm Kapitel neben dem Roncalischen Landfrieden jenes Privileg Karls IV. als Vorlage diente. Während nun aber die Benutzung des Privilegs sich sehr leicht aus den Verhältnissen erklärt, könnte die des Landfriedens auffallend erscheinen. Eine Sammlung der Reichsgesetze früherer Kaiser und Könige dürfte es am Reichshofe in jener Zeit kaum gegeben haben. Dagegen kannte und benutzte man dort das Corpus juris civilis, wie vor allem c. XXIV der Goldenen Bulle beweist, und in den Handschriften jener großen Rechtssammlung fand sich im letzten Teile, dem sogen. Volumen, den neun Collationes der Novellen als Decima collatio das Langobardische Lehnrechtsbuch, die sog. Libri feudorum angefügt. In dieses aber war als II, 53. 54 der Roncalische Landfriede aufgenommen, und hieraus dürfte der Verfasser unseres Kapitels die Kenntnis dieses Gesetzes geschöpft haben.

Unterliegt es nach dem oben Ausgeführten keinem Zweifel, daß c. XV ebenso wie c. XIII seinen Ursprung in dem Streite des Erzbischofs Wilhelm mit der Stadt Köln hat, so enthält es doch noch weitere Bestimmungen, welche über den unmittelbaren Zweck, den Erzbischof in diesem Streite zu unterstützen, hinausgehen und eine allgemeinere Bedeutung beanspruchen.

Es konnte nicht in der Absicht des Kaisers liegen, alle Bündnisse im Reiche zu verbieten und aufzuheben. Waren doch solche Bündnisse seit dem 13. Jahrhundert zum Teil unter ausdrücklicher Anerkennung der Reichsgewalt zu einem unentbehrlichen Mittel zur Aufrechterhaltung und Förderung der Ordnung und des Friedens geworden, also zur Erfüllung von Aufgaben, [76] welche die Reichsgewalt allein zu bewältigen nicht imstande war. Der Gesetzgeber bestimmt daher, daß bis zu einer weiteren gesetzlichen Regelung alle zum Zweck des Landfriedens von Fürsten, Städten und anderen Personen geschlossenen Bündnisse in Kraft bleiben sollen. Der Kaiser behält sich hier also ein allgemeines Reichsgesetz über den Landfrieden vor, wie er es bereits im November bei der Eröffnung des Reichstages unter den zu lösenden gesetzgeberischen Aufgaben angeführt hatte.[85]


Kapitel XVI.

Auch für c. XVI, welches das Pfalbürgerverbot enthält, ist die Person, auf deren besonderes Betreiben es in das Gesetz aufgenommen wurde, bekannt. Hier war es kein Kurfürst, sondern der Bischof Johann von Straßburg. Die gewaltige Ausdehnung, welche das Pfalbürgertum der Stadt Straßburg angenommen hatte, und welche uns in zahlreichen Urkunden und Aktenstücken des Urkundenbuchs dieser Stadt so lebhaft vor Augen tritt, hatte die Grundlage der Territorialherrschaft des Straßburger Bischofs in einem Grade gefährdet, wie wohl kaum in einem andern Falle. Der Fortbestand des Pfalbürgertums war für die Stadt Straßburg die Vorbedingung für die Aufrechterhaltung ihrer imponierenden Machtstellung im Elsaß, die Beseitigung desselben für die Territorialgewalt des Bischofs eine Lebensfrage.

Schon König Heinrich VII. hatte am Tage nach seiner Wahl dem Bischof Johann von Straßburg ein Privileg erteilt und durch die Willebriefe der Kurfürsten bestätigen lassen, in welchem er u. a. verbietet, daß irgendeine Stadt Ministerialen und andere Untertanen des Bischofs zu Pfalbürgern annehme[86], und ebenso erteilte Karl IV. dem Straßburger Bischof am 2. Juli 1354 ein Privileg, durch welches allen Städten verboten wird, Leute des Bischofs als Pfalbürger aufzunehmen, und angeordnet wird, daß diejenigen Leute des Bischofs, welche zurzeit Pfalbürger seien, bis zum Michaelistage abgenommen, d. h. aus diesem Verhältnis entlassen werden sollten.[87] Am [77] 5. Januar 1355 erneuerte der als Reichsvikar in deutschen Landen von Karl für die Zeit seiner Romfahrt eingesetzte Pfalzgraf Ruprecht dieses Verbot, welches natürlich in erster Linie die Stadt Straßburg selbst traf. Irgendeine Spur davon, daß die Straßburger diesem Verbot wirklich nachgekommen wären, ist nicht vorhanden; vielmehr zeigt das besondere Interesse, welches Bischof Johann auf dem Reichstage zu Nürnberg an dem Pfalbürgerverbot der Goldenen Bulle nahm, daß die Straßburger an dem Pfalbürgertum festgehalten hatten. Wie wir später sehen werden, hat der Bischof bereits vor der tatsächlichen Publikation der Nürnberger Gesetze, offenbar in der Erwartung eines früheren Publikationstermins, sich c. XVI in Form eines besonderen Privilegs unterm 8. Januar verbriefen lassen[88], und als die Publikation erst am 10. Januar erfolgte, beeilte er sich, das gleiche Privileg am 12. Januar sich nochmals ausfertigen zu lassen, und erwirkte gleichzeitig dazu die Willebriefe der Kurfürsten.[89] Aber trotz des Gesetzes und des feierlichen Privilegs ihres Bischofs verharrten die Straßburger auf ihrem Standpunkte, was sich aus einer Reihe von Stücken des Straßburger Urkundenbuchs aus dem Jahre 1356 ergibt. Ja es gelang nicht einmal dem Beauftragten des Kaisers, dem zum Landvogt im Elsaß eingesetzten Burggrafen Burkhard von Magdeburg, von der Stadt eine Erklärung darüber zu erlangen, wie sie sich zu dem neuen Pfalbürgerverbot zu verhalten gedächte. Obwohl dieser der Stadt jenes Verbot am 1. Februar 1356 ausdrücklich im Wortlaut mitteilte, zur Nachachtung unter Hervorhebung der im Gesetz angedrohten Strafe aufforderte und zugleich um Antwort bat, damit er dem Kaiser den Willen des Rates mitteilen könne, mußte er am 20. Februar den Rat nochmals auffordern, die von diesem in Aussicht gestellte Antwort nun wirklich zu erteilen, mit welchem Erfolge, wissen wir nicht.[90]

[78] Ergibt sich aus dem Vorstehenden mit voller Gewißheit, daß der Bischof von Straßburg derjenige war, welcher das wesentlichste Interesse hatte an dem Zustandekommen des c. XVI, so ist wohl nicht zweifelhaft, daß er auch die Aufnahme dieses Kapitels in das Gesetz veranlaßt hat. Welche hervorragende Tätigkeit Bischof Johann auf dem Reichstage zu Nürnberg überhaupt ausgeübt hat, dafür zeugen drei Urkunden des Kaisers vom 7., 8. und 9. Januar 1356.

Sie betreffen die Erhöhung der Pfandsumme einer Reichspfandschaft um 5000 Gulden zugunsten des Bischofs von Straßburg, und diese der Zahlung eines gleichen Betrages gleichkommende Vergünstigung begründet der Kaiser mit den Verdiensten, welche sich Bischof Johann, „sein lieber Fürst, Verwandter und Rat“, durch den Besuch des Nürnberger Tages und die von ihm dort im Interesse des Reiches geführten und mit erheblichen Kosten verbundenen Geschäfte erworben habe. So heißt es in der Urkunde vom 7. Januar: pensantes etiam non modica expensarum et sumptuum onera, que ... sufferre non dubitavit, presenciam nostram iuxta preceptum nostre celsitudinis accedendo et nobiscumque (sic!) pro arduis imperii sacri negociis continuando nobisque in imperiali curia nostra in Nuremberg celebrata usque ad finalem eius exitum laboribus multis et sumptibus assistendo. Die vom folgenden Tage datierte kaiserliche Urkunde enthält einen ähnlichen Satz, der wörtlich in dem am 9. Januar von Karl IV. als König von Böhmen hierzu erteilten Willebrief wiederholt wird: habito respectu ad multas expensas, quibus ipse propter visitacionem imperialis curie nostre, quam in Nuremberg celebravimus et ad cuius celebritatem nostra iussione vocatus advenit, et propter multos labores, quos ipse occasione huiusmodi curie non absque notabilium expensarum oneribus subiisse dinoscitur.[91] Diesen Gunstbeweisen fügte der Kaiser schon am 13. Januar einen neuen hinzu.[92] Es ist demnach wohl verständlich, daß er diesem Fürsten zuliebe und auf sein Betreiben jenes c. XVI in das Gesetz aufnahm.

[79] Die Bestimmungen schließen sich natürlich dem Inhalte nach an die früheren Pfalbürgerverbote an, welche seit dem auf dem Wormser Reichstage am 1. Mai 1231 von König Heinrich (VII.) erlassenen Gesetze zugunsten der Fürsten und Landesherren einen eisernen Bestand der Reichsgesetzgebung bildeten.[93] Die Bestimmungen werden im Laufe der Zeit immer ausführlicher, und die der Goldenen Bulle bilden den Höhepunkt dieser Entwicklung. Es kann jedoch nicht die Rede davon sein, daß irgendein einzelnes früheres Gesetz oder ein Privileg als direkte Vorlage unseres Kapitels angesehen werden könnte, und noch weniger, daß dieses wörtlich einer früheren Satzung entlehnt sei.[94]

Der Umstand, daß c. XVI nicht ausschließlich, ja nicht einmal in erster Linie zugunsten der Kurfürsten erlassen ist, und bei strenger Durchführung wichtigen Gliedern des Reichs, Freistädten und Reichsstädten, zum Schaden gereichen mußte, erklärt es wohl am besten, daß grade hier im Gesetz der Beirat der Kurfürsten ausdrücklich hervorgehoben wird: omnium principum electorum ecclesiasticorum et secularium sano accedente consilio. In entsprechender Weise hebt den Beirat der Kurfürsten auch Karl IV. in dem von ihm als König von Böhmen zu dem Pfalbürgerprivileg für den Bischof von Straßburg vom 12. Januar 1356 erteilten Willebriefe[95] hervor: habito cum [80] eisdem principibus [coelectoribus][96] nostris ut regis Boemie electoris sano consilio. Ebenso betont der Kaiser in dem Privileg für den Abt von Fulda vom 6. Januar 1357[97], daß das Pfalbürgerverbot der Goldenen Bulle erlassen sei „mit rat und willen aller kurfursten des heiligen reichs“.


Kapitel XVII.

Kapitel XVII enthält unter der Überschrift: De diffidationibus zwei verschiedene Bestimmungen. Die erste verbietet die Ausübung der Fehde ohne die in vorgeschriebener Weise vorhergegangene förmliche Absage unter Androhung der Ehrlosigkeit und der gesetzlichen Strafen für die einzelnen in Ausübung der Fehde begangenen Gewalttaten, die dann eben nicht als in rechtmäßiger Fehde verübt galten. In der anderen Bestimmung werden alle unrechten Kriege (guerrae et lites iniustae), Brand und Raub, aber in gleicher Weise auch die Erhebung ungesetzlicher Zölle und Geleitsgelder unter Androhung der gesetzlichen Strafen verboten.

Eine unmittelbare Vorlage für dieses Kapitel ist nicht nachzuweisen. Den das Fehderecht betreffenden ersten Teil desselben führt Reimann (S. 22 f.) zurück auf die Reichslandfrieden von 1186, 1234 und 1235. Unzweifelhaft bilden das erste und das letzte dieser drei Gesetze die wesentlichste Grundlage für die Kodifizierung dieses für das öffentliche Recht des Mittelalters so wichtigen Gegenstandes. Dennoch wird man kaum jene Gesetze als Vorlage oder Quelle des c. XVII ansehen dürfen. Vielmehr enthält dieses eine Fortentwicklung des Fehderechtes auf Grundlage des auch dort zum Ausdruck gekommenen Reichsrechtes, und zwar bezieht sich diese Fortentwickelung nur auf die formale Voraussetzung für die Fehdeübung, die Absage. Zu der schon 1186 angeordneten Bestimmung, daß die Absage mindestens drei volle Tage vor Beginn der Feindseligkeiten erfolgen müsse, fügt die Goldene Bulle noch weitere Vorschriften über Art, Zeit und Ort solcher Absage hinzu. Dagegen wird [81] die 1234 und 1235 stark betonte materielle Voraussetzung für die Fehde, die vorgängige Durchführung einer gerichtlichen Klage, hier ebensowenig erwähnt wie im Gesetz von 1186.

Ebensowenig findet sich für den zweiten Teil eine unmittelbare Vorlage, wenn auch die Gleichstellung der Erhebung unrechtmäßiger Zölle mit dem Landfriedensbruch nicht neu war. Schon Friedrich II. bestimmte im Reichslandfrieden von 1235: Swer di zolle nimet anders, denn er sol ze reht, oder an einer andern stat, denn da er uf gesetzet ist, wird er des beziuget vor sinem rihter, als reht ist, man sol in haben fur einen strazrouber.[98]

Wer die Aufnahme dieser Bestimmungen in das Gesetz betrieben hat, wissen wir nicht. Sicher war es nicht der Erzbischof von Köln; denn obwohl dieser sich in dem oben erwähnten Privileg vom 2. Februar 1356 auch Teile unseres Kapitels bestätigen ließ, so zeigt doch gerade dieses Privileg, daß er nicht der geistige Urheber des Kapitels gewesen sein kann. Er ließ in sein Privileg den ganzen mit prohibemus beginnenden Teil nicht mit aufnehmen. Dazu kann aber der Grund nur in den Worten gesucht werden, welche die Erhebung unrechter Zölle und Geleite mit Raub und Brand auf eine Stufe stellen. Diese Bestimmung war dem Kölner Erzbischof gewiß unsympathisch, da Zölle und Geleite einen wesentlichen Teil seiner Einkünfte bildeten, und er wohl berechtigte Zweifel hegte, ob alle diese Einnahmen auf unanfechtbaren Rechtstiteln beruhten.


Kapitel XVIII und XIX.

Über die den Schluß des ursprünglichen Bestandes der Nürnberger Gesetze bildenden Formulare für das Wahlausschreiben, c. XVIII, und das Mandat für zur Königswahl bevollmächtige Gesandte, c. XIX, hat Reimann S. 37–41 eingehend gehandelt und gezeigt, daß die beiden Formulare sich im Wesentlichen an frühere Schreiben der Art anschließen, ohne daß sich jedoch bestimmte einzelne Schriftstücke als unmittelbare Vorlagen nachweisen lassen. Ich kann mich damit begnügen, hier [82] auf jene Ausführungen und auf meine im 2. Teil S. 33 und 34 gegebenen Anmerkungen, welche Reimanns Material noch ergänzen, hinzuweisen.


Kapitel XX–XXIII.

Wir wenden uns nunmehr den Zusatzbestimmungen des Nürnberger Gesetzbuches zu.

Kapitel XX beruht fast ganz auf Weistümern, die am 7. Januar vom Kaiser und den Kurfürsten beurkundet wurden. Erhalten sind uns Urkunden über solche Weistümer zugunsten des Kurrechtes Ruprechts des Älteren von der Pfalz und Ludwigs des Römers von Brandenburg.[99]

Daß damals entsprechende Weistümer auch zugunsten der beiden anderen weltlichen Kurfürsten gefunden wären, ist nicht wahrscheinlich. Für Rudolf von Sachsen war bereits am 2. Januar ein Weistum gefunden, welches ihm den ausschließlichen Besitz des Kurrechtes und des Erzmarschallamtes zuerkannte[100], und für den jeweiligen König von Böhmen war das Kurrecht genügend gesichert durch die von Karl IV. erneuerten Privilegien Rudolfs von Habsburg[101], sowie durch die Anerkennung dieses Rechtes in c. IV und VII der Goldenen Bulle selbst. Beachtenswert aber sind wesentliche Unterschiede zwischen dem sächsischen Weistum vom 2. Januar einerseits und dem pfälzischen und brandenburgischen vom 7. Januar andererseits. Während in dem Weistum für Sachsen nur der Besitz der Kurwürde und des Erzmarschallamtes sowie deren Vererbung nach den Regeln der Primogeniturfolge anerkannt wurden, [83] fügten die Weistümer für Pfalz und Brandenburg den entsprechenden Bestimmungen noch zwei weitere wichtige hinzu: erstens die Admission der betreffenden Kurfürsten zu allen Reichshandlungen des Kurfürstenkollegiums, und zweitens die untrennbare Verbindung von Kurrecht und Erzamt mit dem Fürstentum. Vielleicht beabsichtigte man am 7. Januar zunächst nur dem Pfalzgrafen und Ludwig dem Römer den Besitz des Kurrechtes und Erzamtes in gleicher Weise zu sichern, wie das am 2. Januar zugunsten des Sachsenherzogs geschehen war. Dann mochte man es für wünschenswert halten, in beide Weistümer auch noch jene beiden neuen Bestimmungen aufzunehmen, welche in dem für Sachsen fehlten, verzichtete aber wohl darauf, dieselben durch ein besonderes Weistum auch auf Sachsen auszudehnen, und zog es vor, die gleichen Bestimmungen für alle weltlichen Kurfürstentümer in c. XX der Goldenen Bulle zur reichsgesetzlichen Anerkennung zu bringen.

Wir gehen nun dazu über, zu untersuchen, wie und inwieweit c. XX der Goldenen Bulle aus den Weistümern vom 7. Januar hervorgegangen ist.

Zur Vergleichung wähle ich den einzigen lateinischen Text als den hierzu geeignetsten: den der Urkunde Karls IV. für Ruprecht.[102]

Urkunde Karls vom 7. Januar.

Goldene Bulle c. XX.

ex quo magnificus Rupertus senior comes palatinus Reni, sacri Romani imperii archidapifer et dux Bavarie, est in possessione vocis et electionis in electione Romanorum regis futuri imperatoris et etiam in possessione et dominio seu usu habet principatum Palatinatus, archidapiferiam, terras, vasallagia cum omnibus pertinentiis, super quibus electio et vox comitatus palatini Reni fundata est, sicut hoc nobis et omnibus principibus prefatis et cuilibet liquidum est et notum sine hesitatione

Cum universi et singuli principatus, quorum virtute seculares principes electores ius et vocem in electione regis Romanorum in cesarem promovendi obtinere noscuntur, cum iure huiusmodi necnon officiis, dignitatibus et iuribus aliis eis et cuilibet eorum annexis et dependentibus ab eisdem adeo coniuncti et inseparabiliter sint uniti, quod ius, vox, officium et dignitas, alia quoque iura ad quemlibet principatuum eorundem spectancia cadere non possint in alium preter illum, qui principatum ipsum cum

[84]

quacumque, quod merito dictus Rupertus admittendus est, et nos ipsum de iure admisimus et admittere volumus et debemus ad quaslibet causas et ad omnia facta, que nos et antefati nostri coelectores tractabimus vel facimus pro honore et utilitate sacri Romani imperii et eius fidelium subditorum omnimode, sicut de iure et de honesta laudabili consuetudine comes palatinus Reni archidapifer sacri imperii et princeps elector merito admitti debet. Etiam invenimus et pronunciamus tamquam ius et pro iure, si ita contingeret, quod aliquis antedictum ducem Rupertum pro eisdem electione et voce electionis Romani regis futuri imperatoris impetere vellet, quod huiusmodi impetitionem facere non posset nec deberet, nisi prius impeteret principatum et terras prenarrati Palatinatus, archidapiferiam, seu officium dapiferie, vasallagia et quidquid ad huiusmodi Palatinatum pertinet et eam optineat, sicut iuris est; quia nos cum iure et per sententiam invenimus, quod electio et vox super principatum et super terras Palatinatus et super archidapiferiam taliter fundate sunt, quod unum sine alio persistere non potest, sed oportet ea simul in omni impetitione tam in dampno quam in lucro inseparabiliter permanere.

terra, vasallagiis, feudis et dominio ac eius pertinenciis universis dinoscitur possidere, presenti edicto imperiali perpetuo valituro sanccimus, unumquemque principatuum predictorum cum iure et voce electionis ac officio ceterisque omnibus dignitatibus, iuribus et pertinenciis ad ipsum spectantibus ita perseverare et esse debere unitum perpetuis temporibus indivisibiliter et coniunctum, quod possessor principatus cuiuslibet eciam iuris, vocis, officii, dignitatis et pertinenciarum omnium ad illum spectancium quieta debeat et libera possessione gaudere ac princeps elector ab omnibus reputari ipseque et nemo alius per ceteros principes electores ad electionem et omnes actus alios pro sacri imperii honore vel oportunitate gerendos omni tempore assumi sine contradictione qualibet et admitti, nec aliquod premissorum ab altero, cum sint et esse debeant inseparabilia, dividi vel ullo tempore debeat separari aut in iudicio vel extra divisim repeti valeat aut evinci per sentenciam separari, nec aliquis unum sine alio impetens audiatur.

Die vorstehende Gegenüberstellung dürfte dartun, daß eine direkte Abhängigkeit des einen Textes vom andern anzunehmen ist. Besonders deutlich spricht der Ausschluß der Klage um das eine ohne das andere (unum sine alio) und die Erwähnung der Zulassung zu den Reichshandlungen der Kurfürsten in beiden Stücken mit fast den gleichen Worten. Daß aber das Weistum [85] die Vorlage für das Gesetz, und nicht umgekehrt dieses die Vorlage für jenes gebildet hat, dürfte sicher sein. Dafür spricht schon der Charakter des Gesetzes als Nachtrag zu dem bereits abgeschlossenen Gesetzbuche, für welchen ein Anlaß vorhanden sein mußte, sowie der Umstand, daß eine Urteilfindung durch die Kurfürsten auf Grund eines noch nicht publizierten Gesetzes kaum denkbar wäre, während die Verallgemeinerung zweier Weistümer durch ein kaiserliches Gesetz sehr begreiflich erscheint. Endlich sprechen zwei Punkte, in welchen Weistum und Gesetz sich unterscheiden, deutlich für die Priorität des ersteren.

Nach dem Weistum bilden das Fürstentum mit dem Gebiet und das Erzamt die Grundlage des Kurrechtes, dieses ist auf jene „gegrundfestiget“, wie es in den deutschen Texten heißt; während nach der Goldenen Bulle das Fürstentum nebst Gebiet die Grundlage der Kur und des Amtes sowie anderer mit der Kur zusammenhängender Würden und Rechte bildet. Erstere Auffassung ist die ältere. Sie entspricht dem Sachsenspiegel und anderen Rechtsquellen des 13. Jahrhunderts und tritt uns noch entgegen in den Privilegien für Sachsen vom Jahre 1355; und auch im kurfürstlichen Weistum für Sachsen vom 2. Januar 1356 wurde dem Herzog Rudolf die Kur zuerkannt in seiner Eigenschaft als Sachsenherzog und Erzmarschall des Reiches, tamquam dux Saxonie ac sacri imperii archimarescallus.

Die Goldene Bulle wollte vielleicht gar nicht einen bewußten Gegensatz zu der älteren Anschauung zum Ausdruck bringen, obwohl sich auch dafür Momente geltend machen ließen; jedenfalls aber wäre es schwer begreiflich, wenn bei Abfassung des Weistums der Gesetzentwurf vorgelegen hätte, und man doch nicht der darin zum Ausdruck gebrachten Auffassung gefolgt wäre, sondern der älteren.

Der andere wesentliche Unterschied liegt in der Bestimmung über die Zulassung zu den Handlungen der Kurfürsten. Während das Weistum von der admissio ad quaslibet causas et omnia facta pro honore et utilitate sacri imperii handelt, spricht das Gesetz von der admissio ad electionem et omnes actus alios pro sacri imperii honore vel oportunitate. Auf dem Nürnberger Reichstage handelte es sich um alle möglichen anderen Dinge, nicht um eine Königswahl; daher ist es erklärlich, wenn das Weistum vom 7. Januar nur von der Zulassung [86] zu andern Reichshandlungen der Kurfürsten spricht, zumal der Text in erster Linie betont, daß der Kurfürst zu den Verhandlungen zugelassen sei (admisimus), und erst dann hinzufügt, daß er auch in Zukunft zuzulassen sei (admittere volumus et debemus). Hier zeigt das Weistum deutlich, wie ich meine, seinen Ursprung in den gegenwärtigen Verhältnissen; während das Gesetz nicht die gegenwärtige Zulassung erwähnen konnte, welche für das Weistum den Ausgangspunkt bildete. Das Gesetz erklärte, daß der Inhaber des Kurfürstentums zu allen Reichshandlungen der Kurfürsten zuzulassen sei, und hob dabei als das wichtigste Geschäft ganz sachgemäß die Königswahl hervor.

Worin aber lag, so fragen wir, die Bedeutung des so aus dem Weistum erwachsenen Gesetzes? Kapitel VII der Goldenen Bulle hatte die Primogeniturerbfolge für die Kurwürde, d. h. für das Recht den König zu wählen und alle damit verbundenen Rechte und Ehren, angeordnet. Indem dabei in dem Eingange jenes Gesetzes diejenigen weltlichen Fürsten namhaft gemacht werden, welche die Inhaber eines solchen Rechtes sind, und als Zweck des Gesetzes die Verhütung von Zwistigkeiten zwischen den Erben eines Kurfürsten angegeben wird, so lag offenbar schon dort die Anschauung zugrunde, daß Fürstentum und Kurwürde nicht voneinander zu trennen seien. Das jüngere Gesetz spricht nun diesen Grundsatz nachdrücklich mit aller Schärfe aus und bildet so gewissermaßen eine authentische Interpretation jenes Primogeniturgesetzes. Doch mit der Sicherung des Zusammenhanges zwischen Kurfürstentum, Erzamt und Kurrecht ist die Bedeutung unseres Gesetzes noch nicht erschöpft. Es brachte auch das für die Kurfürsten so wichtige kurfürstliche Admissionsrecht zum reichsgesetzlichen Ausdruck.

Zwar ordnet das Gesetz für gewisse Fälle nur eine Admissionspflicht an, doch liegt darin zugleich die prinzipielle Anerkennung eines Admissionsrechtes.[103] Endlich enthält unser Kapitel das, was c. XII wohl voraussetzte, aber nicht aussprach: die Anerkennung des Rechtes der Kurfürsten, allerlei Sachen im Interesse des Reichs zu verhandeln, oder wie der [87] deutsche Text des Weistums sagt, Dinge und Sachen zur Ehre und zum Nutzen des heiligen Reiches anzugreifen. Was die Kurfürsten im Kurverein zu Rense 1338 für sich in Anspruch nahmen, für das Recht und die Ehre des Reiches einzutreten, zu verhandeln und zu beschließen, hier ist es zum ersten Mal, wenn auch nur beiläufig, reichsgesetzlich anerkannt worden. Die Kurfürsten sind also nicht nur, was die Goldene Bulle wiederholt hervorhebt, die Grundfesten und Säulen des Reichs, sie sind auch die verfassungsmäßig berufenen Wächter seiner Ehre und seiner Wohlfahrt! Unser Kapitel ergänzt gewissermaßen c. XII, indem es dem Kurfürstenkollegium auch außerhalb des Rahmens der dort angeordneten Einrichtung die Stellung eines Reichssenats ausdrücklich zuerkennt.

Die drei letzten Kapitel (XXI–XXIII) des ersten Teiles, welche miteinander im engsten Zusammenhange stehen und ursprünglich wohl als eine zusammenhängende Satzung abgefaßt und erst später in drei gesonderte Kapitel zerlegt wurden, bilden eine Ergänzung der c. III und IV. Nachdem dort die Anordnung der Sitze für die einzelnen Kurfürsten bei Gelegenheit feierlicher Sitzungen, sei es im Rat oder bei Tische, in Gegenwart des Kaisers geregelt war, erfolgt in c. XXI und XXII die Regelung der feierlichen Aufzüge des Kaisers und der Kurfürsten. Freilich war schon in c. VI gelegentlich bemerkt worden, daß die geistlichen und weltlichen Kurfürsten ihre ihnen durch die vorstehende Ordnung (iuxta prescriptum ordinem atque modum) vorgeschriebenen Plätze unabänderlich und zwar eundo, sedendo vel stando beibehalten sollen und von ihnen durch andere etwa anwesende Fürsten nicht verdrängt werden dürfen. Damit war durch Einfügung des Wortes eundo die Sitzordnung auch auf die Prozessionsordnung ausgedehnt; doch war das einmal nur gelegentlich und außerdem ohne genaue Überlegung geschehen; denn die Sitzordnung, wie sie in c. III und IV gegeben war, ließ sich nicht ohne weiteres auf die Anordnung eines feierlichen Aufzuges übertragen. Wenn dort dem Erzbischof von Trier der Sitz gerade gegenüber dem Kaiser angewiesen wurde, so ergab sich daraus noch keineswegs, daß er ihm im Zuge unmittelbar voranschreiten solle. Daher mochte eine ausdrückliche Regelung des Aufzuges nachträglich wünschenswert erscheinen.

[88] Zunächst schreibt c. XXI vor, daß, wenn der Kaiser unter Vortragung der Reichsinsignien aufzieht, der Erzbischof von Trier in gerader Linie vor dem Kaiser einherziehen soll, so daß zwischen dem Kaiser und ihm nur die Kurfürsten, welche die Insignien tragen, ihren Platz finden. Werden die Insignien nicht vorgetragen, so geht der Erzbischof von Trier unmittelbar vor dem Kaiser; die beiden andern geistlichen Kurfürsten aber gehen zur Rechten und Linken des Kaisers, indem derjenige von ihnen den Ehrenplatz zur Rechten einnimmt, welcher nach c. III den Anspruch auf den Sitz zur Rechten des Kaisers hat, also je nach der Kirchenprovinz und dem Archikanzellariat der Mainzer oder der Kölner.

Das folgende Kapitel ordnet die Plätze der weltlichen Kurfürsten, und zwar nur für den, wohl als die Regel angesehenen Fall, daß dem Kaiser die Reichsinsignien vorangetragen werden. Dann sollen die drei weltlichen Kurfürsten, welche die Insignien tragen, in einer Reihe nebeneinander zwischen dem Erzbischof von Trier und dem Kaiser einhergehen und zwar so, daß der Herzog von Sachsen mit dem Reichsschwert dem Kaiser unmittelbar voranschreitet, während zur Rechten des Herzogs der Pfalzgraf mit dem Reichsapfel, zur Linken der Markgraf von Brandenburg mit dem Zepter ihren Platz finden. Der König von Böhmen soll dem Kaiser unmittelbar folgen. Die Vorantragung aller drei genannten Reichsinsignien: Schwert, Zepter und Reichsapfel wird hier wohl zum ersten Male erwähnt. Wegen des Reichsschwertes verweise ich auf den Exkurs über das Schwertträgeramt. Für das Vorantragen des Reichsapfels konnte ich aus früherer Zeit eine Belegstelle nicht beibringen. Nur einmal wird berichtet, daß bei dem Koblenzer Hoftage (1338 September) der Markgraf von Meißen, zur Rechten des Kaisers sitzend, aus dessen Hand den Reichsapfel zum Halten empfing.[104] Das Recht, das Reichszepter zu halten und zu tragen, verlieh Ludwig der Bayer dem Grafen Wilhelm von Jülich[105] bei dessen Erhebung zum Markgrafen und Reichsfürsten am 21. August 1336[106], [89] und zwar für alle Gelegenheiten, bei denen der Kaiser in vollem Ornat erschien, für „Parlamente“, Hoftage, Belehnungen und Erhebungen von Reichsfürsten und für alle drei Krönungen.

Freilich blieb dem Markgrafen von Jülich dieses Recht, welches er auf dem oben erwähnten Koblenzer Hoftage wirklich ausgeübt hat, nicht unbestritten. Bei der zweiten Krönung Karls IV. im Juli 1349 zu Aachen soll nach einem Bericht des sog. Heinrich von Rebdorf Markgraf Ludwig von Brandenburg den Versuch gemacht haben, ihm das Zepter abzunehmen. Ein Fürstenweistum schlichtete den darüber entstandenen Streit dahin, daß bei Krönungen dem Brandenburger, bei Belehnungen dem Jülicher Markgrafen das Recht des Zeptertragens zustehen solle.[107] Gegen diese Nachricht sind allerdings gewichtige Bedenken geltend gemacht worden[108], und es muß zugegeben werden, daß die persönliche Anwesenheit Ludwigs von Brandenburg mit Recht bezweifelt werden kann. Gegen die bestimmte Angabe des Chronisten über die Findung des Fürstenweistums aber dürften Zweifel kaum aufkommen. Vielleicht irrte Heinrich von Rebdorf nur darin, daß er die persönliche Anwesenheit Ludwigs voraussetzte, während dieser seine Rechte durch einen Bevollmächtigten wahrgenommen haben mag.

Das letzte Kapitel des ersten Teils, c. XXIII, bestimmt, in welcher Weise die geistlichen Kurfürsten, wenn ihrer zwei oder alle drei anwesend sind, in der Ausübung geistlicher Funktionen, [90] bei der Abhaltung feierlicher Hochämter in Gegenwart des Kaisers und bei den Tischgebeten zu Beginn und am Schluß des Festmahls abwechseln sollen. Derjenige unter ihnen, welcher der Konsekration nach der Älteste ist, soll diese Funktionen am ersten Tage üben, am zweiten der nächstälteste, und eventuell am dritten Tage der zuletzt konsekrierte. Zum Schluß aber wird noch ein für das mittelalterliche Zeremoniell überhaupt bezeichnendes Komödienspiel angeordnet: der zur Ausübung Berechtigte soll die geistlichen Handlungen nicht vornehmen, bevor er den oder die anwesenden Kollegen demütig gebeten hat, statt seiner die Handlung vorzunehmen. Was wohl geschehen wäre, wenn ein solcher Kollege dieser Aufforderung gefolgt wäre?




Kapitel XXIV.

Den Anfang der Metzer Ergänzungen macht c. XXIV, jenes merkwürdige Gesetz, durch welches den Kurfürsten der Schutz des Majestätsrechts verliehen wird. Es besteht aus der Vereinigung zweier auf einander folgender Gesetze des Codex Justinianus, deren erstes die sog. Lex Quisquis von Arcadius und Honorius ist (Cod. IX, 8, 5. 6). An die Stelle der römischen Senatoren sind die Kurfürsten getreten.

Abgesehen von dieser rein äußerlichen Anpassung ist alles ohne jede Kritik aus dem römischen Gesetz übernommen. Rechtsinstitute, die seit Jahrhunderten untergegangen und für Deutschland völlig unanwendbar waren, so die Folterung der Sklaven in caput dominorum und die dem vorjustinianischen Rechte angehörige Falcidia in der Bedeutung des Pflichtteils, werden erwähnt, als wären sie in der Gegenwart anerkannt und lebendig. Der ganze Geist des Gesetzes steht im schroffsten Gegensatze zu dem Geiste des deutschen Rechtes. Eine Rachsucht und unversöhnliche Härte, welche auch die Kinder der Majestätsverbrecher für dem Tode verfallen erklärt, ist dem mittelalterlichen deutschen Strafrechte gänzlich fremd.

Diese ganz oberflächliche und für die wirklichen Verhältnisse verständnislose Art der Bearbeitung unseres Kapitels steht im scharfen Gegensatze zu der Abfassung des ganzen ersten Teiles [91] der Goldenen Bulle, welcher kein Stück enthält, das nicht vollständig den wirklichen Verhältnissen der damaligen Zeit entsprochen hätte.


Kapitel XXV.

Kapitel XXV steht wieder auf dem Boden der Wirklichkeit. Es ergänzt die Kapitel VII und XX. Nachdem das erstere dieser beiden bestimmt hatte, daß die Kur mit dem Fürstentum nur auf einen Erben nach den Regeln der Primogeniturfolge vererbt werden solle, wobei zugleich die Vormundschaft über minderjährige Kurfürsten geregelt wurde, fügte das zweite hinzu, daß Kurrecht und Erzamt mit den Gebieten, auf welche die Kur gegründet sei, unlösbar verbunden sein sollten, so daß, wer Ansprüche auf das Kurrecht eines Kurfürsten erheben wolle, demselben zuvor das Kurland abgewinnen müsse. Dem fügt nun unser Kapitel noch weiter hinzu, daß von dem Kurfürstentum keine Gebiete abgetrennt werden dürften, sondern daß es ungeteilt in der Hand des Inhabers der Kurwürde verbleiben sollte. Außerdem wird auch noch eine Vormundschaft über regierungsunfähige Kurfürsten angeordnet.


Kapitel XXVI–XXIX.

Die nächsten vier Kapitel gehören eng zusammen; sie bilden eine Verordnung über das bei den großen Hoftagen zu beobachtende Zeremoniell, soweit es nicht schon im ersten Teile der Goldenen Bulle geregelt war, und insonderheit soweit die Kurfürsten dabei in Frage kamen.

In Kapitel XXVI wird bestimmt, daß am frühen Morgen des Festtages um die erste Stunde die Kurfürsten den Kaiser aus seiner Herberge abholen und im feierlichen Zuge zu Pferde zu dem für die Festsitzung bestimmten Orte geleiten sollen. Die Ordnung des Zuges wird dabei im Anschluß an die Kapitel XXI und XXII der Goldenen Bulle geregelt; nur daß hier derjenige Fall als Regel angenommen wird, daß der Herrscher mit den kaiserlichen Insignien geschmückt ist. In diesem Falle reiten noch vor dem Erzbischof von Trier zwei niedere Fürsten, welche die Aachener und die Mailänder Krone tragen. Daß die Reichsinsignien, Schwert, Reichsapfel und Zepter, vor dem [92] Kaiser und hinter dem Trierer Erzbischof von den dazu in c. XXII bestimmten weltlichen Kurfürsten getragen werden, wird auch hier vorausgesetzt und außerdem noch bestimmt, daß die Kaiserin mit ihren Damen unmittelbar hinter dem Böhmenkönige folgen soll. Hieran schließt sich unter der Überschrift: De officiis principum electorum eine eingehende Darstellung der Verrichtungen der Kurfürsten bei Ausübung ihrer Erzämter.

Zuerst, nachdem der Kaiser seinen Sitz eingenommen hat, soll der Herzog von Sachsen als Erzmarschall hoch zu Roß aus einem aufgeschütteten Haferhaufen mit silbernen Geräten einen Scheffel Hafer ausmessen und einem Beamten zur Versorgung des kaiserlichen Pferdes übergeben. Diese Verrichtung sollte offenbar in jedem Falle, wo der Kaiser zu Roß in feierlichem Zuge zu einer festlichen Sitzung geleitet war, stattfinden. Nur für den Fall, daß ein Festmahl stattfand, aber konnten die folgenden Bestimmungen Platz greifen. Die drei Erzkanzler sollen, wenn der Kaiser zu Tische gegangen ist, die an einem silbernen Stabe befestigten Reichssiegel vom Reichshofkanzler in Empfang nehmen, dieselben gemeinsam zum Tisch des Kaisers tragen, auf demselben niederlegen, doch nur um sie sofort vom Kaiser zurück zu erhalten und dem Hofkanzler wieder einzuhändigen. Nur das große Majestätssiegel soll derjenige Erzkanzler, in dessen Erzkanzellariat der Hoftag stattfindet, um den Hals gehängt tragen, bis das Fest zu Ende ist. Darauf sollen der Markgraf von Brandenburg, der Pfalzgraf bei Rhein und der König von Böhmen ihre Ämter verrichten. Der Markgraf als Erzkämmerer hatte heranreitend Wasserbecken und Handtuch zu tragen, dann abzusteigen und beides dem Kaiser zum Händewaschen darzubieten. Der Pfalzgraf als Erztruchseß hatte ebenso reitend silberne Schüsseln mit Speisen für den Kaiser herbeizuholen, und endlich der Böhmenkönig als Erzschenk gleichfalls zu Roß Wein und Wasser in silbernen Gefäßen herbeizutragen und dann dem Kaiser zu kredenzen. Die bei diesen Verrichtungen gebrauchten, von den Erzbeamten beschafften silbernen Geräte von bestimmtem Gewicht und ebenso die dabei gerittenen Pferde erhielten die anwesenden Inhaber der entsprechenden Reichserbämter oder die in deren Abwesenheit die Hilfsdienste versehenden Hofbeamten als Belohnung.

[93] In Kapitel XXVIII wird dann nachgeholt, wie die Tafeln für Kaiser, Kaiserin und Kurfürsten angeordnet werden sollen, und dem noch die beachtenswerte Bestimmung hinzugefügt, daß die einzelnen Kurfürsten, nachdem sie ihre Ämter verrichtet haben, sich an ihre Plätze begeben, sich aber nicht setzen, sondern stehend abwarten sollen, bis auch der letzte von ihnen seinen Dienst vollendet hat; dann sollen sie alle gleichzeitig niedersitzen.

Das letzte der vier zusammengehörigen Kapitel, XXIX, endlich erkennt als Reichsherkommen an, daß die Wahl zu Frankfurt, die erste Krönung zu Aachen, und der erste Reichstag zu Nürnberg stattfinden solle. In § 2 wird bestimmt, daß der Bevollmächtigte eines abwesenden Kurfürsten, welches Ranges er sei, zwar im übrigen anstelle seines Herren zuzulassen sei, nicht aber zu dem jenem vorbehaltenen Tische und Sitze. Da nun im vorhergehenden nur von der Ausübung der Erzämter die Rede ist, so wird hier offenbar die Zulässigkeit der Vertretung in diesen anerkannt. Den Beschluß macht die, wie wir später sehen werden, ursprünglich nicht hierhergehörige Bestimmung, daß der kaiserliche Hofmeister die zu gewissen Festakten errichteten hölzernen Estraden zu seinem Nutzen erhalten soll.[109]

Quellen für diese Kapitel vermag ich nicht nachzuweisen; nur für c. XXVII ist eine uns nicht überlieferte Vorlage mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen.

Vergleichen wir die Darstellung der Feier am Weihnachtstage 1356 mit den Anordnungen, welche die am gleichen Tage publizierten Bestimmungen der Goldenen Bulle über das Tafelzeremoniell enthalten, so fällt vor allem auf, daß des Schwerthaltens bei Tische in dem Gesetze keine Erwähnung geschieht. Tatsächlich hat aber der Sachsenherzog damals, wie das durch die Urkunden für Herzog Wenzel vom [94] 27. Dezember[110] ausdrücklich bezeugt wird, das Schwert bei Tische gehalten. Ferner fällt auf, daß bei der Darstellung des Schenkenamtes in der Goldenen Bulle nur der Fall berücksichtigt wird, daß der Böhmenkönig das Amt persönlich verrichtet; während doch damals durch die Identität der Person des Kaisers mit der des Königs von Böhmen eine Vertretung des letzteren in der Ausübung des Amtes notwendig wurde und auch wirklich stattfand.[111]

Für die Erklärung beider Abweichungen dürfte der Umstand von Bedeutung sein, daß in c. XXVII kein 1356 frei und von Grund auf neu verfaßtes Gesetz vorliegt, sondern die Überarbeitung einer älteren Vorlage. Zwar ist eine solche Vorlage nicht überliefert, doch wissen wir, daß ein Schriftstück einst vorhanden war, welches denselben Gegenstand behandelte wie unser Kapitel. Wir haben früher (oben S. 32 f.) von dem Streite gehandelt, der auf dem Nürnberger Reichstage des Jahres 1298 über die Ausübung des Schenkenamtes durch den Böhmenkönig ausgebrochen war, und durch die Erteilung eines Privilegs an König Wenzel beigelegt wurde. Ich habe früher auf dieses Privileg und auf etwa entsprechende für andere Kurfürsten ausgestellte Urkunden bezogen[112], was die Kolmarer Chronik von jenem Reichstage mit den Worten berichtet: ibi dignitas cuiuslibet domini coram rege solemniter recitatur, et quilibet dominorum regi in officio suo sicut debuit ministravit.[113] Jetzt glaube ich diese Deutung aufgeben zu müssen, da Albrechts Privileg für den König von Böhmen erst einige Tage nach dem feierlichen Hofe ausgestellt ist, während die Worte des Chronisten wohl nur die Deutung zulassen, daß jene Verlesung vor der Ausübung der Dienste stattfand. Was damals vor dem Könige feierlich verlesen wurde, kann dem Zusammenhange nach kaum etwas anderes gewesen sein, als eine Ordnung der Ehrendienste (dignitates) der Kurfürsten, welche diese dann demgemäß wirklich [95] verrichteten. Nicht ausdrücklich gesagt wird, daß die damals verlesene Ordnung auch damals erst erlassen sei; doch ist das wohl als ziemlich sicher anzusehen.

Es wäre nun sehr merkwürdig, wenn diese verlorene Ordnung der kurfürstlichen Ehrendienste keine Spur hinterlassen haben sollte, wenn sich eine spätere gleichartige Ordnung nicht an sie angeschlossen, sie als Vorbild oder Vorlage benutzt haben sollte. Daß aber das in Rede stehende Kapitel der Goldenen Bulle sich an eine ältere Vorlage anschloß, zeigt schon die Vergleichung mit den dasselbe umgebenden Stücken. Trotzdem c. XXVII, wie wir sahen, nach der Absicht des Gesetzgebers im engsten Zusammenhange mit dem vorhergehenden wie dem folgenden stehen sollte, so hebt es sich doch aus diesem schon äußerlich durch eine besondere Überschrift heraus. Die Überschriften im zweiten Teile der Goldenen Bulle haben eine ganz andere Bedeutung als die im ersten. Während sie im ersten Teil durchweg nach der Zusammenstellung des Nürnberger Gesetzbuches im Wege einheitlicher Redaktion hinzugefügt sind, begegnen im zweiten Teil Überschriften nur in zwei einzelnen Fällen, vor c. XXVII und c. XXX, und diese müssen durch besondere Umstände und gewissermaßen unwillkürlich in das Gesetzbuch gelangt sein. Wenn der Redaktor des Gesetzbuches eine Überschrift hätte setzen wollen, so hätte er sie vor c. XXVI, wo die Ordnung des Zeremoniells für die Abhaltung eines Reichshofes beginnt, nicht aber mitten hinein vor c. XXVII stellen müssen. Die Uberschrift lautet: De officiis principum electorum in solemnibus curiis imperatorum vel regum Romanorum, und enthält nichts, was zu der Annahme veranlassen könnte, daß sie erst von dem Redaktor der Goldenen Bulle herrühre. Sie dürfte demnach bereits über dem Stücke gestanden haben, als es in das Gesetzbuch aufgenommen wurde.

Die ursprüngliche Selbständigkeit, welche die Überschrift andeutet, bestätigt der Text. Während das vorhergehende Kapitel den Anfang der Feier einer curia solemnis darstellt, indem es fast mehr schildernd als anordnend beginnt: Die, qua solempnis curia imperialis vel regia fuerit celebranda, venient circa horam primam principes electores ecclesiastici et seculares ad domum habitacionis imperialis sive regalis, et ibi imperator vel rex ipse omnibus insigniis imperialibsn [96] induetur usw., und in dem ganzen Stück kein Ausdruck vorkommt, der auf eine königliche Satzung deutet, fängt dieses gleich mit dem für eine solche Satzung charakteristischen Worte Statuimus an. Ferner zeigt sich die ursprüngliche Selbständigkeit der Satzung auch darin, daß ihr Text mit dem vorhergehenden Kapitel nicht in vollem Einklang steht, was doch sicher der Fall wäre, wenn es mit diesem gleichzeitig in einem Zuge verfaßt wäre. Das vorhergehende schließt mit der Ordnung des Zuges zum Festplatze; die weltlichen Kurfürsten tragen dabei die Reichsinsignien, der amtierende Erzkanzler die Reichssiegel am silbernen Stabe. Unser Kapitel beginnt dann gleich mit der Ordnung des Ehrendienstes des Erzmarschalls, dem Ausmessen des Hafers, nachdem der Kaiser seinen Sitz eingenommen hat. Wem der Sachsenherzog das Reichsschwert, das er doch nun nicht mehr tragen konnte, übergeben hat, wird nicht gesagt. Dann folgt der Dienst bei Tafel. Die Erzkanzler halten zunächst das Tischgebet am Tische des Kaisers, lassen sich darauf den silbernen Stab mit den Siegeln vom Hofkanzler geben, um ihn gemeinsam zum Kaiser zu tragen. Hier erfahren wir nachträglich, was vorher verschwiegen war, nämlich daß der Erzkanzler, der den Siegelstab im Zuge trug, denselben nach Ankunft am Festplatze dem Hofkanzler übergeben hatte. Hier sind die Fugen sichtbar, welche bei dem Einfügen des älteren Stückes in den neuen Zusammenhang entstanden. Es war das dem oberflächlichen Redaktor entgangen. An anderen Stellen mag er durch Korrekturen den älteren Text mit der neuen Umgebung in Einklang gebracht haben; wie ihm sicher der Hinweis auf c. XXIII zuzuschreiben ist. Kaum zu dem älteren Texte dürfte § 6 gehört haben, in welchem der Gesetzgeber erklärt, von altem Herkommen erfahren zu haben, das er nun bestätigt: Sicut autem hactenus observatum fuisse comperimus, ita statuimus usw.

Dürfen wir nach dem Vorstehenden kaum zweifeln, daß der Hauptteil von c. XXVII auf älterer Vorlage beruht, die nur wenig verändert eingefügt ist, so gewinnt damit die Vermutung, daß jene Vorlage die Ordnung von 1298 gewesen sei, erhöhte Wahrscheinlichkeit. Trifft aber die Vermutung zu, so erklärt sich die Bestimmung über das Schenkenamt sehr einfach.

Gewiß wollte Karl IV. dauerndes Recht schaffen und keine nur auf zufällige und vorübergehende Zustände zutreffende [97] Bestimmungen erlassen. Deshalb ist es auch wohl begreiflich, wenn in c. IV bei Behandlung der Königswahl vom König von Böhmen gesagt wird, er solle dem Gewählten den ersten Trunk reichen, und was weiter noch hinzugefügt wird, obwohl doch zurzeit der römische und der böhmische König ein und dieselbe Person war. Ebenso und aus demselben Grunde kann man begreifen, wenn trotz der gegenwärtigen Identität beider Personen an anderer Stelle dem Böhmenkönige ein Sitz zur Rechten des Kaisers oder im Zuge der Platz unmittelbar hinter demselben angewiesen wird. Viel schwerer aber wäre es anzunehmen, daß die kaiserliche Kanzlei unmittelbar vor dem Weihnachtstage 1356 ein zur Verkündigung an diesem Tage bestimmtes Kapitel frei verfaßt haben sollte, in welchem genau vorgeschrieben wurde, wie der Böhmenkönig, nachdem die übrigen Kurfürsten ihre Ämter verrichtet haben, heranreiten soll mit silberner Kanne und Becher, wie er dann absteigen und dem Kaiser den Becher kredenzen soll, obwohl man genau wußte, daß an demselben Weihnachtstage eine Vertretung des Böhmenkönigs nötig werden müsse, da Karl zugleich Kaiser und König von Böhmen war. Sollte man nicht erwarten, daß der Verfasser des Kapitels angesichts der Notwendigkeit, für den nahe bevorstehenden Fall einen Vertreter mit der Ausübung des Schenkenamtes zu betrauen, in seinem Texte auf die Möglichkeit einer solchen Vertretung hingewiesen hätte? Freilich kann man einwenden, daß damals die Delegationsbefugnis, das Recht, einen Vertreter sich zu substituieren, in so ausgedehntem Maße in staatsrechtlichen Verhältnissen zur Anwendung kam, daß man fast den Eindruck gewinnt, die Substituierung eines Bevollmächtigten sei überall da gestattet gewesen, wo sie nicht ausdrücklich ausgeschlossen war; so daß es als selbstverständlich gegolten hätte, daß der Böhmenkönig sich in der Wahrnehmung des Schenkenamtes vertreten lassen konnte, wenn er selbst durch einen zwingenden Grund verhindert war.

Auch unser Gesetzgeber erkannte, wie wir S. 93 sahen, die Zulässigkeit der Vertretung im Erzamt für gewisse Fälle an und dürfte sie allgemein vorausgesetzt haben. Trotzdem bleibt das Schweigen über die am Weihnachtstage notwendig werdende Vertretung des Böhmenkönigs auffällig und ist kaum anders als aus der Benutzung jener älteren Vorlage zu erklären.

[98] Unter derselben Voraussetzung erklärt sich auch die völlige Übergehung des Haltens des Reichsschwertes beim Festmahle am besten. Wie wir im Exkurs über das Schwertträgeramt darlegen werden, war 1298 die feste Verbindung des Schwertträgeramtes mit dem Marschallamte trotz des Schwabenspiegels und der Memorialverse, welche den Sachsenherzog als dux portitor ensis bezeichneten, noch nicht endgültig anerkannt. Deshalb brauchte ein Kurfürstenzeremoniell König Albrechts nicht darauf Rücksicht zu nehmen.

Ist nun aber die Annahme zulässig, daß in c. XXVII die Funktionen des Schwertträgeramtes notwendig hätten zum Ausdruck kommen müssen, wenn es erst 1356 von Grund auf neu verfaßt wäre? Könnte man nicht einwenden, daß in dem Rahmen des Kapitels für die Erwähnung des Schwerttragens oder -haltens kein Platz vorhanden war? Zuzugeben ist ohne weiteres, daß der Erzmarschall wegen des ihm zukommenden Ehrensitzes beim Festmahle unmöglich während der ganzen Dauer des Mahles oder anderer festlicher Sitzungen das Reichsschwert zu halten imstande war. Er mußte sich in dieser Funktion notwendig vertreten lassen, wie das denn auch 1338 der Herzog von Brabant getan hatte. Wäre aber unser Kapitel wirklich erst 1356 abgefaßt worden, so hätte zum mindesten gesagt werden müssen, daß der Sachsenherzog nach Ankunft des feierlichen Zuges das von ihm bis dahin getragene Schwert einem Vertreter übergeben solle, damit dieser es während der Tafel oder der Sitzung vor dem Kaiser halte. Durch die Urkunde Karls IV. vom 27. Dezember 1356 über den zwei Tage vorher ausgebrochenen Streit wegen des Schwerttragens erfahren wir, daß damals Herzog Rudolf von Sachsen persönlich das Schwert auch bei Tische gehalten hat. Das kann sich aber nicht auf die ganze Dauer der Mahlzeit beziehen, da sonst nach der Bestimmung des c. XXVIII der Goldenen Bulle, welche vorschreibt, daß die Kurfürsten, die ihren Dienst verrichtet haben, sich an ihre Tische begeben, aber nicht eher niedersitzen sollen, bis auch der letzte der Kollegen mit seinem Dienste fertig ist, die Kurfürsten ihr Mahl erst dann hätten beginnen können, wenn der Kaiser die Mahlzeit beendigt hatte; was doch nicht wohl denkbar ist. Wie nun damals wahrscheinlich der Erzmarschall, nachdem er kurze Zeit das Schwert persönlich gehalten [99] hatte, dasselbe einem Vertreter, etwa dem Erbmarschall, übergeben haben dürfte, so dürfen wir wohl annehmen, daß der Verfasser der fraglichen Kapitel der Goldenen Bulle den gleichen Vorgang voraussetzte und nur durch seine ältere Vorlage, die darüber schwieg, verleitet wurde, auch seinerseits stillschweigend darüber hinwegzugehen.

Ich bin mir wohl bewußt, daß das Schweigen des c. XXVII über das Schwerthalten ebensowenig wie dessen Schweigen über die Vertretung des Erzschenken in der Ausübung seines Amtes einen zwingenden Grund bildet für die Annahme, daß unser Kapitel älteren Ursprungs und in wenig überarbeiteter Gestalt in die Goldene Bulle aufgenommen sei; doch dürfte das Schweigen über die beiden Punkte immerhin das Gewicht der übrigen Gründe nicht unerheblich unterstützen, welche es uns wahrscheinlich machten, daß in dem c. XXVII nur eine neue Bearbeitung jener Ordnung vorliege, welche König Albrecht 1298 auf dem Reichstage zu Nürnberg feierlich verkünden ließ.


Kapitel XXX.

Der erste Paragraph enthält die Befreiung der Kurfürsten von jeder Zahlung von Lehnstaxen an die Reichshofbeamten. Da die Kurfürsten die obersten Vorsteher der Hofämter seien, so seien die Reichshofbeamten ihre Untergebenen. Seinen Untergebenen aber Abgaben zahlen zu müssen, sei widersinnig. Man vergaß bei dieser fadenscheinigen Begründung, daß in c. XXVII die Kurfürsten verpflichtet waren, denselben Untergebenen je ein Pferd und silberne Geräte im Gewichte von 12 Mark nach jeder Verrichtung des Erzamtes zu schenken.

In § 2 wird dann für die übrigen Fürsten als Betrag der Lehnstaxe festgesetzt: 63 Mark Silber und ein Vierdung (ferto), welche Summe der kaiserliche Hofmeister in Empfang nehmen und in folgender Weise verteilen soll. Für sich soll er 10 Mark zurückbehalten, dann dem Hofkanzler ebenfalls 10 Mark und den Magistri notarii dictatores der Kanzlei 3 Mark geben, sowie dem Sigillator einen Vierdung für Pergament und Wachs. Je weitere 10 Mark erhalten endlich nach § 3 die Reichserbbeamten: der Schenk von Limburg, der Küchmeister von Nortemberg, der Marschall von Pappenheim und der Kämmerer von Falkenstein.

[100] Der letzte Absatz des Kapitels, § 4, enthält die Bestimmung, daß der Herzog von Sachsen als oberster Marschall die von den Fürsten bei Empfang ihrer Lehen gerittenen Rosse und sonstigen Reittiere erhalten solle. Ist der Herzog beim Lehnsempfang nicht anwesend, so erhält sie der Erbmarschall von Pappenheim, und fehlt auch dieser, der an seiner Stelle amtierende Hofmarschall. Wenn es auffällt, daß der Sachsenherzog hier inmitten der sportelberechtigten Hofbeamten erscheint, so erklärt sich das aus der Entstehungsgeschichte unseres Kapitels.

Die Überschrift: De iuribus officialium, dum principes feuda sua ab imperatore vel rege Romanorum recipiunt, zeigt uns, daß hier wie in c. XXVII ein ursprünglich selbständiges Stück vorliegt, welches in das Gesetzbuch eingefügt wurde, und die Eingangsworte: Decernimus hoc imperiali edicto belehren uns, daß wir es mit einem kaiserlichen Gesetze zu tun haben.

Dies Gesetz ist erst nach dem Nürnberger Tage entstanden und enthält in zwei wesentlichen Punkten Neuerungen gegenüber der noch zu Nürnberg geübten Praxis. Neu ist die Befreiung der Kurfürsten von der Lehnstaxe, und neu ist auch die Zahlung der Taxe an den Hofmeister und deren Verteilung durch diesen an die Hof- und Kanzleibeamten. Dagegen entspricht die Höhe der Taxe genau der bisher üblichen, und ebensowenig scheint das Gesetz eine Neuerung bezüglich des Verteilungsmodus eingeführt zu haben. Die Bestimmung des § 4 kodifiziert, wie wir später sehen werden, bereits geltendes, durch ein Reichsweistum vom 6. Dezember 1355 festgestelltes Recht.[114]

Das Verhältnis der vorhergehenden Bestimmungen zu den früher geltenden Regeln erhellt aus der bisher noch nicht bekannten Nachricht des Trierer Rechnungsbuches über die um Neujahr 1356 zu Nürnberg durch Erzbischof Boemund von Trier geleistete Zahlung der Lehnstaxe. Die Notiz hierüber lautet: Cancellarie et aliis officiis imperiales aule pro iure concessionis feodorum domino per imperatorem pro LXIII marcis uno fertone argenti IIIc fl. XVI fl. IIII ½ ß hl., pro qualibet marca V fl. Cancellario XX marcas, magistro curie X marcas, marscalco et aliis officiis XXX marcas, preposito Aquensi III marcas, campanario I fertonem. Zweifelhaft [101] kann es hiernach erscheinen, ob die Verteilung der Summe unter die Hof- und Kanzleibeamten, wie sie das Gesetz anordnet, schon damals üblich war. Sehen wir vorläufig ab von den kleineren Beträgen, so scheint die von Boemund gezahlte Summe von 60 Mark zunächst nicht in gleicher Weise verteilt zu sein, wie die Goldene Bulle vorschreibt. Der Kanzler erhielt 20 Mark, während er nur die gleiche Summe wie die übrigen Reichshofbeamten, also 10 Mark, erhalten sollte. Dafür aber erhielten der Marschall und die übrigen Offizialen zusammen nur 30 Mark, während sie, da man hier doch wohl an die vier alten Hofbeamten, d. h. neben dem Marschall an Schenk, Küchmeister und Kämmerer denken muß, zusammen nur 30 statt 40 Mark erhielten. Vielleicht waren von den Inhabern der alten vier Reichsämter bei Boemunds Belehnung nur drei anwesend, so daß für sie der Betrag von 30 Mark genügte. Dann aber mochten die frei gewordenen 10 Mark entweder dem Kanzler zufallen oder ihm vielleicht auch nur zur Zahlung an einen Vertreter des Abwesenden übergeben sein. Vielleicht aber war der trierische Rechnungsführer auch nur nicht genau genug unterrichtet über den Modus der Verteilung unter die in Betracht kommenden Personen, deren Kreis er an sich wohl kannte. Mit ziemlicher Sicherheit aber läßt sich aus der Voranstellung des Kanzlers schließen, daß die Gesamtsumme noch wie früher an diesen, und nicht an den Hofmeister, wie es die Goldene Bulle vorschrieb, zur Verteilung an die Berechtigten gezahlt worden war. Wenn als Empfänger der 3 Mark, welche nach dem Gesetze den Magistri notarii dictatores zukommen, ein prepositus Aqunensis genannt wird, so ist damit sicher ein Kanzleibeamter der betreffenden Kategorie gemeint, wenn wir ihn auch sonst nicht nachweisen können. Der als Empfänger der Gebühr im Betrage eines Ferto für Pergament und Wachs genannte Campanarius muß wohl die Tätigkeit eines Sigillator ausgeübt haben.

Fast den gleichen Betrag, den Boemund auf dem Nürnberger Tage entrichtete, und den das zu Metz erlassene Kapitel gesetzlich festlegte, hat Scheffer-Boichorst[115] schon für das 13. Jahrhundert [102] hundert in zwei Fällen nachgewiesen, und zwar aus einer päpstlichen Urkunde betreffend die Belehnung des Bischofs Oliver von Paderborn im Jahre 1225[116], und aus einer Verfügung Rudolfs von Habsburg zugunsten der Äbtissin von Remiremont vom Jahre 1290.[117] An beiden Stellen wird der Betrag der den Kurialen geschuldeten Taxe auf 65 Mark und einen Vierdung angegeben, also um 2 Mark höher als in der Goldenen Bulle. Der Eindruck der Übereinstimmung zwischen beiden Sätzen wird ganz besonders erhöht durch den gleichmäßigen Zuschlag des Vierdung zu der Zahl der vollen Mark. So gering aber der Unterschied zwischen den beiden Beträgen auf den ersten Blick erscheinen mag, so schwer ist es, die Entstehung des späteren aus dem früheren zu erklären. Der spätere setzt sich, wie wir gesehen haben, zusammen aus je 10 Mark für Hofkanzler, Hofmeister und die Inhaber der vier Erbämter, 3 Mark für die Magistri notarii dictatores der Kanzlei, und dem Vierdung für Pergament und Wachs an den Sigillator. Daß der Vierdung der älteren Taxe die gleiche Bedeutung hatte, ist augenscheinlich. Wie aber verteilen sich die 65 Mark? Nehmen wir an, daß die niederen Kanzleibeamten ebenfalls 3 Mark erhielten, so blieben für die höheren Offizialen 62 Mark übrig, die sich in keiner Weise zu gleichen Teilen in runden Summen unter eine Zahl von 5 oder 6 Beamten verteilen [103] lassen. Nehmen wir dagegen an, daß die Summe für die Kanzleibeamten früher 5 statt 3 Mark betragen habe, so bliebe zwar dieselbe Summe zur Verteilung an die höheren Chargen übrig; doch ist nicht abzusehen, welcher Beamte im 13. Jahrhundert statt des damals noch nicht vorhandenen Hofmeisters an der Summe teilgehabt haben sollte. Wohl haben wir nun noch eine weitere Nachricht über die Höhe der Taxe, und zwar aus der Zeit Heinrichs VII., doch scheint sie die Frage nur noch mehr zu verwickeln. Am 7. Oktober 1309 stellt der Bischof von Minden einen Revers aus[118], in welchem er sich für schuldig erkennt, dem Kanzler pro iure curie aus Anlaß seiner Belehnung mit den Regalien quinquaginta octo marcas et unum fertonem zu zahlen. Hier begegnen wir wieder dem Vierdung neben der Hauptsumme. Diese aber ist um 7 Mark geringer als die frühere und um 5 Mark niedriger als die der Goldenen Bulle. Ziehen wir 3 Mark für die Kanzleibeamten ab, so bleiben 55, ziehen wir 5 ab, so bleiben 53 Mark übrig, von welchen Summen sich die letztere gar nicht, die erstere wenig zur Verteilung unter die höheren Offizialen eignet. Ist überhaupt ein solches Auf- und Niederschwanken der Taxe in so kurzem Zeitraum wahrscheinlich? Gewiß nicht! Ich möchte daher lieber versuchen, die Zahlenangabe in dem Reverse auf einen Irrtum zurückzuführen. Das Original des Reverses enthält die Zahl in Buchstaben ausgeschrieben; so daß hier ein Verschreiben nicht vorliegen kann. Im Konzept können dagegen sehr wohl römische Ziffern verwendet worden sein. War das aber der Fall, so ist nur die Annahme des allerhäufigsten Schreibfehlers, der Verschreibung V für X nötig, um die Zahl LVIII statt LXIII zu erklären. Bei Anfertigung der Reinschrift müßte dann die falsche Ziffer richtig in Buchstaben ausgedrückt sein. Wahrscheinlich dürfen wir also hier ein Zeugnis für das erste Vorkommen der Taxsumme der Goldenen Bulle annehmen und auch den Verteilungsmodus, aus dem sich jene [104] Summe allein erklärt, in die Zeit Heinrichs VII. zurückverlegen. Die Wahrscheinlichkeit wird noch dadurch erhöht, daß, wie wir jetzt aus dem trierischen Rechnungsbuch wissen, die Taxsumme der Goldenen Bulle und anscheinend auch deren Verteilung nicht erst durch c. XXX gesetzlich angeordnet, sondern bereits vorher gebräuchlich war.

Der den Schluß des Kapitels bildende § 4 beruht ganz auf einem Weistum, welches schon am 6. Dezember 1355 zu Nürnberg gefunden worden war. Die Urkunde über dieses Weistum ist ausgestellt von Pfalzgraf Ruprecht dem Älteren[119], welchen der Kaiser beauftragt hatte, ein Recht finden zu lassen umb sulich roz oder pferde; da die fursten ire lehen uoffe enpfahen, wez die von reht solden sin. Auf diese Frage wiesen die Kurfürsten, andere Fürsten und viele Herren, Grafen und Freie, und erkannte er selbst als Recht, daß dieselben dem Herzog Rudolf von Sachsen oder seinem „Untertan“ gehören, weil er des heiligen Reichs oberster Marschall sei: daz die egenanden roz oder pferde nymand anders sullen sin, dann unsirs ooheims, des hochgeboren fuersten hertzoge Rudolfs von Sahsen oder sines undertans, wanne er des heligen Romischen rychs oberigster marschalk ist, und hat ouch daz von dem Romischen ryche zuo lehen.

Daß dieses Weistum die unmittelbare Vorlage für das Gesetz bildete, kann nicht zweifelhaft sein. Die Worte des Gesetzes equus sen altera bestia, welche etwas merkwürdig klingen, erklären sich am besten aus einer nicht ganz glücklichen Übersetzung der deutschen Worte: die roz oder pferde. Daß im Weistum Herzog Rudolf von Sachsen persönlich genannt wird als der zum Empfang der Tiere Berechtigte, während das Gesetz allgemein den Herzog von Sachsen nennt, ist ein in dem verschiedenen Charakter der beiden Stücke begründeter Unterschied, der sachlich von keiner Bedeutung ist; denn auch das Weistum will keineswegs dem Herzog Rudolf persönlich das Recht zuerkennen, sondern allein in seiner Eigenschaft als oberster Marschall, weil er oberster Marschall des Reiches ist, wie das ausdrücklich gesagt wird. Das Weistum will nichts anderes besagen als das Gesetz, nämlich daß der oberste Marschall des Reiches oder [105] sein Substitut die Tiere zu erhalten berechtigt sei. Wenn das Gesetz das in folgender Weise ausdrückt: equus ille seu bestia debetur superiori marescallo, id est duci Saxonie, so drückt es nur etwas schärfer formuliert den gleichen Gedanken aus wie das Weistum. Daß aber dieses die Vorlage bildete, zeigt sich auch hier in der Wahl des Ausdrucks superiori marescallo, der genauen Übersetzung des deutschen oberigster marschalk, während die Goldene Bulle sonst die Bezeichnung archimarescallus gebraucht.

Nach dem Vorstehenden kann es nicht zweifelhaft sein, wer den Erlaß des Gesetzes bewirkt hat. Nur der Sachsenherzog und seine Vertreter im Marschallamte hatten ein Interesse an den Bestimmungen des § 4, und nur auf Anregung und unter Mitwirkung des Herzogs, der im Besitz der zugrunde gelegten Urkunde war, konnte dieser Paragraph abgefaßt werden. Der Sachsenherzog war aber auch an der Aufhebung der Lehnstaxe für die Kurfürsten zurzeit allein unmittelbar interessiert. Seit am 21. März 1356 Herzog Rudolf der Ältere von Sachsen verstorben war, befand sich Rudolf der Jüngere im Besitz des Kurrechts und des Herzogtums und war verpflichtet, innerhalb Jahr und Tag die Belehnung mit seinen Reichslehen beim Kaiser nachzusuchen. Wohl erst nach diesem Successionsfall, durch den die Frage der Befreiung von der Lehnstaxe für Rudolf den Jüngern eine aktuelle Bedeutung erhielt, wird dieser den Erlaß des Gesetzes beim Kaiser betrieben haben. Gelegenheit dazu hatte er genug; denn wie er nach dem Schlusse des Nürnberger Reichstages noch einige Wochen am Hofe des Kaisers blieb, so finden wir ihn auch nach dem Tode des Vaters von Juni bis August in der Umgebung Karls. Seit dem 2. November scheint Rudolf dann dauernd bis zum Schlusse des Metzer Reichstages bei dem Kaiser geblieben zu sein. Es besteht demnach kein Grund zu der Annahme, daß Rudolf den Erlaß dieses in erster Linie zu seinen Gunsten ergangenen Gesetzes erst zu Metz betrieben habe. Wahrscheinlicher ist sogar, daß Rudolf der Jüngere bald nach Antritt der Regierung im Hinblick auf den ursprünglich ja viel früher angesetzten und wiederholt hinausgeschobenen Reichstag den Erlaß des Gesetzes herbeizuführen suchte, das ihm für seine dort zu erwartende Belehnung Taxfreiheit und gelegentlich der ebenfalls dort bevorstehenden Belehnungen anderer Fürsten [106] wertvolle Bezüge an Pferden zusicherte. Die eigene Überschrift aber und die Form eines selbständigen Gesetzes lassen schließen, daß c. XXX nicht erst mit Rücksicht auf die Ergänzung der Nürnberger Gesetzgebung verfaßt ist. Die gesetzliche Fassung und die Überschrift hat unser Kapitel mit c. XXVII gemein, und die Überschriften beider Stücke zeigen sogar in der Fassung eine gewisse Verwandtschaft, die auf eine etwa gleichzeitige Entstehung deuten könnte. Wir werden kaum fehlgreifen, wenn wir annehmen, daß c. XXX ebenso wie c. XXVII bereits fertig vorlag, als man zu Metz an den Plan einer Ergänzung des Nürnberger Gesetzbuches herantrat. Ich möchte noch auf die Möglichkeit hinweisen, daß §4 erst nach Absassung der Überschrift hinzugefügt sein könnte. Nehmen wir an, daß die Überschrift von vornherein auch für § 4 mitbestimmt gewesen sei, so müßte der Verfasser auch den Herzog von Sachsen als obersten Marschall des Reiches zu den Offizialen gerechnet und ihn seinem eigenen Untergebenen, dem Vizemarschall, sowie dem Hofmeister und den anderen Hofbeamten gleichgestellt haben, woran er doch im Ernst kaum gedacht haben dürfte. Diese Schwierigkeit würde sich durch die Annahme, daß § 4 erst nachträglich hinzugefügt sei, beseitigen lassen.

Später noch jedenfalls ist dem Kapitel ein Zusatz hinzugefügt, der dann bei der endgültigen Gestaltung der Goldenen Bulle wieder losgetrennt und dem vorhergehenden c. XXIX als letzte Bestimmung, § 3, angehängt wurde. Daß diese ursprünglich als Zusatz zu c. XXX, und nicht für c. XXIX verfaßt ist, kann nicht zweifelhaft erscheinen. Sie paßt ihrem Inhalte nach allein zu c. XXX und ist diesem auch in einem der kurfürstlichen Exemplare, dem Mainzer, M, hinzugefügt. Der Zusatz handelt von einer Einnahmequelle, die sich dem kaiserlichen Hofmeister bei der Abhaltung von Reichshöfen und feierlichen Belehnungen eröffnete, indem er das Holzwerk des für diese Gelegenheiten errichteten Gestühls erhielt, über dessen eigenartige Verwertung wir oben gesprochen haben. Die Bestimmung schließt sich vortrefflich an die in c. XXX vorhergehenden an. War dort schon in § 2 eine Einnahme des Hofmeisters bei Gelegenheit der Belehnung von Reichsfürsten genannt, so tritt hier eine weitere Einnahme bei gleichem Anlaß hinzu. An [107] diese und die in § 3 und 4 folgenden Bestimmungen schließt sich aufs beste der Zusatz mit den Worten: Preterea ..... recipiet magister curie usw. Und so gut der Zusatz sich hier anfügte, so schlecht paßt er an seine jetzige Stelle. Hier geht voraus in § 1 die Bestimmung, daß die Wahl zu Frankfurt, die erste Krönung zu Aachen und der erste Reichstag des neuen Königs zu Nürnberg stattfinden solle, und in § 2 die weitere, wonach bevollmächtigte Vertreter der Kurfürsten nicht zu den jenen vorbehaltenen Ehrenplätzen zugelassen werden sollen. Daran reiht sich gewiß möglichst unpassend die Bestimmung: „Außerdem soll der Hofmeister das und das erhalten.“ Mit zwingender Notwendigkeit aber ergibt sich aus den Worten: vel feuda, sicut premittitur, principibus conferenda, daß diese Bestimmung nicht für das c. XXIX, sondern nur für den Schluß von c. XXX berechnet gewesen sein kann. Mit den Worten: sicut premittitur kann nur auf die in Überschrift und Text von c. XXX enthaltene Erwähnung und Erörterung des Gegenstandes verwiesen sein. An ihrer jetzigen Stelle aber fehlt den Worten jede Beziehung. Denn die in c. V, 1 und VII, 2 enthaltenen Erwähnungen der Belehnung von Reichsfürsten liegen doch zu weit zurück, als daß darauf mit dem einfachen sicut premittitur hätte verwiesen werden können.

Wie es nun gekommen ist, daß in der maßgebenden Überlieferung der Zusatz von seinem ursprünglichen Platz entfernt und an die so wenig passende Stelle am Ende von c. XXIX geraten ist, vermögen wir mit Sicherheit nicht zu entscheiden. Vielleicht war der Zusatz in dem Konzept der kaiserlichen Kanzlei am Rande neben c. XXX eingetragen und geriet von hier aus in M an die richtige, in allen anderen Exemplaren irrtümlich an die falsche Stelle. Doch ist wahrscheinlicher, daß man sich bei der endgültigen Gestaltung entschloß, den Zusatz nicht an seiner ihm zugedachten Stelle zu belassen, sondern ihn an das Ende von c. XXIX zu verschieben. Den Anlaß dazu könnte wohl die wiederholte Erwähnung der curiae gegeben haben, welche bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein erwecken konnte, als ob dieses Stück mehr in den Zusammenhang der von den Reichshöfen handelnden Bestimmungen in c. XXVI bis XXIX gehöre als zu den Sätzen des c. XXX. Man muß dabei die Hindernisse für die Umordnung und insbesondere die [108] in den Worten sicut premittitur enthaltene Verweisung auf etwas Vorhergehendes, das nun tatsächlich erst nachfolgte, gänzlich übersehen haben.

Im Hinblick auf diese Zweifel könnte es auch fraglich erscheinen, ob eine kritische Ausgabe der Goldenen Bulle nicht die Anordnung des Mainzer Exemplars befolgen sollte, statt den Zusatz, wie bisher in allen Ausgaben geschehen ist, an der ihm nicht ursprünglich bestimmten Stelle zu geben. Ich glaube mich dahin entscheiden zu sollen, daß die bisher übliche Anordnung beizubehalten ist. Auch wenn sie nur durch bloßes Versehen entstanden sein sollte, so hat sie doch anscheinend auf dem Metzer Reichstage offizielle Anerkennung gefunden und sich dieselbe seither dauernd bewahrt. Ihr gegenüber hat die abweichende ursprüngliche Anordnung des Mainzer Exemplars kaum Beachtung gefunden, verdient aber jedenfalls, sehr nachdrücklich hervorgehoben zu werden.


Kapitel XXXI.

Den Beschluß der Metzer Gesetze und damit der ganzen Goldenen Bulle macht eine Satzung des Kaisers, die in gewisser Hinsicht die merkwürdigste des ganzen Gesetzbuches, und unzweifelhaft auf die persönliche Initiative Karls zurückzuführen ist. Es wird darin angeordnet, daß die Söhne und Erben der weltlichen Kurfürsten, welche für die Succession in die Kurwürde in Betracht kommen, von ihrem siebenten bis zum vierzehnten Lebensjahre in der lateinischen (gramatica), italienischen und slavischen (tschechischen) Sprache unterrichtet werden sollen. Begründet wird das damit, daß im Reiche Völker verschiedener Zunge vereinigt seien, und daß vielfach Reichsgeschäfte in jenen Sprachen verhandelt werden müßten. Die Aufnahme der tschechischen Sprache, statt derer man eher die französische erwarten sollte, erklärt sich aus Karls besonderer Vorliebe für Böhmen. Bezeichnend für den Geist dieses Gesetzes ist besonders ein Passus, in welchem es den Eltern der Kurprinzen freigestellt wird, ob sie es vorziehen wollen, die Prinzen behufs Erlernung der fremden Sprachen auf Reisen zu schicken, oder ob sie dieselben zu Hause in Gemeinschaft mit Altersgenossen von Lehrern in den Sprachen unterrichten lassen wollen. Die Stelle würde in [109] einem Fürstenspiegel oder in einem Lehrbuche der Pädagogik weniger seltsam erscheinen, als in einem Reichsgesetze. Der Geist der Vielregiererei, das Bestreben auch das Kleine und Unwesentliche in den Bereich der Gesetzgebung zu ziehen, macht sich hier wie auch sonst bei Karl IV. bemerkbar. Ein Gesetz wie dieses hätte auch ein Herrscher aus der Zeit des aufgeklärten Despotismus im 18. Jahrhundert gegeben haben können. Für die Beurteilung des Wesens der Gesetzgebung des Jahres 1356 ist von Bedeutung der Umstand, daß auch hier das Bestreben deutlich hervortritt, die Kurfürsten in den Stand zu setzen, die Aufgaben, welche Karl ihnen ganz ernstlich in der Reichsregierung überlassen wollte, auch erfüllen zu können. Daß Karl die Kurfürsten auch in diesem Schlußkapitel wie im Eingange und dann im weiteren Verlauf dieses Gesetzbuches als die Säulen des Reiches bezeichnet, zeigt auch äußerlich, daß die Kurfürsten, ihre Stellung im Reiche, ihre Rechte und Pflichten im Mittelpunkt des ganzen Gesetzbuches stehen.




[110]
Zweites Kapitel.
Geschichte der Gesetzgebung auf den Reichstagen zu Nürnberg und Metz.
Nov. 1355 – Dez. 1356.

Nachdem Karl IV. am Ostertage des Jahres 1355 zu Rom die Kaiserkrone empfangen hatte, hielten ihn die italienischen Angelegenheiten noch einige Monate zurück. Erst Ende Juni überschritt er die Alpen. Im Juli finden wir den Kaiser zu Augsburg, Nürnberg, Regensburg und Sulzbach, von Mitte August an mit kurzen Unterbrechungen mehrere Monate lang in Prag. Hier widmete er sich wohl mit besonderem Interesse den Angelegenheiten seines böhmischen Erblandes, doch beschäftigten ihn auch die Angelegenheiten des Reiches in dieser ganzen Zeit vielleicht in noch höherem Grade als die böhmischen. Eine Anzahl deutscher Reichsfürsten finden wir damals am kaiserlichen Hoflager zu Prag, mit deren Rat und Hilfe der Kaiser diese Reichssachen erledigen mochte. Neben den Bischöfen von Regensburg, Eichstädt und Speier befand sich dort sein besonders bevorzugter Rat, der Bischof Johann von Straßburg. Von weltlichen Reichsfürsten weilten Ruprecht der Jüngere, Pfalzgraf bei Rhein, und Herzog Rudolf der Ältere von Sachsen mit seinem gleichnamigen Sohne in Prag. Schon am 24. August erhielt Rudolf der Ältere für sich und sein Haus durch ein in deutscher Sprache verfaßtes Privileg[120] die Anerkennung der Kurwürde unter Festsetzung der Vererbung derselben nach den Regeln der Primogeniturfolge, und diese Anerkennung [111] wiederholte der Kaiser in lateinischer Fassung am 6. Oktober[121] gleichzeitig mit der Eventualbelehnung des Herzogs und seines Hauses mit Braunschweig-Lüneburg.[122] Aus der Fülle der von Karl damals in Prag behandelten Reichsangelegenheiten greifen wir nur dieses eine hervorragende Beispiel heraus, welches genügt, um zu zeigen, daß Karl die deutschen Verhältnisse keineswegs über den böhmischen aus den Augen verlor.

Schon im Juli mochte er bei seinem Aufenthalt in Nürnberg, wo er damals die Frauenkirche gründete, den Plan gefaßt haben, in dieser Stadt demnächst einen großen Reichstag abzuhalten. In Prag ist dann dieser Plan zur Reife gediehen, und am 17. September[123] ließ von hier aus der Kaiser die Aufforderung an alle Reichsstände ergehen, sich am Martinstage, dem 11. November, in Nürnberg einzufinden, wo er mit ihnen über Frieden und Wohlfahrt des Reiches beraten wolle. Unmittelbar darauf begann er selbst die Vorbereitungen zu seiner Reise ins Reich, wie wir aus einer Aufforderung, die er am 22. September[124] an die Stadt Eger richtete, ihm zu dieser Fahrt eine gewisse Anzahl Bewaffneter zu Fuß und zu Roß zu stellen, ersehen.

Der Termin aber wurde von ihm selber nicht eingehalten; noch am 10. November finden wir Karl in Prag, am 18. auf der Reise zu Tachau, und erst am Katharinentage, dem 25. November, traf er in Nürnberg ein. Am Tage seiner Ankunft noch ließ der Kaiser die bereits zahlreich versammelten Herren und Städteboten vor sich bescheiden, legte ihnen seine großen gesetzgeberischen Pläne dar, erklärte aber, ohne die drei geistlichen Kurfürsten, deren Eintreffen er etwa binnen 14 Tagen erwartete, die Verhandlungen nicht beginnen zu wollen. Wahrscheinlich schon damals waren in Nürnberg anwesend eine Anzahl Fürsten, die uns in den Zeugenreihen einiger am 29. November ausgestellter Urkunden begegnen. Darunter befinden sich die weltlichen Kurfürsten Pfalzgraf Ruprecht der Ältere, Markgraf Ludwig der Römer und als Vertreter seines hochbetagten [112] Vaters, des Herzogs Rudolf von Sachsen, dessen gleichnamiger Sohn.[125] Letzterer war vielleicht im Gefolge des Kaisers zugleich mit diesem angekommen, wie wir das mit Sicherheit von den Bischöfen von Straßburg und Regensburg annehmen dürfen. Am 8. Dezember finden wir auch den jüngeren Rheinpfalzgrafen Ruprecht am Reichstagsorte, wo er neben seinem gleichnamigen Oheim als Urkundenzeuge fungiert.[126]

Der erste von den drei geistlichen Kurfürsten, der in Nürnberg eintraf, war Gerlach von Mainz. Aus einem von ihm in Nürnberg am 12. Dezember ausgstellten Schreiben an den päpstlichen Kämmerer Erzbischof Stephan von Toulouse und den päpstlichen Thesaurar Bischof Reginald von Palencia[127] geht nicht nur hervor, daß er damals in der Reichstagsstadt anwesend und in den Reichsgeschäften tätig war, sondern zugleich auch, daß die beiden andern geistlichen Kurfürsten noch nicht dort eingetroffen waren, sondern erwartet wurden. Sie ließen aber noch ziemlich lange auf sich warten; denn erst am 14. brach nach den Angaben des Trierer Rechnungsbuches Erzbischof Boemund von Trier von Limburg aus nach Frankfurt auf, wo er mit Erzbischof Wilhelm von Köln den 15. rastete, um dann am 16. die Reise nach Nürnberg fortzusetzen, wo er am Abend des 22. Dezember eintraf. Vielleicht hat der Kölner Erzbischof die [113] ganze Reise mit ihm gemeinsam gemacht, was man nach der Notiz der Quelle über den gemeinschaftlichen Aufenthalt zu Frankfurt vermuten möchte.[128] Jedenfalls ist der Kölner etwa gleichzeitig mit Boemund in Nürnberg eingetroffen, da er ebenso wie dieser in Urkunden vom 17., 20. und 22. Dezember, in denen mit den weltlichen Kurfürsten auch Gerlach von Mainz als Zeuge genannt wird, noch nicht verzeichnet ist.

Frühestens am 23. Dezember können demnach die Gesamtberatungen des Kaisers und der Kurfürsten begonnen haben, und schon am Weihnachtstage selbst trat als erste Frucht dieser Verhandlungen, wie wir annehmen dürfen, ans Licht das Gesetz über die Erbfolge in die weltlichen Kurfürstentümer und über Vormundschaft und Mündigkeit der weltlichen Kurfürsten, das als Kapitel VII in die Goldene Bulle aufgenommen wurde.

Das vom Kaiser in der Eröffnungssitzung am 25. November den Ständen dargelegte Programm für die Beratungen des Reichstages kennen wir nur aus dem Bericht der Straßburger Ratsboten an ihre Stadt.[129] Fünf Punkte enthält dieses Programm: 1. Entscheidung der Frage, welchen Laienfürsten das Kurrecht gehöre, 2. Ordnung des Münzwesens, 3. Verminderung der Rheinzölle und der Geleite auf dem Lande im Interesse des Verkehrs, 4. Herstellung des Landfriedens im Reiche, 5. Ordnung der Königswahl im Sinne des Majoritätsprinzips zur Vermeidung von Doppelwahlen. Von diesen Punkten wurde der erste und fünfte tatsächlich erledigt, wie wir noch näher sehen werden. Zweifelhaft ist, ob die übrigen Punkte damals zur Beratung gekommen sind. Über den Landfrieden soll nach einer Nachricht Heinrichs von Diessenhofen[130] auf dem Reichstage zwischen dem Kaiser und den Ständen verhandelt und ein Abkommen über die Einrichtung von Landfriedenskreisen [114] getroffen sein. Da es an jeder Spur von Akten über diese Verhandlungen fehlt, dürfen wir wohl annehmen, daß es bei mündlichen Verabredungen und Versprechungen blieb; womit sich auch der Wortlaut der Nachricht am besten vereinigen läßt. Das aber ist festzuhalten, daß die wenigen Bestimmungen der Goldenen Bulle, welche sich mit dem Landfrieden beschäftigen oder doch mit ihm im Zusammenhang stehen, nicht als der wesentliche Niederschlag jener Verhandlungen gelten können. Diese Bestimmungen in c. XIV und XVII betreffen gewisse Einschränkungen des Fehderechts und die Bestrafung derjenigen, die unrechtmäßige Zölle und Geleite erheben, als Landfriedensbrecher und sind, soweit sie über die bereits bestehenden Gesetze hinausgehen, nicht sehr erheblich und bewegen sich nicht in der Richtung der Organisation und Handhabung des Friedens, wie jene von Heinrich von Diessenhofen erwähnten Verhandlungen. Endlich aber zeigt die Bestimmung in c. XV der Goldenen Bulle, durch welche die bereits bestehenden Landfriedensbündnisse so lange als zu Recht bestehend anerkannt werden, bis der Landfriede durch ein allgemeines kaiserliches Gesetz geordnet würde, daß die Goldene Bulle nicht das vom Kaiser geplante Landfriedensgesetz enthält.

Ebensowenig dürfen wir in der Goldenen Bulle die angekündigte Münzordnung erblicken; denn diese sollte die Wertrelation der kursierenden Münzen feststellen, während die Goldene Bulle in c. X wohl vom Münzregal, aber nicht vom Münzkurs handelt, der nur gelegentlich einmal in c. I, § 3 erwähnt wird. Immerhin scheinen Verhandlungen über diesen Gegenstand zu Nürnberg gepflogen zu sein, auf Grund deren der Kaiser am 20. Januar zu Sulzbach ein Edikt erließ, welches das Wertverhältnis der neuen Heller zu den Gulden regelte.[131] Weder Form noch Inhalt dieses Edikts dürfte dem entsprechen, was der Kaiser bei Beginn des Reichstages plante. Wahrscheinlich fehlte es nach dem verspäteten Eintreffen der geistlichen Kurfürsten an Zeit, die Beratungen über den Gegenstand zu Ende zu führen, so daß der Kaiser sich begnügte, nachträglich die notwendigsten Bestimmungen über das Münzwesen durch jenes Edikt zu veröffentlichen.

[115] Was endlich die beabsichtigte Verminderung der Zölle und Geleite, insonderheit der Rheinzölle betrifft, so dürfte die Anregung zu diesem Plane von den Abgesandten der deutschen Frei- und Reichsstädte, die Karl bei seiner Ankunft in Nürnberg vorfand, und die zum Teil schon in Prag bei ihm gewesen waren und ihn in diesem Sinne beeinflußt haben mochten, ausgegangen sein. Als ein Ausfluß dieser städte- und handelsfreundlichen Stimmung sind dann die Privilegienbestätigungen, welche Karl zu Nürnberg am 29. November Lübeck und andern Städten, und besonders die umfassende Privilegienbestätigung, die er am 8. Dezember den Bürgern von Köln erteilte, anzusehen. Wurde hierdurch doch den Kölnern die Befreiung von allen Zöllen ohne Ausnahme bestätigt. Wir haben schon oben (S. 68 ff.) bei Erörterung des c. XIII der Goldenen Bulle gesehen, wie nach dem Eintreffen des Kölner Erzbischofs das Blatt sich zu Ungunsten der Bürger wandte, und der Kaiser kein Bedenken trug, das eben erteilte Privileg zu widerrufen. Ebensowenig wie der Kölner dürfte aber der Trierer Erzbischof geneigt gewesen sein, auf den reichen Ertrag seiner wertvollen Zollrechte an Rhein und Mosel zu verzichten, und so finden wir denn in der Goldenen Bulle in c. IX die ausdrückliche Anerkennung der Kurfürsten im Besitze aller bestehenden Zölle in ihren Gebieten. Darin liegt aber der Verzicht auf die geplante Verminderung der Zölle.

Während die Beratung aller in der Proposition vom 25. November angekündigten Gegenstände bis zur Ankunft der geistlichen Kurfürsten verschoben wurde, benutzte der Kaiser die Wartezeit zur Erledigung anderer Geschäfte, bei welchen man der Mitwirkung jener Fürsten nicht bedurfte. Zu diesen Geschäften gehörte die Entscheidung der Frage, wem die Reittiere gehören sollten, auf denen reitend die Fürsten ihre Reichslehen empfangen hatten. Sie wurde entschieden durch ein am 6. Dezember auf Befehl des Kaisers vom Pfalzgrafen Ruprecht dem Älteren erfragtes Weistum.[132]

Ganz ruhten auch vor der Ankunft der geistlichen Kurfürsten die bis zu derselben vertagten Sachen nicht. Am 3. Dezember erhielt Ludwig der Römer eine Bestätigung seiner [116] Privilegien, Besitzungen und Rechte einschließlich des Kurrechtes, und wahrscheinlich auch ein besonderes Privileg über den ausschließlichen Besitz der brandenburgischen Kur, wogegen der Markgraf dem Kaiser als Kurfürst huldigte.

Damit war für den Kaiser die von ihm als erster Punkt der Proposition zur Beratung gestellte Frage, wer weltlicher Kurfürst sei, entschieden, nachdem er bereits früher seine Entscheidung bezüglich der pfälzischen und sächsischen Kurstimme getroffen hatte, wie wir das später in einem anderen Zusammenhange erörtern werden. Es handelte sich nunmehr nur noch darum, die von ihm getroffenen Entscheidungen in ausreichender Weise unter Mitwirkung der Kurfürsten selbst festzulegen, was durch eine Reihe von Maßregeln geschah, mit denen wir uns noch näher beschäftigen werden. Erst dadurch wurde die notwendige Grundlage gegeben für die erfolgreiche Lösung der in dem fünften und letzten Punkte gestellten Aufgabe, der Schaffung eines Gesetzes über die Wahl des Königs durch die Majorität der Kurfürsten. Und diese Aufgabe wurde auf dem Reichstage nicht nur gelöst, sondern es wurde im Anschluß an ihre Lösung ein großes Verfassungsgesetz geschaffen, welches eine nahezu vollständige Kodifikation des Rechtes der Königswahl und der Königswähler darstellt: die Goldene Bulle.

Wir wenden uns nunmehr der Beantwortung der Frage nach der Entstehung dieses großen Gesetzes auf dem Nürnberger Tage zu. So verschieden man in neuerer Zeit über den Hergang bei der Entstehung des Gesetzes geurteilt hat, über einen Punkt herrscht so ziemlich Einigkeit, nämlich daß die Reihenfolge der Bestimmungen eine systematische Anordnung nicht erkennen lasse, und daher anzunehmen sei, daß die Bestimmungen in der chronologischen Reihenfolge der Beschlüsse aufgezeichnet seien. Das ist aber durchaus unrichtig; vielmehr läßt sich für den Kern des Gesetzes eine wohlüberlegte und völlig geschlossene Anordnung deutlich erkennen. Dieser Kern oder vielmehr das ursprüngliche Gesetz selbst schließt, wie das schon die Bemerkung in c. I, § 15, daß die Formulare für Wahlausschreiben und Prokuratorien sich ad finem presentis libri fänden, zeigt, mit c. XIX, und nur wer das übersieht, kann leugnen, daß die Anordnung eine durchaus planvolle ist.

Den Ausgangspunkt bildet die Königswahl. Nachdem in [117] c. I die Vorbereitungen zur Wahl in eingehender Weise geregelt sind, handelt der Gesetzgeber in c. II von der Wahl selbst, indem er mit besonderem Nachdruck den Satz, welcher nach der Proposition den Kern des ganzen Gesetzes bilden sollte, nämlich daß der von der Majorität der Kurfürsten Gewählte von jedermann als der einhellig gewählte rechtmäßige König anerkannt werden solle, zum Ausdruck brachte.

Auf die Ordnung der Wahl folgt die Ordnung der Rechte der Wähler. In c. III und IV werden wichtige Fragen in bezug auf Rangordnung und Ehrenrechte derselben behandelt; zunächst in c. III die Sitzordnung der geistlichen Kurfürsten bei allen Reichsversammlungen, in c. IV, § 1 die Sitzordnung der weltlichen Kurfürsten, woran sich in § 2 die Ehrenvorrechte des Mainzer Erzbischofs, Wahlberufung und Abfragung der Stimmen, das Recht der ersten Stimme des Erzbischofs von Trier und die Reihenfolge, in welcher die übrigen Kurstimmen abgegeben werden sollen, anschließen, während der letzte Paragraph des Kapitels kurz von der Ausübung der Reichsämter der weltlichen Kurfürsten handelt. Das folgende Kapitel behandelt das Sondervorrecht des Pfalzgrafen bei Rhein und des Herzogs von Sachsen bezüglich des Reichsvikariats während der Thronerledigung und des ersteren Gerichtsbarkeit über den König. Einen Nachtrag zu der Rangordnung enthält c. VI, in welchem die Anordnung der Sitze auch auf die Ordnung der Plätze bei Aufzügen übertragen, und außerdem bestimmt wird, daß den Kurfürsten kein anderer Fürst vorgehen dürfe, und besonders kein fremder König dem Könige von Böhmen. Die folgenden Kapitel VII–XI beziehen sich auf das wichtigste Recht der Kurfürsten, das Kurrecht, und die Fürstentümer, auf welche sich dieses Recht gründete. Zunächst setzt c. VII fest, daß die weltlichen Kurfürstentümer mit dem Kurrecht nach den Regeln der Primogeniturfolge nur auf einen Erben übergehen sollen, regelt die Vormundschaft über unmündige Kurfürsten und setzt deren Mündigkeitstermin auf das vollendete 18. Lebensjahr fest. In den Kapiteln VIII–XI werden zunächst dem Könige von Böhmen Rechte bezüglich seiner Landeshoheit gewährt oder anerkannt, welche dann zum Teil mit geringen Modifikationen auch den übrigen Kurfürsten gewährleistet werden. Die volle Gerichtshoheit erhält der König von Böhmen, dieselbe mit [118] einer Einschränkung zugunsten des Reichshofgerichts die übrigen Kurfürsten. Ihnen allen wird der Besitz der wichtigsten Regale, des Münzrechts und des Rechtes des freien Ländererwerbs, zuerkannt. An die Rechte der Kurfürsten, welche sich auf die kurfürstlichen Territorien als die Grundlagen des Kurrechts beziehen, schließt sich in c. XII die Regelung der Teilnahme der Kurfürsten an der Verwaltung des Reichs durch Anordnung jährlicher Kurfürstentage. Die Kurfürsten werden damit als ein engerer Reichsrat anerkannt. Den Abschluß und gewissermaßen die Sicherung aller kurfürstlichen Rechte enthält c. XIII mit der Bestimmung, daß alle kurfürstlichen Rechte und Privilegien den Privilegien der übrigen Reichsglieder vorgehen und ihnen derogieren sollen, so daß andere Rechte und Privilegien nur insoweit Geltung behalten, als ihnen kurfürstliche Rechte und Privilegien nicht entgegenstehen. Auf diese Kodifikation der kurfürstlichen Rechte folgt dann in vier weiteren Kapiteln eine Reihe von Bestimmungen, die nicht ausschließlich den Interessen der Kurfürsten, sondern zugleich und eben so sehr dem der anderen Fürsten und Landesherren dienen. Sie enthalten das Verbot unredlicher Absagen der Vasallen gegen ihre Herren und anderer Mißbräuche in Ausübung des Fehderechtes gegen die Lehensherren, das Verbot aller Verbindungen und Bündnisse, in denen der Kaiser und die Herren der Verbündeten nicht ausdrücklich ausgenommen werden, das Verbot der Pfalbürger, und endlich Bestimmungen über die Form der Absage, das Verbot unrechtmäßiger Fehde, aber auch ungerechter Zölle und Geleite. Mit der letzten Bestimmung erweiterte der Gesetzgeber den Kreis der durch das Gesetz mit Wohltaten bedachten Personen auf alle Reichsangehörigen, insbesondere auf die Handel treibenden Städtebürger, die doch in Nürnberg so zahlreich vertreten und bis dahin im Gesetze mehr mit Pflichten und Nachteilen als mit Rechten und Vorteilen bedacht worden waren.

Den Beschluß des ursprünglichen Gesetzes machen gemäß der in c. I enthaltenen Ankündigung die Formeln für Wahlausschreiben und Prokuratorien in c. XVIII und XIX.

Es ist gewiß nicht zu leugnen, daß dieser ursprüngliche Kern des Gesetzes eine so klare, einfache und sachgemäße Disposition aufweist, daß die Anordnung nur das Werk eines geschickten und denkenden Redaktors sein kann, nicht ein Spiel [119] des Zufalls. Das Geschick des Redaktors ist um so mehr zu bewundern, als ihm durchaus nicht alle Kapitel einzeln, sondern zum Teil schon in größeren Stücken vereinigt vorlagen, wodurch die Herstellung einer einheitlichen Disposition erschwert werden mußte. Keinenfalls aber kann der vortrefflichen, geschlossenen Anordnung gegenüber, welche in der Gesetzgebung des Reiches im Mittelalter und fast auch noch in der neueren Zeit ohne Beispiel dasteht, keine Rede davon sein, daß die einzelnen Teile der Goldenen Bulle lediglich nach der zeitlichen Folge der Beschlüsse aneinandergefügt seien.

Gegenüber diesem wohlgeordneten, abgeschlossenen Ganzen läßt sich nun deutlich in den noch folgenden Kapiteln XX–XXIII ein Nachtrag erkennen. Wären diese Kapitel schon vor dem Abschluß des ursprünglichen Teiles vorhanden gewesen, so hätte c. XX, welches eine Ergänzung zu c. VII bildet, hinter diesem seinen Platz finden müssen; die drei letzten Kapitel aber enthalten Ergänzungen zu c. III und IV, auf welche sie als in principio constitucionum nostrarum befindlich ausdrücklich Bezug nehmen, und hätten demgemäß hinter diesen ihren Platz finden müssen. Indem wir nun die Entstehungszeit dieser Zusatzkapitel genau feststellen können, ergibt sich zugleich der terminus ante quem für die Vollendung des ursprünglichen Gesetzes. Am 10. Januar 1356 wurde das Gesetz mit den Zusatzkapiteln feierlich publiziert; das erste der Zusatzkapitel aber ist auf Grund von Weistümern der Kurfürsten verfaßt, welche erst am 7. Januar gefunden sind, wie das oben eingehend nachgewiesen wurde. In der kurzen Spanne Zeit vom 7. bis 10. Januar ist also der Nachtrag dem vorher schon fertigen Gesetz hinzugefügt worden. Demnach muß das ursprüngliche Gesetz am 7. Januar bereits fertig vorgelegen haben. Ja wir dürfen wohl mit Sicherheit annehmen, daß es nicht erst an diesem Tage selbst, sondern spätestens am Tage vorher vollendet wurde. Wenn nun aber ein fertig redigiertes Gesetz bereits am 6. Januar vorlag, und wir können mit Bestimmtheit sagen, in Reinschrift vorhanden war – denn sonst hätte man ja jene Nachträge noch an den richtigen Stellen einordnen können –, und wenn dann die Publikation erst nach Hinzufügung eines inzwischen verfaßten Zusatzes am 10. Januar erfolgte, so liegt die Vermutung nahe, daß ursprünglich ein früherer Termin für die Publikation in Aussicht genommen [120] war, der dann aus irgendwelchen Ursachen verschoben wurde. Und daß dies wirklich so war, wird durch andere Zeugnisse außer Zweifel gestellt.

Am 7. Januar stellt der Kaiser dem Bischof Johann von Straßburg eine Urkunde aus, durch welche er ihm die Pfandsumme auf gewisse ältere Pfandschaften um 5000 Gulden erhöht. Diese nicht unbeträchtliche Zuwendung begründet der Kaiser mit den guten Diensten, welche der Bischof ihm und dem Reiche durch seine Tätigkeit an seinem Hofe geleistet habe. Dabei wird ganz besonders betont, daß Johann auf dem Hoftage zu Nürnberg bis zu dessen Schluß (usque ad finalem curiae exitum) geblieben sei. Diese Urkunde muß vordatiert sein, und zwar zu einer Zeit, wo man bestimmt annahm, der Reichstag werde am 7. Januar beendigt sein. Zwei weitere Urkunden, die der Kaiser in derselben Angelegenheit am 8. und 9. Januar ausstellte, enthalten ebenfalls den Hinweis auf die Dienste des Bischofs in ähnlichen Worten, wie in der Urkunde vom 7. Januar, doch ohne Erwähnung des Endes des Nürnberger Tages. Es war eben inzwischen die Verschiebung des Reichstagsschlusses Tatsache geworden. Sollte aber nach der in der Urkunde vom 7. Januar zum Ausdruck gekommenen Meinung des Kaisers das Ende des Reichstages an diesem Tage eine vollendete Tatsache sein, so muß der Schluß und damit auch die Publikation des großen Gesetzes spätestens für den 7., wahrscheinlich aber vor diesem Tage geplant gewesen sein.[133]

Zu dem gleichen Ergebnis gelangen wir von folgenden Tatsachen aus. In einer Urkunde vom 8. Januar 1356 erteilt Karl IV. demselben Bischof Johann und der Straßburger Kirche ein Privileg[134] wegen der Pfalbürger, welches den Wortlaut des Pfalbürgerverbots aus c. XVI der Goldenen Bulle wiederholt und im Eingang ausdrücklich auf das zu Nürnberg erlassene Gesetz Bezug nimmt. Es heißt hier: Notum facimus tenore presencium unniversis, quod, licet alias imperialem legem de pfalburgeriis et eorum abolicione seu prohibicione generalem in solempni curia nostra imperiali cum omnibus [121] principibus electoribus sacri imperii, tam ecclesiasticis quam secularibus, in Nuremberg celebrata duxerimus promulgandam, quia tamen usw. (folgt die Begründung für die Erteilung dieses besonderen Privilegs) eandem imperialem legem nostram ex certa sciencia specialiter et expresse ad ipsam Argentinensem ecclesiam, ymmo ad eius cives, homines et subditos, cuiuscunque dignitatis, condicionis aut status existant, volumus et auctoritate imperiali decernimus perpetuis debere temporibus pertinere. Da nun die Publikation des Gesetzes erst am 10. Januar erfolgt ist, so muß unser Privileg vordatiert sein, und zwar zu einer Zeit, wo man in der kaiserlichen Kanzlei noch annahm, daß die Publikation der Goldenen Bulle vor dem 8. Januar stattfinden würde. Diese im voraus für den, wie oben S. 76 ausgeführt wurde, an dem Pfalbürgerverbot besonders interessierten Bischof ausgefertigte Urkunde mußte aber als ungenügend erscheinen, als die Publikation des Gesetzes erst nach dem Datum der Urkunde, die jene als etwas Vergangenes erwähnte, erfolgte. Hieraus erklärt sich dann, daß Bischof Johann sich am 12. Januar das Privileg vom 8. desselben Monats nochmals ausfertigen ließ.[135] Gegen diese auch durch Willebriefe[136] der Kurfürsten bekräftigte Urkunde konnte eine Einrede wegen widersprechender Datierung, wie gegen die ältere, nicht erhoben werden.

Spricht so das Straßburger Pfalbürgerprivileg ebenso wie die Urkunde über die Erhöhung der Pfandsumme vom 7. Januar dafür, daß die Publikation der Goldenen Bulle ursprünglich auf einen früheren Termin angesetzt war, so fragt es sich, welcher Tag dafür in Aussicht genommen sein konnte. Nach beiden Zeugnissen kann es spätestens der 7. Januar gewesen sein; doch war es vermutlich der 6., der Epiphaniastag. Daß in der vorausdatierten Urkunde vom 7. Januar der Schluß des Reichstages als bereits erfolgt vorausgesetzt wird, läßt vermuten, daß das im voraus gewählte Datum hinter dem Tag des beabsichtigten Schlusses, nicht aber auf diesen Tag selbst fiel. Da aber andererseits in c. XIII der Goldenen Bulle, wie wir oben S. 69ff. sahen, ein am 5. Januar dem Erzbischof von Köln gegen seine Stadt erteiltes Privileg oder vielmehr eine zu seinen [122] Gunsten ergangene Widerrufung der kurz zuvor der Stadt erteilten Privilegienbestätigung als Vorlage benutzt ist, so kann, selbst wenn wir auch hier mit Vorausdatierungen rechnen wollen, die Publikation kaum auf einen andern Tag als den 6. Januar angesetzt gewesen sein. Es kommt hinzu, daß man in jenen Zeiten gern kirchliche Feiertage zur Publikation wichtiger Gesetze gewählt zu haben scheint. Endlich spricht für den 6. Januar, daß die vor dem beabsichtigten Publikationstermin hergestellte Urkunde über das Pfalbürgerverbot auf den 8. Januar vordatiert ist, während die gleichlautende Urkunde, welche nach wirklich erfolgter Publikation ausgefertigt wurde, vom 12. datiert ist. Wie die zweite Urkunde zwei Tage nach der wirklichen Publikation ausgestellt wurde, so wird man die erste auf zwei Tage nach der voraussichtlichen Publikation vordatiert haben.

So stimmt alles auf das beste zusammen. Das Gesetz war in den ersten Tagen des neuen Jahres fertiggestellt und sollte am Epiphaniastage bei der feierlichen Verabschiedung des Reichstages veröffentlicht werden. Da stellte sich wohl im letzten Augenblicke als wünschenswert heraus, vor der Entlassung des Reichstages noch eine Reihe von Geschäften zu erledigen, zu denen die Findung und Beurkundung von Weistümern über das Kurrecht der weltlichen Kurfürsten, dessen untrennbare Verbindung mit den kurfürstlichen Territorien und über die Zulassung dieser Fürsten zu allen Reichshandlungen des Kurfürstenkollegs und über die fast in allen wesentlichen Punkten schon im Gesetze selbst anerkannten landesherrlichen Rechte des Königs von Böhmen und anderes mehr, zu erledigen. Aus solchen am 7. Januar gefundenen Weistümern wurde jenes Gesetz formuliert, welches mit einigen anderen als Zusatz dem fertigen Gesetzbuche angefügt wurde. So war die Notwendigkeit eingetreten, den Publikationstermin etwas hinauszuschieben. Um aber den Schluß des Reichstages nicht, mehr als unbedingt nötig war, zu verzögern, verzichtete man wohl darauf, die für die feierliche Publikation erforderlichen bereits fertigen Reinschriften des Gesetzes durch neue mit den an gehöriger Stelle eingeschalteten Zusätzen zu ersetzen, und begnügte sich damit, jene Zusätze als Nachtrag dem Texte hinten anzufügen.

Eine Verzögerung der zum Abschluß des Gesetzbuches führenden Verhandlungen scheint durch Hemmnisse äußerlicher Art [123] hervorgerufen zu sein, auf welche bereits oben S. 66 f. berührte Eintragungen des Trierer Rechnungsbuches Licht verbreiten. Die Quelle berichtet zum 6. Januar 1356, nachdem ein Gastmahl der Fürsten bei Erzbischof Boemund von Trier erwähnt ist: Deinceps noluit imperator, quod principes festivarent. Vergleichen wir damit das Verbot der invitatae generales, welches der Kaiser dem c. XII einfügte, nebst der dort gegebenen Begründung, daß durch solche Festlichkeiten der Gang der Geschäfte beeinträchtigt werde, so können wir das Verbot vom 6. Januar nur aus dem gleichen Gesichtspunkte erklären. Die großen Gastereien, von denen das Rechnungsbuch selbst Nachricht gibt, waren offenbar der Erledigung der Vorarbeiten für die Vervollständigung des Gesetzbuches hinderlich gewesen. Es darf wohl nicht bezweifelt werden, daß die Findung der für die Ergänzung des Gesetzbuches so wichtigen Weistümer am 7. Januar im engsten Zusammenhange steht mit dem am Tage vorher ergangenen Verbot der Festlichkeiten.

Wir wenden uns nun der Frage nach der Entstehung des Grundstocks der Nürnberger Gesetze zu. Bei der Untersuchung der einzelnen Bestandteile der Goldenen Bulle haben wir für zwei Kapitel die Entstehungszeit näher bestimmen können. Kapitel VII ist vor dem 27. Dezember entstanden und wahrscheinlich am Weihnachtstage, jedenfalls aber als besonderes Gesetz publiziert worden. Kapitel XIII aber enthält wörtliche Entlehnungen aus der erwähnten Privilegienwiderrufung vom 5. Januar, so daß dieses Kapitel, auch wenn nicht die ausgefertigte Urkunde, sondern das Konzept benutzt sein sollte, nicht vor oder doch nicht erheblich vor dem 5. Januar entstanden sein kann.

Von allen übrigen Stücken können wir nur so viel als gewiß annehmen, daß sie erst nach dem Eintreffen der Erzbischöfe von Trier und Köln durchberaten und abgeschlossen sind; wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß manche Stücke schon früher entworfen oder sonst vorbereitet waren.

Dies möchte ich vor allem annehmen bezüglich der beiden ersten Kapitel, die ja als der eigentliche Kern des ganzen Gesetzes zu betrachten sind.

Es ist zu vermuten, daß diese Kapitel unter dem Einfluß des Mainzer Erzbischofs entstanden sind. Nur ihm allein von [124] allen Kurfürsten werden hier Ehrenvorrechte zugeschrieben: er hat die Kurfürsten zur Wahl zu berufen, und er ist es auch, der vor Beginn der Wahl den Eid in deutscher Sprache vorzusagen hat. Wegen des Wahlberufungsrechtes aber kommt noch besonders in Betracht, daß die bisher geltende Gewohnheit der Gesamtheit der Kurfürsten die Ansetzung des Wahltermins durch Übereinkunft zuwies, so daß dem Mainzer lediglich die formelle Einladung auf Grund einer solchen Übereinkunft verblieb. Ein solcher Beschluß der Kurfürsten über den Wahltermin wird in den Wahldekreten von 1308 und 1314[137] ausdrücklich erwähnt, während die Dekrete über die Wahl von 1346 davon schweigen.[138] Daß aber auch 1346 ein solcher Beschluß stattgefunden hat, bezeugt die Nachricht des Heinrich von Dießenhofen, nach der Karls Wähler am 28. Mai zu Trier den 11. Juli als Wahltermin vereinbarten.[139] Wie es geschehen konnte, daß schon vorher am 20. Mai Gerlach von Mainz den Kölner Erzbischof zu demselben Termin lud[140], bedarf noch der Erklärung. Jedenfalls war bei den letzten Wahlen das Mainzer Berufungsrecht hinter der Vereinbarung der Kurfürsten stark zurückgetreten. Wenn jetzt dem Mainzer die Ausschreibung der Wahl ohne jede Mitwirkung der anderen Wähler zugeschrieben wird, so wird damit dem deutschen Erzkanzler ein altes, aber seit der Mitte des 13. Jahrhunderts durch den Konkurrenzanspruch des Pfalzgrafen, dann durch das Mitbestimmungsrecht der übrigen Kurfürsten getrübtes Recht in voller Reinheit wieder zugestanden.

Der Eindruck, daß unsere Bestimmungen unter mainzischem Einfluß entstanden sind, wird noch durch eine weitere Beobachtung verstärkt. Kapitel I, § 16 ist fast nur vom mainzischen Standpunkte aus verständlich. Für den Termin der Abfassung und Versendung der Wahlausschreiben wird dort als maßgebend die Zeit angegeben, in welcher der Tod des Kaisers in der Mainzer Diözese bekannt wird. Innerhalb eines Monats nach [125] diesem Bekanntwerden soll die Anzeige von der Thronerledigung und das Ausschreiben der Wahl erfolgen. Diese eigenartige Bestimmung ist so ganz und gar auf die Bedürfnisse des Erzbischofs von Mainz und seiner Kanzlei zugeschnitten, daß ein anderer als ein diesen Kreisen Angehöriger schwerlich darauf verfallen konnte. Jedem andern hätte es wohl näher gelegen, als Frist den Ablauf eines Monats nach des Kaisers Tode selbst anzusetzen. So ist es denn höchst wahrscheinlich, daß die beiden ersten Kapitel erst nach der gegen den 12. Dezember erfolgten Ankunft Gerlachs von Mainz auf dem Nürnberger Tage in der Kanzlei des Erzbischofs oder doch unter seinem Einfluß oder seiner Mitwirkung entworfen sind.

Nach den vorstehenden Ausführungen dürfte es ausgeschlossen erscheinen, daß der Kaiser den Entwurf zu den beiden ersten Kapiteln bereits fertig mit nach Nürnberg gebracht hätte. An sich könnte das sonst als wahrscheinlich angesehen werden, da ja in diesen Kapiteln allein dasjenige enthalten war, was er von dem Inhalt der Goldenen Bulle schon am 25. November als von ihm geplant angekündigt hatte.

Von anderen Bestandteilen der Nürnberger Gesetze, bei denen die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit bestände, daß der Kaiser die Vorlage bereits fertig von Prag mit nach Nürnberg gebracht hätte, kommt, abgesehen von der älteren Grundlage des c. VII[141], wohl nur der Entwurf eines Privilegs über die Territorialhoheit des Königs von Böhmen in Betracht, in welchem wir die Grundlage der cc. VIII–XI erkannten. Aber auch hier handelt es sich nur um eine gewisse Wahrscheinlichkeit, da die Möglichkeit, daß auch dieser Entwurf erst in Nürnberg hergestellt wurde, nicht ganz in Abrede gestellt werden kann.

Alle übrigen Stücke können ihre Fassung erst auf dem Reichstage selbst erhalten haben. Wie aus der Proposition vom 25. November hervorgeht, beabsichtigte der Kaiser damals wohl ein Gesetz über die Königswahl, nicht aber ein ausführliches Gesetz über die Rechte der Kurfürsten. Der Gedanke, das Wahlgesetz zu einer umfassenden Kodifikation der kurfürstlichen Rechte auszugestalten, dürfte also erst auf dem Reichstage selbst entstanden sein.

[126] Erst spät scheint der Plan einer solchen Erweiterung gefaßt zu sein. Denn wenn kurz vor dem 27. Dezember noch das für das kurfürstliche Recht so wichtige c. VII als besonderes Gesetz, wie das ganz außer Zweifel steht, feierlich veröffentlicht wurde, so wäre das gewiß nicht geschehen, wenn damals schon die Absicht bestanden hätte, ein größeres Gesetz, in dessen Rahmen die Bestimmungen dieses Sondergesetzes hineingehörten, zu erlassen. Irgendein Grund, diese Bestimmungen zu einem eigenen Gesetze zu formen und vorweg zu publizieren, wenn die Absicht jenes großen Gesetzes schon bestanden hätte, ist jedenfalls nicht zu erkennen. Es ist demnach anzunehmen, daß der Plan des großen Gesamtgesetzes erst nach Weihnachten entstanden ist.

Mit dieser Annahme stimmt denn auch die sonst kaum erklärliche Tatsache, daß auch die übrigen Bestandteile, welche sich auf die Rechte der Kurfürsten beziehen, als selbständige Gesetze formuliert sind. Ein solches ursprünglich selbständiges Gesetz, bestimmt für sich publiziert zu werden und vielleicht auch wirklich um dieselbe Zeit wie c. VII publiziert, bildeten die unter III–VI in die Goldene Bulle aufgenommenen Satzungen über Rangordnung und Ehrenrechte der Kurfürsten. Das zeigt die bei der Aufnahme beibehaltene Invocatio und Inscriptio, die Arenga, welche als Absicht des Gesetzgebers angibt, die Kurfürsten, die als die Säulen des Reiches bezeichnet werden, zu fördern, sowie besonders die Promulgatio der ersten Bestimmung, die sich mit der Sitzordnung der geistlichen Kurfürsten befaßt. Um jeden Anlaß zu Streitigkeiten zwischen ihnen zu beseitigen, ordnet der Kaiser diese Angelegenheit durch das gegenwärtige Gesetz, welches bezeichnet wird als edictalis lex perpetuo valitura, und welches mit allen Kurfürsten, geistlichen und weltlichen, beraten sei. Diese Beratung kann wegen des verspäteten Eintreffens zweier geistlicher Kurfürsten nicht vor dem 23. Dezember stattgefunden haben, so daß dieses Gesetz kaum früher als c. VII abgeschlossen sein dürfte. Ebenso selbständig ist auch c. XII gefaßt. Zwar fehlt hier die Inscriptio und eine eigentliche Arenga; doch gibt der Gesetzgeber in der Narratio eine eingehende Darlegung der ratio legis, und aus dem Inhalt ergibt sich, daß es sich hier nicht eigentlich um ein Gesetz, sondern um einen Vertrag mit den Kurfürsten handelt, dessen Gültigkeitsdauer von dem Gutbefinden beider Parteien abhängig [127] gemacht wird. Schon dieser besondere Charakter verbietet uns, in diesem Kapitel ein von vornherein als Bestandteil eines größeren Gesetzes verfaßtes Stück zu erblicken.

Nicht ganz so einfach ist die Beurteilung der die Kapitel VIII–XI umfassenden Gruppe. Hier liegt allerdings auch ein Stück zugrunde, welches nicht mit Rücksicht auf eine größere Gesetzgebung verfaßt war, eben jener schon mehrfach erwähnte Entwurf eines Privilegs für den König von Böhmen bezüglich seiner Territorialhoheit; doch ist die Möglichkeit, ja eine gewisse Wahrscheinlichkeit nicht zu leugnen, daß die Umgestaltung zu einem entsprechenden Privileg für alle Kurfürsten bereits mit Rücksicht auf die größere Gesetzgebung vorgenommen wurde. Vielleicht entstand gerade bei der Beratung des Entwurfs für Böhmen erst der Gedanke, dieses Privileg zu einer Satzung für alle Kurfürsten umzugestalten, und im Anschluß daran der andere, die bisher beratenen und zum Teil schon publizierten Gesetze zugunsten der Kurfürsten mit dem Wahlgesetz zu einem großen Gesetzgebungswerke zu vereinigen. Wohl sicher mit Rücksicht auf die bereits im Werke befindliche Kodifikation der Kurfürstenrechte dürfte c. XIII verfaßt sein, in welchem den kurfürstlichen Privilegien und Vorrechten der Vorrang vor allen übrigen verliehen wird.

Zweifelhaft bleibt es, inwiefern die vier folgenden Kapitel oder einige derselben von vornherein im Zusammenhang mit der großen Kodifikation oder untereinander verfaßt sind. Eine gewisse Verwandtschaft im Inhalt haben c. XV und XVI. Beide kehren ihre Spitze gegen die Expansionsbestrebungen der Städte; nur daß das erste dieser Kapitel die Verbindungen, welche die Städte mit anderen Städten und mit Fürsten und Herren eingehen, auch solche Verbindungen, die in der Form der Aufnahme in das Bürgerrecht abgeschlossen werden, verbietet, und somit auch das sogenannte Ausbürgertum trifft, während das andere allein das eigentliche Pfalbürgertum verbietet. Gerade diese Verwandtschaft des Inhalts aber spricht gegen die Annahme, daß beide Kapitel im Zusammenhange bearbeitet seien; da sie in diesem Falle auch einen Zusammenhang in der Formulierung aufweisen müßten, der gänzlich fehlt. Ja, die völlige Selbständigkeit des Pfalbürgerverbots gegenüber dem vorhergehenden Kapitel kommt sehr scharf darin zum Ausdruck, daß es als ein vom Kaiser mit Rat der Kurfürsten erlassenes Gesetz bezeichnet wird, [128] während das in dem vorhergehenden Kapitel zu erwarten wäre, wenn beide eine zusammenhängende Satzung bilden sollten.

Dagegen zeigen die Kapitel XVI und XVII eine auffallende Verwandtschaft in der Formulierung, welche auf einen Zusammenhang der Abfassung hinweist. Beide sind in gleicher Weise angeordnet. Erst wird genau über den Mißbrauch berichtet, der durch das Gesetz beseitigt werden soll; worauf dann mit der gleichen Wendung: quoniam igitur (resp. et quia) patrocinari non debent alicui fraus et dolus, die Satzung selbst hinzugefügt wird.

Vermutlich haben wir uns den Zusammenhang folgendermaßen zu denken. Kapitel XV, welches bei genauer Interpretation auch das Verbot des Pfalbürgertums mit umfaßte, genügte in dieser Hinsicht nicht den Wünschen des Bischofs Johann von Straßburg, der begreiflicherweise Wert darauf legte, daß in das Gesetz ein ausdrückliches Verbot der Pfalbürger aufgenommen würde. Nach dem eigenen Urteil des Kaisers war Johann, der sich schon lange am Hofe zu Prag aufgehalten hatte, auf dem Nürnberger Tage ganz hervorragend in den Reichsgeschäften tätig gewesen; so daß es nur natürlich erscheint, wenn seinem Wunsche Rechnung getragen wurde. Nunmehr aber gewann die Kodifikation ein wohl dem Kaiser, der es doch mit den Städten nicht ganz verderben wollte, zu stark erscheinendes städtefeindliches Gepräge. Dieses suchte man dadurch abzuschwächen, daß man noch ein Kapitel hinzufügte, welches Bestimmungen enthielt, wie sie seit 1235 zusammen mit dem Pfalbürgerverbote zu den festen Bestandteilen der Reichslandfrieden gehörten: Regelung der Absage und Verbot unrechtmäßiger Zölle und Geleite. Sei es nun, daß die beiden Kapitel von Bischof Johann oder seinem Notar entworfen sind oder aus der kaiserlichen Kanzlei herrühren, sicher sind sie im engsten Zusammenhange miteinander und wahrscheinlich von ein und derselben Person verfaßt. Daraus erklärt sich denn auch, weshalb XVII nicht, wie man der nahen Verwandtschaft des Inhalts wegen erwarten sollte, mit XIV zusammengestellt wurde. In XVI und XVII möchte ich demnach zwei erst aus Anlaß der Kodifikation verfaßte Kapitel erblicken.

So hat sich uns als in der Hauptsache sicheres Resultat ergeben, daß auf dem Reichstage zu Nürnberg etwa vom [129] 23. Dezember bis 5. Januar eine Anzahl kleinerer und größerer Gesetze beraten und zum Teil auch als solche selbständig publiziert sind, welche dann nach einem erst nach Weihnachten auftauchenden Plane zu einem größeren Gesetzbuche vereinigt und durch einzelne eigens für diesen Zweck verfaßte Satzungen ergänzt wurden.

Dieser Annahme scheinen nun aber Schwierigkeiten entgegenzustehen im Inhalt der ersten beiden Kapitel. Wir erkannten in ihnen den ursprünglichen Kern der Gesetzgebung, der, wenn wir von dem Entwurf des Privilegs für Böhmen absehen, auch am frühesten abgefaßt wurde. Wie aber ist damit zu vereinen, daß an zwei Stellen des ersten Kapitels die ganze folgende Gesetzgebung schon vorausgesetzt zu werden scheint? Die eine derselben findet sich in c. I, § 15, wo gesagt wird, daß die für alle Zukunft maßgebenden Formulare für Wahlausschreiben und Prokuratorien sich am Ende dieses Buches, ad finem presentis libri, befänden.

Die beiden Formulare stehen in der Tat am Ende des ursprünglichen Bestandes der Goldenen Bulle als Kapitel XVIII und XIX. Nun wäre ja denkbar, daß mit Rücksicht auf jene Worte in I, § 15 die beiden Formulare nach Hinzufügung der übrigen Kapitel an den Schluß gerückt wären, während sie im Entwurf der beiden ersten Kapitel diesen unmittelbar folgten. Konnte denn aber das kleine Heft von wenigen Blättern, welches allenfalls die beiden ersten Kapitel selbst unter Hinzunahme des Proömium hätten formieren können, als Buch (liber) bezeichnet werden? Ich halte das für ausgeschlossen, so daß nur die Annahme übrigbleibt, daß der ganze Hinweis, oder doch die Bezeichnung presentis libri erst bei der Redaktion des Gesamtgesetzes eingefügt wurde.

Diese Annahme erscheint mir um so weniger bedenklich, als auch sonst noch eine Stelle in dem Wahlgesetze auf spätere Einschiebung zurückzuführen sein dürfte. Es ist das die Bestimmung in II, § 4, nach welcher der neu Gewählte nach der Wahl kein anderes Regierungsgeschäft vornehmen soll, bevor er die Privilegien und Rechte der Kurfürsten bestätigt hat. Diese Bestimmung unterbricht in störender Weise den Zusammenhang zwischen den vorhergehenden und folgenden von der Wahl selbst handelnden Sätzen. Sie hat mit der Wahlordnung nichts [130] zu tun und dürfte erst hinzugefügt worden sein, als die Verbindung des eigentlichen Wahlgesetzes mit einer Kodifikation der kurfürstlichen Rechte schon beschlossen war.

Die andere Stelle, die Bedenken erregen könnte, findet sich in I, § 6, wo bestimmt wird, daß alle diejenigen, welche die nachfolgenden Gesetze nicht befolgen wollen, gewisse Nachteile erleiden sollen. Eine genauere Betrachtung ergibt aber, daß hier keineswegs auf die der Wahlordnung noch folgenden Gesetze hingewiesen werden soll, sondern nur auf die noch folgenden Bestimmungen dieser selbst. Das geht einmal daraus hervor, daß den folgenden Gesetzen die vorhergehenden gegenübergestellt werden, welche nur als die vorhergehenden Bestimmungen dieses Wahlgesetzes selbst verstanden werden können. Es heißt: Si quis autem ... supra et infra scriptas imperiales nostras constituciones et leges adimplere noluerit usw. Da unter den constituciones et leges supra scriptae nur die vorhergehenden Sätze dieses Gesetzes selbst verstanden werden können, so ist es nicht nur zulässig, die infra scriptae in gleicher Weise auf die folgenden Einzelbestimmungen dieses Wahlgesetzes zu deuten, sondern es ist auch wahrscheinlich, daß der Ausdruck in diesem Sinne gemeint ist. Als unbedingt notwendig aber erweist sich diese Erklärung durch die auf den Ungehorsam gesetzte Strafe. Sie besteht darin, daß der Verächter dieser Satzungen die ihm zustehenden Reichslehen nicht erhalten soll. Es ist deutlich, daß hier nur an die Verletzung solcher Vorschriften gedacht ist, welche zur Sicherung der Wahl eines neuen Königs erlassen sind. Wer sie verletzt oder nicht beachtet, der soll die Lehen, welche ihm anderenfalls der neue König erneuern müßte, nicht wieder verliehen erhalten. So bietet auch das in I und II enthaltene Wahlgesetz kein Hindernis für die Annahme, daß die Nürnberger Gesetzgebung entstanden ist aus einer Reihe ursprünglich selbständiger Satzungen, deren erst nach Weihnachten erfolgte Vereinigung den Grundstock der Goldenen Bulle bildet.

Es erübrigt noch, die Frage nach der ursprünglichen Bedeutung des Proömium zu beantworten. Wenn behauptet worden ist, daß das Proömium ursprünglich allein für die beiden ersten Kapitel bestimmt gewesen sei, so ist das durchaus unzutreffend. Schon die ganz ungewöhnliche Feierlichkeit und der verhältnismäßig zu große Umfang des Proömium machen [131] es sehr unwahrscheinlich, daß es nur für ein so wenig umfangreiches Gesetz verfaßt worden sei. Völlig ausgeschlossen wird aber diese Annahme durch den Inhalt des Vorwortes. Sowohl in dem biblischen als auch in dem historisch-mythologischen Teile der Arenga wird die Zwietracht als der wesentlichste Grund aller Zerrüttung hingestellt. Dann wird der Zwietracht unter den Kurfürsten als der größten Gefahr für das Reich gedacht, welcher der Gesetzgeber vorbeugen will. Er habe sich daher entschlossen, die nachfolgenden Gesetze (infra scriptas leges) zu erlassen zur Bestärkung der Einigkeit unter den Kurfürsten und zur Herbeiführung der einmütigen Wahl: ad unitatem inter electores fovendam et electionem unanimem inducendam. Die beiden ersten Kapitel aber enthalten nur diejenigen Anordnungen, welche bestimmt waren, eine formell einmütige Königswahl auf der materiellen Grundlage des Majoritätsprinzips zu sichern, während die Bestimmungen, welche ausgesprochenermaßen den Zweck haben, die Einigkeit der Kurfürsten zu erhalten, erst mit Kapitel III beginnen. Ein weiterer Grund gegen jene Beschränkung ergibt sich aus dem Charakter des Stückes. Es ist nämlich keineswegs eine einfache Arenga, wie sie etwa den einzelnen in der Goldenen Bulle vereinigten Gesetzen vorangestellt ist; vielmehr trägt es mehr den Charakter eines Publikationsedikts. Hier liegt nicht die Einleitung eines in der Publikation begriffenen Gesetzes, sondern der Bericht über einen bereits vollzogenen gesetzgeberischen Akt vor. Es wird ausführlich berichtet nicht nur über die Absichten des Gesetzgebers, sondern auch über die am 10. Januar zu Nürnberg vollzogene Publikation. Wollen wir in diesem Berichte nicht nur ein in erzählender Form verfaßtes Programm erblicken, wozu es mir an jedem Grunde zu fehlen scheint, so kann das ganze Proömium oder doch sein historisch berichtender Teil erst nach der Publikation am 10. Januar verfaßt sein. Nur unter dieser Voraussetzung können wir das Proömium als vollwertige Quelle für die Geschichte des Gesetzbuches verwenden. Damit aber ist zugleich die Beschränkung des Stückes auf die beiden ersten Kapitel gänzlich ausgeschlossen. Hatte das Wahlgesetz ursprünglich überhaupt eine Arenga, so ist dieselbe bei der Redaktion des Gesamtgesetzes fortgelassen. Sie mußte mit Rücksicht auf das große Gesamtproömium unterdrückt werden.

[132] Unsere oben begründete Annahme, daß der Nürnberger Teil der Goldenen Bulle in der Hauptsache aus einzelnen Satzungen zusammengefügt sei, die ursprünglich unabhängig von einander entstanden und bestimmt waren, als selbständige Gesetze publiziert zu werden, ist nicht neu; sie hat vielmehr bis vor kurzem allgemein geherrscht, und noch Friedjung hat sie vertreten (S. 85). Erst Harnack hat sie als eine „sich grundlos forterbende Sage“ bekämpft und zu widerlegen gesucht (S. 174). Die inneren und äußeren Gründe, welche so deutlich für diese Annahme sprechen, will er nicht anerkennen und meint sie mit dem Hinweise widerlegen zu können, daß bereits das böhmische Exemplar, welches auf dem Nürnberger Tage entstanden sei, die Einteilung in Kapitel, nicht aber jene angeblich ältere in Satzungen kenne.

Mit der Widerlegung der Gründe für die ursprünglichen Satzungen macht Harnack es sich leicht. Jedenfalls spricht nicht dagegen, daß am Anfang einiger dieser Satzungen nur die Arenga, und nicht auch Invocatio und Inscriptio stehengeblieben sind, wie das in einem Falle geschehen ist. Wenn der Redaktor bei der Zusammenfügung der Satzungen zu einem Gesetzbuche in der Behandlung der Eingangsformeln nicht ganz gleichmäßig verfuhr und vor der mit Kapitel III beginnenden Satzung Invocatio, Inscriptio und Arenga stehen ließ, während er in anderen Fällen nur die letztere beibehielt, so ist das gewiß kein Grund, das Vorhandensein der durch jene Eingangsformeln gekennzeichneten Anfänge der Einzelsatzungen zu leugnen. Daß es willkürlich sei, die vorhandenen Eingangsformeln nicht auf das Kapitel, vor welchem sie sich befinden, allein, sondern auch noch auf nachfolgende Teile zu beziehen, ist für die Satzungen des ursprünglichen Gesetzes nicht zutreffend. Die in III befindliche Arenga handelt von den Kurfürsten überhaupt, nicht von den geistlichen allein; sie kann sich also gar nicht allein auf dieses Kapitel, in dem nur von der Sitzordnung der geistlichen Kurfürsten gehandelt wird, beziehen, sondern muß mit zu den folgenden auch die weltlichen Kurfürsten betreffenden Bestimmungen gehören.

Wenn ferner die Arenga von VIII mit auf die folgenden Kapitel bezogen wird, so ergibt sich die Notwendigkeit hierzu aus der anderweit ganz feststehenden Zusammengehörigkeit der Kapitel VIII–X, denen dann XI noch hinzugefügt wurde. [133] Harnack beruft sich darauf, daß die Arenga von XX nichts mit den folgenden Kapiteln zu schaffen habe, und für diesen Fall trifft seine Argumentation zu. Hier ist aber auch ein ursprünglicher innerer Zusammenhang von XX mit den drei folgenden Kapiteln durchaus nicht anzunehmen, und wenn man die Kapitel XX–XXIII trotzdem als eine Satzung zusammenfaßt, so kann das nur in dem Sinne geschehen, daß diese Stücke gleichzeitig dem ursprünglichen und bereits abgeschlossenen Bestande des Gesetzbuches hinzugefügt sind. Ein innerer Zusammenhang besteht zwischen XX und den drei folgenden Kapiteln jedenfalls nicht. Dagegen sind XXI und XXII im engsten Zusammenhange und ursprünglich als eine einheitliche Satzung verfaßt, und auch XXIII ist vielleicht gleich im Anschluß an diese entstanden.

Gegen die sich aus dem Inhalt mit voller Sicherheit ergebende Annahme der Entstehung aus einzelnen ursprünglich selbständigen Satzungen kann natürlich auch das älteste Exemplar auf keinen Fall ein entscheidendes Zeugnis ablegen. Selbst wenn dieses älteste Exemplar – und als solches erkennen wir mit Harnack das böhmische für die Nürnberger Gesetze an – der Publikation zu Nürnberg am 10. Januar zu Grunde gelegt wäre, so würde der Umstand, daß sich in demselben eine Einteilung in Kapitel findet, nichts gegen die Annahme beweisen, daß das ganze Gesetz durch Zusammenfügung verschiedener ursprünglich selbständiger Bestandteile, die sich mit den Kapiteln nicht durchweg deckten, entstanden sei.

Stimmen unsere Resultate in den wesentlichsten Punkten mit der älteren auch von Friedjung übernommenen Satzungstheorie überein, so doch keineswegs in allen Einzelheiten. Ebenso wie jene ältere Theorie erkennen wir in den Kapiteln I und II die erste und in III–VI die zweite Satzung, wobei wir nur dahingestellt sein lassen, ob VI schon ursprünglich mit der zweiten Satzung verbunden war, oder ihr erst bei der Zusammenstellung des ganzen Nürnberger Gesetzbuches angefügt wurde. Wenn aber die ältere Ansicht als dritte Satzung die Kapitel VII–XI und als vierte XII–XIX zusammenfaßte, so stimmen wir damit nicht überein. In VII lernten wir eine ganz selbständige und auch für sich publizierte Satzung, also die dritte nach unserer Zählung, kennen, in VIII–XI die vierte [134] und in XII allein die fünfte. Sicher erst zur Ergänzung der vorhergehenden Satzungen für die Redaktion des Ganzen hergestellt ist XIII, während von den folgenden Kapiteln XIV–XVII vielleicht noch das eine oder andere ursprünglich als selbständiges Gesetz gedacht war. XVIII und XIX gehören als Beilagen zu der ersten Satzung. Inwiefern man die Nachtragskapitel XX–XXIII als eine besondere Satzung betrachten kann, ist oben gesagt; eine Satzung in dem Sinne der älteren Theorie bilden sie nicht.

Als die verschiedenen Satzungen zu einem Gesetzbuche vereinigt wurden, lag offenbar die Absicht vor, die Selbständigkeit der ursprünglichen Bestandteile zugunsten der Einheitlichkeit des Ganzen zurückzudrängen. Daher wurde allen in das Gesetz aufgenommenen Urkunden die besondere Datierung und mit einer Ausnahme auch die Invocatio und Inscriptio genommen. Nur die Arengen ließ man regelmäßig stehen, wohl weil man in ihnen eine Störung des Zusammenhanges nicht erblickte.

Für den gleichen Zweck, die Einheitlichkeit des Ganzen gegenüber den ursprünglichen Bestandteilen zu betonen, bot sich in der Einteilung in fortlaufend gezählte Kapitel ein weiteres Mittel dar. Eine solche Einteilung ist nun nicht erst, wie man früher wohl annahm, auf dem Reichstage zu Metz Weihnachten 1356 vorgenommen; das hat Harnack durch den Hinweis auf das böhmische Exemplar unwiderleglich dargetan. Denn dieses Exemplar ist in dem die Nürnberger Gesetze enthaltenden ersten Teile jedenfalls vor dem Metzer Tage entstanden. Damit ist aber noch nicht erwiesen, daß die Kapiteleinteilung schon zur Zeit der Publikation des ersten Teiles zu Nürnberg vorhanden gewesen sei. Denn das böhmische Exemplar ist, wie wir sehen werden, zur Zeit der Publikation der Nürnberger Gesetze noch nicht vorhanden gewesen. Trotzdem steht wenigstens so viel fest, daß schon damals eine durchgehende Einteilung in Abschnitte, welche den Kapiteln des böhmischen Exemplars entsprachen, vorhanden war. Das bezeugen die Privilegien für die Kölner Kirche vom 25. Januar und 2. Februar 1356[142], in welchen eine Anzahl Kapitel der Goldenen Bulle wiederholt werden. In ihnen wird regelmäßig nach Beendigung eines Kapitels der [135] Beginn eines neuen mit Item eingeführt, und die so aus den beiden Urkunden erkennbaren Abschnitte der Vorlage entsprechen durchweg der Kapiteleinteilung des böhmischen Exemplars.

Dürfen wir sonach als unzweifelhaft betrachten, daß die Goldene Bulle schon zu Nürnberg in irgendeiner Weise in Abschnitte gegliedert war, welche mit der späteren Kapiteleinteilung übereinstimmte, so ist es doch sehr fraglich, ob die einzelnen Abschnitte mit Überschriften und fortlaufenden Kapitelzahlen versehen waren. Der Umstand, daß die erwähnten Kölner Privilegien weder von den Kapitelzahlen noch von den Überschriften eine Spur enthalten, beweist freilich nicht unbedingt, daß die Vorlage beides noch nicht enthielt, spricht aber doch einigermaßen dafür. Eine nähere Betrachtung der Kapitelrubriken und ihrer Bezifferung im böhmischen Exemplar wird deutlich zeigen, daß beides nicht ursprünglich, d. h. nicht gleich bei der Redaktion des Gesetzbuches eingefügt, sondern erst später nachgetragen ist.

Die Überschriften können nicht ursprünglich als Kapitelüberschriften vom Redaktor des Gesetzes verfaßt sein; denn sie erschöpfen nicht immer den Inhalt des Kapitels, sondern geben öfter nur an, wovon der Anfang handelt. So lautet die Überschrift des ersten Kapitels: Qualiter esse debeat conductus electorum et a quibus. Doch nur die erste größere Hälfte handelt vom Geleit, während die letzten Paragraphen eingehende wichtige Bestimmungen ganz anderen Inhalts darbieten. Die Überschrift zu VII gibt als Inhalt nur die Regelung der Erbfolge der weltlichen Kurfürsten an; hiervon aber handeln allein die ersten Bestimmungen, während weiterhin noch von der Altersvormundschaft über unmündige Kurfürsten und über Wiederbesetzung erledigter Kurfürstentümer gehandelt wird. Die Überschrift zu IX gibt als Inhalt nur das zuerst behandelte Bergregal, nicht auch das ebenfalls behandelte Judenregal und Zollregal an, und ebenso kündigt die Überschrift als Inhalt des Kapitels X nur den ersten Gegenstand desselben, das Münzrecht an, nicht auch das im zweiten Teile des Kapitels behandelte Recht des freien Ländererwerbes. Derartige unvollständige, nur den Anfang der Abschnitte berücksichtigende Inhaltsangaben können kaum als integrierende Bestandteile der sonst so sorgfältigen Redaktion, sondern wohl nur als eine [136] sekundäre Zutat eines Rubrikators betrachtet werden. Ein solcher dürfte sie am Rande oder auf etwa sonst freigebliebenem Raume hinzugefügt haben. Er brachte sie da an, wo der Anfang eines neuen Abschnittes durch einen Absatz oder ein Kapitel- oder Paragraphenzeichen angedeutet war. Er sah dabei nur auf den Inhalt derjenigen Bestimmungen, welche am Anfang der Kapitel standen, ohne sich um die noch etwa folgenden zu kümmern. Ein solches Verfahren erklärt sich vollkommen bei einem Rubrikator, der das fertige Gesetz nachträglich für die Benutzung bequem machen wollte; während wir dem Redaktor des Gesetzes selbst eine sorgfältigere Fassung der Kapitelüberschriften zutrauen dürften. Die Rubriken sind aber nicht nur insofern mangelhaft redigiert, als sie den Inhalt der Kapitel oft nicht erschöpfen, sondern auch sonst ungenau gefaßt. Besonders auffallend ist, daß in den Überschriften zu VII und XII die principes genannt werden, wo nur von principes electores die Rede sein dürfte. Auch der Gegenstand des Kapitels XIII wird durch die Überschrift: De revocacione privilegiorum wenig glücklich wiedergegeben, da es hier der Sache nach doch mehr auf den Vorrang und die absolute Geltung der kurfürstlichen Privilegien als auf den Widerruf der entgegenstehenden ankam. Endlich spricht dafür, daß die in dem böhmischen Exemplar als Überschriften erscheinenden Inhaltsangaben in der Vorlage nachträglich am Rande vom Rubrikator hinzugefügt waren, der Umstand, daß die den Überschriften der ersten zwölf Kapitel hinzugefügten Ziffern den Rubriken nicht vor- sondern nachgesetzt sind.

Wie wenig aber diese Kapitelzahlen selbst als ursprüngliche Bestandteile des Gesetzes anzusehen sind, zeigt die Tatsache, daß im böhmischen Exemplar die Kapitelzählung im Texte nur bis Kapitel XII durchgeführt ist, von da ab aber fortfällt. Nur im Index capitulorum ist die Zählung weitergeführt; doch hört auch dieser Index mit Kapitel XXI auf. Erscheinen aber Index und Kapitelzählung im böhmischen Exemplar als noch nicht völlig durchgeführte Zutaten, so dürfen wir mit Sicherheit annehmen, daß sie auch in dem älteren verlorenen Exemplar, welches der Publikation am 10. Januar zu Nürnberg zu Grunde gelegt wurde, nicht in größerer Vollständigkeit enthalten gewesen sind. Als ursprüngliche Bestandteile dürfen wir dieselben daher nicht ansehen.

[137] Versuchen wir nun, uns eine Vorstellung von der Art und Weise des Zustandekommens der in dem Nürnberger Gesetzbuch vereinigten Gesetze zu verschaffen. Freilich stellt diesem Versuche die Dürftigkeit und Sprödigkeit des Materials die größten Schwierigkeiten entgegen, da uns nur wenige ausdrückliche Angaben in der Goldenen Bulle selbst und in einigen etwa gleichzeitigen Urkunden zu Gebote stehen, wir im übrigen aber auf unsichere Rückschlüsse aus der Beschaffenheit der Gesetze angewiesen sind.

Im Proömium wird über die feierliche Publikation der Nürnberger Gesetze am 10. Januar 1356 berichtet und dabei hervorgehoben, daß sie erfolgt sei in Gegenwart aller Kurfürsten, vieler Fürsten, Grafen, Herren und Städte. Wenn dann hinzugesetzt wird: matura deliberatione previa, nach vorhergegangener reiflicher Beratung, so kann das den Anschein erwecken, als ob eine solche Beratung mit der Gesamtheit der versammelten Stände, die eben genannt waren, stattgehabt hätte. Dagegen spricht aber sehr entschieden, daß noch viel später, z. B. auf dem Wormser Reichstage im Jahre 1495, es durchaus nicht üblich war, sämtliche Gegenstände mit allen Ständen zu beraten, sondern nur diejenigen, zu deren erfolgreicher Behandlung man der Mitwirkung auch des unteren Standes nicht entraten konnte; während man sich sonst nur an die höheren Stände wandte. Später wurden wohl die Reichsstädte regelmäßig befragt, aber noch im Jahre 1577[143] galt es als „wenig gehört“, daß die Städte dem Gutachten der Oberstände nicht einfach beipflichteten, und wenn auch der Westfälische Friede den Städten das Votum decisivum zuerkannte, so wurden sie auch damit noch nicht hinsichtlich der Beratung in Re- und Korrelation den beiden höheren Ständen gleichgestellt.[144]

Daß die Nürnberger Gesetze nur im Kurfürstenkollegium beraten wurden, kann nicht zweifelhaft sein. Von der ausschließlichen Beratung mit den Kurfürsten allein berichtet c. III und noch deutlicher c. XII. Hier wird nachdrücklich betont, daß der Reichstag mit Kurfürsten, Fürsten und Herren, die Beratung aber nur mit den Kurfürsten gehalten sei: Hinc est, quod in [138] solempni curia nostra, in Nuremberg cum venerabilibus ecclesiasticis et illustribus secularibus principibus electoribus et multis aliis principibus et proceribus per nostram celsitudinem celebrata, habita cum eisdem principibus electoribus deliberacione et de ipsorum consilio pro bono et salute communi cum dictis principibus electoribus tam ecclesiasticis quam secularibus duximus ordinandum. Freilich handelt es sich in diesen beiden Kapiteln um Angelegenheiten, welche ausschließlich die Kurfürsten angingen. Doch finden wir die Beratung mit den Kurfürsten allein auch da bezeugt, wo die wichtigsten Interessen der Fürsten, Herren und Städte in Betracht kamen, wie beim Pfalbürgerverbote in c. XVI der Goldenen Bulle, wo der Erlaß des Gesetzes omnium principum electorum ecclesiasticorum et secularium sano accedente consilie ausdrücklich hervorgehoben wird. Das bestätigen denn auch die Willebriefe zu dem am 12. Januar 1356 dem Straßburger Bischof erteilten Pfalbürgerprivileg. In demjenigen Rudolfs von Sachsen heißt es: quod, cum serenissimus ac invictissimus princeps et dominus, dominus Karolus quartus divina favente clemencia Romanorum imperator semper augustus et Boemie rex, illustris dominus noster graciosus, inter ceteras leges imperiales, quas in presenti curia imperiali in Nürenberg nobiscum et cum aliis omnibus principibus tam ecclesiasticis quam secularibus coelectoribus nostris ceterisque principibus ac nobilibus et nonnullis civitatibus celebrata de nostro et eorundem coelectorum nostrorum pleno consilio dinoscitur edidisse legem unam imperialem de pfalburgeriorum prohibicione, penis et abolicione statuerit usw. Entsprechend lautet auch der Willebrief, den Karl als König von Böhmen ausstellte.[145]

Wir erfahren hier also, daß nicht nur das Pfalbürgergesetz, sondern auch die übrigen Nürnberger Gesetze aus der Beratung mit den Kurfürsten allein hervorgegangen sind, was im Gegensatz zur Abhaltung des Reichstages mit allen Ständen betont wird. Dagegen heißt es nun freilich in den beiden am 25. Januar und am 2. Februar 1356 dem Kölner Erzbischof erteilten Privilegien[146] von unseren Gesetzen: cum consilio et in [139] presentia venerabilium ecclesiasticorum et illustrium secularium principum electorum omnium ac aliorum principum, comitum, baronum, procerum, nobilium ac magnatum plures leges et constitutiones imperiales ... edendas duxerimus et solempniter promulgandas. Doch ist es nicht notwendig, diese Worte so aufzufassen, als wollten sie sagen, daß die Gesetze auch mit den Fürsten, Grafen und Herren beraten seien; denn der Wortlaut gestattet wohl die Deutung, daß nicht notwendig die beiden Ausdrücke cum consilio und in presentia sich auf sämtliche darauf genannte Personen beziehen sollen. Man kann die Stelle auch so verstehen, daß die genannten Personen nur zum Teil an der Beratung teilnahmen, während die übrigen nur bei der Publikation anwesend waren; und zu dieser Deutung sind wir mit Rücksicht auf das oben Ausgeführte genötigt.

Dürfen wir somit sagen, daß die Bestimmungen der Goldenen Bulle vor ihrer Publikation mit den Kurfürsten allein durchberaten wurden, so soll damit natürlich nicht bestritten werden, daß über einen oder andern Punkt nicht auch der Rat von Angehörigen anderer Reichsstände eingeholt sein könnte. Hören wir doch vom Kaiser selbst, daß der Bischof Johann von Straßburg auf dem Nürnberger Tage in ganz hervorragender Weise an den Reichsgeschäften teilgenommen hat, und durften wir doch mit voller Sicherheit auf sein Betreiben die Aufnahme des Pfalbürgerverbots in das Gesetzbuch zurückführen!

Es bestand aber ein wesentlicher Unterschied zwischen dem von solchen einzelnen Reichsständen und dem von den Kurfürsten erteilten Rat. Jeder Reichsfürst sowie jeder reichsunmittelbare Graf und Herr und ebenso jeder Reichsdienstmann und Rat einer Reichsstadt war verpflichtet, dem Kaiser auf Verlangen Hofdienst zu leisten, der im Dienst zu Rat und Gericht bestand. Auch wer nicht als heimlicher Rat und Hofgesinde angenommen und dadurch in eine besondere Dienstpflicht zum Herrscher getreten war, konnte von diesem jederzeit zu Rate gezogen werden, wenn derselbe seiner Einsicht und Sachkunde bedurfte. Der Zweck eines solchen Beirates war nur der, den Kaiser in seinen Entschließungen zu beraten und so die Zweckmäßigkeit und Sachgemäßheit seiner Verfügungen zu fördern. Entsprechend diesem Zwecke tritt ein solcher Beirat in den mit seiner Hilfe entstandenen Verfügungen in der Regel nach außen nicht hervor. [140] Von ganz anderer Art und Bedeutung war der vom Kurfürstenkolleg eingeholte Rat. Den Kurfürsten war seit den Zeiten Rudolfs von Habsburg ein selbständiges Recht auf einen Anteil an der Regierung und Verwaltung des Reiches zuerkannt worden. Sie hatten ein Recht darauf, bei wichtigeren Regierungshandlungen gehört zu werden, und wenn auch der Kaiser nicht überall geradezu an ihre Zustimmung gesetzlich gebunden war, so mußte ihm doch daran liegen, sich ihrer Zustimmung zu allen wichtigeren Akten zu versichern, um deren Gewicht zu verstärken. Der Rat anderer Reichsstände galt dem Inhalte der kaiserlichen Verfügungen, der Rat der Kurfürsten der Wirkung derselben. Daher wird auch in den Verfügungen selbst dieses Rates gedacht; er erhöhte deren Ansehen und sicherte ihre Durchführung. Nur ein Rat der Kurfürsten, welcher ein zustimmender war, konnte diesem Zwecke dienen, und so kommt es, daß die Begriffe Rat und Zustimmung ineinander übergehen, daß consilium die Bedeutung von consensus annimmt.[147] So ist es auch zu erklären, wenn in dem deutschen Pfalbürgerprivileg für Fulda[148] gesagt wird, die Nürnberger Gesetze seien erlassen: mit rade und willen der Kurfürsten, während die Gesetze selbst und die anderen Urkunden nur von dem consilium oder gar nur von einer deliberatio sprechen. Gegenüber jenen anderen Stellen bietet die deutsche Urkunde nur einen Wechsel des Ausdrucks, der keinenfalls einen Wechsel der staatsrechtlichen Anschauungen bedeutet.

Rat und Zustimmung der Kurfürsten zu Verfügungen des Königs oder Kaisers über Reichsgut und Reichsrechte galten schon seit König Rudolfs Zeit als notwendig für die volle Rechtsbeständigkeit der Veräußerung; dagegen finden wir bis zur Goldenen Bulle kaum eine Spur von der Anschauung, daß der Kaiser auch in der Gesetzgebung an die Zustimmung der Kurfürsten irgendwie gebunden wäre.[149] Dem Kaiser allein gebührt noch das Recht der Gesetzgebung, welches er übt, indem er entweder durch Privilegien Sonderrechte erteilt oder durch Gesetze gemeines Recht festsetzt, welches alle Reichsuntertanen [141] bindet. Privileg wie Gesetz gehen hervor aus der gleichen Quelle, der Fülle der kaiserlichen Macht. In der Goldenen Bulle wird dies immer wieder betont, und zwar nicht nur da, wo der Zustimmung der Kurfürsten nicht gedacht wird, wie in der ersten, dritten und vierten Satzung, sondern auch da, wo dies geschieht, wie in Kapitel III und XVI. Die plenitudo imperialis potestatis oder plenitudo imperatoriae potestatis wird überall als die Rechtsgrundlage der kaiserlichen Gesetze bezeichnet.

Unbeschränkt freilich ist dieses Gesetzgebungsrecht des Kaisers nicht; es findet seine Schranke an dem geltenden Recht, wie es durch die Urteile des höchsten Gerichtes im Reiche anerkannt ist. Das nur kann der Sinn des Ausspruchs sein, den Karl IV. nach dem Bericht der Magdeburger Schöffenchronik getan haben soll, als sich die Magdeburger Ratsboten ihm gegenüber auf den Sachsenspiegel beriefen: er erkenne kein anderes Recht an, d. h. als für ihn verbindlich, als das, welches die Fürsten an seinem Hofe gefunden hätten.[150] Zu den am Hofe gefundenen Urteilen der Fürsten gehörten natürlich auch die von den Kurfürsten allein über Fragen, die in ihrer Rechtssphäre liegen, gefundenen Urteile. Solche Kurfürstenurteile, an deren Findung Karl IV. selbst nicht als Kaiser, sondern als Kurfürst teilnahm, wurden auch auf dem Nürnberger Tage gefunden, und zwar am 2. Januar über das Kurrecht des Herzogs Rudolf von Sachsen, und am 7. Januar über das Kurrecht Ruprechts des Älteren von der Pfalz und Ludwigs des Römers sowie über die Landeshoheit des Königs von Böhmen. Von den am letzteren Tage gefundenen Urteilen über die Kurrechte ist oben S. 82 ff. nachgewiesen, daß sie die Grundlage wurden für ein Zusatzkapitel der Goldenen Bulle; und ebenso mögen auch sonst noch einer oder der anderen Bestimmung des Gesetzes solche Weistümer, die uns nur nicht überliefert sind, zu Grunde liegen. Es ist aber bemerkenswert, daß der Gesetzgeber es nicht für nötig hält, sich in jenem Zusatzkapitel XX auf das zu Grunde liegende Weistum zu berufen. Er begnügt sich vielmehr damit, aus den das Sonderrecht einzelner Kurfürsten regelnden Weistümern ein allgemeines Gesetz zu formen und als dauerndes [142] Gesetz aus eigener Machtfülle zu publizieren. Die vorausgegangene Urteilsfindung gab dem Kaiser die sichere Grundlage für sein Gesetz, die Gewißheit, daß es nicht gegen anerkanntes Recht streite. Das genügte; einer ausdrücklichen Berufung auf jene materielle Grundlage bedurfte es nicht: die Gesetzeskraft erhielt die Bestimmung schon allein durch den Willen des Kaisers. Gerade das Verhältnis von c. XX zu den Kurfürstenurteilen vom 7. Januar zeigt somit recht augenfällig, daß die Erwähnung eines Rates der Kurfürsten in einem Gesetze für dessen Rechtsgültigkeit ebensowenig erforderlich war wie dieser Rat selbst. Man ließ die Erwähnung fort, auch wenn man sich darauf hätte berufen können.

Wenn nun aber auch Beirat und Zustimmung der Kurfürsten zur Schaffung eines rechtskräftigen Gesetzes nicht notwendig war, so sind doch wohl die in der Goldenen Bulle vereinigten Gesetze durchweg vor ihrer Veröffentlichung mit den Kurfürsten durchberaten. Dafür spricht nicht nur die ausdrückliche Erwähnung des Beirates derselben in mehreren Satzungen, sondern auch die ausgesprochene Absicht des Kaisers, die Beratung der wichtigeren Sachen bis zur Anwesenheit aller Kurfürsten zu vertagen.

In welchen Formen aber diese Beratungen stattfanden, darüber sind wir ausschließlich auf Vermutungen angewiesen.

Freilich besitzen wir einen ziemlich eingehenden Bericht über den Geschäftsgang bei Beratungen der Kurfürsten auf dem Nürnberger Reichstage; und wenn diese Beratungen auch nicht Bestimmungen der Goldenen Bulle selbst betreffen, so stehen sie doch mit einigen Kapiteln des Gesetzes in engster Beziehung. Sie betreffen die Territorialhoheit der böhmischen Könige und sind erfolgt auf Grund jenes Privilegienentwurfes, der auch den entsprechenden Bestimmungen der Goldenen Bulle zu Grunde liegt. Enthalten ist der Bericht in der Urkunde Gerlachs von Mainz vom 7. Januar 1356.[151] Aus ihr erfahren wir, daß alles Vorstehende von dem Kaiser an den Rat der Kurfürsten gebracht (premissa omnia in commune consilium nobiscum et cum ceteris principibus coelectoribus nostris habitum deducta), hier erörtert und als richtig erfunden sei (multoque studio ventilata [143] et racionabilia iudicata). Gerlach erkennt dann an, daß alles mit seinem Rat und seiner vollen Zustimmung vorgegangen sei (recognoscimus de nostro consilio et pleno processisse consensu), woran sich noch eine ausdrückliche Gutheißung schließt.

Wir dürfen kaum bezweifeln, daß in den hier bezeugten Formen sich auch die Beratung der verschiedenen Satzungen der Goldenen Bulle vollzog. Die Satzungen wurden schriftlich formuliert vom Kaiser in die Ratsversammlung der Kurfürsten gebracht, hier durchberaten und vielleicht durch förmliches Urteil gebilligt.

Daß die Vorlagen für kaiserliche Gesetze vom Kaiser eingebracht werden und formell wenigstens nicht von irgendwelcher anderen Seite, versteht sich fast von selbst, und in der Goldenen Bulle ist kein Stück, welches uns zu einer anderen Annahme veranlassen könnte; denn es ist unmöglich, selbst für c. XII, wie wir gesehen haben, eine kurfürstliche Vorlage anzunehmen, geschweige denn für ein anderes Kapitel.

Vor allem müssen wir uns hüten, moderne Anschauungen über parlamentarische Verhandlungen auf die Reichsversammlungen jener Zeit zu übertragen. Nach allem, was wir über den Geschäftsgang aus den folgenden Zeiten erfahren, dürfen wir nicht denken, daß die Verhandlungen sich um die Fassung der Vorlagen im einzelnen drehten, daß etwa Anträge auf Zusätze oder Änderungen an einzelnen Stellen von einer oder der anderen Seite gemacht oder Gegenentwürfe vorgebracht wurden. Eine solche redaktionelle Tätigkeit in mündlicher Beratung scheint mir den Gewohnheiten der Zeit ganz fernzuliegen. Als die Regel dürfen wir annehmen, daß der Kaiser sich schon vor Einbringung seiner Vorlagen über deren Inhalt mit den Kurfürsten verständigt und sich ihrer Zustimmung versichert hatte, und wenn diese noch bei der Beratung der Vorlage eine Änderung derselben wünschten, so werden sie einen solchen Wunsch etwa als „Bedenken“, wie man später sagte, vorgebracht, die Form aber, in welcher ihr Wunsch in dem Texte des Gesetzes berücksichtigt werden sollte, der Entscheidung des Kaisers oder vielmehr seines Kanzlers überlassen haben. Um die genaue Formulierung des Wortlautes von Beschlüssen und anderen Willensäußerungen kümmerte man sich überhaupt in jener Zeit [144] und noch viel später nicht so sehr. Am wenigsten aber dürfen wir annehmen, daß die Kurfürsten damals den Vorlagen des Kaisers mißtrauisch oder gar feindlich entgegengetreten wären und demgemäß in der Verhandlung über die Vorlagen möglichst viel an denselben in ihrem Interesse zu ändern gesucht hätten. Das ist ausgeschlossen nicht nur durch die in jenen Zeiten übliche Form der Verhandlung, sondern auch durch die damals gerade zwischen Kaiser und Kurfürsten herrschende Eintracht und Gleichheit der Interessen.

Eine gemeinsame Beratung des Kaisers mit den Kurfürsten muß unbedingt den Charakter einer formellen Verhandlung gehabt haben; die feierliche Form aber, in welche man in jenen Zeiten Verhandlungen und Beschlüsse zu kleiden liebte, war die der gerichtlichen Verhandlung und der Urteilfindung.

Über die Publikation des Gesetzbuches zu Nürnberg am 10. Januar 1356 berichtet als einzige Quelle die Einleitung der Goldenen Bulle selbst. Es heißt hier: infra scriptas leges ... in solempni curia nostra Nurembergensi, assidentibus nobis omnibus principibus electoribus ecclesiasticis et seculatibus ac aliorum principum, comitum, baronum, procerum, nobilium et civitatum multitudine numerosa, in solio maiestatis cesaree, imperialibus infulis, insigniis et dyademate decorati, ... de imperialis potestatis plenitudine edidimus, statuimus et duximus sancciendas sub anno Domini millesimo trecentesimo quinquagesimo sexto, indictione nona, IIII. Id. Ianuarii, regnorum nostrorum anno decimo, imperii vero primo. Wie haben wir uns den hier geschilderten Vorgang zu denken? Vielleicht so, daß der Hofkanzler des Kaisers den vollständigen Wortlaut der Gesetze vor dem im kaiserlichen Schmuck auf dem Throne sitzenden Kaiser, den Kurfürsten, Fürsten, Herren und Städteboten verlas? Möglich ist das, aber angesichts der Länge und der lateinischen Fassung der Texte nicht gerade wahrscheinlich. Die wohl mehr als eine Stunde in Anspruch nehmende Vorlesung des Gesetzbuches in einer Sprache, welche sicher vielen der in der Reichsversammlung Anwesenden schwer oder gar nicht verständlich war, wäre für diese eine harte Geduldsprobe gewesen. Unter den in der Einleitung von der [145] Veröffentlichung gebrauchten Ausdrücken: leges edidimus, statuimus et duximis sancciendas, ist denn auch keiner, welcher uns nötigte oder es auch nur nahelegte, an eine mündliche Publikation in extenso zu denken. Vielleicht begnügte man sich, den versammelten Reichsständen das Gesetzbuch, dessen Inhalt den Hauptbeteiligten ja ohnehin bereits bekannt war, feierlich vorzulegen und etwa den wesentlichen Inhalt in kurzer mündlicher Ausführung zu berichten. Hatte doch auch bei dem Erlaß des Landfriedens zu Mainz im Jahre 1235 die mündliche Verkündigung in einer kürzeren deutschen Fassung stattgefunden, während die schriftlichen Ausfertigungen in erweiterter, feierlicherer lateinischer Form ergingen. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß keine Spur von einem deutschen Auszug, der etwa zu dem angegebenen Zwecke gedient haben könnte, vorhanden ist. Wie immer aber die Publikation, das „edere“ des Gesetzbuches vorgenommen sein mag, ein vollständiger Text muß dabei gebraucht sein. Kennen wir dieses Exemplar?

Von allen uns überlieferten Originalen könnte hierfür nur das böhmische in Betracht kommen, als einziges, dessen erster die Nürnberger Gesetze enthaltender Teil noch vor dem Metzer Tage niedergeschrieben ist. Aber auch dieses Exemplar kann am Tage der Publikation noch nicht vorgelegen haben. Das ergibt sich aus folgender Erwägung.

Wie wir oben sahen, war der Termin für die Publikation ursprünglich auf den 6. oder 7. Januar anberaumt gewesen, wurde dann aber um einige Tage verschoben, weil die Hinzufügung gewisser Kapitel wünschenswert erschien. Das erste dieser Zusatzkapitel kann nicht vor dem 7. Januar verfaßt sein. Damals aber muß das für die Publikation bestimmte Exemplar schon in Reinschrift fertig vorgelegen haben; denn sonst wäre kein Grund gewesen, die Zusätze nicht an denjenigen Stellen einzuordnen, wohin sie nach der Disposition des Ganzen gehört hätten. Es ist schlechterdings kein anderer Grund einzusehen, der den Redaktor des Gesetzbuches veranlaßt haben könnte, die vier Zusatzkapitel zusammen an das Ende, noch hinter die Formulare, welche nach dem Hinweis im ersten Kapitel den Schluß des Gesetzbuches bilden sollten, zu setzen. Dasjenige Exemplar aber, welches für die Publikation am 6. oder 7. Januar vorbereitet war, und in welches nachträglich die [146] Zusatzkapitel eingetragen wurden, kann unmöglich das uns überlieferte böhmische gewesen sein; denn erstens müßte sich da, wo der Zusatz eingefügt ist, irgendeine Spur bemerken lassen davon, daß die Zusatzkapitel nicht in einem Zuge mit den unmittelbar vorhergehenden geschrieben waren. Eine solche Spur, ein Wechsel der Hand oder auch nur der Feder oder Tinte ist aber nicht zu konstatieren.[152] Ferner müßte in dem Publikationsdatum der Einleitung eine Korrektur wahrnehmbar sein, da doch vorher auf einen früheren Termin gerechnet war; ganz abgesehen davon, daß in dem bei der Publikation benutzten Exemplare das Proömium überhaupt kaum schon vorhanden sein konnte.

Wenn nun aber das böhmische Exemplar, welches wir mit Harnack als B bezeichnen, unmöglich bei der feierlichen Publikation am 10. Januar benutzt sein kann, so wäre doch denkbar, daß es unmittelbar nach dem Nürnberger Tage hergestellt und dann in der kaiserlichen Kanzlei als authentisches Exemplar benutzt wäre. Doch auch das ist nach allem, was wir in Erfahrung bringen können, nicht der Fall gewesen.

Die schon mehrfach erwähnten Privilegien, welche der Kaiser am 25. Januar und am 2. Februar dem Erzbischof Wilhelm für die Kölner Kirche ausstellte, enthielten, wie ebenfalls schon bemerkt wurde, eine Anzahl Kapitel der Nürnberger Gesetze wörtlich eingerückt, und zwar das erstere die Kapitel IX, X, XI, XIII, XV, das letztere aber XIV und XVII; doch fehlt von diesem letzteren Kapitel der letzte auf die ungerechten Zölle und Geleite bezügliche Absatz. Es ist nun die Frage, ob diese Privilegien in der kaiserlichen Kanzlei oder in der des Erzbischofs konzipiert sind; denn nur im ersten Falle ist ein Schluß auf die Beschaffenheit des Exemplars der kaiserlichen Kanzlei aus dem Text der Privilegien zulässig.

Wäre das Konzept zu den Privilegien in der Kölner Kanzlei hergestellt, so müßte damals bereits diese Kanzlei einen Text der Goldenen Bulle zur Verfügung gehabt haben. Dem würde nicht entgegenstehen, daß das in Darmstadt aufbewahrte Kölner Exemplar des Gesetzes erst nach Hinzufügung des zweiten Teils auf dem Metzer Reichstage Weihnachten 1356 geschrieben [147] sein kann; denn es könnte der Erzbischof schon vorher ein Konzept oder überhaupt einen nicht ausgefertigten Text der Nürnberger Gesetze allein besessen haben. Und das ist auch nach der Ansicht Lindners der Fall gewesen. Ich vermag aber mich dieser Annahme nicht anzuschließen.

Lindner nimmt an, daß die einzelnen Kurfürsten in Nürnberg Protokolle über den Wortlaut der dort beschlossenen Gesetze hätten aufnehmen lassen, welche sie dann später in dem ersten Teile den in ihren Kanzleien hergestellten Reinschriften, die durch die Besiegelung mit der Goldbulle des Kaisers den Charakter authentischer Exemplare erhielten, zu Grunde legten. Bei der Art der Verhandlungen, wie ich mir dieselben glaube vorstellen zu müssen, halte ich die Anfertigung solcher Protokolle für wenig wahrscheinlich; wäre aber ein solches Protokoll oder sonst irgendein Text der Nürnberger Gesetze in der erzbischöflichen Kanzlei vorhanden gewesen, so wäre zu erwarten, daß dieser Text im wesentlichen mit dem des späteren Kölner Originals übereinstimmte. Die gleiche Übereinstimmung mit dem Texte des Kölner Originals müßten aber dann auch die Privilegien aufweisen, falls diese wirklich in der erzbischöflichen Kanzlei entworfen sein sollten. Wenngleich nun aber die Texte der Privilegien im allgemeinen nicht wesentlich von den kurfürstlichen Originalen und insbesondere von dem kölnischen (C) abweichen, so finden sich doch Stellen, welche die Annahme, daß C und die Privilegien ein Kölner Konzept als gemeinsame Vorlage hatten, auszuschließen scheinen. Weniger Gewicht ist dabei solchen Verschiedenheiten zwischen den Privilegien und C beizumessen, welche darin bestehen, daß C fehlerhafte Lesarten hat, wo die Privilegien den richtigen Text aufweisen, wie in c. X: monetis statt des richtigen monetas, in c. XIV: diffidentes statt des richtigen diffidantes und in c. XI, wo C die falsche Reihenfolge der geistlichen Kurfürsten: Maguntinensi, Treverensi, Coloniensi hat, während die übrigen Exemplare Col. Mag. Trev. haben. Es kann in all diesen Fällen der Schreiber von C Fehler gemacht haben, von welchen seine Vorlage nichts wußte. Dagegen fällt schwer ins Gewicht, daß in c. XIII am Ende der Privilegientext das Wort reputari mit B ausläßt, während sich dasselbe in C wie in den andern kurfürstlichen Exemplaren findet. Gegen die Annahme aber, daß [148] Wilhelm von Köln sich überhaupt schon seit dem Nürnberger Reichstage im Besitz eines Textes befunden habe, spricht sehr deutlich, wenn nicht die Ausstellung der Privilegien überhaupt, so doch jedenfalls der Umstand, daß die beiden Privilegien so bald nacheinander ausgestellt wurden. Warum ließ sich der Erzbischof am 25. Januar die Kapitel IX, X, XI, XIII und XV besonders, und acht Tage darauf in ganz gleicher Weise nachträglich auch noch XIV und XVII in Privilegienform verleihen? Warum betrieb er nicht gleich von vornherein die Verleihung der sämtlichen Kapitel zugleich? Ich glaube, daß sich dies am einfachsten aus der Annahme erklärt, daß ihm die klare Vorstellung von dem Inhalt des Gesetzes, wie sie die wiederholte eingehende Durchsicht des Textes allein erzeugen konnte, fehlte. Eine solche genaue Prüfung des Inhalts aber war kaum möglich, wenn man, zumal in der Unruhe des Reichstagsschlusses, darauf angewiesen war, ein oder das andere Mal Einsicht in das etwa in der kaiserlichen Kanzlei ausliegende Gesetzbuch zu nehmen. Da konnte der Rat oder Kanzler des Erzbischofs sehr leicht einige Bestimmungen zunächst übersehen, die dann bei Wiederholung der Durchsicht ebenfalls begehrenswert erscheinen mochten. Es mochte nun aber die Ausfertigung des zunächst bestellten Privilegs schon zu weit gediehen sein, als daß sich die weiter gewünschten Kapitel noch hätten einfügen lassen; so daß nur die Ergänzung des ersten durch ein zweites Privileg möglich war. Erinnern wir uns aber, daß von den fünf in dem ersten Privileg enthaltenen Kapiteln die drei ersten das Zugeständnis der wichtigsten Rechte bezüglich der Landeshoheit enthielten, die beiden letzten aber auf Betreiben gerade des Kölner Erzbischofs in das Gesetz Aufnahme gefunden hatten, so ist es um so erklärlicher, daß er bei flüchtiger Durchsicht des Gesetzes sich mit diesen Kapiteln begnügen zu können glaubte. Der Besitz eines eigenen Textes, den man mit Muße in der erzbischöflichen Herberge hätte studieren können, hätte wohl gleich zu der richtigen Auswahl geführt.

Ist es aber sonach in hohem Grade unwahrscheinlich, daß die Privilegien in der Kölner Kanzlei entworfen sind, so dürfen wir um so ruhiger der ohnehin natürlichen Annahme folgen, daß die kaiserliche Kanzlei bei der Inserierung von Kapiteln eines unmittelbar vorher erlassenen kaiserlichen Gesetzes ein in [149] der Kanzlei selbst befindliches offizielles Exemplar zu Grunde legte. Das in den Kölner Privilegien benutzte Exemplar aber war nicht B, wie sich aus folgender Vergleichung ergibt.

Die Kölner Privilegien haben in c. X: subiectarum ei terrarum gegen B: subditarum ei terrarum; in c. XI: nobiles, feudales gegen B: milites, feudales; in c. XIII: futuris temporibus concedenda gegen B: inantea concedenda; und gleich darauf seu eciam concedende gegen B, wo eciam fehlt; ebenda dominiis que superius exprimuntur, und weiterhin derogare vel obviare gegen B, wo die gesperrt gedruckten[WS 1] Worte fehlen; in c. XIV: contra ac gegen B: contra hoc. Wenn dagegen in c. XIII reputari vor et haberi im Privilegientexte ebenso fehlt wie in B, so erklärt sich das wohl daraus, daß dieses Wort dem ursprünglichen Texte überhaupt noch fremd war und erst später hinzugefügt wurde.

Es ist also ganz unzweifelhaft, daß zur Herstellung der Kölner Privilegien im Januar und Februar in der Reichskanzlei nicht das böhmische Exemplar, sondern ein anderes, und zwar ein solches, welches textlich mehr mit den kurfürstlichen Ausfertigungen als mit jenem übereinstimmte, benutzt wurde.

Ebensowenig wie die Kölner Privilegien können aber auch die drei schon öfter erwähnten Straßburger Urkunden, welche den Text des c. XVI der Goldenen Bulle enthalten, das Exemplar B als Quelle benutzt haben. Es sind das die beiden Ausfertigungen des Pfalbürgerprivilegs für die Straßburger Kirche vom 8. und 12. Januar, und das Schreiben des Burggrafen von Magdeburg an die Stadt Straßburg vom 1. Februar 1356[153], von denen allerdings nur das letztere im Original überliefert ist. Die Überlieferung der beiden andern ist aber doch gut genug, um erkennen zu lassen, daß auch deren Originale einen im wesentlichen gleichen Text des Pfalbürgerkapitels der Goldenen Bulle zur Grundlage hatten wie jenes, und zwar einen Text, der nicht nur verschieden war von dem in B enthaltenen, sondern auch von dem der gesamten übrigen Überlieferung des Gesetzes. Alle drei Urkunden haben gegenüber der sonstigen Überlieferung das fehlerhafte Si quis vero statt Si qui vero. Das Privileg vom 8. Januar und das Schreiben des Burggrafen [150] haben statt des richtigen recipi se procurant gleichmäßig das sinnlose recipisse procurant. Endlich haben wieder alle drei Urkunden und nur sie allein in der Pönalklausel die Lesart penam centum marcarum, während in der sonstigen Überlieferung das unbedingt notwendige Wort penam fehlt.

Durchaus sicher ist demnach, daß die gemeinsame Grundlage der drei Urkunden bezüglich des Pfalbürgergesetzes nicht das Exemplar B der Goldenen Bulle sein kann; was ohnehin für das Privileg vom 8. Januar schon deshalb ausgeschlossen ist, weil das böhmische Exemplar an jenem Tage noch nicht vorhanden gewesen sein kann. Sicher ist aber auch die weitere Tatsache, daß die Vorlage der Straßburger Urkunden nicht der gemeinsame Archetypus der Originalausfertigungen der Goldenen Bulle gewesen sein kann; denn diesem Archetypus fehlte das unentbehrliche Wort penam in der Pönalklausel. In diesem war das Wort offenbar durch ein Versehen ausgelassen, so daß der Genitiv centum marcarum ohne Beziehung blieb. Dieser unvollständige und unverständliche Text ist unverändert übernommen von dem Trierer und Kölner Exemplar, T und C; während alle übrigen Exemplare einschließlich B die offensichtliche Korrektur centum marcas haben. Ergibt sich so mit Sicherheit, daß sämtliche Exemplare auf einen Archetypus zurückgehen, der an dieser Stelle einen Fehler enthielt, welchen die Straßburger Stücke nicht haben, so fragt es sich, ob es neben jenem Archetypus noch einen andern Text am Kaiserhofe gab, welcher den Fehler nicht enthielt und die Grundlage für die Straßburger Urkunden bildete.

Man könnte geneigt sein, diese Frage zu bejahen. Daß kaiserliche Privilegien, welche einen Text eines Gesetzes enthalten, diesen Text nach einem am Hofe befindlichen Exemplar wiedergeben, ist gewiß an sich das wahrscheinlichste. In diesem besonderen Falle aber ist die Möglichkeit und sogar eine hohe Wahrscheinlichkeit nicht zu verkennen, daß der ganze Text des Privilegs in der Kanzlei des Empfängers entworfen sei. War doch der Empfänger eben der Bischof Johann von Straßburg, der die Aufnahme des Pfalbürgerverbotes in das Gesetzbuch betrieb und veranlaßte. Da ist es gewiß sehr wahrscheinlich, daß er von dem Texte des Pfalbürgerverbotes, wenn er ihn nicht in seiner eigenen Kanzlei hatte herstellen lassen, sich möglichst [151] bald eine Abschrift verschaffte, noch bevor dieses in das Gesetzbuch aufgenommen war, und diese Abschrift dann die Grundlage für den Privilegientext abgab. Die Auslassung des Wortes penam könnte dann sehr wohl bei der Eintragung des Pfalbürgergesetzes in das Kanzleiexemplar des Gesetzbuches erfolgt, und es daraus zu erklären sein, daß zwar der Urtext aller Ausfertigungen der Goldenen Bulle die Auslassung hatte, das Straßburger Privileg aber nicht. Daß man bei der Wiederholung des Privilegs am 12. Januar einfach dem Texte der Vorurkunde folgte, ist sehr wahrscheinlich und erklärt am einfachsten, daß der Fehler in der Strafklausel auch hier vermieden wurde. Aber auch der Burggraf von Magdeburg teilt als kaiserlicher Landvogt des Elsaß den Bürgern von Straßburg einen Text des Pfalbürgergesetzes mit, der dem der Privilegien genau entspricht. Sollte nicht hier ein aus der kaiserlichen Kanzlei dem Landvogte amtlich mitgeteilter Text vorliegen, der erweisen würde, daß auch der im Privileg enthaltene Text aus der kaiserlichen Kanzlei stammte? Diese Annahme wird jedoch sehr unwahrscheinlich gemacht durch den Umstand, daß der Text des burggräflichen Schreibens nicht nur die richtige Fassung der Pönalklausel, sondern auch den groben Fehler recipisse statt recipi se mit dem Privileg gemein hat, und man kaum annehmen darf, daß die kaiserliche Kanzlei mehrfach den gleichen Fehler in Schriftstücken, die beide in erster Linie für die Stadt Straßburg bestimmt waren, wiederholt haben sollte, ohne ihn zu bemerken. Wahrscheinlicher ist vielmehr, daß der Landvogt jenen Text vom Straßburger Bischof erhielt. Jedenfalls dürfen wir in den Straßburger Texten des Pfalbürgerverbotes der Goldenen Bulle kein sicheres Zeugnis dafür erblicken, daß es neben dem gemeinsamen Archetypus der erhaltenen Ausfertigungen des Gesetzbuches noch ein anderes Exemplar desselben in der kaiserlichen Kanzlei gegeben hätte, dem der Text der Straßburger Urkunden entnommen wurde. Ja, es ist wenig wahrscheinlich, daß ein solcher Text einstmals vorhanden gewesen sein und außerhalb der Straßburger Urkunden keine Spur in der Überlieferung der Goldenen Bulle zurückgelassen haben sollte.



[152] Neben der unmittelbar auf die Goldene Bulle abzielenden Tätigkeit beschäftigte den Kaiser während der ganzen Dauer des Reichstages bis zum Abschlusse des Gesetzes die Aufgabe, welche er sich bei dessen Eröffnung in erster Linie gestellt hatte, nämlich etwas Sicheres darüber zu erfahren, wer unter den Laien Kurfürst sei. Die Lösung der Frage, welchen Personen das Kurrecht zustehe, war die Voraussetzung für die volle Sicherung der Majoritätswahl, deren Festlegung den Kern des Gesetzes bildet. Nur wenn es außer allem Zweifel stand, welche sieben Personen berechtigt waren, die sieben Stimmen zu führen, konnte die Frage, ob eine Majoritätswahl erfolgt war oder nicht, in jedem Falle mit voller Sicherheit entschieden werden. Die Person der geistlichen Kurfürsten konnte oder sollte wenigstens prinzipiell niemals zweifelhaft sein; wogegen in betreff der Führung der weltlichen Kurstimmen seit längerer Zeit vielfach Zweifel und Streitigkeiten bestanden. Der alte Brauch, die Fürstentümer wie Privateigentum zu behandeln und wie solches auf mehrere Söhne zugleich geteilt oder ungeteilt zu vererben, führte zu Streitigkeiten über die Führung der Stimme unter verschiedenen Söhnen eines Vaters oder, bei weiteren Spaltungen, zwischen verschiedenen Linien eines Hauses. Derartige Zweifel oder Streitigkeiten bestanden seit längerer oder kürzerer Zeit hinsichtlich der sächsischen, pfälzischen, und brandenburgischen Kur. Diese hatte der Kaiser unzweifelhaft im Auge, als er im November zu Nürnberg jene Frage stellte. Der Gedanke daran, daß auch die uralten Zweifel an der vollen Gleichberechtigung des böhmischen Kurrechts noch einmal wieder aufleben könnten, scheint ihm damals ganz fern gelegen zu haben.[154]

Eine fast vollständige Regelung hatte in der Hauptsache schon vor dem Beginne des Nürnberger Tages die Frage der sächsischen Kur gefunden, und doch wurde gerade über diese noch eine größere Anzahl von Akten aufgenommen, als über irgendeine andere Kurstimme. Nachdem bereits vor dem Zusammentritt des Reichstages, und zwar am 24. August und am 6. Oktober 1355, durch zwei sachlich genau übereinstimmende Urkunden des Kaisers[155] das ausschließliche Kurrecht Herzog [153] Rudolfs des Älteren und seiner Deszendenz feierlich sanktioniert worden war, wobei zugleich auch für die Vererbung des Kurrechts das Prinzip der Primogeniturfolge festgestellt wurde, gab der Erlaß des Gesetzes über die Primogeniturerbfolge aller Kurfürstentümer nebst Regelung der Vormundschaft über Kurfürsten, welches später als c. VII in die Goldene Bulle aufgenommen wurde, die Veranlassung, ein neues kaiserliches Privileg vom 29. Dezember zu erwirken, in welchem jene Bestimmungen über die Vormundschaft nachgetragen und zugleich, was früher seltsamerweise verabsäumt war, die Bestimmungen über die Primogenitur mit der seit langer Zeit bestehenden Tatsache, daß der Primogenitus ohne Hinterlassung von Lehnserben verstorben war, in Einklang gebracht wurden.[156] Doch damit noch nicht genug. Schon wenige Tage später, am 2. Januar 1356, beurkundete Erzbischof Gerlach von Mainz ein von ihm mit dem Kaiser und den übrigen Kurfürsten gefundenes Weistum, laut dessen dem Herzog Rudolf dem Älteren von Sachsen das Kurrecht gehöre.[157] Wie die Vergleichung des Weistums mit den ebengenannten Privilegien ergibt, aus denen namentlich der ganze Bericht über die Ausübung des Kurrechts durch den Sachsenherzog bei den früheren Königswahlen hier wiederholt wird, ergibt sich, daß die Privilegien bei der Urteilsfindung zu Grunde gelegt wurden. Eine gewisse Ergänzung fand dieses wahrscheinlich am Tage der Beurkundung selbst, also am 2. Januar gefundene Weistum durch eine neue Weistumfindung der Kurfürsten am 7. Januar, nachdem die Absicht, etwa am 6. Januar das Gesetzbuch zu publizieren, aufgegeben war. Damals wurden Weistümer über das Kurrecht des Pfalzgrafen Ruprecht des Älteren und des Markgrafen Ludwig des Römers gefunden[158], ungefähr entsprechend dem vom 2. Januar für Sachsen, aber von jenem unterschieden durch die scharfe Betonung des untrennbaren Zusammenhangs von Kurrecht und Fürstentum nebst Zubehör, worauf die Kur gegrundfestigt sei, und durch die ausdrückliche Anerkennung, daß der Inhaber der Kurstimme auch zu allen Reichshandlungen der Kurfürsten zugelassen und zuzulassen sei.

[154] Ein neues Weistum, welches den beiden für Pfalz und Brandenburg gefundenen genau entsprochen hätte, scheint Herzog Rudolf der Jüngere, der seinen Vater, den Inhaber der sächsischen Kur, damals vertrat, für Sachsen nicht verlangt oder doch nicht erlangt zu haben; und doch haben wir ein deutliches Zeichen dafür, daß Rudolf nicht gewillt war, gänzlich auf die ausdrückliche Anerkennung derjenigen Rechte, welche am 7. Januar Pfalz und Brandenburg gegenüber durch Weistum anerkannt waren, zu verzichten.

Ob außer Gerlach von Mainz am 2. Januar noch andere Kurfürsten das wohl damals gefundene Weistum für Sachsen beurkundet haben, wissen wir nicht genau; doch haben die Erzbischöfe von Trier und Köln sowie der Markgraf von Brandenburg dies erst mehrere Tage später getan, und zwar Boemund von Trier und Ludwig der Römer am 8., Wilhelm von Köln am 9. Januar. Während nun die Urkunde des Markgrafen sich in keinem wesentlichen Punkte von der Gerlachs von Mainz unterscheidet, so enthalten die der beiden geistlichen Kurfürsten einen sachlich gleichen, nicht unerheblichen Zusatz gegenüber derjenigen Gerlachs. Der Zusatz ist nun unzweifelhaft veranlaßt durch eben jene Weistümer vom 7. Januar, und zwar entweder unmittelbar oder durch Vermittelung des auf Grund des Weistums hergestellten Zusatzkapitels XX der Goldenen Bulle. Während nämlich nach Gerlachs Urkunde nur von dem Kurrecht im engeren Sinne die Rede war, sollen die Kurfürsten nach jenen beiden neueren Urkunden auch anerkannt haben, der Herzog Rudolf sei auch zugelassen zu allen einem Kurfürsten zustehenden Handlungen: ad omnes actus principi electori competentes admissus.[159] Daß diese Worte in dem Weistum für Sachsen schon enthalten gewesen wären und nur in Gerlachs Urkunde keine Berücksichtigung gefunden hätten, ist nach Lage der Sache nicht anzunehmen; vielmehr ist deutlich, daß dieselben nur nach Analogie der Weistümer für Pfalz und Brandenburg, deren Inhalt ja durch den Zusatz zur Goldenen Bulle inzwischen auf alle weltlichen Kurfürstentümer ausgedehnt war, auf Wunsch des Sachsenherzogs in die beiden Urkunden eingefügt wurden.

[155] Weniger einfach als die Frage des sächsischen Kurrechts, in welcher Karl IV. stets konsequent an der Anerkennung der Ansprüche der Wittenbergischen Linie festgehalten hatte, lag für ihn die Entscheidung über die pfälzische und die brandenburgische Kur. Die Regelung der pfälzischen Kur war durch den wittelsbachischen Hausvertrag zu Pavia im Jahre 1329 und dessen unter Mitwirkung der Organe der Reichsgewalt in den Jahren 1338–1341[160] vorgenommene Modifikationen erfolgt. Die pfälzische Kur galt demnach als Gesamtbesitz des wittelsbachischen Hauses und sollte alternierend von Wahl zu Wahl von dem ältesten Vertreter der pfälzischen und der bayerischen Linie geführt werden. Durch besondere Urkunden erkannten König Johann von Böhmen am 18. März 1339 und Erzbischof Heinrich von Mainz am 24. Juni 1341 an, daß zur Führung der pfälzischen Stimme bei der nächsten Königswahl Pfalzgraf Rudolf II. als ältester der pfälzischen Linie allein berechtigt sei. Es erhebt sich nun die Frage, wie weit diese Regelung der Angelegenheit bei den nächsten Wahlen wirklich beobachtet wurde. An der Wahl Karls IV. im Jahre 1346 hat kein Vertreter der pfälzischen Stimme teilgenommen, da sämtliche Wittelsbacher dem Kaiser Ludwig treu blieben und somit keinen Grund zu einer Königswahl anerkannten. Wenn der Papst in einem uns überlieferten Schreiben[161] den Pfalzgrafen Ruprecht den Älteren auffordert, an der Wahl teilzunehmen, so zeigt die hinzugefügte Klausel: si et in quantum ad te pertinuerit, daß die Kurie von den jüngsten Abmachungen nichts wußte oder nichts wissen wollte. Sehen wir dann aber, wie 1349 bei der Wahl des Gegenkönigs Günther Pfalzgraf Rudolf seinen jüngeren Bruder Ruprecht ohne Widerspruch mitwählen läßt, so dürfen wir daraus schließen, daß er an der Behauptung seines ausschließlichen Rechtes nicht festhielt, wenn es vielleicht auch nur die besonderen Umstände dieses Falles sein mochten, welche ihn zu seinem Verhalten veranlaßten. Vom Standpunkte Karls aus war schon durch die Nichtbeteiligung der Pfälzer an der Wahl von 1346 deren Recht auf die Führung der Stimme [156] bei der nächsten Wahl nach 1340 konsumiert; aber auch vom gegnerischen Standpunkte aus angesehen war das jedenfalls durch die Teilnahme der Rheinpfalzgrafen an der Wahl Günthers geschehen. Nunmehr mußte das Kurrecht bis nach der nächsten Wahl wieder an die bayerische Linie übergehen, wenn die jüngste Ordnung der Sache aufrechterhalten bleiben sollte. Nach dem Separatfrieden, welchen Pfalzgraf Rudolf II. noch vor dem Scheitern des Königtums Günthers mit seinem bisherigen Gegner Karl abschloß, und den er durch die Vermählung seiner Tochter Anna mit dem Könige besiegelte, konnte natürlich bei den Neuverbündeten die Neigung, die Rechte der bayerischen Linie auf die Kur anzuerkennen, nicht groß sein. Aber der Versuch, das pfälzische Kurrecht auf Karls Gemahlin und durch sie auf das luxemburgische Haus zu vererben, scheiterte doch noch an dem Widerspruch der bayerischen Linie. Noch einmal aber wahrte Ludwig der Ältere sein und seines Hauses Recht an der pfälzischen Kur, als er am 16. September 1351 seine Zustimmung zu dem zwei Jahre früher vom Pfalzgrafen Rudolf II. zu Gunsten seiner Tochter, der Königin Anna, und deren Nachkommenschaft getroffenen Verfügung über alle seine Besitzungen in der Pfalz und in Bayern erteilte; er nahm dabei ausdrücklich das Kurrecht und alle andern mit der Pfalz verbundenen Ehren und Rechte aus, sie sich und seinem Hause vorbehaltend.[162]

Seitdem hören wir nichts mehr von dem Anteil der bayerischen Linie an der pfälzischen Kur, der vielleicht bei irgendeiner Gelegenheit förmlich aufgegeben wurde. Jedenfalls aber wurde derselbe bei der Regelung der Frage nach dem Tode Rudolfs II., der 1353 eintrat, gänzlich außer Acht gelassen. Der Erbe der Pfalz, Rudolfs jüngerer Bruder Ruprecht der Ältere, legte dem Könige jene am 18. März 1339 von Johann von Böhmen über das Kurrecht Rudolfs II. ausgestellte Urkunde mit der Bitte um Bestätigung ihrer Echtheit vor. Daraufhin stellte Karl IV. Ruprecht dem Älteren zwei Urkunden aus, die eine zu Kaisersberg, die andere zu Kolmar, beide aber am gleichen Tage, dem 22. Mai 1354.[163] In der [157] ersten bestätigte er die Echtheit der Urkunde seines Vaters Johann, indem er sie im vollen Wortlaut transsumiert; in der zweiten aber erkennt er auf Grund jener neu beglaubigten Urkunde das Kurrecht und die übrigen mit der Pfalz verbundenen Ehren und Rechte Ruprecht dem Älteren als Erben Rudolfs II. zu. Dabei ist nun sehr auffällig, daß in jener Urkunde König Johanns das Kurrecht Rudolfs lediglich in der Beschränkung auf die prima electio, die nächste Königswahl, anerkannt wurde; während nunmehr angeblich auf Grund jener Urkunde Ruprecht der Ältere die Anerkennung des Kurrechts ohne jede Einschränkung erhält. Es kann unmöglich dem Kaiser und dem Pfalzgrafen sowie ihren Räten entgangen sein, daß der Rechtsinhalt der neuen Urkunde weit über den der älteren hinausging, und diese daher nicht zur Begründung für jene genügte, und dieser Erkenntnis werden wir es zuschreiben dürfen, daß man es vermied, den Wortlaut der Urkunde Johanns mit der angeblich durch sie begründeten neuen Beurkundung in einem Schriftstück zu vereinigen. Jedem Leser der Urkunde über die Anerkennung des alleinigen Kurrechtes Ruprechts des Älteren hätte man damit eine Waffe gegen dieses alleinige Recht in die Hand gegeben; während man jetzt in der Lage war, mit der bedenklichen Begründung möglichst zurückzuhalten. Daraus würde aber zu schließen sein, daß ein Widerspruch gegen das ausschließliche Kurrecht Ruprechts zu fürchten war. Ein ausdrücklicher Verzicht der bayerischen Linie war also doch wohl kaum erfolgt. Sicher wäre die Berufung auf eine Verzichtsurkunde Ludwigs des Älteren weit wirksamer gewesen, als die auf jene Urkunde König Johanns.

Doch wie dem auch sei, Karl IV. hat Ruprecht I. damals als alleinigen rechtmäßigen Inhaber des pfälzischen Kurrechts feierlich anerkannt und sich auch bemüht, ihm die gleiche Anerkennung von anderen Kurfürsten zu verschaffen. Freilich ist uns nur ein Schreiben an Herzog Rudolf von Sachsen erhalten, in welchem der König ihn ersucht, einen Willebrief zu der Anerkennungsurkunde vom 22. Mai 1354 auszustellen[164]; doch dürfen wir wohl unbedenklich annehmen, daß entsprechende Aufforderungen auch an andere Kurfürsten ergingen. Da aber kein [158] einziger Willebrief überliefert ist, so liegt die Vermutung nahe, daß Karls Bemühungen in dieser Hinsicht ohne den gewünschten Erfolg geblieben sind. Welche Einflüsse noch der vollen Anerkennung Ruprechts I. entgegenstehen mochten, wissen wir nicht. Vielleicht gingen sie von Ludwig dem Älteren aus, vielleicht auch von Ruprecht II. oder dem Jüngeren. Durch den Vertrag von Pavia war 1329, das pfälzische Kurrecht auf den ältesten der pfälzischen Linie, Pfalzgraf Rudolf II., übertragen. Dieser war der zweite Sohn des 1319 verstorbenen Pfalzgrafen Rudolf I. Zur Zeit des Paveser Vertrages lebten von den drei Söhnen Rudolfs I. nur noch der zweite, Rudolf II., und der dritte, Ruprecht der Ältere; während der älteste, Adolf, bereits mit Hinterlassung eines Sohnes, eben jenes Ruprecht II., verstorben war. Daß man nicht diesem Enkel Rudolfs I., sondern dem ältesten der noch lebenden Söhne die Kur übertrug, entsprach dem Vertrage von 1313.[165] Dagegen hätte nach dem in der Goldenen Bulle und in einem Falle schon vorher für die Vererbung der Kurwürde aufgestellten Grundsatze der Primogeniturerbfolge der Sohn des verstorbenen ältesten Sohnes, also Ruprecht II., den Vorzug vor dem zweiten Sohne gehabt. Vielleicht waren es die auch früher nicht ganz unbekannten Grundsätze der Primogeniturfolge, welche Ruprecht den Jüngeren veranlaßten, gegen das Kurrecht seines Oheims Einspruch zu erheben. Wir erfahren freilich von den Streitigkeiten über das Kurrecht zwischen den beiden Ruprechten erst aus dem Vergleich vom 27. Dezember 1355, durch welchen dieselben beigelegt wurden, und auch bei dieser Gelegenheit wird über die Gründe und die Streitpunkte Näheres nicht gesagt.[166]

Der Vergleich zwischen den beiden Pfalzgrafen wurde abgeschlossen unmittelbar nach dem Erlaß des Gesetzes über die Primogeniturfolge und den Mündigkeitstermin der Kurfürsten, welches bald darauf in die Goldene Bulle aufgenommen wurde. Die Form des Vertrages scheint die einer mündlichen Verlautbarung vor Kaiser und Kurfürsten gewesen zu sein; wenigstens ist ein Vertragsinstrument nicht überliefert, sondern nur eine Anzahl von Urkunden, in denen der Kaiser und die Kurfürsten [159] einzeln den Inhalt des vor ihnen abgeschlossenen Vertrages bekunden und bekräftigen. Der Inhalt des Vertrages ist folgender: Ruprecht der Jüngere gesteht seinem Oheim das Kurrecht zu und erkennt ihn auf Lebenszeit allein als Kurfürst an; doch unter der Bedingung, daß im Falle, daß jener ohne Hinterlassung von Lehnserben versterben sollte, dessen Fürstentum und Gebiet mit dem Kurrecht auf ihn, Ruprecht den Jüngeren, und seine Erben übergehen solle. In gleicher Weise soll Ruprecht der Ältere oder seine Erben Ruprecht den Jüngeren beerben, wenn dieser ohne Hinterlassung von Lehnserben stirbt. Für den Fall aber, daß Ruprecht der Ältere mit Hinterlassung von Lehnserben sterben sollte, behält der Jüngere sich und seinen Erben alle Rechte an der pfälzischen Kur vor, wie sie bis auf den heutigen Tag hergebracht seien, ohne daß denselben die Gewere an der Kur, welche der Ältere jetzt habe und in Zukunft haben werde, schädlich sein solle. Sollte einer von beiden mit Hinterlassung noch unmündiger Lehnserben verscheiden, so soll der Überlebende die Vormundschaft über dieselben führen, insbesondere in bezug auf das Kurrecht, für welches die Vormundschaft bis zum vollendeten 18. Jahre des ältesten Erben daure. Denn dieses Alter habe der Kaiser zu einem gesetzlichen Mündigkeitsalter in Hinsicht der Kur gemacht.

Das Verständnis dieser Bestimmungen wird dadurch erschwert, daß ihre Fassung den Anschein erweckt, als ob in bezug auf Erbrecht und Vormundschaft beide Parteien ganz gleich gestellt wären; während doch das Erbe an der Kur und die Vormundschaft über Kurprinzen nur Ruprecht dem Jüngeren zuteil werden konnte. Zeigt sich schon hierin ein Überwiegen der Vorteile für den jüngeren Ruprecht, so tritt das in noch auffallenderer Weise hervor in dessen Vorbehalt für den Fall, daß der ältere Ruprecht bei seinem Tode doch noch Erben hinterlassen sollte. Ihnen gegenüber verzichtet der Neffe keineswegs auf das Kurrecht, welches er nur dem Oheim für dessen Lebenszeit zugestanden hat.

Zur Erklärung der Eigenart dieser Bestimmungen genügt es, darauf hinzuweisen, daß der Form nach kein zweiseitiger Vertrag vorliegt, sondern nur eine Erklärung des jüngeren Ruprecht darüber, daß er unter gewissen Bedingungen und Einschränkungen das Kurrecht seines Oheims anerkenne. Die [160] Anerkennung seines Kurrechts für seine Lebenszeit mochte dem Oheim wertvoll genug erscheinen, um dagegen dem Neffen einen vorteilhaften Erbvertrag zuzugestehen. Dessen Vorbehalt für den Fall, daß der Oheim bei seinem Tode Lehnserben hinterlasse, mochte gegenüber dem eben erlassenen Gesetz über die Primogeniturfolge in die weltlichen Kurfürstentümer ziemlich belanglos erscheinen, da bei einem künftigen Streit um die Kur voraussichtlich doch nur auf Grund der Goldenen Bulle zu Gunsten der Lehnserben des älteren Ruprecht entschieden werden würde. Den Charakter eines zweiseitigen Vertrages aber erhielt die Erklärung Ruprechts des Jüngeren nur in gewissem Sinne dadurch, daß der ältere Ruprecht der Erklärung und deren Beurkundung und Bestätigung nicht widersprach.

Gekrönt wurden die Bestrebungen, das Kurrecht Ruprechts des Älteren zu sichern und auch für die Zukunft jeden Streit um dasselbe nach Möglichkeit auszuschließen, durch das Weistum der Kurfürsten über die pfälzische Kur vom 7. Januar 1356.[167] Wenn dieses Weistum in entsprechender Weise auch über die brandenburgische Kur gefunden wurde, so dürften doch gerade die auch durch den Vergleich vom 27. Dezember nicht ganz ausgeschlossenen Zweifel über das Schicksal der pfälzischen Kur den Hauptanlaß zu diesen Weistümern gegeben haben. Die Voraussetzung für jenen Vorbehalt trat aber in der Folgezeit nicht ein, und so fehlte es an jedem Anlaß zu erneutem Streit um die pfälzische Kur. Als Ruprecht I. erst nach langer Regierung im Jahre 1390 ohne Hinterlassung von Lehnserben verstarb, folgte entsprechend den Festsetzungen vom 27. Dezember 1355 ihm Ruprecht der Jüngere in Fürstentum und Kurrecht nach.

Auch bezüglich der brandenburgischen Kur war die Frage, wer ihr allein berechtigter Inhaber sei, nicht ganz einfach zu beantworten; wenngleich Karl IV. durch das Fallenlassen des falschen Waldemar und die Wiederbelehnung der wittelsbachischen Brüder mit der Mark und der Kurwürde im Februar 1350 die größte Verwirrung beseitigt hatte. Er verlieh damals die Mark mit Kur und Erzkämmereramt den Brüdern Ludwig dem Älteren, Ludwig dem Römer und Otto gemeinsam, doch [161] in der Weise, daß der älteste Bruder die Kurstimme führen sollte.[168] Als dann im November desselben Jahres der Teilungsvertrag durch den Schiedsspruch des Pfalzgrafen Ruprecht des Älteren zustande kam, wurde zunächst auf 6 Jahre dem ältesten Bruder das Kurrecht belassen; obwohl er nicht die Mark, sondern Bayern erhielt.[169] Diese der alten Verbindung des Kurrechts mit der Brandenburger Mark widerstreitende Ordnung wurde aber schon am 24. Dezember 1351 durch den endgültigen Teilungsvertrag von Luckau beseitigt.[170] Nunmehr wurde bestimmt, daß Ludwig der Römer und Otto mit den Marken Brandenburg und Lausitz auch das Erzkämmereramt und die Kurwürde für sich und ihre Erben behalten sollten, und nur für seine Lebensdauer behielt Ludwig der Ältere sich selbst, nicht auch seinen Erben, eine Teilnahme an der Ausübung des Kurrechts in der Weise vor, daß er mit seinem Bruder wie ein Mann denselben Mann zum König wählen wolle: „er mit uns und wir mit ihm wie ein Mann“. Damit kann nach Lage der Sache nicht gemeint sein, daß Ludwig der Ältere sich eine Teilnahme an dem Akte der Wahl vorbehalten wollte, sondern nur, daß Ludwig der Römer sich vor der Abgabe seiner Stimme zu Gunsten eines Kandidaten der Zustimmung des älteren Bruders versichern sollte.

In seltsamster Weise hat Harnack[171] die Bestimmungen des Luckauer Vertrages mißverstanden. Indem er verkennt, daß nicht Ludwig der Römer, sondern Ludwig der Ältere der Aussteller der überlieferten Vertragsurkunde ist, bezieht er auf den jüngeren Ludwig, was von dem älteren gesagt wird, und umgekehrt. So kommt er zu dem Schluß, daß Ludwig der Ältere sich und seinen Erben das Kurrecht vorbehalten und Ludwig dem Römer und Otto nur für deren Lebenszeit eine Anteilnahme an der Kur gewährt habe, obwohl diese doch die Mark Brandenburg allein behalten sollten. Durch diesen Vertrag sei also aus der brandenburgischen Kur eine bayerische gemacht. In der Tat müßten wir mit Harnack die durch den Luckauer [162] Vertrag begründeten Verhältnisse als „völlig verkehrte“ bezeichnen, wenn sie in Wirklichkeit bestanden hätten. Glücklicherweise aber fand Karl IV. keineswegs so völlig verkehrte Verhältnisse vor, als er an die Regelung der brandenburgischen Kur herantrat. Die einzige Schwierigkeit bot vielmehr nur noch der von Ludwig dem Älteren im Luckauer Vertrage gemachte Vorbehalt bezüglich seiner Teilnahme an dem Kurrecht für seine Lebenszeit. Leider wissen wir nicht, wie sich Karl IV. dieser Schwierigkeit gegenüber verhalten hat; denn die Bestätigungsurkunde, welche Karl über den Vertrag von Luckau ausgestellt zu haben scheint, ist nicht erhalten. Daß ein Privileg Karls über das Kurrecht Ludwigs des Römers und seines Bruders Otto einst vorhanden gewesen ist, bezeugt das Privileg, welches der Kaiser am 3. Dezember Ludwig dem Römer zu Nürnberg ausstellte.[172] Es enthält die Bestätigung von früheren Privilegien über den Besitzstand der Brüder an Gebieten und Rechten, darunter insbesondere der Marken Brandenburg und Lausitz sowie der Kur. Ein älteres Privileg Karls, welches eine Bestätigung des Kurrechtes für die Brüder enthielt, muß demnach auf jeden Fall vorhanden gewesen sein; ob in der Gestalt einer Bestätigung des Luckauer Vertrages, was am wahrscheinlichsten ist, oder als besonderes Privileg über das Kurrecht, muß dahingestellt bleiben. So viel aber steht fest, daß der Kaiser und die Kurfürsten zu Nürnberg und ihnen gegenüber auch Ludwig der Römer selbst die Vorbehaltsrechte des älteren Ludwig völlig unbeachtet lassen.

Weder das kaiserliche Privileg vom 3. Dezember, noch der am gleichen Tage von dem Römer dem Kaiser ausgestellte Lehns- und Huldigungsrevers[173], und ebensowenig das Kurfürstenweistum vom 7. Januar erwähnen die Rechte des älteren Ludwig mit einem Worte. Wenn trotzdem Ludwig der Römer am 1. Januar zu Nürnberg eine Urkunde ausstellt über einen mit seinem älteren Bruder geschlossenen Vertrag[174], dessen erster Artikel besagt, daß es in bezug auf die Kur bei den Bestimmungen des „Teilbriefes“, d. h. eben jenes Luckauer Vertrages, [163] bleiben sollte, so ist das mit der sonstigen Ignorierung des Vorbehalts Ludwigs des Älteren nur durch die Annahme zu vereinigen, daß jener Vorbehalt mit der Anerkennung Ludwigs des Römers als des allein zur Führung der brandenburgischen Kurstimme Berechtigten nicht für unvereinbar galt. Vereinbar aber war beides wohl nur so, daß man das Zugeständnis des jüngeren Bruders, einen König nur im Einverständnis mit dem älteren wählen zu wollen, nur als eine interne Hausangelegenheit betrachtete, welche an der Tatsache nichts ändern konnte, daß der jüngere Bruder nach außen hin allein als Inhaber der brandenburgischen Kurstimme galt. Die zahlreichen Konzessionen, welche Ludwig der Ältere gerade jetzt in anderen Dingen erhielt, mochten den Zweck haben, ihn von einer jener Auffassung seines Rechtes an der brandenburgischen Kur widerstreitenden Geltendmachung seines Anteils zurückzuhalten. Sie waren vielleicht der Preis, um welchen Ludwig der Ältere auf einen Einspruch gegen die feierliche Proklamation des alleinigen Kurrechtes seines jüngeren Bruders verzichtete. Diese war schon durch das Privileg und den Revers vom 3. Dezember vorbereitet, indem beide Aktenstücke von der stillschweigenden Voraussetzung ausgehen, daß nur Ludwig der Römer allein der zeitige Träger der Rechte und Pflichten eines brandenburgischen Kurfürsten sei. Das Kurfürstenweistum vom 7. Januar, gleichen Inhalts wie das gleichzeitige für Ruprecht den Älteren, erkannte ihn allein an und schloß jeden von dem Anspruch auf die Brandenburger Kur aus, der nicht im rechtmäßigen Besitze des Kurlandes Brandenburg war. Damit war jedem Versuch Ludwigs des Älteren, auf Grund des Luckauer Vertrages Ansprüche auf einen wirklichen Anteil am Kurrecht zu erheben, von vornherein der reichsgesetzliche Boden entzogen. War die Bestimmung jenes Vertrages über das Kurrecht mit der reichsgesetzlichen Regelung desselben wohl in Einklang zu bringen, wenn man sie auf eine nach außen gar nicht hervortretende, den Inhaber des Kurrechts nur privatim bindende Zustimmung Ludwigs des Älteren deutete, so stand dieselbe doch in Widerspruch mit der durch den Wahleid der Goldenen Bulle geforderten vollen Unabhängigkeit der Kurstimme. Doch lag vielleicht eine so strenge Interpretation der Auffassung jener Zeit fern, und außerdem konnte man über diesen Widerspruch leichter [164] hinwegsehen, weil Ludwigs des Älteren Recht mit seinem Tode erlosch; wie es denn ja auch in Wirklichkeit bei seinen Lebzeiten zu keiner Königswahl mehr gekommen ist.

So war die Frage, welche der Kaiser bei Eröffnung des Nürnberger Tages gestellt hatte, wer unter den Laien Kurfürst sei, vollständig entschieden, und zwar nach einem Prinzip entschieden, welches Karl selbst schon seit längerer Zeit bei seinen Bestrebungen, jene Frage ihrer Lösung entgegenzuführen, praktisch betätigt hatte, daß nämlich nur der das Kurrecht haben solle, der das Fürstentum, auf welchem die Kur beruhe, rechtmäßig besitze. Dieses Prinzip lag der Anerkennung des alleinigen Kurrechts Ruprechts I. am 22. Mai 1354, und ebenso der wahrscheinlich schon früher ergangenen und am 3. Dezember 1355 nur wiederholten Anerkennung Ludwigs des Römers zu Grunde. Für die Entscheidung über die streitige sächsische Kur konnte Karl nicht in gleicher Weise den Besitz des Kurlandes entscheiden lassen, weil hier ja gerade streitig war, welcher Teil der sächsischen Länder als Träger des Kurrechts zu gelten habe. Karl erkannte das Haupt der Wittenberger Linie, Herzog Rudolf den Älteren, der ihn selbst und seinen Großvater gewählt hatte, als rechtmäßigen Inhaber der Erzmarschallwürde und des sächsischen Kurrechts, und damit zugleich das Gebiet des Herzogtums Sachsen-Wittenberg als das sächsische Kurland an.

Es war ein Beweis von Karls staatsmännischem Scharfblick, und ich möchte fast sagen, historischem Instinkt, daß er die ursprüngliche Grundlage, auf welcher einst die Theorie den Gedanken vom weltlichen Kurrecht aufgebaut hatte, in voller Reinheit wieder zur Anerkennung zu bringen suchte. Die im Sachsenspiegel ausgeführte Theorie gründete das weltliche Kurrecht auf das Erzamt und dieses auf das Fürstentum, welches somit die Grundlage für beides bildete. Diese Grundlage war aber mehr und mehr in Vergessenheit geraten, indem die kurfürstlichen Geschlechter sich gewöhnten, wie das Fürstentum, so auch Erzamt und Kurrecht als einen Gesamtbesitz ihres Hauses anzusehen, über welchen sie im wesentlichen frei wie über Privateigentum verfügen könnten. Die Schicksale, welchen die pfälzische und die brandenburgische Stimme durch die Hausverträge der Wittelsbacher ausgesetzt worden waren, zeigten, welche Gefahren aus einer solchen Behandlungsweise dem Kurrecht erwuchsen. [165] Es konnte von seiner territorialen Grundlage gänzlich abgedrängt und zu einem rein persönlichen Vorrechte werden, und wer wie Karl in den Kurfürsten die Grundfesten und die Säulen des Reichs erblickte, der vermochte die Gefahr zu würdigen, welche dem Kurfürstentum drohte, wenn es von der sicheren territorialen Grundlage losgelöst wurde. Es entsprach seinen auf die Konsolidierung der kurfürstlichen Gewalt gerichteten Bestrebungen, wenn Karl, nachdem er als allein berechtigte Inhaber der weltlichen Kurstimmen je einen Fürsten, und zwar immer denjenigen, der im Besitze des Fürstentums und des Erzamtes war, auf welchem nach der hergebrachten Rechtsanschauung die einzelnen Kurstimmen ruhten, anerkannt hatte, darauf bedacht war, die Zersplitterung der kurfürstlichen Gewalten auch für die Zukunft zu verhüten. Zuerst ordnete er in den mehrerwähnten Privilegien für Sachsen vom August und Oktober 1355 die Individualsuccession in das Kurrecht nach dem Prinzip der Primogeniturfolge an; doch durften wir vermuten[175], daß den fraglichen Bestimmungen bereits ein allgemeines Formular zugrunde lag, nach welchem allen weltlichen Kurfürsten derartige Successionsprivilegien erteilt werden sollten. Statt dessen erfolgte durch c. VII der Goldenen Bulle eine entsprechende gesetzliche Regelung für die Kurfürstentümer überhaupt.

Damit war nun aber zunächst nur die Zersplitterung des eigentlichen Kurrechts, von „ius, vox et potestas eligendi Romanorum regem“, unter mehrere Erben verhütet, nicht auch die der kurfürstlichen Gebiete, und ebensowenig die völlige Loslösung des Kurrechts von der für die Gegenwart wiederhergestellten territorialen Grundlage. Hier klaffte eine Lücke in dem Gesetze, auf welche man aber erst aufmerksam wurde, nachdem das Nürnberger Gesetzbuch zur Publikation am 6. oder 7. Januar fertiggestellt war. Ob nun die Wahrnehmung dieser Lücke die Veranlassung gab zu der Urteilfindung über die pfälzische und die brandenburgische Kur am 7. Januar, oder ob umgekehrt die Lücke erst bei Gelegenheit der Urteilfindung entdeckt wurde, müssen wir dahingestellt sein lassen. Jedenfalls wurden die Weistümer formell die Grundlage für das Nachtragskapitel [166] XX der Goldenen Bulle, durch welches für alle Kurfürstentümer die dauernde Untrennbarkeit der Kurrechte von den Kurlanden festgesetzt wurde.

Von besonderem Interesse ist die Grundlage, auf welcher der Kaiser die gesetzliche Konsolidierung der kurfürstlichen Gewalt vollendete. Zu der Zeit, als das Kurfürstenkollegium zum Abschluß kam, nach der Mitte des 13. Jahrhunderts, galt als wichtigstes Organ für die Feststellung des gesamten Reichsrechts der Reichshof, die curia regis, d. h. die am Hofe des Königs unter dessen Vorsitz oder dem seines Vertreters versammelten Fürsten und Großen; so wurden von diesem Reichshofe wohl auch alle etwa über das Recht der Kurfürsten auftauchenden Fragen entschieden. Eine Zeitlang schien es danach, als ob die päpstliche Kurie in Fragen des Kurrechts zur entscheidenden Instanz werden sollte, bis dann die Ereignisse des Jahres 1338 den Zusammenschluß der Kurfürsten zu einer Genossenschaft herbeiführten, welche kraft eigenen Rechts die Wahrung der Ehre und der Rechte des Reichs und der Kurfürsten beanspruchte. Dieser sog. Kurverein von Rense bedeutete den prinzipiellen Ausschluß der päpstlichen Kurie von der Entscheidung über Fragen des Kurrechts und schloß ebenso die freie Verfügung über Kurrechte durch Hausverträge der kurfürstlichen Familien aus. Unter stillschweigender Anerkennung des auf dem Boden des Kurvereins stehenden Kaisers entwickelten jetzt die Kurfürsten das Admissionsrecht, d. h. das Recht, über die Zulassung einer Person zur Teilnahme an den Beratungen und Abstimmungen ihres Kollegiums und somit über deren Anerkennung als Kurfürst zu beschließen, und brachten mit Hilfe dieses Rechtes den Grundsatz zu Geltung, daß es nur sieben Kurfürsten geben, und infolgedessen für jede Kur nur eine Person als Kurfürst zuzulassen und anzuerkennen sei. Die neue kurfürstliche Autonomie in Fragen des Kurrechts kommt seit August 1338 in einer Anzahl kurfürstlicher Urkunden zum Ausdruck, die sich auf die Regelung des pfälzischen Kurrechts beziehen.

Karl IV. hat dann entsprechend seiner auf Stärkung der Stellung der Kurfürsten überhaupt gerichteten Tendenz die kurfürstliche Autonomie noch weiter befestigt. Schon bei Gelegenheit einer am 3. Dezember 1353 vor ihm im Hofgericht zu [167] Speier gepflogenen Verhandlung[176] erkannte er an, daß die Kurfürsten allein befugt seien, über Fragen, die ihre Rechte betreffen, zu entscheiden. Der Rheinpfalzgraf Ruprecht behauptete in jener Verhandlung, daß er als Kurfürst das Recht der ausschließlichen Gerichtsbarkeit in Klagen gegen seine Vasallen besitze, und berief sich dafür auf ein Urteil der Kurfürsten. Karl, der als Kurfürst selbst Partei in dieser Sache war, gab den Vorsitz an seinen Hofrichter ab, indem er ihm den Gerichtsstab übergab, und zog sich dann mit den übrigen Kurfürsten zu einer Beratung zurück. Auf Grund des von den Kurfürsten gefundenen Weistums, daß wirklich allen Kurfürsten jenes vom Pfalzgrafen beanspruchte Recht zustehe, verkündete dann der König das Urteil.

Wenn Karl IV. trotzdem die Anerkennung des Kurrechts Ruprechts I., Rudolfs von Sachsen und Ludwigs des Römers zunächst durch Erteilung von Privilegien vollzog, so ist das nicht unvereinbar mit der Anerkennung der kurfürstlichen Autonomie, der gegenüber dem Könige auf Grund seines allgemeinen Rechtes auf Gesetzgebung und Privilegienerteilung ein bis zu einem gewissen Grade konkurrierendes Recht zustand. Die Anerkennung eines Kurfürsten durch königliches Privileg mußte bei der Stellung, die dem Könige in der Reichsverfassung immer noch zukam, einen sehr hohen Wert haben, sie konnte von ausschlaggebender Bedeutung sein; zur Durchführung des dadurch begründeten Rechtes aber bedurfte es der Anerkennung und Zulassung durch das Kurfürstenkollegium selbst. Das gilt für die Zeit Karls IV. schon genau so, wie es um das Jahr 1700 galt. Die Ergänzung der Verfügung des Königs konnte nun in der auch für andere Reichsangelegenheiten üblichen Weise durch Willebriefe der Kurfürsten erfolgen, und solche hat denn auch Karl IV. bei seiner Anerkennung des Kurrechtes Ruprechts I. zu beschaffen gesucht und zum Teil vielleicht auch erlangt. Das gleiche Verfahren scheint er auch noch bei Erteilung der Privilegien über die sächsische Kur bis zum 29. Dezember 1355 geplant zu haben; wie wir das aus dem Umstande schließen dürfen, daß Karl der an jenem Tage ausgestellten Ausfertigung dieser Privilegien gleich seinen Konsens als König [168] von Böhmen und Kurfürst hinzufügte, was entsprechende Willebriefe der andern Kurfürsten voraussetzt. Zur Ausstellung dieser Willebriefe ist es aber anscheinend nicht mehr gekommen. Hierfür spricht schon der Umstand, daß kein einziger solcher Willebrief erhalten ist, mehr aber noch, daß jene Urkunde Gerlachs von Mainz vom 2. Januar 1356 bezeugt, daß über das Kurrecht des Herzogs Rudolf von Sachsen von Kaiser und Kurfürsten ein Weistum gefunden wurde, welches sich inhaltlich fast ganz mit dem Privileg deckte. Mehr oder weniger gleichlautende Urkunden stellten dann auch die Kurfürsten von Köln, Trier und Brandenburg am 8. und 9. Januar aus. Eine entsprechende Urkunde des Pfalzgrafen Ruprecht I. ist vielleicht nur nicht überliefert. Offenbar sollte der Gesamtwillensakt des Kurfürstenkollegiums und dessen Beurkundung durch die einzelnen Kurfürsten die Zustimmung mittels der Willebriefe ersetzen. Als es weiter galt, auch das Kurrecht Ruprechts I. und Ludwigs des Römers nochmals anzuerkennen, verzichtete der Kaiser ganz auf die Ausstellung neuer Privilegien und begnügte sich, an dem Akte der Urteilfindung über das Kurrecht der beiden Fürsten im Kreise der Kurfürsten teilzunehmen und wie diese das Urteil zu beurkunden. Hier ist also das von Kaiser und Kurfürsten gefundene und beurkundete Weistum ganz an die Stelle von Privileg und Willebriefen getreten. Sehen wir dann, wie der Kaiser gleichzeitig mit jenen beiden Weistümern für Pfalz und Brandenburg am 7. Januar sich die Rechte des Böhmenkönigs in Hinsicht seiner Landeshoheit durch ein Weistum der Kurfürsten bestätigen und dasselbe von ihnen beurkunden ließ, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß Karl diese neue Form der Anerkennung für den geeigneten Ausdruck der kurfürstlichen Autonomie hielt.

Karl IV. hat die Kurfürstenweistümer und ihre Anwendung zur Entscheidung wichtiger Fragen des Reichsrechts und speziell des Rechts der Kurfürsten nicht erst erfunden. Ja, dürfen wir den Worten des Renser Weistums trauen, und ich sehe keinen Grund zu Zweifeln, so war die Weistumfindung im Kurfürstenkolleg schon vor dem Abschluß des Kurvereins von Rense im Juni 1338 Sitte.[177] Es entspricht aber Karls Anschauungen [169] von der Bedeutung der Kurfürsten und von der Stellung des Kurfürstenkollegs in der Reichsverfassung, daß er die Kurfürstenweistümer, gewiß die denkbar feierlichste Form der Bekundung des Gesamtwillens der Kurfürsten, in Anwendung brachte, als es sich darum handelte, die wichtigsten Fragen des Kurrechts entscheiden zu lassen, um auf der Grundlage dieser Entscheidungen die Kodifikation des Kurrechtes in der Goldenen Bulle zu errichten.

Nachdem die feierliche Verkündigung des Nürnberger Gesetzbuches am 10. Januar 1356 erfolgt war, wurde der Reichstag vielleicht formell geschlossen, die Versammlung aber nicht entlassen. Wie wir sahen, urkundeten der Kaiser und die Kurfürsten noch am 12. Januar[178], und ersterer nochmals am 13. Januar zu Gunsten des Straßburger Bischofs zu Nürnberg. Am 12. Januar scheint der Kaiser durch ein Gastmahl die Reihe der Festlichkeiten geschlossen zu haben; wenigstens bezeugt das Trierer Rechnungsbuch, daß Erzbischof Boemund durch eine Einladung des Kaisers zum Aufschub seiner bereits für diesen Tag angesetzten Abreise genötigt wurde.[179] Am 13. Januar verließ Karl die Stadt und begab sich nach Sulzbach, wo er einige Zeit verweilte und eine Anzahl Urkunden ausstellte, welche noch im Zusammenhange mit der Nürnberger Gesetzgebung standen.

Aus c. XII der Goldenen Bulle erfuhren wir, daß der Kaiser ursprünglich beabsichtigte, bereits vier Wochen nach Ostern zu Metz eine Versammlung mit den Kurfürsten und wohl auch mit anderen Reichsständen abzuhalten. Ob aber schon in Nürnberg in Aussicht genommen war, das Gesetzbuch in Metz zu ergänzen, wissen wir nicht und müssen wir bezweifeln. Nicht dafür spricht jedenfalls das Weistum vom 6. Dezember 1355 über die Pferde, welche die Fürsten beim Empfang ihrer Lehen geritten hatten. Wenn dieses Weistum auch später als [170] Grundlage für eine Bestimmung eines der Metzer Zusätze diente (c. XXX, § 4), so darf man daraus doch nicht schließen, daß es auch von vornherein zum Zweck der Ergänzung des Gesetzes gefunden wurde. Dürfte doch am 6. Dezember 1355 die Herstellung einer Kodifikation der kurfürstlichen Rechte, in der eine solche Bestimmung hätte Platz finden können, den Beteiligten noch ferngelegen haben.

Erst am 17. November kam der Kaiser nach Metz[180], nachdem die Einberufung der Versammlung mehrfach hatte verschoben werden müssen. Zugleich mit ihm kam Boemund von Trier, und wahrscheinlich auch die drei weltlichen Kurfürsten. Seit dem 24. November sind diese vier urkundlich dort nachweisbar, während die Erzbischöfe von Mainz und Köln am 26. noch erwartet wurden[181] und erst in der ersten Hälfte des folgenden Monats eingetroffen zu sein scheinen. Nunmehr hatte der Kaiser eine Versammlung der Kurfürsten um sich vereinigt, wie er sie im Interesse des Reichs in Nürnberg geplant hatte; er benutzte sie jetzt zunächst, um sein böhmisches Kurrecht zu wahren. Während er auf dem Nürnberger Tage durch eine Reihe von gesetzlichen Bestimmungen das Recht der Kurfürsten im allgemeinen und einzelner im besonderen gesichert und das Kurrecht der weltlichen Kurfürsten noch durch besondere Beurkundungen hatte sicherstellen lassen, war ihm nicht der Gedanke gekommen, die alten Zweifel an dem böhmischen Kurrecht durch das Gesetz oder durch eine Feststellung der Kurfürsten ausdrücklich zu beseitigen. Seitdem aber müssen ihm neue Zweifel an der Gleichberechtigung des Böhmenkönigs mit den anderen Kurfürsten in bezug auf die Königswahl oder die Behauptung, welche damals in der Literatur mehrfach hervortrat, daß der König von Böhmen überhaupt nicht Kurfürst sei, bekannt geworden sein, und das muß ihn veranlaßt haben, sich am 11. Dezember von den sechs anderen Kurfürsten gleichlautende Urkunden in deutscher und lateinischer Sprache über die völlige Gleichberechtigung des böhmischen Kurrechts ausstellen zu lassen.[182]

[171] Diese Beurkundung liegt ganz in der Richtung der Nürnberger Gesetzgebung; doch mochte der Kaiser auf eine ausdrückliche Zurückweisung jener Zweifel in einem Nachtragsgesetze wohl schon deshalb verzichten, weil dadurch ihrer Fortdauer erst recht hätte Vorschub geleistet werden können.

Was nun die Entstehung der zu Metz dem Nürnberger Gesetzbuch hinzugefügten Kapitel XXIV–XXXI betrifft, so fehlt es hier ganz an Urkunden, welche es uns ermöglichten, wie bei den Nürnberger Satzungen die Entstehungsgeschichte derselben einigermaßen aufzuhellen. Da ferner auch hier die zeitgenössischen Berichte, die nur ganz vereinzelt der Metzer Gesetzgebung kurz gedenken, völlig versagen, so sind wir allein auf den Text der Kapitel angewiesen, der immerhin einige Schlüsse auf die Entstehung derselben zuläßt.

Sehen wir ab von c. XXV, so erwecken alle einzelnen Gesetze den Eindruck, als seien sie nicht lange vor der Publikation entstanden. Kapitel XXIV ist so flüchtig aus zwei Gesetzen des Codex Justinianus zurechtgemacht und nur ganz äußerlich und unvollkommen den damaligen Verhältnissen angepaßt, daß man den Eindruck gewinnt, daß hier nicht das Ergebnis sorgfältiger Überlegung und eingehender Beratung, sondern eiligster Anfertigung vorliegt. Eine Gruppe von Bestimmungen, die sich auf das Zeremoniell bei Abhaltung großer Reichsfeste und die hierbei sowie bei Belehnungen der Fürsten den Reichshofbeamten zustehenden Einkünfte bezieht, c. XXVI–XXX, ist gewiß nicht lange vor den Festlichkeiten zu Metz zum Zweck der Einreihung in das Gesetzbuch unter Verwendung bereits vorhandener, ursprünglich selbständiger Verordnungen, c. XXVII und XXX, hergestellt worden. Es dürfte das erst geschehen sein, als man den Plan zur Abhaltung jener Festlichkeiten gefaßt hatte. Das den Schluß bildende c. XXXI scheint aber erst kurz vor Abschluß der ganzen Goldenen Bulle verfaßt zu sein. Es enthält die Verordnung über den Sprachunterricht der Kurprinzen, die in eine Linie gehört mit der ebenfalls auf die Sicherung der Geschäftsfähigkeit der Mitglieder des Kurfürstenkollegiums gerichteten Bestimmung über den Ausschluß der Regierungsunfähigen von der Kurwürde in c. XXV. An den Schluß kann die Verordnung nur gestellt sein, weil sie erst nach Zusammenstellung der übrigen Gesetze entstanden war; [172] denn inhaltlich hätte sie zu c. XXV gehört, nicht aber hinter die so ganz heterogene Dinge enthaltenden Kapitel XXVI–XXX.

Eine sehr wichtige und sachgemäße Ergänzung zu den in c. VII und XX getroffenen Anordnungen für die Konsolidation der Kurfürstentümer enthält c. XXV. Es macht ganz den Eindruck eines gut vorbereiteten Gesetzes, in welchem wir vielleicht das älteste der für die Ergänzung des Nürnberger Gesetzbuches bestimmten Stücke erblicken dürfen.

Über den Akt der Publikation der Metzer Gesetze berichtet die Notiz, welche sich im böhmischen und von anderer Hand nachgetragen auch im Mainzer Exemplar der Goldenen Bulle vor c. XXIV findet und folgenden Wortlaut hat[183]: Infrascripte leges promulgate sunt in curia Metensi per dominum Karolum quartum Romanorum imperatorem et Boemie regem augustum, anno Domini millesimo trecentesimo quinquagesimo sexto, in die nativitatis Christi, assistentibus sibi omnibus sacri Romani imperii electoribus, presentibus dominus venerabili in Christo patre domino T(alayrandio) episcopo Albanensi sancte Romane ecclesie cardinali ac Karolo regis Francie primogenito Normandie duci illustri ac delphino Wiennensi.

Die Notiz gehört nicht eigentlich dem Texte des Gesetzes selbst an, hat aber doch den Charakter einer amtlichen Nachricht. Ihre Herkunft dürfte in der kaiserlichen oder in der mainzischen Kanzlei zu suchen sein. Wir erfahren hier, daß die Gesetze auf dem Hofe zu Metz am Weihnachtstage 1356 vom Kaiser unter Mitwirkung der Kurfürsten und in Gegenwart des Kardinallegaten und des Herzogs von der Normandie und Delphins von Vienne, Karl, ältesten Sohnes des Königs von Frankreich, veröffentlicht waren. Ebensowenig wie bei der Publikation des Nürnberger Gesetzbuches wird uns hier berichtet, ob die Gesetze durch Verlesen bekanntgemacht wurden, da der gewählte Ausdruck promulgate sunt keinerlei Schluß in dieser Richtung zuläßt. In dem am 17. März 1363 den Burggrafen von Nürnberg über ihre Erhebung in den Reichsfürstenstand [173] ausgestellten Privileg[184] wird die Goldene Bulle bezeichnet als das geseczze, das wir vormals zu Metz mit der fursten rat gemachet, vorschriben und vorsigelt haben. In der lateinischen Ausfertigung heißt es entsprechend: lege imperiali seu statuta, quam vel quod pridem in civitate nostra Metensi de consilio principum fecimus et conscribi atque sigillari mandavimus. Da keins der erhaltenen Exemplare einen Vermerk über eine zu Metz vorgenommene Beratung, Ausfertigung und Besiegelung der Goldenen Bulle enthält, so muß der Verfasser dieser Privilegientexte hier aus seiner eigenen oder seines Auftraggebers Kenntnis berichtet haben. Dadurch aber wird sehr wahrscheinlich, daß zu Metz eine eigentliche Verkündigung, d. h. eine Verlesung des ganzen Textes nicht stattgefunden hat, da dies der Verfasser wohl ebenso erwähnt haben würde wie die Beratung, Aufzeichnung und Besiegelung. Allzugroßes Gewicht freilich dürfen wir dem Bericht dieser Privilegien über unser Gesetz nicht beilegen, da sie in ihren Angaben, wie wir später sehen werden, zwei grobe Mißverständnisse enthalten.

Im Gegensatz zu allen übrigen chronikalischen Quellen, welche zum Teil sehr ausführlich von den prunkvollen Festlichkeiten des Weihnachtstages 1356 erzählen, berichtet nur eine von der Gesetzespublikation.[185] Es ist Lewolds von Northof Chronik der Grafen von der Mark[186], wo es heißt: ibidem (auf dem Metzer Tage) imperator fecit publicari multas constitutiones per se ipsum editas. Hier wird gesagt, der Kaiser habe die von ihm gegebenen Gesetze dort veröffentlichen lassen. Das sieht fast so aus, als sollte das heißen, die Gesetze seien zu Metz öffentlich bekanntgemacht, also entweder durch Anschlag oder durch Verlesung im Wortlaut publiziert. Wir dürfen aber auch diesen Worten nicht den Charakter eines selbständigen Berichtes eines Augenzeugen beilegen, denn Lewold [174] war allem Anschein nach nicht in Metz anwesend, sondern schöpfte seine Kenntnis wohl hauptsächlich aus einem Exemplar der Goldenen Bulle. Daß ihm ein solches vorlag, stellen seine eigenen Angaben ganz außer Zweifel; er teilt nicht nur den genauen Wortlaut des c. XVII mit, sondern bemerkt auch, daß das ganze Gesetz mit den Worten In nomine domini Amen usw. bis Ad perpetuam rei memoriam beginne und nach vielen andern Bestimmungen die von ihm mitgeteilte Stelle enthalte. Demnach hat er selbst ein Exemplar der Goldenen Bulle gesehen und benutzt. Aus dem Inhalte desselben hätte er dann auch Zutreffendes über Ort und Zeit der Publikation der Gesetze erfahren können.

Dieser Tatsache gegenüber ist nun doppelt merkwürdig, daß Lewold die ganze Goldene Bulle und insbesondere auch das c. XVII für das Ergebnis des Metzer Reichstages hält. Aus dem Exemplare allein konnte er kaum diese Anschauung gewinnen. War es ein solches, welches die Überschrift des Metzer Teils enthielt, so mußte er aus ihm doch ersehen, daß c. XVII nicht zu den zu Metz entstandenen Stücken gehörte; war es aber ein Exemplar, welches jene auf die Metzer Zusätze bezügliche Überschrift nicht enthielt, so konnte er daraus gar nichts von einer Gesetzgebung zu Metz erfahren.

Die Sache dürfte sich am einfachsten so erklären:

Lewold sah das Exemplar wohl in einer kurfürstlichen Kanzlei, vielleicht in der kölnischen; denn zu der Zeit, wo er schrieb, waren kaum schon andere Ausfertigungen, als die, welche die Kurfürsten sich auf dem Metzer Tage hatten besiegeln lassen, vorhanden. Diese Exemplare aber, soweit sie für den Chronisten erreichbar gewesen sein dürften, sind die uns noch heute erhaltenen C, M, P und T. Jedes von ihnen aber ist in einem Zuge von einer Hand geschrieben, so daß äußerlich ein Unterschied zwischen dem Nürnberger Gesetzbuch und den Metzer Zusätzen nicht hervortritt. Die Texte können also erst auf dem Metzer Tage, jedenfalls nicht früher geschrieben und besiegelt sein. Wenn nun dem Verfasser der Chronik ein solches Exemplar bald nach dem Metzer Tage gezeigt wurde mit dem Bemerken, daß dieses Exemplar auf dem Metzer Tage geschrieben und besiegelt sei, so konnte er leicht in den Irrtum verfallen, daß das ganze Gesetz und also das ihn besonders [175] interessierende Kapitel De diffidacionibus erst auf dem Reichstage zu Metz erlassen sei.

Ist so der Bericht Lewolds nicht geeignet, eine feierliche mündliche Verkündigung des Textes der gesamten Goldenen Bulle zu bezeugen, so kann er doch die Gründe verstärken, die für die Annahme einer schriftlichen Gesamtpublikation der Nürnberger und Metzer Gesetze sprechen. Für eine solche Publikation spricht vor allem die eben charakterisierte äußere Beschaffenheit der uns überlieferten vier kurfürstlichen Exemplare. Sie zeigen, daß nach Bekanntgabe der Metzer Gesetze Abschriften der ganzen Gesetzgebung durch Besiegelung mit der Goldbulle des Kaisers zu authentischen Exemplaren gemacht wurden. Daß dies auf dem Reichstage zu Metz und nicht erst später geschah, ist gewiß an sich wahrscheinlich genug, wird aber wenigstens für das eine Exemplar, welches Lewold von Northof bald nach dem Metzer Tage benutzt haben muß, fast zur Gewißheit gemacht.[187] Damit stimmt denn auch, was die Privilegien für die Burggrafen von Nürnberg besagen. Nach den oben mitgeteilten Stellen sollen die Gesetze, darunter auch das speziell genannte Kapitel über das Bergregal, c. IX, welches zu Nürnberg entstanden war, zu Metz geschrieben und besiegelt sein. Die Publikation dürfte also in der Vorlegung eines Exemplars des ganzen Gesetzgebungswerkes in feierlicher Versammlung und in der Ermöglichung der Herstellung von Abschriften und deren Besiegelung bestanden haben. Das ist eine nach unsern Begriffen sehr beschränkte Publikation, die aber doch schon hinausging über das, was in dieser Hinsicht zu Nürnberg geschehen zu sein scheint. Dort scheint man sich mit der Vorlegung des fertigen Gesetzbuches im wesentlichen begnügt zu haben; wenigstens haben wir keine Spur davon, daß Abschriften für die Kurfürsten damals entnommen wurden, und was wir aus der Tatsache der Erteilung der beiden Privilegien für die Kölner Kirche und aus der Beschaffenheit dieser Privilegien schließen konnten, spricht geradezu gegen die Entnahme solcher Abschriften und deren Beglaubigung durch Anhängung des kaiserlichen Siegels.

Welches Exemplar bei der feierlichen Promulgation der [176] Gesetze zu Metz gebraucht wurde, wissen wir nicht. Daß es aber nicht, wie Harnack glaubte, die jetzt in dem sog. böhmischen Exemplar befindliche Abschrift der Metzer Gesetze B 2 gewesen sein kann, hat Th. Lindner[188] überzeugend dargetan. Unabhängig davon ist die Frage nach der Vorlage der kurfürstlichen Exemplare. Für die Metzer Zusatzkapitel ist uns kein Text überliefert, der hierfür in Frage kommen könnte. Für den Nürnberger Teil kann in Betracht kommen einerseits der ursprüngliche Bestandteil des böhmischen Exemplars B 1, andererseits der nur erschlossene Text des zur Herstellung der beiden Kölner Privilegien benutzten Kanzleiexemplars.

Zwei der kurfürstlichen Exemplare, das Mainzer M und das Pfälzer P, stehen B 1 näher, mit dem sie namentlich einige auffallende Fehler gemein haben, welche die beiden andern kurfürstlichen Exemplare, das Kölner C und das Trierer T, vermeiden.[189] Aber aus B 1 selbst können M und P nicht abgeleitet sein, da sie im einzelnen doch zu oft von diesem Texte abweichen. Aus den durch diese Sachlage sich ergebenden Schwierigkeiten bleibt als einziger Ausweg wohl nur die Annahme, daß für M und P einerseits und für C und T andererseits zwei verschiedene in der kaiserlichen Kanzlei vorhandene Exemplare als Vorlage benutzt seien. Eins dieser Exemplare muß dann B 1 näher gestanden haben und kann auch dessen Vorlage gewesen sein; das andere mag dagegen zugleich die Vorlage von C und T sowie der Kölner Privilegien gebildet haben. Beide Exemplare könnten etwa im Verhältnis von Konzept und Reinschrift zueinander gestanden haben, wobei man dann wohl am ehesten die Vorlage von B, P und M als die Reinschrift, die andere als Konzept ansehen könnte.

Für den Metzer Teil der Goldenen Bulle dürften ebenfalls zwei verschiedene Vorlagen für die Herstellung der kurfürstlichen Exemplare benutzt sein. Wie schon früher erwähnt wurde, [177] enthält nur M die jetzt als § 3 des c. XXIX gezählte Bestimmung an ihrem ursprünglichen Platze am Ende von c. XXX. Vielleicht ist M nach dem Konzept geschrieben, während den übrigen Exemplaren eine in bezug auf die Stellung jener Bestimmung veränderte Reinschrift zugrunde gelegt sein mag. Weder die eine noch die andere dieser Vorlagen aber dürfte die Überschrift der Metzer Gesetze enthalten haben, welche sich in M sowie in B 2 und in F findet. Sie wurde wohl erst zum Behuf jener Sonderausfertigung der Metzer Gesetze verfaßt, auf der sowohl B 2 als auch der Metzer Teil von F beruhen. Wohl erst bei dieser Gelegenheit wurde die Überschrift auch in ein Kanzleiexemplar eingetragen, aus dem sie dann nachträglich dem Mainzer Exemplar eingefügt wurde und auch in die private abschriftliche Überlieferung gelangte, die zum Teil auf einem solchen Exemplar zu beruhen scheint.

Die Fehlerhaftigkeit aller durch Besiegelung in der kaiserlichen Kanzlei beglaubigten authentischen Exemplare und der daraus zu erschließende Zustand der in der Kanzlei selbst hergestellten und der Vervielfältigung zu Grunde gelegten Texte zeugen von einem hohen Grade von Sorglosigkeit. Diese Sorglosigkeit macht sich in besonders auffälliger Weise bemerkbar in dem Mangel an Ordnung und Geschlossenheit, den die Goldene Bulle nach Hinzufügung der Metzer Zusätze aufweist. Sehen wir von dem Fehlen des Rubrikenverzeichnisses in C, P und T ab, so beginnt das Gesetz mit dem Nürnberger Gesetzbuche in unveränderter Gestalt, dem dann die Metzer Kapitel mit oder ohne jene besondere Überschrift angefügt sind, ohne daß man daran gedacht hätte, sie auch äußerlich in eine organische Verbindung mit dem älteren Teile zu bringen. Auf die Hexameter folgt also das Kapitelverzeichnis, welches sich aber nur über den Nürnberger Teil erstreckt, darauf das Proömium, das gleichfalls nur zu dem Nürnberger Gesetzbuch gehört. Dann folgen die 23 Kapitel selbst. Während aber das Rubrikenverzeichnis die einzelnen Kapitelrubriken fortlaufend beziffert, hören die Kapitelzahlen im Texte selbst mit Kapitel XII auf, so daß die übrigen Kapitel nur Überschriften ohne Bezifferung tragen. Die ganz äußerlich angehängten Metzer Zusätze aber tragen weder Kapitelzahlen, noch auch, von zwei zufälligen Ausnahmen abgesehen, Überschriften.

[178] Aus den vorstehenden Ausführungen in Verbindung mit den weiter oben S. 145 ff. gegebenen folgt, daß nicht nur keins der überlieferten durch Besiegelung ausgefertigten Exemplare als das eigentliche Original der Goldenen Bulle gelten kann, sondern auch, daß weder zu Nürnberg noch zu Metz irgendein Text vorhanden war, der auch nur in dem Sinne die Bedeutung eines Originals gehabt hätte, daß er offiziell als der allein maßgebende angesehen und als solcher in der kaiserlichen Kanzlei bei Abschriften und Neuausfertigungen zu Grunde gelegt wäre. Mindestens zwei verschiedene Texte wurden zur Herstellung des sog. Böhmischen, der vier kurfürstlichen Exemplare und der Kölner Privilegien verwendet. Erst im März 1358 können wir die Benutzung von B in der Reichskanzlei nachweisen und zwar bei Ausfertigung eines Privilegs über die Gerichtshoheit der Bischöfe von Straßburg. Seitdem scheint dieses Exemplar die Bedeutung eines offiziellen Exemplars der kaiserlichen Kanzlei behalten zu haben, wie seine Benutzung zu den Neuausfertigungen für Frankfurt im Jahre 1366 und später für Nürnberg zeigt.

Seit dem 18. Jahrhundert hat man mit besonderem Eifer nach dem Verfasser der Goldenen Bulle geforscht. Ein Resultat aber konnten diese Nachforschungen nicht haben, weil es einen Verfasser des Gesetzes im eigentlichen Sinne nicht gegeben hat. Friedjung hat S. 86 die richtige Antwort auf die Frage nach dem Verfasser gegeben, indem er betonte, daß Karl IV. selbst der Urheber der Grundgedanken des Gesetzes gewesen sei, sich aber zur Abfassung der einzelnen Urkunden, aus denen das Gesetz zusammengestellt ist, des ihm in seiner Kanzlei zur Verfügung stehenden geschulten Personals in gleicher Weise bedient haben werde, wie zur Herstellung seiner Urkunden überhaupt.

Wenn Friedjung ausdrücklich ablehnt, die Namen einzelner in der Kanzlei tätiger Männer in Verbindung mit dem Gesetze zu bringen und darauf verzichtet, feststellen zu wollen, welchen Anteil etwa einzelne von ihnen an dem Werke gehabt haben, so dürfte er sich damit auf den Standpunkt gestellt haben, der vorläufig der allein mögliche ist; solange nämlich es noch nicht gelungen ist, die Diktate der einzelnen Notare zu unterscheiden. [179] Schon ein Jahr nach dem Erscheinen der Ausführungen Friedjungs hat aber Nerger S. 35 eine Vermutung Palackys wieder aufgenommen, nach welcher Karls Hofkanzler, Johann von Neumarkt, Bischof von Leitomischl, der Verfasser der Goldenen Bulle sein sollte. Später hat dann Konrad Burdach S.31 den Kanzler als Mitarbeiter an dem Gesetze, „mindestens als stilistischen Redaktor“ bezeichnet und ihm S. 38 mit Bestimmtheit die Autorschaft der vorangestellten Hexameter und der poetisierenden philosophisch-staatsrechtlichen Einleitung zugeschrieben. Im Anschluß daran hat endlich Oskar Hahn S. 52 ihn als Verfasser nicht nur der Einleitung, sondern auch noch einer Anzahl weiterer Stücke der Goldenen Bulle hingestellt. Es sind das die Kapitel VII, XII, XXV und XXXI, sowie vielleicht noch XX. Sie alle sollen sich durch einen gleichartigen Stil, durch ein mehr humanistisches Gepräge vor den übrigen den gewöhnlichen mittelalterlichen Urkundenstil aufweisenden Kapiteln auszeichnen. Doch dürfte auch diese Annahme nicht nur unerweislich, sondern auch wenig wahrscheinlich sein. Wenn auch heutzutage vielfach die Neigung hervortritt, die geistige Bedeutung der Mitglieder der Kanzlei Karls IV. etwas reichlich hoch einzuschätzen, so war doch wohl der Hofkanzler nicht der einzige humanistisch Gebildete in der Kanzlei. Um seine Verfasserschaft zu stützen, wäre es nötig, durch eine sorgfältige Stilvergleichung eine nähere Verwandtschaft jener mehr humanistisch gefärbten Kapitel mit dem Stil gerade des Johann von Neumarkt zu erweisen. An sich spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß der wirkliche Leiter der Kanzlei an einem Gesetze, welches in der Kanzlei, wenn auch nicht durchweg verfaßt, so doch in ihr zusammengesetzt wurde, nicht ohne jeden Anteil war. Sehr groß aber kann dieser Anteil kaum gewesen sein. Das Gesetz ist kompiliert, wie wir sahen, aus einer Reihe ursprünglich verschiedener Bestandteile, die zum größten Teile nicht von vornherein für die aus ihnen zusammengesetzte größere Kodifikation bestimmt waren. Ein Grund zu der Annahme, daß sie gerade vom Kanzler selbst verfaßt sein sollten, ist nicht ersichtlich; bei mehreren der Stücke aber, welche erst eigens zum Zweck der Kodifikation verfaßt wurden, besteht die begründete Vermutung, daß sie nicht in der kaiserlichen Kanzlei abgefaßt sind, wie c. I, II, XVI und XVII. Liegt sonach kaum ein Anlaß zu der [180] Vermutung vor, daß Johann von Neumarkt einen hervorragenden Anteil an der Abfassung des Gesetzes selbst habe, geschweige denn dafür, daß man ihn auch im allerbeschränktesten Sinne als dessen Verfasser betrachten könnte, so bliebe doch die Möglichkeit, ihn als Verfasser des Proömiums und der vorangehenden Hexameter anzusehen. Sollte aber der Hofkanzler selbst im Drange der Reichsgeschäfte nichts Besseres zu tun gehabt haben, als Bibelstellen und Reminiszenzen aus antiken Schriftstellern zu einer Arenga zu verarbeiten und Hexameter aus allerlei Lesefrüchten zusammenzustoppeln?

Ich glaube aber auch einen Grund anführen zu können, der direkt gegen die Annahme spricht, daß Johann das Gesetzgebungswerk auch nur mit besonderer Teilnahme und Aufmerksamkeit begleitet habe.

Die feierliche und sehr ausführliche Urkunde Karls IV. vom 17. März 1363 über die Erhebung der Burggrafen von Nürnberg in den Reichsfürstenstand enthält zwei grobe Irrtümer in betreff der Goldenen Bulle. Es wird darin Bezug genommen auf die Verleihung des Bergregals in c. IX des Gesetzes. Dabei wird aber nicht nur, wie schon oben in einem andern Zusammenhange erwähnt wurde, diese bereits zu Nürnberg ergangene Bestimmung als erst zu Metz erlassen bezeichnet, sondern auch, was noch mehr ins Gewicht fällt, ihr Inhalt gänzlich mißverstanden. Während das Gesetz selbst bestimmt, daß alle Kurfürsten im Besitz des Bergregals sein sollen, legt der Verfasser der Urkunde von 1363 ihr fälschlich den Sinn unter, daß allein die Kurfürsten dieses Recht genießen sollten. Es heißt in der fraglichen Stelle: non obstante lege imperiali seu statuto, quam vel quod pridem in civitate nostra Metensi de consilio principum fecimus et conscribi atque sigillari mandavimus, videlicet quod nulli liceat montanorum vel minere prorsus habere domininm, nisi dumtaxat principibus electoribus, sicut eiusdem legis ac statuti condicio plenius declaravit. Rekognosziert hat die Urkunde Johann von Neumarkt. Da nun aber wohl anzunehmen ist, daß er die von ihm rekognoszierte Urkunde auch gelesen hat, so müssen wir schließen, daß ihm der doppelte grobe Irrtum bezüglich der Goldenen Bulle nicht aufgefallen ist; was doch notwendig hätte geschehen müssen, wenn er irgendwie näher beteiligt [181] gewesen wäre, als vor sieben Jahren das Gesetz erlassen worden war.[190]

Die feierliche Verkündigung der ganzen Goldenen Bulle am Weihnachtstage 1356 zu Metz, welche das Gesetzgebungswerk zum Abschluß brachte, und die im Urteile der Nachwelt als das Ereignis galt, welches dem Metzer Reichstage seine eigentliche Bedeutung verlieh, wurde, wie wir schon in der Einleitung hervorhoben, von den Zeitgenossen kaum beachtet, jedenfalls weit weniger als die übrigen feierlichen Handlungen jenes festlichen Tages. Ihnen stand im Mittelpunkt des Interesses das große öffentliche Prunkmahl, welches der Kaiser unter freiem Himmel auf dem Champ-à-Seille abhielt[191], an dem außer den Ständen des Reichs auch die Kaiserin, der Kardinallegat, sowie die beiden Söhne des Königs von Frankreich teilnahmen, und bei welchem die weltlichen Kurfürsten nach altem, durch die Goldene Bulle von neuem normiertem Brauche hoch zu Roß die Erzämter verrichteten, in ihrer Mitte Herzog Wenzel von Brabant, des Kaisers Bruder, durch den dieser sich als König von Böhmen in der Ausübung des Schenkenamtes vertreten ließ.[192] Ob die Publikation des Gesetzes vor oder nach dem Festmahle stattfand, wissen wir nicht; jedenfalls aber schlossen sich an dasselbe eine Anzahl feierlicher Belehnungen von Reichsfürsten an, so die des Herzogs von Sachsen, des Herzogs Wenzel von Brabant und des Herzogs Karl von der Normandie als Delphin von Vienne.

[182] Die Belehnung Herzog Rudolfs des Jüngeren mit dem Herzogtum und der Pfalz zu Sachsen gab Anlaß zur Ausstellung einer neuen feierlichen Urkunde am 27. Dezember, welche gewissermaßen als Schlußstein der auf die Sicherung des Kurrechtes der Wittenberger Herzöge gerichteten Maßregeln des Kaisers angesehen werden kann und unter dem Namen der Goldenen Bulle für Sachsen stets als eine der wichtigsten Grundlagen des sächsischen Kurrechts gegolten hat.[193] Von den zahlreichen oben S. 153 besprochenen dem sächsischen Kurrecht gewidmeten Urkunden, die vor und auf dem Nürnberger Tage ausgestellt waren, unterscheidet sich diese neue Urkunde u. a. durch die Hervorhebung des Umstandes, daß Herzog Rudolf auf dem am Tage seiner Belehnung abgehaltenen feierlichen Hofe als Erzmarschall des Reiches das Marschallamt in der herkömmlichen Weise wirklich ausgeübt habe. Wir dürfen hierin wohl eine Hindeutung auf den damals aufs neue ausgebrochenen Streit um das Recht zum Tragen des Reichsschwertes erblicken. Der Kaiser war seinem Bruder Wenzel, der dem Sachsenherzog dieses Recht streitig machte, durch eine Urkunde[194] vom gleichen Datum wie die Goldene Bulle für Sachsen weiter entgegengekommen, als sich mit dem eben verkündeten Reichsgesetz zu vertragen schien, und konnte nun dem Sachsen die Aufnahme des auf die Ausübung des Schwertträgeramtes anspielenden Passus nicht wohl verweigern. Eine Bekräftigung der Urkunde durch Willebriefe der Kurfürsten, die nur als Zeugen darin genannt werden, unterblieb; doch erwirkte Rudolf von Sachsen am 2. Januar 1357 noch eine Ausfertigung derselben Urkunde, und zwar in deutscher Sprache.[195] Damit war die Reihe der gesetzgeberischen Akte abgeschlossen, durch welche Karl IV. gemäß seinem am 25. November 1355 verkündigten Programm feststellen wollte, wer unter den Laien Kurfürst sei. So begleiteten die auf Schaffung einer sicheren Grundlage für die Kodifikation gerichteten Maßregeln diese selbst bis über deren Abschluß hinaus.

Die Festlichkeiten am Weihnachtstage bildeten den Höhepunkt des Reichstages. Noch vor Neujahr reisten der Kardinal [183] und die französischen Prinzen ab. Der eigentliche Schluß des Reichstages fand vielleicht, wie das ja auch für den vorjährigen ursprünglich geplant war, am Epiphaniastage statt. Am folgenden Tage, dem 7. Januar, verließ der Kaiser mit Erzbischof Boemund die Stadt Metz. Sie begaben sich zunächst zu Schiff nach Diedenhofen, wohin die Pferde vorausgeschickt waren. Wenn eine spätere Quelle zu berichten weiß, daß die Herren für ihre Person den Wasserweg wählten, weil sie auf dem Landwege für ihre Sicherheit fürchteten, so fällt uns schwer das zu glauben. Der Gegensatz zwischen dem eben noch in der Fülle der Gewalt und Herrlichkeit des Reiches thronenden und Gesetze gebenden und dem jetzt die offene Landstraße scheuenden Kaiser erscheint gar zu grell. Doch mochten die schweren Wirren, welche die Stadt bei des Kaisers Abreise erfüllten, Anlaß zu besonderer Vorsicht bieten; zumal Karl in diese inneren Kämpfe in wenig glücklicher Weise eingegriffen hatte.

[184]
Drittes Kapitel.
Die Bedeutung der Goldenen Bulle


Wenn wir die Bedeutung unseres Gesetzes erkennen wollen, so gilt es zuerst die Absicht des Gesetzgebers festzustellen, die Beweggründe, die ihn zu der Gesetzgebung veranlaßten, die Ziele, die er mit ihr verfolgte. Doch ist zunächst noch eine Vorfrage zu beantworten, die nämlich, ob denn in der Goldenen Bulle überhaupt der einheitliche Wille eines Gesetzgebers zum Ausdruck kommt, oder ob sie nicht, wie man wohl gemeint hat, das Produkt eines Kompromisses zwischen entgegengesetzten oder doch stark divergierenden Tendenzen des Kaisers und der Kurfürsten ist.

Die Kritik, welche von dieser letzteren Anschauung aus an einzelnen Bestimmungen des Gesetzes geübt worden ist, haben wir oben bei der Besprechung der cc. V und XII sowie bei der Erörterung des Zustandekommens der Gesetze zurückgewiesen und können uns hier darauf beschränken, nochmals hervorzuheben, wie sehr der Gedanke eines Kompromisses als der Grundlage des Gesetzes dessen ganzer Tendenz und den Umständen, unter denen es entstand, widerspricht. Während der ganzen Zeit, in der die Goldene Bulle entstand, finden wir den Kaiser in vollster Eintracht mit den Kurfürsten, die ihm meist zu Dank verpflichtet waren. Mehrfach spricht der Kaiser in dem Gesetze aus, daß er die Stellung der Kurfürsten, in denen er die Säulen des Reiches erblickt, stärken und erhöhen wolle, und der Inhalt bestätigt durchaus die Aufrichtigkeit dieser Gesinnung. Überall finden wir Bestimmungen zu ihren Gunsten, dagegen keine einzige, in welcher ein unbefangener Beurteiler den Versuch erblicken könnte, die Stellung der Kurfürsten herabzudrücken, die des [185] Kaisers auf ihre Kosten zu stärken. Dem gegenüber wäre es geradezu widersinnig, wollten wir annehmen, der Kaiser habe nur widerwillig das eine oder andere sich von den Kurfürsten abringen lassen, oder jene hätten Forderungen gestellt, die der Kaiser zwar nicht verweigern konnte, aber so verklausulierte, daß das Gewährte unbrauchbar wurde. Für ein solches Markten und Feilschen, Fordern und Ertrotzen auf der einen Seite, erzwungenes, hinterhältiges Nachgeben auf der andern boten die Verhältnisse keinen Raum. Wohl mögen die Kurfürsten insgesamt oder einzelne von ihnen ihre Wünsche zum Ausdruck und zur Anerkennung gebracht haben, keinesfalls aber liefen ihre Bestrebungen denen des Kaisers entgegen, sondern in der Richtung auf das gleiche Ziel. Nicht ein Spiel widerstrebender Kräfte hat das Gesetz geschaffen, sondern der Wille des Kaisers unter bereitwilligster Zustimmung der durch dasselbe so stark geförderten Kurfürsten. Die Initiative der Gesetzgebung im ganzen und ihrer wesentlichsten Teile lag durchaus beim Kaiser; er ist als der Gesetzgeber im eigentlichsten und vollsten Sinne anzusehen.

Über die Ziele seiner Gesetzgebung hat sich Karl IV. bei Eröffnung des Nürnberger Reichstages und in der Einleitung, sowie wiederholt im Texte der Goldenen Bulle deutlich ausgesprochen. Er wollte die Wohlfahrt des Reiches fördern durch Sicherung einhelliger Königswahlen für alle Zeiten, durch Förderung der Einigkeit unter den Kurfürsten und ihrer Machtstellung, sowie ihrer Interessen überhaupt, endlich durch Sicherung der Ordnung und des Friedens im Reiche. Gewiß müssen wir uns hüten, alle offiziellen Äußerungen über die Beweggründe und Absichten politischer Maßregeln mittelalterlicher Politiker und zumal die meist in der Kanzlei geschmiedeten phrasenhaften Begründungen des Inhalts öffentlicher Urkunden für bare Münze zu nehmen; doch sind diese Äußerungen keineswegs immer belanglos. Die von Karl bei der Reichstagseröffnung und in der Goldenen Bulle angegebenen Absichten und Motive stimmen so vollkommen mit dem Inhalt des Gesetzes überein, daß wir gar keinen Grund haben, der Gesetzgebung andere Absichten als die ausgesprochenen unterzulegen. Und doch ist man seit den Zeiten Johann Peter von Ludewigs nicht müde geworden, immer wieder nach den eigentlichen Absichten des Gesetzgebers zu suchen. [186] Es wäre zwecklos, alle in dieser Hinsicht geäußerten Meinungen hier zusammenzustellen, und wir können uns damit begnügen, einige Vermutungen über Karls IV. Motive zu widerlegen, die nach der ganzen Sinnesart des Kaisers an sich nahe liegend erscheinen könnten.

Am ehesten wird man geneigt sein, bei Karl IV. dynastische Beweggründe für seine Handlungen vorauszusetzen, und zwar in erster Linie Absichten, die auf die Befestigung und Erweiterung seiner Hausmacht und insonderheit auf die Vergrößerung seines böhmischen Reiches und die Befestigung des böhmischen Königtums gerichtet waren. Wenn aber neuerdings die Sache so dargestellt ist, als wäre die Goldene Bulle in erster Linie mit Rücksicht auf Böhmen erlassen, und wären nur nebenbei auch einige Bestimmungen durch die Kurfürsten hineingekommen, welche das ganze Reich betrafen, so bedarf das kaum einer ernstlichen Widerlegung. Wohl wurde, wie wir sahen, den cc. VIII–X der Entwurf eines Privilegs über die Landeshoheit des Königs von Böhmen zu Grunde gelegt; doch wurde daraus bei der Aufnahme in das Gesetz ein Privileg über die Landeshoheit aller Kurfürsten, welche sich aber der meisten darin anerkannten Rechte schon vorher erfreut hatten. Wird dem König von Böhmen eine in einer Richtung etwas selbständigere Gerichtsgewalt verliehen, als den übrigen Kurfürsten, so hängt das mit der von jeher größeren Selbständigkeit Böhmens zusammen, und wenn in bezug auf die äußerliche Ehrenstellung dem Böhmen der erste Platz unter den weltlichen Kurfürsten zugesichert wird, so begründet das der Gesetzgeber ausdrücklich mit dem Besitz der Königskrone. Im übrigen tritt der Böhmenkönig in der Goldenen Bulle keineswegs besonders stark hervor, und geradezu lächerlich müßte es erscheinen, wenn wegen der wenigen politischen und Ehrenrechte, die dem Böhmenkönige eingeräumt werden, das ganze umfang- und inhaltreiche Gesetzgebungswerk in Szene gesetzt sein sollte.

Ganz ausgeschlossen ist auch die Annahme, daß Karl IV. durch die Goldene Bulle dynastische Ziele in bezug auf die Erhaltung der deutschen Krone in seinem Hause verfolgen wollte. Ein unbrauchbareres Mittel zur Durchführung solcher Pläne hätte Karl gar nicht ersinnen können. Die Wahlordnung, die Konsolidation der Kurfürstentümer das Schweigen des Gesetzes [187] von jeder andern Art der Schaffung eines Königs als durch die freie Wahl der Kurfürsten, der Text des Wahleides und insbesondere die Ankündigung des Zweckes des Gesetzes in dem Proömium des Nürnberger Gesetzbuches und in der Proposition des Kaisers bei Eröffnung des Nürnberger Tages im November 1355 sprechen deutlich dafür, daß dem Kaiser damals der Gedanke an eine Wahl eines Sohnes des regierenden Königs oder Kaisers bei dessen Lebzeiten gar nicht in den Sinn gekommen ist. Nicht nur, daß die Goldene Bulle eine Wahl vivente imperatore nicht erwähnt; sie läßt dafür gar keinen Raum. Eine zwiespältige Wahl war im Falle einer Designation ja gar nicht denkbar; und doch wird als der Hauptzweck der Gesetzgebung die Sicherung der einhelligen Wahl hingestellt. Im Wahleide versprechen die Wähler dem christlichen Volke ein weltliches Haupt, temporale caput, zu geben, und entsprechend gibt auch c. II, § 3 als Ziel die Wahl eines temporale caput mundi an; das aber kam nicht in Betracht, wenn die Christenheit schon im Kaiser ein solches Haupt besaß. Auf eine Königswahl vivente imperatore ist die Goldene Bulle so wenig eingerichtet, daß man es begreift, wenn auf dem Reichs- und Wahltage von 1486 die Ansicht auftaucht, daß die Goldene Bulle in einem solchen Falle überhaupt keine Geltung habe.[196] Ferner versprechen die Wähler eidlich, daß sie wählen wollen nach freiem Ermessen absque omni pacto, wodurch bei strenger Interpretation die Wahl eines designierten Nachfolgers ausgeschlossen war. Man hat wohl angenommen, daß die Goldene Bulle überhaupt allein auf den Fall Rücksicht nähme, daß die Königswahl infolge des Todes eines Königs oder Kaisers nötig wurde. Dagegen hat M. G. Schmidt (S. 3) mit Recht geltend gemacht, daß das Wahlausschreiben in c. XVIII und das Prokuratorium in c. XIX die Notwendigkeit der Wahl aus verschiedenen rechtmäßigen Gründen herleiten, indem dort die Wahl bezeichnet wird als electio que ex rationabilibus causis imminet. Demgegenüber kann denn freilich die Bestimmung in c. I, § 16, nach welcher der Erzbischof von Mainz innerhalb 6 Wochen nach dem Bekanntwerden des Todes des Königs die Wahlausschreiben erlassen soll, nur die Bedeutung einer für den Normalfall berechneten Anordnung [188] haben. Die Ereignisse der Regierungszeit Ludwigs des Bayern und die Umstände, unter denen Karls eigene Wahl erfolgte, mochten es nahe legen, neben dem gewöhnlichen Falle auch andere Fälle der Thronerledigung, etwa durch Abdankung oder Absetzung, in Betracht zu ziehen und somit eine Mehrzahl von rationabiles causae für eine Königswahl anzuerkennen. An eine Königswahl vivente imperatore aber zu denken, bot weder die Vergangenheit seit mehr als einem Jahrhundert noch auch die Gegenwart Anlaß. Der letzte Fall der Art war die Wahl Konrads IV. im Jahre 1237 gewesen, und seitdem hatte man nur noch einige Male eine solche für eine ferne Zukunft geplant. Karl IV. aber hatte zurzeit keinen männlichen Leibeserben, durch den ihm der Gedanke an eine künftige Designation hätte näher gerückt sein können.

Nur in einer Bestimmung der Goldenen Bulle könnte man die Vorbereitung eines derartigen fernen Zukunftsplanes erblicken: in der Festsetzung in c. II, § 5, wonach ein Kurfürst für seine eigene Wahl selbst die ausschlaggebende Stimme abgeben konnte. Sollte der Kaiser hier an die Möglichkeit gedacht haben, daß ein künftiger Erbe der böhmischen Krone mit Hilfe dieser Bestimmung seine eigene Wahl zum deutschen König durchsetzen könnte? Das ist vielleicht möglich, kaum aber sehr wahrscheinlich. Jedenfalls konnte die Bestimmung jedem andern weltlichen Kurfürsten ebensogut zu Nutze kommen, wie dem Böhmenkönig, und ist ja gleich bei der zweiten Wahl nach der Goldenen Bulle vom Pfalzgrafen Ruprecht für seine eigene Wahl ausgenutzt worden. Ein Grund, das eigentliche Motiv des Gesetzgebers in dynastischen Absichten zu suchen, kann also auch hier nicht gefunden werden.

Wie wenig die Goldene Bulle seinen dynastischen Plänen günstig war, hat Karl IV. selbst später erfahren. Um die Wahl seines Sohnes Wenzel durchzusetzen, sah er sich genötigt, die Bestimmung des Gesetzes über Frankfurt als gesetzlichen Wahlort ausdrücklich aufzuheben[197], und als es sich um die Erwerbung der Mark Brandenburg handelte, mußte er sein eigenes Gesetz durchlöchern oder doch bei Seite schieben.[198] Denn wenn [189] er im Vertrage von Fürstenwalde die Mark für sich und sein Haus erwarb, durch einen Nebenvertrag aber dem letzten Wittelsbacher Markgrafen für dessen Lebensdauer den Besitz des Kurrechts und Erzkämmereramtes überließ, so verstieß er damit jedenfalls gegen den Geist des Gesetzes, wenn man allenfalls auch den Wortlaut des c. XX so deuten konnte, daß zwar niemand das Kurrecht in Anspruch nehmen dürfe, der nicht zuvor das Kurland erlangt habe, daß hingegen wohl der Besitzer des Kurlandes auf das Kurrecht verzichten könne.

Sind somit egoistische und dynastische Absichten nicht die Motive der Gesetzgebung gewesen, so hindert uns nichts, ja es erweist sich als unbedingt nötig, daß wir die offiziell angegebenen Beweggründe auch als die wirklichen anerkennen. Das Wohl des Reiches ist das Ziel des Gesetzgebers. Er will es fördern, indem er durch gesetzliche Festlegung des Majoritätsprinzips und die Schaffung von Garantien für dessen wirksame Durchführung das Reich vor zwiespältigen Königswahlen und damit vor einem Doppelkönigtum bewahren will, dessen verderbliche Wirkungen er selbst in den Anfängen seiner Regierung genügend erfahren hatte. Durch Abschließung des Kurfürstenkollegiums und Sicherung seines Bestandes wollte er die feste Basis für die Königswahl schaffen. Die Kurfürsten aber waren nicht nur die Schöpfer des Königs, sie waren auch seine festesten Stützen, sein höchster Rat und sein wichtigstes Organ für die Regierung des Reichs. Durch Sicherung und Erhöhung ihres Ansehns und ihrer Rechte, sowie durch eine Einrichtung, die ihnen die Möglichkeit regelmäßiger Teilnahme an den Reichsgeschäften geben sollte, wollte der Gesetzgeber die Säulen des Reiches befestigen. Aber auch die Bestimmungen, die sich nicht auf den Hauptinhalt der Goldenen Bulle, Königswahl und Kurfürstentum, beziehen, sind sämtlich auf Ordnung und Frieden im Reiche gerichtet. Das liegt auf der Hand bei den Kapiteln XIV und XVII, die sich mit dem Fehderecht und ungerechten Zöllen und Geleiten befassen. Ebenso wird man von vornherein geneigt sein, c. XV als ein im Interesse der Ruhe und Ordnung im Reiche erlassenes Gesetz zu betrachten, wenn hier auch eine gewisse Tendenz gegen die Städte und die kleineren Glieder des Reiches zu Gunsten der höheren Stände sich geltend zu machen scheint. Als geradezu städtefeindlich hat man mit einem gewissen Recht das Pfalbürgergesetz [190] in c. XVI charakterisiert. Wir dürfen aber nicht vergessen, daß im Pfalbürgertum eine unverkennbare Gefahr für die wohlerworbenen Rechte zahlreicher und wichtiger Glieder des Reiches und eine Quelle steter Fehden und Wirren lag. Auch hatte die Reichsgewalt seit dem Auftauchen des Pfahlbürgertums stets in gleicher Weise gegen dasselbe Stellung genommen wie die Goldene Bulle, so daß man aus dieser Stellungnahme unserm Gesetzgeber keinen Vorwurf machen und jedenfalls nicht daraus folgern darf, daß der Kaiser nicht auch hier geglaubt habe, das Wohl des Reiches zu fördern.

Wie aber stimmt die Tatsache, daß Karl IV. sein großes Gesetz allein zum Wohle des Reiches, ohne verborgene Nebenabsichten, lediglich aus uneigennützigen Beweggründen gegeben hat, zu dem Bilde, welches wir uns sonst von der Persönlichkeit dieses Herrschers zu machen pflegen? Er gilt doch allgemein als der kühle Realpolitiker, der mehr seinem Verstande als idealen Wallungen folgt, und wenn er ein ideales Streben zeigt, dies mehr der Religion und Kirche, der Kunst und Wissenschaft und insonderheit der Macht und Größe seines Hauses und seines böhmischen Erbreiches als dem Kaisertum und dem heiligen römischen Reiche zuwendet. Gewiß ist das Bild Karls in dieser Weise richtig gezeichnet. Oft genug hat er namentlich dem Interesse seines Hauses das des Reiches nachgesetzt. Doch hat Karl nicht nur in der Goldenen Bulle, sondern auch sonst gelegentlich gezeigt, daß er für das Ansehen und die Würde des Reiches Verständnis und Interesse besaß, so namentlich bei der Erörterung der gefälschten österreichischen Privilegien im Jahre 1360[199], wo er, ohne von der Fälschung etwas zu ahnen, mit viel Takt und Würde die Anmaßung des herzoglichen Fälschers zurückwies. Zur Zeit aber, als er seine Gesetzgebung plante und ausführte, mögen noch besondere Gründe mitgewirkt haben, seinen Geist in eine mehr ideale Richtung zu treiben. Auf eine Natur wie die seine, in der dem nüchtern praktischen Verstande ein starker mystisch-religiöser Zug die Wage hielt, mußte die Übertragung der höchsten Würde der Christenheit durch die Kaiserkrönung einen starken Eindruck machen und neben dem Bewußtsein von der Höhe und Heiligkeit der kaiserlichen [191] Würde auch ein gesteigertes Gefühl von den Pflichten gegenüber dem Reiche erzeugen. Aus solchen Vorstellungen und Stimmungen heraus würde sich leicht der Entschluß erklären, durch ein Gesetz über die Königswahl und eine Anzahl anderer Gesetze die Wohlfahrt des Reiches ohne jeden Hintergedanken und ohne Nebenabsichten zu fördern. Verliert bei einer solchen, wie ich meine, durch die Tatsachen gebotenen Auffassung Karl IV. als Politiker, so gewinnt er um so mehr als Mensch und als Träger der deutschen Krone. Freilich hat jene ideale auf das Wohl des Reiches gerichtete Stimmung den Kaiser nicht dauernd in gleicher Weise beherrscht; sie hielt aber doch so lange an, daß das ganze Gesetz in dem gleichen Geiste vollendet werden konnte, in dem es begonnen war. Ist gewiß vor allem der Umstand, daß die Goldene Bulle die ständischen Grundlagen der Reichsverfassung rückhaltlos anerkennt, als der Grund für die Lebenskraft des Gesetzes anzusehen, da es eben diese Grundlage war, auf welcher allein noch weitergebaut werden konnte; so möchten wir doch auch der von selbstsüchtigen Motiven freien, rein auf das Reichswohl gerichteten Tendenz des Gesetzes einen Anteil an dessen Lebenskraft zuschreiben. Die Reinheit seiner Tendenz bot keine Angriffspunkte dar; man mußte dieselbe als berechtigt anerkennen, so lange man den Reichsgedanken selbst festhielt.

Messen wir die Ziele und Absichten des Gesetzgebers der Goldenen Bulle an den Gedanken, welche Kaiser Ludwig und die Kurfürsten zu Rense, Frankfurt und Koblenz im Sommer 1338 zum Ausdruck brachten, so hat Karl IV. den Gedanken der Majoritätswahl aufgenommen, gesetzlich fixiert und seine ungehinderte Durchführung durch eine Reihe von Vorschriften gesichert. Aufgegeben dagegen hat Karl den 1338 ausgesprochenen Gedanken, daß der von den Kurfürsten Gewählte durch diese Wahl allein bereits nicht nur König, sondern auch Kaiser, verus et legitimus imperator werde. Er bringt an zahlreichen Stellen des Gesetzes den älteren und historisch besser begründeten Gedanken zum Ausdruck, daß der von den Kurfürsten Gewählte durch die Wahl römischer König mit dem Anspruch auf die Erhebung zum Kaiser werde, durch die Verwendung der älteren Formel: rex Romanorum in imperatorem promovendus.[200] [192] Wie aber stellte sich Karl zu dem 1338 besonders betonten Anspruch, daß der rechtmäßig von den Kurfürsten Erwählte nicht der Approbation und Konfirmation des Papstes bedürfe? Eine Approbation oder Konfirmation von seiten des Papstes, dessen überhaupt in dem ganzen Gesetze keine Erwähnung geschieht, wird weder anerkannt noch abgelehnt. Darf man aus diesem Schweigen, wie das in älterer und neuer Zeit meist geschehen ist, folgern, daß Karl IV. damit die päpstlichen Ansprüche habe zurückweisen wollen?

Eine gegen die Kurie gerichtete feindliche Spitze hat man unserm Gesetze schon frühzeitig zugeschrieben. Ja, wenn wir die Darstellung Olenschlagers[201] für begründet halten dürften, so hätte schon Papst Innocenz VI. nicht lange nach Erlaß der Goldenen Bulle sich über die Verletzung der päpstlichen Rechte bezüglich der Approbation und des Reichsvikariats bei dem Kaiser beschwert. Aus den hierfür angeführten Literaturangaben aber scheint sich nur so viel zu ergeben, daß schon seit dem 15. Jahrhundert manche Kanonisten der Goldenen Bulle eine gegen die päpstlichen Ansprüche gerichtete Tendenz zugeschrieben haben; während alles übrige auf Mißverständnissen und freier Kombination beruhen dürfte.

Einen Anspruch der Kurie hat Karl IV. in seinem Gesetze unzweifelhaft bei Seite geschoben, den auf die Verwesung des Reiches durch den Papst während der Thronerledigung, wenigstens soweit Deutschland in Betracht kommt. Nehmen wir an, daß die beiden Sprengel, welche in c. V der Goldenen Bulle für die Reichsverweserschaft des Pfalzgrafen und des Sachsenherzogs in etwas allzu summarischer Weise abgegrenzt werden, das gesamte Gebiet des deutschen Reiches umfassen sollen, und diese Annahme ist gewiß zutreffend, so bleibt für die Ausübung von Regierungsrechten durch den Papst, wie sie seit der Mitte des 13. Jahrhunderts beansprucht und zum Teil auch geübt waren, in Deutschland kein Raum. Daß Karl diese Wirkung seines Gesetzes ganz übersehen haben sollte, ist nicht wahrscheinlich; sicher aber war nicht sie ihm die Hauptsache, sondern die Anerkennung der Rechte der beiden Kurfürsten. Inwieweit die Nebenwirkung auf das päpstliche Reichsvikariat mitbestimmend [193] gewesen sein könnte für die gesetzliche Anerkennung der entgegenstehenden Rechte der beiden Fürsten, müssen wir unentschieden lassen. Die Tatsache, daß das päpstliche Reichsvikariat in Deutschland durch die Goldene Bulle reichsgesetzlich, wenn auch ohne ausdrückliche Erwähnung beseitigt ist, bleibt bestehen.

Anders liegt die Sache bezüglich des Approbationsrechtes. Das Gesetz enthält keine Bestimmung, mit welcher das Bestehen eines Approbationsrechtes geradezu unvereinbar wäre. Wohl hat man auf die Bestimmung in c. II, § 4 hingewiesen, wonach der zum König Erwählte sogleich nach Vollzug der Wahl, bevor er kraft der Reichsgewalt sich mit andern Regierungshandlungen befaßt, peracta statim electione huiusmodi, priusquam in alioquibus causis aliis sive negociis virtute sacri imperii administret, unter königlichem Siegel alle Rechte und Privilegien der Kurfürsten bestätigen soll. Die Stelle soll ergeben, daß nach der Goldenen Bulle der Gewählte ohne vorhergehende Approbation Regierungshandlungen vornehmen dürfe. Gewiß läßt das statim keinen Raum für eine Approbation vor der Privilegienbestätigung; doch könnte die Approbation ja noch vor den übrigen Regierungshandlungen stattfinden. Eine prinzipielle Bedeutung aber hat die Stelle insofern, als sie voraussetzt, daß der erwählte König schon vor der Krönung Urkunden unter dem königlichen Siegel ausstellen kann. Es kann das um so weniger ohne bestimmte Absicht des Gesetzgebers angeordnet sein, als nicht nur Karls Großvater, Heinrich VII.[202], sondern auch er selbst[203] vor seiner Krönung sich des römischen Königssiegels nicht bedient hat. Wenn demgegenüber hier wie etwas ganz Selbstverständliches beiläufig erwähnt wird, daß der König sofort mit dem königlichen Siegel urkunden solle, so ist das doch wohl nicht ohne bestimmte Absicht geschehen. Damit war, wenn auch beiläufig, so doch nicht minder deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der deutsche König gleich nach der Wahl Urkunden unter dem Siegel eines römischen Königs ausstellen solle, und nicht erst wie Karl IV. und sein Großvater nach der Königskrönung.[204] Mit der päpstlichen Approbation hat die Bestimmung gar nichts zu schaffen.

[194] Der Gesetzgeber hat sein Hauptthema, die Schaffung einer Wahlordnung zum Zweck der Sicherung einhelliger und unzweifelhafter Königswahlen, so abgegrenzt, daß eine Notwendigkeit des Eingehens auf die Approbationsfrage nicht vorlag, ja kaum auch nur ein näher liegender Anlaß dazu sich darbot. Soviel aber ist zuzugeben, daß es auffällig ist, daß der Kaiser sein Thema gerade so und nicht anders begrenzte. Er, der als Geschöpf der Kurie den deutschen Thron bestieg, als rex Romanorum seu clericorum, wie Wilhelm von Occam höhnte, er, der so vielen demütigenden Bedingungen der Kurie sich hatte unterwerfen müssen, dem namentlich mit den Forderungen bezüglich der Approbation und Konfirmation die Erlangung der deutschen Krone so sehr erschwert wurde, er mußte aller dieser päpstlichen Forderungen gedenken, wenn er daran ging, eine neue Ordnung zu schaffen für die Königswahl. Er konnte nicht vergessen, daß für ihn der Weg zum Throne über Avignon gegangen war, und mußte erwarten, daß die Kurie von seinem Nachfolger verlangen würde, denselben Weg zu gehen. Sollte er die Forderungen der Kurie in dem Gesetze anerkennen oder doch berücksichtigen, oder sollte er sie zurückweisen? Es ist begreiflich, daß Karl sich weder zu dem einen noch zu dem andern entschließen mochte und daher lieber jedem Anlaß, von diesen Dingen zu handeln, vorsichtig aus dem Wege ging. Daher schloß er seine Bestimmungen mit dem Vollzug der Wahl in der Hauptsache ab. Nur zu Gunsten der Privilegienbestätigung für die Kurfürsten wird eine Ausnahme gemacht. Von allen folgenden Handlungen ist nicht die Rede, weder von der Königskrönung, abgesehen von gelegentlicher Erwähnung, noch von der Kaiserkrönung, weder von der Annahme der Wahl durch den Gewählten, noch von den Wahldekreten der Kurfürsten. Damit aber fiel jeder Anlaß fort, auf die heikle Frage der päpstlichen Forderungen einzugehen. Ist sonach ein Schluß ex silentio wohl statthaft, so ist es doch nur der, daß Karl IV. mit seinem Schweigen über den Papst und seine Ansprüche nur das bezweckte, was er in Wirklichkeit tat: er wollte eine Stellungnahme [195] zu diesen Ansprüchen vermeiden, die ganze schwierige Sache in suspenso lassen.

Ein anderer Schluß aus dem Schweigen des Gesetzes über die Ansprüche der Kurie als dieser ist unberechtigt, insbesondere der, den man seit Jahrhunderten gezogen hat, daß der Gesetzgeber durch sein Schweigen diese Ansprüche habe ablehnen wollen oder gar gesetzlich ausgeschlossen habe. Sein Gesetz ordnete eingehend nur solche Vorgänge, bei denen päpstliche Ansprüche oder Eingriffe gar nicht in Frage kamen; während er alle diejenigen Angelegenheiten, bei denen solche Ansprüche geltend gemacht waren und werden konnten, gar nicht berührte. Daher läßt denn auch die Goldene Bulle völlig freien Raum für die Betätigung kurialer Ansprüche. Die Kurfürsten konnten in ihren Wahldekreten, wenn sie wollten, den Papst um die Approbation und Konfirmation des von ihnen Gewählten bitten, sie konnten die Krönung bis nach erfolgter Approbation aufschieben, da eine Frist für die Krönung im Gesetz nicht gegeben war. Der Gewählte wurde durch keine Vorschrift des Gesetzes verhindert, die Regierungshandlungen bis nach erfolgter Krönung oder Approbation aufzuschieben, abgesehen von der Bestätigung der kurfürstlichen Privilegien. Er konnte sich auch jeder beliebigen Bedingung für die Erlangung der Kaiserkrone unterwerfen, ohne daß er sich für eine Weigerung auf irgendeinen Satz der Goldenen Bulle hätte berufen können. Das Schweigen der Goldenen Bulle über die Ansprüche der Kurie aber als Ausdruck eines prinzipiellen Ausschlusses päpstlicher Einmischung in die Königswahl zu betrachten, ist um so weniger zulässig, als Karl IV. bei der ersten und einzigen Gelegenheit, wo er diesen Standpunkt hätte vertreten können, nicht im mindesten daran gedacht hat.

Merkwürdigerweise hat man geglaubt, aus den überlieferten Aktenstücken herauslesen zu können, daß Karl bei Wenzels Wahl den vermeintlichen Grundsatz der Goldenen Bulle von der Freiheit und Unabhängigkeit der deutschen Königswahl von päpstlicher Einwirkung durchaus gewahrt habe, während die Quellen doch gerade das Gegenteil deutlich ergeben.[205] Nicht genug, daß er der Kurie gegenüber der Wahl Wenzels genau [196] dieselbe Stellung einräumte, die sie seiner eigenen gegenüber eingenommen hatte, indem er Wenzel zu all den demütigenden Versprechungen eidlich verpflichten ließ, die er selbst seinerzeit beschworen hatte, und um die Analogie völlig herzustellen, selbst jetzt die Eide leistete, welche damals sein Vater König Johann geschworen hatte: er hat noch über die alten Zugeständnisse hinaus ein neues wichtiges Recht inbezug auf die Königswahl dem Papste prinzipiell zugestanden, nämlich das, daß vivente imperatore ein König nur mit Genehmigung des Papstes gewählt werden dürfe; ja er und Wenzel mußten sich verpflichten, während ihres Kaisertums eine solche Wahl, wenn die Kurfürsten sie vornehmen wollten, auf jede Weise zu verhindern. Wenn M. G. Schmidt (S. 8) einwendet, es handle sich hier mehr um das Kaisertum als um das Königtum, so ist das kaum verständlich, da hier doch allein die Wahl eines deutschen Königs, nicht seine Erhebung zum Kaiser in Betracht kommt. Allerdings hat Karl die Genehmigung zur Vornahme der Wahl Wenzels nicht vor der Wahl formell nachgesucht, sondern, wie das Weizsäcker wohl unzweifelhaft erwiesen hat, ein solches Gesuch erst nachträglich unter falschem Datum ausgestellt.[206] Wenn aber der Kaiser aus irgendwelchen Gründen ein solches Gesuch vor der Wahl nicht ausstellen wollte oder konnte, so bringt er gerade dadurch, daß er nachträglich auf Verlangen des Papstes sich dazu versteht, es unter einem falschen, mehrere Monate vor der wirklichen Wahl liegenden Datum auszufertigen, in schärfster Weise zum Ausdruck, daß er anerkennt, zur Einholung der päpstlichen Genehmigung verpflichtet gewesen zu sein. Nachdem Wenzels Wahl ohne die päpstliche Genehmigung einmal erfolgt war, hatte das Gesuch keinerlei aktuelle Bedeutung mehr. Desto deutlicher tritt seine prinzipielle Bedeutung hervor.

Nur eine Forderung Gregors XI. hat Karl weder erfüllt noch nachträglich als berechtigt anerkannt, nämlich das Verlangen, daß der neu gewählte König vor Einholung der päpstlichen Approbation und Konfirmation weder die Königskrone empfangen noch die königliche Gewalt ausüben dürfe, welches uns zuerst entgegentritt in einem Schreiben Gregors an den [197] Kaiser vom 4. Mai 1376.[207] Die Forderung erregte den Unwillen der Kurfürsten, die ihre Freiheit und die Rechte des Reiches bedroht sahen.[208] Sie wollten zunächst zwischen Wahl und Krönung keine Gesandtschaft an den Papst schicken und ließen sich nur mit Widerstreben herbei, ein Wahldekret ohne Bitte um Approbation, nur mit der Bitte, Wenzel dereinst die Kaiserkrone zu erteilen, auszustellen. Wenn Karl von diesem Dekret durch den Probst Audibert von Pignans entschuldigend dem Papste melden läßt, es sei so, wie er es habe erlangen können, nicht wie er es gewollt hätte, in forma qua potuit et non ut voluit, so ist das wohl kennzeichnend für Karls Verhalten überhaupt. Er hätte ein schlechterer Politiker sein müssen, als er war, wenn er nicht die Opposition der Kurfürsten benutzt hätte, um seine Stellung gegenüber der Kurie zu stärken. Er ließ sich wohl nicht ungern von jener Strömung tragen und die Krönung Wenzels zu Aachen vornehmen, ohne daß zuvor die Approbation und Konfirmation von Gregor erteilt wäre. Dem Papste gegenüber aber konnte er sich den Anschein geben, als ob er nur widerstrebend sich dem Willen der Kurfürsten füge. Hätte der Kaiser die Forderung zurückgewiesen, so könnte man darin die Behauptung des Standpunktes erblicken, welchen man meist als den der Goldenen Bulle ansieht. Indem er aber die Verantwortung für die Nichterfüllung der Forderungen Gregors den Kurfürsten zuschob, können wir ihn auch hier nicht als den Verfechter der Reichsrechte gegenüber den Übergriffen der Kurie anerkennen, der er in Hinsicht der Königswahl so große Zugeständnisse zu machen sich bereit finden ließ.

Nach all dem können wir nur festhalten, daß Karl IV. weder in der Goldenen Bulle die Einwirkung des Papstes bei der Übertragung der deutschen Königswürde prinzipiell ausgeschlossen hat oder auch nur ausschließen wollte, noch auch bei der einzigen Gelegenheit, wo er dies hätte tun können, bei [198] Wenzels Wahl, den Versuch gemacht hat, ein solches Prinzip zur Geltung und Anerkennung zu bringen. Überhaupt entsprach es nicht Karls Neigungen, prinzipielle Entscheidungen herbeizuführen; am wenigsten aber lag es in seiner Geistesrichtung, den Papst und die Kurie grundsätzlich von jeder Einwirkung auf die deutschen Dinge ausschließen zu wollen. Am deutlichsten zeigt das vielleicht neben seinem Verhalten bei der Wahl Wenzels das Mittel, durch welches er seinen Streit mit den Wittelsbachern um die Mark Brandenburg zur Entscheidung zu bringen gedachte. Nachdem die Wittelsbacher verschiedene Vorschläge Karls zu schiedsrichterlicher Entscheidung zurückgewiesen hatten, ersuchte er den Papst, die Kurfürsten oder deren Majorität durch apostolische Briefe unter Androhung der Exkommunikation zur Entscheidung der Streitsache durch ihren Urteilsspruch aufzufordern.[209] Gewiß erkannte auch hier Karl gemäß seinem früheren Verhalten die Kurfürsten als zuständig an, Fragen, welche das Kurrecht betrafen, durch Urteil zu entscheiden, doch war es wohl unerhört, daß der Kaiser das zuständige Organ des Reichs mit Hilfe der geistlichen Gewalt des Papstes zwingen wollte, in Tätigkeit zu treten. Ein derartiger schwerer Eingriff in die inneren Angelegenheiten des Reichs war bisher kaum von einem Papste unternommen worden, sicher aber hatte bisher noch kein deutscher Herrscher den Versuch gemacht, einen solchen Eingriff selbst herbeizuführen.

Wenden wir uns nunmehr von den allgemeineren politischen Tendenzen der Gesetzgebung zu den Einzelheiten der Verfassung, welche der Gesetzgeber durch die Goldene Bulle zu regeln beabsichtigte, so sieht da im Vordergrunde des Interesses die Frage: inwiefern wollte Karl IV. durch sein Gesetz eine neue Form der Königswahl schaffen, oder beabsichtigte er lediglich die vorhandene durch ihre Kodifikation zu befestigen? Die Formen der Königswahl finden wir seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts im steten Fluß, und erst nach der Goldenen Bulle tritt eine neue deutlich hervor, die sich bald fest abschließt und dauernd im Reiche bis zu dessen Ende behauptet. Gewöhnlich führt man diese Form auf die Goldene Bulle selbst zurück. Doch bedarf [199] die Frage, ob Karl IV. überhaupt eine Reform des eigentlichen Wahlverfahrens durch sein Gesetz beabsichtigte und in Wirklichkeit auch einführte, einer neuen und eingehenden Prüfung.

Da sich in dem Gesetze selbst ausdrückliche Anordnungen in dieser Richtung nicht finden, so sind wir genötigt, die Formen, in denen sich die der Goldenen Bulle unmittelbar vorhergehenden Königswahlen vollzogen, mit denen der nächsten ihr folgenden Wahlen, sowie mit den in dem Gesetze selbst vorausgesetzten oder angeordneten Wahlformen zu vergleichen, um daraus Schlüsse auf die Stellung der Goldenen Bulle in der Entwicklung der Formen des Königswahlrechts zu gewinnen.

Die letzten Wahlen vor dem Erlaß der Goldenen Bulle, über deren Formen wir eingehendere Mitteilungen erhalten, sind die der Jahre 1308 und 1314, da wir über den Hergang bei der Wahl Karls IV. selbst gar nichts Genaueres erfahren, und die Vorgänge bei der Wahl des Gegenkönigs Günther sich als tastende Versuche, unter den ungewöhnlichen Verhältnissen neue Formen zu finden, darstellen, wobei vielleicht auch der Mangel an Sachkunde der beteiligten Wähler mit in Betracht kommt.

Wir stellen im folgenden zunächst zusammen, was die Wahldekrete von 1308 und 1314 über die Wahlhandlung im engeren Sinne berichten.

1. Wahldekret für Heinrich VII. (1308)[210]: Et demum post tractatus prehabitos ..... in illustrem virum Henricum comitem ..... nostrum intuitum divina disponente clementia convertentes, ego Baldewinus Treverensis archiepiscopus pro me et nomine meo, prefatus Henricus Coloniensis archiepiscopus pro se et nomine suo ac iam dictus archiepiscopus Maguntinensis pro se et nomine suo, ego vero Rodolphus dux Bawarie pro me et nomine meo, ego quidem Rodolphus dux Saxonie pro me et nomine meo similiter et ego Waldemarus marchio Brandenburgensis prenarratus pro me .... votis nostris et aliorum coelectorum nostrorum predictorum per Coloniensem archiepiscopum predictum vice et ex mandato speciali omnium nostrorum coelectorum predictorum diligenter inquisitis, nos et dicti alii coelectores nostri omnes et singuli ..... consensimus concorditer in eundem comitem [200] et ipsum nominavimus quilibet nostrum pro se, nullo penitus ut premittitur discrepante, in Romanorum regem eligendum et in futurum imperatorem promovendum ..... Quibus sic peractis ego Rodolphus comes palatinus Rem predictus de mandato et voluntate speciali coelectorum meorum ..... cundem Henricum ..... elegi sollempniter in hunc modum. Es folgt der Kürspruch, in welchem über den Wahlvorgang nochmals kürzer berichtet wird, tractatus und conversio intuitus aber nicht mehr erwähnt werden.

2. Wahldekret für Ludwig den Bayern (1314)[211]: Et demum post tractatus prehabitos ..... in illustrem virum Ludovicum comitem palatinum Reni, ducem Bavarie ..... nostrum intuitum divina disponente clementia convertentes, nos Petrus Moguntinensis archiepiscopus pro nobis et nomine nostro, prefatus vero dominus Baldewinus Trevirensis archiepiscopus pro se et nomine suo, nos vero Iohannes Bohemie et Polonie rex, Waldemarus marchio Brandenburgensis, et Iohannes dux Saxonie predicti quilibet nostrum pro se et nomine suo votis nostris per dominum Moguntinum archiepiscopum antedictum vice sua et nostra et ex speciali mandato suo et nostro diligenter inquisitis, nos electores predicti ..... consensimus concorditer in eundem Ludovicum et ipsum nominavimus quilibet nostrum pro se, nullo penitus discrepante, in Romanorum regem eligendum in imperatorem postmodum promovendum ..... Quibus sic peractis ego Petrus Moguntinensis archiepiscopus de mandato speciali et voluntate mea et meorum coelectorum predictorum, eundem Ludovicum ..... elegi sollempniter in hunc modum. Es folgt der Kürspruch wie oben.

3. Wahldekret für Friedrich von Österreich (1314)[212]: Post multos tractatus ..... in illustrem principem dominum Fridericum ducem Austrie ..... divina favente clemencia consensimus et in ipsum vota nostra direximus ipsumque nominavimus eligendum in regem Romanorum in imperatorem promovendum sub forma infrascripta:

Nos Heinricus dei gracia Boemie et Polonie rex dux Karinthie consentimus in illustrem principem dominum Fridericum [201] dericum ducem Austrie ..... ipsumque nominamus eligendum in regem Romanorum in imperatorem promovendum.

Nos Ruodolfus comes palatinus Reni dux Bawarie nomine nostro ac reverendi in Christo patris domini Heinrici Coloniensis archiepiscopi sacri imperii per Italiam archicancellarii, habentes super hoc ab ipso domino archiepiscopo plenam et liberam potestatem, consentimus in illustrem principem dominum Fridericum ducem Austrie ..... ipsumque nomine quo supra nominamus eligendum in regem Romanorum in imperatorem promovendum.

Nos Ruodolfus dux Saxonie consentimus in illustrem principem dominum Fridericum ducem Austrie .... ipsumque nominamus eligendum in regem Romanorum in imperatorem promovendum.

Quibus legittime sic peractis nos Ruodolfus comes Palatinus predictus de voluntate et mandato speciali dictorum coelectorum nostrorum et cuiuslibet eorumdem dominum Fridericum ducem Austrie ..... elegimus in hunc modum. Es folgt der Kürspruch.

Mit voller Deutlichkeit ergibt sich aus den genau übereinstimmenden Berichten der Wahldekrete für Heinrich und Ludwig, daß man drei verschiedene Akte unterschied: 1. die beratenden Verhandlungen, tractatus, deliberatio, deren Resultat ist, daß die Versammelten eine bestimmte Person als Kandidaten ins Auge fassen (intuitum convertere in N.); 2. Abstimmung über den zu Wählenden (inquisitio votorum) mit dem Resultat der Nominatio; 3. die feierliche Kur in der Form der electio per unum, die uns zum ersten Male deutlich bei der Wahl Rudolfs von Habsburg entgegentritt und in der Weise vorgenommen wurde, daß nach der Einigung der Wähler über die Person des zu Kürenden alle Wähler auf einen unter ihnen kompromittierten und diesem dann Auftrag und Vollmacht gaben, die feierliche Kur in seinem und ihrer aller Namen zu vollziehen. Nicht erwähnt wird in dem Dekret für Friedrich die conversio intuitus, so daß hier die Vereinigung aller Stimmen (vota) auf den Kandidaten als das unmittelbare Ergebnis der Verhandlungen erscheint. In Wahrheit wurde damit nur ein minder wichtiges, weil selbstverständliches Zwischenglied, ausgeschaltet. Die Beratungen hatten selbstverständlich nur den Zweck, eine [202] Einigung über die Person des zu Wählenden herbeizuführen, und konnten erst beendigt werden, wenn diese Einigung erfolgt war. Das Ergebnis konnte definitiv erst festgestellt werden durch die Abstimmung; doch konnte man, da die Einhelligkeit der an einem und demselben Wahlakte teilnehmenden Wähler trotz des Majoritätsprinzips erforderlich oder doch wünschenswert erschien, erst dann mit Erfolg zur Abstimmung schreiten, wenn eine Einigung wirklich erzielt war. Diese formlose Einigung auf einen Kandidaten wird mit den Worten intuitum convertere in bezeichnet. Sie ist die Voraussetzung für die Feststellung des Ergebnisses der Verhandlungen durch eine feierliche Abstimmung. Es mag darauf hingewiesen werden, daß diese selbstverständliche Vorbedingung für die Abstimmung auch in den kurzen Wiederholungen der Berichte über die Wahlvorgänge, welche im Kürspruch enthalten sind, auch in den Fällen, wo im Texte des Wahldekrets selbst der conversio intuitus Erwähnung geschieht, nicht genannt wird. So bleiben als wesentliche, notwendige und deshalb in feierlicher Form vollzogene Handlungen übrig die Nominatio und die Electio.

Was nun unsere Wahldekrete über die electio per unum berichten, stimmt völlig mit dem überein, was wir bereits aus der Urkunde Rudolfs von Habsburg vom 15. Mai 1275[213] über dessen eigene Wahl wissen. Für die Nominatio dagegen sind diese Dekrete fast unsere einzigen Quellen. Schon aus den ganz gleichförmig gefaßten Berichten über die Nominatio in den Dekreten über die Wahlen Heinrichs und Ludwigs, in welchen im Perfekt erzählt wird, daß die einzelnen Kurfürsten teils für sich allein, teils zugleich im Namen und Auftrag abwesender Kollegen auf den Kandidaten übereingekommen seien und ihn als den zu Kiesenden genannt hätten: Ego N ..... et ego N ..... consensimus in N ... et eum nominavimus in regem Romanorum eligendum geht deutlich hervor, daß jeder einzelne die Nominatio durch eine feierliche Erklärung vollzog, die er auf die vorgängige inquisitio votorum abgab. Noch deutlicher wird das aber durch das in dieser Hinsicht abweichend gefaßte Dekret über die Wahl Friedrichs. Hier werden die auf die Abfragung der Stimmen abgegebenen Erklärungen der einzelnen [203] Wähler im Wortlaut eingefügt. Diese lauten übereinstimmend: Nos N .... consentimus ... et nominamus usw. Demnach bestand die nach ihrem wesentlichsten Teile meist kurz als Nominatio bezeichnete Handlung aus einer kombinierten Erklärung über das consentire und nominare, welche jeder Wähler einzeln auf die Aufforderung, sein Votum abzugeben, aussprach. Lassen wir die mehr nebensächliche Erklärung über das consentire, welche den Zweck hatte, die Einhelligkeit der Wähler recht evident zu machen, beiseite, so können wir sagen: die Nominatio war das Resultat der Abstimmung. Die in Form der Abstimmung vollzogene Nominatio stellte fest, wer durch den einen Beauftragten im Namen aller zum Könige zu kiesen sei. Die Abstimmung ist also nicht die Form der Electio, sondern der Nominatio.

Im deutlichsten Gegensatz zu diesen bei den letzten Wahlen vor 1346 erkennbaren Formen stehen nun die Formen, welche die auf die Goldene Bulle folgenden Wahlen aufweisen. Die von der Electio getrennte Nominatio begegnet uns nur noch in abgeblaßter Bedeutung einmal bei der Wahl Wenzels im Jahre 1376, um dann gänzlich zu verschwinden. Die electio per unum kommt nicht mehr vor; sie wird ersetzt durch eine feierliche Abstimmung, welche jetzt die Form des feierlichen konstitutiven und die ganze Wahl abschließenden Aktes bildet.

Über die Wahl Wenzels hat eingehend und, wie ich trotz der von M. G. Schmidt erhobenen Einwendungen meine, in allen wesentlichen Punkten richtig Weizsäcker[214] gehandelt. Er hat ausgeführt, wie der Kaiser zuerst den Wünschen der Kurfürsten von Trier und Köln nachgebend die Wahlversammlung nach Rense einberufen ließ, wie er dann aber doch bewirkte, daß man sich dort mit einer Vorberatung begnügte, durch welche beschlossen wurde, die Wahl Wenzels einige Tage später an dem gesetzlichen Wahlorte zu Frankfurt vorzunehmen. Diesen zu Rense vorgenommenen Akt bezeichnete der Kaiser in seiner Mitteilung an die Stadt Frankfurt über die bevorstehende Wahl mit dem deutschen Ausdruck für nominare „nennen“.[215] In Frankfurt aber ließ er die mit der Nominatio endigenden Renser [204] Verhandlungen nochmals in förmlicher Weise wiederholen, so daß in den längeren Schreiben über die Wahl an den Papst Kaiser und Kurfürsten erklären konnten, daß nach Vorverhandlungen zu Rense Wenzels Nominatio und darauf folgende Electio zu Frankfurt stattgefunden habe.[216] Hier werden deutlich als zwei gesonderte Wahlakte Nominatio und Electio unterschieden, und zwar zum letzten Mal. Wenn wir nun aber die in jenen Schreiben an den Papst enthaltenen Nachrichten über die Wahl verbinden mit der in einem über die Wahl aufgenommenen Notariatsinstrument[217], so ergibt sich mit voller Gewißheit, daß Nominatio und Electio hier nicht dasselbe sind, was wir unter diesen Namen 1308 und 1314 kennen lernten. Vor allem findet sich hier keine Spur von einem feierlichen Kürspruch, am wenigsten von einer electio per unum. Das Notariatsinstrument hätte über eine so augenfällige Handlung nicht stillschweigend hinweggehen können, zumal es sonst sehr sorgfältig die einzelnen Vorgänge verzeichnet. Ganz deutlich ist, daß die Wahl durch die Stimmabgabe schloß, daß eben durch die Abstimmung die Electio vollzogen wurde. Dann aber muß die vorhergegangene Nominatio unter den vorhergegangenen Verhandlungen mit begriffen sein. Von einer ersten Abstimmung zum Zweck der Nominatio erfahren wir nichts, und wenn sie stattgefunden haben sollte, so ist deutlich, daß sie für den Wahlvorgang nicht von Bedeutung war, während die der Nominatio folgende Abstimmung der entscheidende und konstitutive, also der eigentliche Wahlakt war. Da den Wählern nach den vorausgegangenen Verhandlungen die Person des zu Wählenden nicht mehr zweifelhaft sein konnte, so war es nicht verwunderlich, wenn sie nach feierlicher Anrufung des heiligen Geistes von diesem gewissermaßen inspiriert den Namen des Kandidaten nannten als den, der zu wählen sei, und daß sie sich sehr bald auf diese Person einigten. Darauf konnte man dann gleich zur Wahl schreiten. Diese Wahl oder Kur, Electio, findet lediglich durch feierliche Abstimmung statt.

Von 1314 bis 1376 hat sich also der Hergang der Wahl völlig verschoben, die alten Bezeichnungen sind geblieben; Form [205] und Bedeutung der durch die Namen bezeichneten Vorgänge sind aber stark verändert. Die Abstimmung führt nicht mehr zur Nominatio, sondern unmittelbar zur Electio, ja sie bildet selbst den Akt der Electio. Die Nominatio aber liegt jetzt vor der entscheidenden Abstimmung und ist zu einem wahrscheinlich formlosen und wenig bedeutenden Akte herabgesunken, der eine vorläufige Vereinigung der Wähler darstellte oder eine solche vielleicht auch nur einleitete.

Steht es sonach fest, daß 1314 noch die Nominatio in der Form der Abstimmung, die Kur in der Form der electio per unum stattfand, 1376 aber die Electio in der Form der Abstimmung vorgenommen wurde, der eine anscheinend formlose, jedenfalls nicht als feierliche Stimmabgabe gestaltete Nominatio vorausging, unter Fortfall der electio per unum, so entsteht die Frage: wann hat diese tief eingreifende Änderung des Wahlverfahrens sich vollzogen?

Dreierlei Möglichkeiten dürften in Betracht kommen. Die Änderung kann eingetreten sein bei der Wahl Karls im Jahre 1346, oder erst bei Wenzels Wahl, oder sie kann auf dem Wege der Gesetzgebung durch die Goldene Bulle eingeführt sein.[218]

Es herrschte bisher ganz allgemein die Ansicht, daß die Goldene Bulle eine Reform des eigentlichen Wahlverfahrens eingeführt habe, und ich selbst habe mich dieser Ansicht rückhaltlos angeschlossen. Sie hält aber bei eingehender Prüfung nicht Stand. Nirgends wird in dem Gesetze auch nur die leiseste Andeutung gemacht, daß ein neues Verfahren bei der Wahl eingeführt werden solle. In demjenigen Kapitel, welches von der Wahl handelt, c. II, wird von der Form, in welcher sich die Wahl selbst vollziehen soll, kein Wort gesagt. Alles wird als bekannt vorausgesetzt. Das wäre undenkbar, wenn die Goldene Bulle eine neue Form der Königswahl hätte begründen sollen. Ebensowenig findet sich in c. IV, wo die Abstimmung geschildert wird, eine Spur davon, daß hier etwas neues eingeführt werden, oder daß der Abstimmung eine neue Bedeutung beigelegt werden sollte. Gerade bei dieser Gelegenheit wird mehrfach darauf hingewiesen, daß die Anordnungen [206] des Gesetzes nur seit Alters Herkömmliches festhalten, wie die Abfragung der Stimmen durch den Erzbischof von Mainz, die Führung der ersten Stimme durch den Erzbischof von Trier und der ersten Stimme unter den Weltlichen durch den Böhmenkönig. Die electio per unum wird in der Goldenen Bulle nirgends erwähnt; doch hätte die Beseitigung dieses altherkömmlichen Instituts wohl nicht dadurch erfolgen können, daß der Gesetzgeber es mit Stillschweigen überging. Ist so durch die Art, in welcher der Form der Wahl, des eigentlichen Herganges derselben nur ganz beiläufig Erwähnung geschieht, ausgeschlossen, daß die Goldene Bulle eine Änderung des Wahlverfahrens eingeführt haben könnte, so bleibt doch die andere Frage zu beantworten, welche Wahlform das Gesetz als die herrschende voraussetzte, die alte oder die neue. Durch die Beantwortung dieser Frage wird dann zugleich entschieden, ob das neue Verfahren bei Gelegenheit der Wahl Karls oder bei der Wenzels eingeführt wurde.

Der Nominatio geschieht in der Goldenen Bulle nur Erwähnung in dem Formular für das Prokuratorium der Wahlgesandten, c. XIX. Hier wird dreimal die Nominatio neben der Electio genannt und deutlich von ihr als ein besonderer Akt unterschieden. Hier sieht es nun fast aus, als ob noch alles so vorausgesetzt würde, wie es bei den Wahlen von 1308 und 1314 gewesen war. Der Kurfürst bevollmächtigt seine Gesandten: ad tractandum ... concordandum, conveniendum et concludendum de persona ... habili ... et eandem personam nominandum et in ipsam consenciendum ac eam in regem Romanorum ... eligendum. Der Anschein, als ob hier noch ganz die Fortdauer der alten Ordnung vorausgesetzt würde, wird noch dadurch verstärkt, daß auch das consentire erwähnt wird. Bei näherer Betrachtung aber erregt gerade diese Erwähnung Verdacht. Es wird hier anders als in jenen Dekreten hinter das nominare gestellt. Ging aber das nominare wirklich dem consentire voran, so kann das nominare nicht mehr der entscheidende Akt, sondern nur noch ein unverbindlicher, vorbereitender Vorgang gewesen sein. Hätte man hier noch unter dem nominare das in feierlicher Abstimmung vollzogene „Nennen“ des zu Wählenden verstanden, so wäre ein nachfolgendes consentire sinnlos gewesen. Es spricht also diese Stelle gerade [207] dafür, daß es sich hier nur noch um ein nicht durch Abstimmung erfolgendes, formloses und unverbindliches „Nennen“ handelt, wie wir es bei der Wahl Wenzels kennen lernten. Nicht aber darf das Fehlen der Erwähnung der Stimmübertragung zum Behuf der electio per unum als Beweis dafür angesehen werden, daß diese Form der Kur damals nicht mehr üblich war, da auch in der vom Erzbischof Heinrich von Köln 1314 erteilten Wahlvollmacht nur schlechtweg die Electio neben der Nominatio genannt wird, während damals doch die electio per unum noch sicher in Gebrauch war.[219]

Ebensowenig wie das Prokuratorium gibt auch der eigentliche Text des Gesetzes einen völlig sicheren Anhalt für die Entscheidung unserer Frage. Doch ergibt sich auch hier eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Annahme, daß nicht mehr die ältere, sondern bereits die jüngere Wahlform als herrschend vorausgesetzt wurde. Freilich darf man auch hier nicht aus der Nichterwähnung der electio per unum folgern, daß es eine solche damals nicht mehr gegeben habe; denn an keiner Stelle will die Goldene Bulle eine Schilderung des ganzen Herganges geben. Wohl schildert sie in c. I die Vorbereitungen zur Wahl und in c. II die Vorgänge, welche den Wahlakt selbst einleiten, die feierliche Messe, den Wahleid der Kurfürsten und ihrer Bevollmächtigten und erwähnt die darauf folgenden Verhandlungen. Dann aber wird der Hergang der Wahl selbst nicht weiter verfolgt, sondern als bekannt vorausgesetzt. Erst in c. IV, § 2 wird in einem ganz anderen Zusammenhange gelegentlich der Festsetzung der Ehrenrechte der einzelnen Kurfürsten ein einzelner Teil der Wahlhandlung, die Abstimmung, erwähnt. Nachdem das schon früher in c. I, §§ 15 und 16 anerkannte Recht des Mainzers, zur Wahl zu berufen, noch einmal betont ist, wird sein Recht, die Abstimmung zu leiten, festgestellt, woran sich dann die Festsetzung der Reihenfolge der Stimmabgabe schließt. Auch an dieser Stelle hat der Gesetzgeber keineswegs die Absicht, den ganzen Hergang der Wahl zu beschreiben, sondern er will nur die Rangordnung und die Ehrenrechte, welche bei der Wahl in Frage kamen, regeln. Diese Dinge aber kamen beim Wahlakte selbst, wenn wir von der bereits vorher erörterten Anordnung [208] der Sitze absehen, nur bei der Abstimmung in Frage. Ganz allein aus diesem Grunde wird die Reihenfolge der Stimmabgabe hier erörtert. Welche Bedeutung aber diese Abstimmung habe, wird nicht gesagt, und an sich bleibt die Frage unentschieden, ob es sich hier um eine Abstimmung behufs Nominatio oder um eine solche behufs Electio handelt. Wie unrichtig es wäre, wenn man aus dem Umstande, daß an die Darstellung der Abstimmung sich unmittelbar die Erwähnung der Erzämter der weltlichen Kurfürsten schließt, folgern wollte, daß der Wahlakt mit dieser Abstimmung schließen sollte, das ergibt sich aus folgender Beobachtung.

Nachdem im Eingang von c. IV, § 2 die Einladung zur Wahl erörtert ist, wird fortgefahren: Quibus omnibus (die eingeladenen Kurfürsten) seu hiis, qui poterunt et voluerint interesse, in electionis termino invicem congregatis, dictus archiepiscopus Maguntinensis et non alter eorundem coelectorum suorum vota singulariter habebit inquirere ordine subsequenti. Hier könnte der Wortlaut den Anschein erwecken, als ob unmittelbar, nachdem die Wähler sich versammelt haben, die Abfragung der Stimmen erfolgen sollte, während doch nach c. II zwischen dem Zusammentritt der Wähler und den Handlungen, bei denen eine Abstimmung stattfinden konnte, noch Messe, Wahleid und die Verhandlungen über die Wahl liegen sollten.

Ist so ein Schluß ex silentio nicht statthaft, so spricht doch mehr für die Annahme, daß die Abstimmung, um die es sich hier handelt, nicht der Nominatio, sondern der Kur selbst dient, der große Nachdruck, der auf diesen Vorgang gelegt wird. Das Recht, die Handlung zu leiten, die Reihenfolge der Stimmabgabe, insbesondere das Recht des Erzbischofs von Trier, die erste Stimme überhaupt, und das des Böhmenkönigs, die erste unter den Laien zu führen, endlich die Einholung der Stimme des die Abstimmung leitenden Mainzer Erzbischofs werden mit einem Nachdruck geregelt, der sich weit eher erklärt, wenn wir annehmen, daß es sich hier um den entscheidenden und abschließenden Wahlakt handelt und nicht um die Nominatio, welcher doch nur eine sekundäre Bedeutung innewohnt.

Gegen die Annahme, daß es sich in der Goldenen Bulle noch um die Abstimmung zum Zweck der Nominatio handele, scheint auch der Umstand zu sprechen, daß dem Erzbischof von [209] Trier die erste Stimme zuerkannt wird, während doch in früheren Zeiten und nach der herrschenden Ansicht auch noch im 13. Jahrhundert stets nur von einer ersten Stimme des Mainzer Erzbischofs bei der Königswahl die Rede ist.[220] Wäre das richtig, so würde die Verschiedenheit der Stimmenfolge sich allerdings in dieser Richtung verwerten lassen, da seit Einführung der electio per unum die Nominatio der einzige Vorgang im Wahlverfahren war, bei dem eine Abstimmung im engeren oder weiteren Sinne überhaupt noch in Frage kommen konnte. Es bedarf aber die Frage nach dem Ursprung des trierischen Rechts der ersten Stimme noch einer näheren Untersuchung.

Auch in den Texten, welche den gebräuchlichsten Ausgaben des Sachsenspiegels zu Grunde liegen, wird in der bekannten Stelle des Landrechts über die Königswahl III, 57, 2 als erster an der Kur der Mainzer genannt, und erst nach ihm als zweiter und dritter der Trierer und der Kölner. Ganz ebenso nennt das Lehnrecht unter den Fürsten, welche den König zur Weihung nach Rom begleiten sollen, in 4, 2 an erster Stelle den Bischof von Mainz und an zweiter und dritter die von Trier und Köln. Dagegen nennen eine ganze Reihe von Handschriften, und darunter gerade eine Anzahl derjenigen, welche der Textform angehören, die allgemein als die ursprünglichste anerkannt ist, unter ihnen auch der von späteren Zusätzen und Änderungen noch ganz freie Quedlinburger Kodex, statt des Mainzers den Trierer an erster Stelle, und zwar an beiden Stellen gleichmäßig. Ich lasse die fraglichen Stellen im Wortlaute folgen, und zwar die erste in einem Umfange, der die Vergleichung mit einer anderen aus ihr abgeleiteten, die nachher anzuführen ist, ermöglicht.

Sachsenspiegel Landrecht (Cod. Quedl.) c. 147 (III, 57, 2): In des keyseres core sol die erste sin der biscoph von Trire; die andere die bischoph von Megenze, die dritte der bischoph von Colne. Under den leien is der erste in deme core der palanzgreve vonme Rine, des riches druzte; die andere die marschalk, der herzoge von Sassen; die dritte die kemerere, der markgreve von Brandenburch. Die [210] schenke des riches, der küning von Beemen, der ne hat nichenen core, durch daz her nich dudisch nis ...... Die zu deme ersten an deme core benant sin, die ne sollen nicht kiesen nach irme mutwillen, wen, swene die vorsten alle zu küninge irwelet, den sollen se allererst bi namen kiesen.

Daselbst Lehnrecht c. 175 (4, 2): Swenne aber die Dudischen eynen kuning kiesen, unde her zu Rome varet zu der wiunge, so sint plichtich ses vorsten mit yme zu varene, die die ersten in des riches core sin: der bischop von Triere unde von Megenze unde von Colne unde [der] palanzgreve von dem Rine, der herzoge von Sassen unde der markreve von Brandeburch, durch daz deme pabese wizzelich si des kuninges redeliche core.

Die Ursprünglichkeit dieser Anordnung aber wird nicht nur durch Alter und Ansehen der Handschriftengruppe, welche sie bietet, gestützt, sondern in ganz besonders bemerkenswerter Weise durch eine andere Quelle, welche den Sachsenspiegel an dieser Stelle wie an anderen benutzt hat.[221] In den von dem gewöhnlich als Albert von Stade bezeichneten Abt und späteren Minoriten verfaßten Annalen ist wahrscheinlich noch in den vierziger Jahren des 13. Jahrhunderts die Stelle des Sachsenspiegels über die Königswahl in lateinischer Umschreibung wiedergegeben, wobei der Verfasser sich der Textform bediente, welche den Trierer Erzbischof an die erste Stelle setzte. Der Text der fraglichen Stelle lautet unter Auslassung des hier entbehrlichen folgendermaßen[222]:

Electio enim ad istos dinoscitur pertinere. Ex praetaxatione principum et consensu eligunt imperatorem Treverensis, Moguntinus et Coloniensis. Trevirensis enim, licet de Alemannia non sit, ratione antiquitatis eligit ...... Palatinus eligit, quia dapifer est, dux Saxoniae, quia marscalcus, et margravius de Brandenburg, quia camerarius. Rex Boemiae, qui pincerna est, non eligit, quia Teutonicus non est.

Etwa gleichzeitig findet sich eine Aufzählung der Kurfürsten unter Voranstellung des Trierers auch in den 1242 abgeschlossenen [211] Gesta episcoporum Leodiensium abbreviata, welche außerdem bemerkenswert ist wegen der Nennung Frankfurts als Wahlort, sowie wegen der an die Glosse des Henricus de Segusio erinnernden Bezeichnung des Böhmen als dux Boemie. Die Worte lauten[223]:

Rex apud Vadum-Franconis debet eligi; electores Treverensis, Maguntinus, Coloniensis archiepiscopus, marchio Brandenburgensis, dux Saxonie, comes palatinus Reni, dux Boemie.

Sonach ergibt sich aus der handschriftlichen Überlieferung des Sachsenspiegels in Verbindung mit der ältesten Entlehnung der von der Königswahl handelnden Stelle in den Stader Annalen, deren Anordnung noch durch die angeführte Stelle der Lütticher Bischofsgeschichte gestützt wird, daß Eike von Repgow den Erzbischof von Trier als ersten an der Kur bezeichnet hat; während die Texte, welche den Mainzer als ersten nennen, das Ergebnis späterer Umordnung enthalten.

Ob etwa Eike von Repgow selbst bei einer Revision seines Werkes oder ob ein wenig späterer Bearbeiter die Änderung zu Gunsten des Vorrangs des Erzbischofs von Mainz vorgenommen hat, müssen wir unentschieden lassen. Jedenfalls aber ist die spätere Fassung in der handschriftlichen Überlieferung des Sachsenspiegels zur Vorherrschaft gekommen und auch die Grundlage geworden für die beiden süddeutschen Bearbeitungen des Rechtsbuches. Von diesen aber erwarb sich der sog. Schwabenspiegel schnell ein so gewaltiges Ansehen, daß er der Ansicht von dem Vorrange des Mainzers die weiteste Verbreitung namentlich in Süddeutschland sichern mußte. Immerhin wurden auch im 14. Jahrhundert noch zahlreiche Handschriften hergestellt, welche den ursprünglichen Text überlieferten, und einen solchen benutzte auch der Verfasser des Rechtsbuches nach Distinktionen, welches demgemäß in der betreffenden Stelle, VI, 9, 4, die ursprüngliche Lehre Eikes von Repgow von dem Vorrecht Triers darbietet. Die Verbreitung aber, welche die ältere Lehre in der Literatur behielt, kann sehr wohl die Grundlage gebildet haben für Bestrebungen der Erzbischöfe von Trier, die sich seit dem Ende des 13. Jahrhunderts bemerkbar machen [212] und auf die tatsächliche Erwerbung von Rechten gerichtet sind, welche den Satz Eikes von Repgow, daß der Erzbischof von Trier der erste in des Kaisers Kur sei, rechtfertigen konnten.

Als erstes Ergebnis dieser Bestrebungen können wir das Gesamtdekret über die Wahl Albrechts I. vom 28. Juli 1298 betrachten.[224] Hier wird Boemund von Trier unter den Ausstellern als erster genannt, Gerhard von Mainz erst an zweiter, Heinrich von Köln an dritter Stelle. Welche Umstände Gerhard von Mainz vermocht hatten, bei dieser Gelegenheit auf den ersten Platz zu verzichten, entzieht sich unsrer Kenntnis. Daß er aber dem Trierer Kollegen nicht dauernd den Vorrang zu überlassen gedachte, zeigt die Urkunde König Albrechts vom 23. September desselben Jahres[225], durch welche ausdrücklich anerkannt wird, daß Erzbischof Gerhard und seine Nachfolger auf dem Mainzer Stuhl auf Grund des Erzkanzellariats durch Germanien unter allen Fürsten stets die ersten sein sollen: in ordine et honore processionis, sessionis, nominationis et scripture. Dem soll auch nicht entgegenstehen, daß in dem über die Königswahl Albrechts kürzlich ausgestellten Dekret Gerhard erst an zweiter Stelle hinter Boemund von Trier tam scriptura quam figura gestanden habe, was durch einen Irrtum geschehen sei. Wir erfahren hier nebenher, daß Boemund nicht nur in dem Dekret, sondern auch bei der Wahl selbst den ersten Platz behauptet hatte; denn der Ausdruck figura kann im Gegensatz zu scriptura wohl nur die Wahl selbst, ihre Formen, und zwar nicht nur die lokale Anordnung, sondern die ganze Ordnung des Herganges bedeuten.

Den von Boemund I. bei Albrechts Wahl errungenen Erfolg gänzlich wieder fahren zu lassen, scheint sein Nachfolger Balduin trotz der Beurkundung des Mainzer Vorranges keineswegs gewillt gewesen zu sein. Da nun andererseits auch der Mainzer sein gutes, durch König Albrecht so unumwunden anerkanntes Recht aufzugeben keinen Anlaß hatte, scheint Balduin bei der Wahl seines Bruders Heinrich im Jahre 1308 einen Ausweg gesucht zu haben, der es ermöglichte, den Anspruch des Mainzers auf die erste Stelle im Wahldekret zu umgehen, ohne [213] ihn direkt zu bestreiten. Er fand diesen Ausweg, indem er die Neuerung einführte, daß jeder der drei geistlichen Kurfürsten je ein Wahldekret mit den weltlichen Kurfürsten ausstellte.

Freilich ist uns von den drei über die Wahl Heinrichs VII. ausgestellten Wahldekreten nur eins, und zwar dasjenige, welches Balduin mit den weltlichen Wählern ausgestellt hat, überliefert, daß aber zwei entsprechende Dekrete der beiden andern Erzbischöfe vorhanden waren, dafür spricht deutlich die Analogie der Anzeigen der Wahl Ludwigs des Bayern im Jahre 1314. Über diese Wahl hat Balduin wieder allein mit den weltlichen Kurfürsten ein Dekret ausgestellt, genau in der gleichen Weise, ja unter Benutzung desselben Formulars wie im Jahre 1308. Genau dieselben Schwierigkeiten, welche bisher die Eigenart des Wahldekrets von 1308 den Forschern geboten hat, würde auch das ganz gleichartige Dekret Balduins und der weltlichen Kurfürsten von 1314 bieten, wenn uns nicht hier durch ein glücklicheres Schicksal eine durchaus entsprechende Urkunde erhalten wäre, die von dem andern an dem Wahlakte beteiligten geistlichen Kurfürsten, dem Mainzer, in Gemeinschaft mit den weltlichen Kollegen ausgestellt ist. Wie durch die Mainzer Ausfertigung diejenige Balduins von 1314 ihre notwendige Ergänzung und Erklärung findet, so setzt auch Balduins Dekret von 1308 eine entsprechende Ergänzung durch zwei Wahldekrete voraus, welche der Mainzer und der Kölner, jeder wie Balduin mit den weltlichen Kurfürsten, ausgestellt haben müssen. Daß in Wirklichkeit drei solche Wahldekrete im Jahre 1308 ausgefertigt sind, geht nun deutlich hervor aus dem Verzeichnis der in der guardaroba Heinrichs VII. aufbewahrten Dokumente, welches der Kammernotar Bernardus de Mercato verfaßt hat.[226] Die dort erwähnten tria paria litterarum de electione domini in regem Romanorum können nur die drei Wahldekrete gewesen sein.[227]

In dem Wahldekret von 1308 findet sich zuerst in einem amtlichen Schriftstück die Bezeichnung eines Trierer Erzbischofs [214] als Erzkanzler durch das Arelat und durch Gallien. Balduin, unter dessen maßgebendem Einflusse die Wahl seines Bruders sich vollzog, mag den neuen Modus der Ausfertigung von je einem Wahldekret durch jeden der geistlichen Kurfürsten mit der Gesamtheit der weltlichen durch den Hinweis auf die Erzkanzlerämter der drei Erzbischöfe begründet haben; der eigentliche Grund war ohne Zweifel die Umgehung des mainzischen Rechts auf die erste Stelle im Wahldekret. Damit war aber nach außen das Prävalieren des Mainzers überhaupt ziemlich verhüllt oder verdunkelt.

Die in der Garderobe des Kaisers aufbewahrten tria paria litterarum können nur die Originale gewesen sein. Das mag auffällig erscheinen, da doch die Dekrete von den Kurfürsten an den Papst gerichtete Schriftstücke waren. Aber auch im Jahre 1314 wurden die Wahldekrete beider Wählergruppen den Gewählten übergeben, und noch heute befinden sich die Wahldekrete für Ludwig den Bayern in München, die für Friedrich von Österreich in Wien. Freilich gab es zur Zeit der Doppelwahl von 1314 keinen Papst, so daß die Wahlanzeigen an den künftigen Papst adressiert werden mußten und vorläufig nicht an ihre Adresse befördert werden konnten; doch blieben die Schreiben ja auch noch nach Beendigung der Sedisvakanz in den Händen der Gewählten, wie der jetzige Aufbewahrungsort erweist. Vermutlich wurden also bei allen drei Wahlen die Originale der an den Papst gerichteten Anzeigen den Gewählten zu dem Zwecke übergeben, damit diese die Schreiben gewissermaßen als Beglaubigungsschreiben bei der persönlichen Nachsuchung der Kaiserkrönung überreichen sollten. Zu einer solchen Überreichung aber mangelte allen drei Gewählten die Gelegenheit.

Wie nun dem Papste vorläufige Mitteilung von dem Inhalt der Dekrete gemacht wurde oder doch gemacht werden konnte, zeigt der uns überlieferte Text des Wahldekrets von 1308. Hier liegt nicht eigentlich ein Wahldekret der Kurfürsten vor, sondern ein im Anschluß an den Text des Dekrets hergestelltes Notariatsinstrument über den Wahlakt. Dieses unter Benutzung des von Balduin von Trier mit den weltlichen Kurfürsten ausgefertigten Exemplars hergestellte Notariatsinstrument ist nun, soweit sich das heute beurteilen läßt, das einzige Exemplar einer Wahlanzeige gewesen, welches an die Kurie abgesandt [215] ist. Nur von diesem einen Schriftstück, dessen Original verloren ist, findet sich im Vatikan eine Abschrift, und zwar in Gestalt eines Notariatstranssumtes vom 11. August 1309.[228] Wären damals mehrere gleichartige Schriftstücke zu Avignon vorhanden gewesen, so hätte man sicher auch die andern in das Transsumt aufnehmen lassen. Damit stimmt überein, daß der Papst in seinem Schreiben an den König vom 26. Juli 1309 nur von einem ihm zugestellten Wahldekret spricht.[229] Da nun die Kurie niemals in den Besitz der drei Originale der Wahldekrete gekommen ist, so ergibt sich die merkwürdige Tatsache, daß sie von der Wahl Heinrichs VII. nur durch ein Schriftstück Kunde erhielt, an dessen Spitze unter den ausstellenden Kurfürsten der Erzbischof von Trier ganz so an erster Stelle genannt war, wie in dem Gesamtdekret über die vorhergehende Wahl. Ein Zufall kann natürlich nicht obwalten; vielmehr dürfen wir hier ein Ergebnis der Politik Balduins erblicken. Erst brach er dem durch König Albrecht bestätigten Rechte des Mainzer Kollegen auf die erste Stelle in scriptura die gegen Trier gerichtete Spitze ab, indem er an die Stelle des einen Gesamtdekrets drei der drei Erzkanzler setzte, dann ließ er gerade das von ihm ausgefertigte Exemplar, in welchem er in der Inscriptio an der Spitze aller Kurfürsten stand, bei der Anfertigung des zur Übersendung an den Papst bestimmten Notariatsinstruments zu Grunde legen. Damit hatte er dann im Jahre 1308 trotz der Urkunde Albrechts tatsächlich dasselbe erreicht, wie sein Vorgänger Boemund 1298.

Ungewiß bleibt, ob der Mainzer bei den Wahlen von 1308 und 1314 ein Recht der ersten Stimme übte oder auch nur beanspruchte. Wenn der Sachsenspiegel im ältesten Texte dem Trierer, in den späteren Texten dem Mainzer das Recht zuerkannte, der erste an der Kur zu sein, so bezog sich das auf die Abgabe des feierlichen Kürspruches. Nachdem dann aber seit dem Interregnum der Brauch Eingang gefunden hatte, daß nicht mehr jeder Wähler den Kürspruch tat, sondern ein von allen Beauftragter in aller Namen, konnte eine Rangordnung, wie sie der Sachsenspiegel bezüglich der Reihenfolge in der Abgabe [216] des Kürspruchs statuiert hatte, nur noch in der Stimmabgabe bei der Nominatio zum Ausdruck kommen. Darauf kann denn auch nur der Schwabenspiegel die Rangordnung bezogen haben, womit auf das beste stimmt, daß er im Gegensatz zu seinem älteren Vorbilde geradezu von einer ersten, zweiten, dritten usw. Stimme der Fürsten spricht.[230] Auf die Reihenfolge der Stimmabgabe bei der Nominatio scheint es sich auch zu beziehen, wenn König Albrecht in der mehrerwähnten Urkunde die Mainzer Erzbischöfe als primi in ordine et honore nominationis bezeichnet; obgleich hier die höhere Ehre auch etwa in dem Rechte, die Abstimmung zu leiten, gefunden werden kann. Wenn die Goldene Bulle den Leiter der Abstimmung die Stimme zuletzt abgeben läßt, so kann das sehr wohl bereits früher üblich gewesen sein. Dann aber könnte der Mainzer wohl 1308, nicht aber 1314 die erste Stimme abgegeben haben. Denn während 1308 der Kölner die Inquisitio votorum vornahm, tat dies 1314 der Mainzer selbst. Dann müßte aber Trier damals die erste Stimme abgegeben haben, und damit wäre die geeignete Grundlage geschaffen für Begründung und Ausbau eines trierischen Rechtes der ersten Stimme, wie es die Goldene Bulle gesetzlich anerkennt.

Die Gelegenheit dazu bot die Wahl Karls IV. am 11. Juli 1346 zu Rense. Diese Wahl fand ebenso wie die Heinrichs VII. statt unter dem maßgebenden Einflusse Balduins von Trier. Wie dieser damals für die Wahl seines Bruders mit Nachdruck eingetreten war, so war er jetzt die eigentlich leitende Persönlichkeit bei der Wahl seines Großneffen, des Enkels Kaiser Heinrichs. Ihm ist auch ohne Zweifel die eigenartige, wohl berechnete Form der über die Wahl erstatteten Anzeigen zuzuschreiben. Von den uns überlieferten Wahldekreten ist zuerst das Balduins verfaßt. Dieses bildete dann die Vorlage für dasjenige Johanns von Böhmen, und beide zusammen diejenige der Dekrete Gerlachs von Mainz und Walrams von Köln.[231] Sehen wir ab von einem in Walrams Dekret enthaltenen höchst merkwürdigen Zusatze mit einem Angriffe auf das Kurrecht des Königs von Böhmen, der aber in diesem Zusammenhange ohne Bedeutung [217] ist, so stimmen die vier Texte im wesentlichen überein und bieten also die von Balduin herrührende Fassung. Der gemeinsame Text der Wahldekrete von 1346 unterscheidet sich aber in sehr auffallender Weise von demjenigen, der ebenso unter Balduins Einflusse 1308 hergestellt und 1314 von Balduin und seinem Mainzer Kollegen im wesentlichen wiederholt wurde und auch die Grundlage bildete für das Wahldekret der Gegenpartei. Während nämlich der frühere Text den Wahlvorgang in seinen einzelnen Akten mit größter Genauigkeit schildert, gibt der von 1346 nicht nur keine wirkliche Schilderung des Herganges, sondern sucht offenbar denselben mit voller Absicht unter einer Fülle von zum Teil technischen Ausdrücken und Wendungen zu verhüllen. Läßt dieser Umstand schon vermuten, daß hier Neuerungen im Wahlverfahren vorsichtig verdeckt werden sollen, so läßt sich als eine solche Neuerung die Ausübung eines Rechtes der ersten Stimme durch den Trierer Erzbischof nachweisen.

Am Vorabend seiner Krönung, am 25. November, erteilte Karl IV. seinem Großoheim Balduin ein großes Sammelprivileg, wie dieser bereits zwei von Kaiser Ludwig erhalten hatte. Es enthielt eine große Zahl zum Teil älterer, zum Teil aber auch neuer Privilegien, unter den letzteren ein Privileg über das Recht, bei Königswahlen und bei allen andern Reichshandlungen der Kurfürsten die erste Stimme abzugeben.[232] Wie fast stets in solchen Fällen wird das Recht als ein bereits seit Alters bestehendes, die Verleihung als eine bloße Bestätigung ausgegeben. Daß das Recht noch nicht alt war, bezeugt das große Privileg, welches Balduin von Trier 1330 von Ludwig dem Bayern sich hatte erteilen lassen, und welches für das Sammelprivileg von 1346 die unmittelbare Vorlage bildet, aber das Privileg über die erste Stimme noch nicht enthält. Balduin hat sich das Recht der ersten Stimme dann noch einmal wenige Tage vor seinem Tode von Karl IV. in einer besonderen Urkunde verbriefen lassen.[233]

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Anerkennung dieses trierischen Rechtes eine von den Gunstbezeugungen [218] war, die der Erzbischof von seinem Großneffen als Preis für sein Eintreten für dessen Wahl und Erhebung forderte. Nehmen wir nun dazu, daß eben bei dieser Wahl im Gegensatze zu den beiden vorhergegangenen, an denen Balduin beteiligt war, in dem von eben diesem an den Papst gerichteten Wahldekret, wie auch in den übrigen Mitteilungen der Kurfürsten über diese Wahl die Formen, in welchen sich dieselbe vollzog, mit augenscheinlicher Absicht verhüllt und nur in ganz allgemeinen Wendungen angedeutet werden, daß weder von einer electio per unum noch von der Nominatio und zu deren Behuf erfolgten Abstimmung die Rede ist, und daß weder die electio per unum noch die Abstimmung bei der Nominatio später jemals wieder begegnen, so können wir gar nicht umhin anzunehmen, daß es gerade Karls Wahl war, bei welcher neue Formen zur Anwendung kamen, die mit dem trierischen Anspruch auf die erste Stimme im Zusammenhange stehen.

Als die Wahl Karls zu Rense vollzogen werden sollte, wäre es das nächstliegende gewesen, sie in denselben Formen vorzunehmen, welche bei den letzten Wahlen im Jahre 1314 beobachtet waren. Da nun ohne Zweifel in der ganzen Wahlsache Balduin von Trier die leitende Persönlichkeit war, so wird er die Frage erwogen haben, wie weit bei der bevorstehenden Wahl die Vorgänge bei der letzten, an welcher er selbst teilgenommen hatte, wiederholt werden sollten. Bei dieser Wahl aber, derjenigen Ludwigs, waren die wichtigsten Funktionen dem Mainzer Erzbischof zugefallen. Dieser hatte die Protestatio verlesen, die Abstimmung geleitet und den Kürspruch getan.[234] Es ist begreiflich, daß Balduin nicht geneigt war, dem eben erst zum Zweck der Wahl Karls ernannten Gerlach von Mainz eine solche hervorragende Stellung bei der Königswahl einzuräumen. Und doch war es nicht wohl möglich, ihm die meisten dieser Funktionen streitig zu machen. Die Leitung der Wahlhandlung stand ihm unzweifelhaft als Erzkanzler in Deutschland zu. Die erste Stimme bei der Nominatio blieb sein verbrieftes Recht[235], wenn auch Balduin 1314 wahrscheinlich zuerst gestimmt hatte, und die Vollziehung der Electio konnte Mainz auf Grund [219] der Wahl von 1314 um so eher in Anspruch nehmen, als auch jetzt wie bei Ludwigs Wahl der Rheinpfalzgraf nicht teilnahm, der sonst wohl ein Gewohnheitsrecht hätte geltend machen können. Wollte Balduin seinem Erzstuhle einen besonderen Anteil an der Königswahl auf Kosten des Mainzers gewinnen, so mußte er von den Formen der früheren Wahlen ganz abgehen und sie durch neue ersetzen. Dieser Zweck war zu erreichen durch Beseitigung der electio per unum und deren Ersatz durch eine feierliche Abstimmung. Indem so die Abstimmung aus der Nominatio in die Electio verlegt wurde, fiel zugleich das mainzische Recht bezüglich der ersten Stimme hinweg, das sich ja gemäß dem Privileg von 1298 nur auf die Nominatio bezog. Dann aber konnte Balduin für Trier das Recht der ersten Stimme bei der Electio erwerben. Die Nominatio durch feierliche Abstimmung war bisher die Voraussetzung für die nachfolgende Electio gewesen; jetzt wurde sie eine nebensächliche formlose Handlung, in welcher das Recht, den Namen des Kandidaten auf Grund der vorhergegangenen Verhandlungen zuerst zu nennen oder zu verkündigen, ziemlich bedeutungslos erscheinen mußte. Wie aber mochte Balduin auf den Gedanken gekommen sein, für sich und seine Kirche das Recht der ersten Stimme bei der Electio zu beanspruchen? Auch nach der Goldenen Bulle bleibt die Vorstellung bestehen, daß die Majorität, welche zur feierlichen Electio schreitet, diese regelmäßig einstimmig vollzieht. Die Wahl sollte von der Majorität der sieben Kurfürsten, von dieser aber einstimmig vollzogen werden. So erhielt die erste Stimme bei der Electio eine ähnliche Bedeutung, wie sie zur Zeit der Vollziehung der Kur durch die einzelnen Wähler das Recht, zuerst den Kürspruch zu tun, gewährte. Einem ganz bedeutungslosen Ehrenvorrechte hätte Balduin kaum so großes Gewicht beigelegt. Vielleicht aber war es schon vorher üblich, daß bei Abstimmungen über andere Gegenstände im Kurfürstenkolleg der vorsitzende Mainzer zuerst den Trierer um seine Stimme fragte. Diesen Gedanken legt das Privileg Karls vom 25. November 1346 nahe, in welchem das Recht der ersten Stimme bezeichnet wird als Prerogativa prime vocis tam in electione regis Romanorum quam aliis negociis imperii per principes electores pertractandis. Das kann sehr wohl bedeuten, daß Trier die erste Stimme bei der [220] Königswahl ebenso haben soll, wie es dieselbe bei andern Reichshandlungen bereits seit alters besaß.[236]

Zu einer Änderung der Wahlform mochte aber auch außer dem trierischen Interesse ein anderes rein sachliches Motiv vorhanden sein. Bedenken wir, daß zwischen Karls Wahl und denen des Jahres 1314 der Kurverein zu Rense lag. Dieser hatte unter entscheidendem Einflusse Balduins die Wahl des Königs durch die Majorität der Kurfürsten als die einzige rechtmäßige Grundlage des Königtums erklärt. Dieses Majoritätsrecht nach außen hin deutlich zum Ausdruck zu bringen, war die bisherige Wahlform mit der electio per unum sehr wenig geeignet. Dagegen war die durch feierliche Stimmabgabe vollzogene Electio, bei welcher die Anzahl der Wähler im entscheidenden Akte selbst evident wurde, die geeignetste Form, um dem Majoritätsprinzip den deutlichsten Ausdruck zu verleihen.

Auch bei der früheren Wahlform gab es, wie wir sahen, eine Abstimmung; doch war diese durchaus nicht geeignet, die ausschlaggebende Bedeutung des Majoritätsprinzips nach außen genügend zum Ausdruck zu bringen. Denn einmal fand diese Abstimmung innerhalb des Verlaufes der Wahlhandlung zum Zweck einer vorbereitenden, nicht der abschließenden Handlung statt, ferner aber war jede Wirkung dieser Abstimmung nach außen dadurch ausgeschlossen, daß sie heimlich stattfand. Aus dem nachträglichen Wahldekret des Erzbischofs Heinrich von Köln über die Wahl Friedrichs des Schönen erfahren wir, daß die Abfragung der Stimmen bei der Wahl Friedrichs, entsprechend den kanonischen Vorschriften für Bischofswahlen, secrete et sigillatim, d. h. heimlich und einzeln erfolgt war. Man könnte einwenden, daß Heinrich von Köln bei der Wahl selbst nicht zugegen war, und somit sein Zeugnis gegenüber dem Schweigen des am Wahltage selbst ausgestellten Dekrets wertlos sei. Dagegen ist aber als entscheidend hervorzuheben, daß die übrigen Wähler jenen Zusatz über die Heimlichkeit der Abstimmung in Heinrichs Urkunde beanstandet haben würden, wenn er nicht dem tatsächlichen Vorgange entsprochen hätte. Selbst wenn man aber diesen Grund nicht gelten lassen wollte, [221] würde das Zeugnis Heinrichs von Köln von großem Gewicht bleiben, weil er die übliche Form der Abstimmung genau kennen mußte, da er selbst bei der Wahl des Jahres 1308 das Geschäft der Inquisitio votorum besorgt hatte.

Die Abstimmung dagegen, welche seit 1346 an die Stelle des Kürspruchs trat, kann ursprünglich nur als öffentliche gedacht sein. Darauf deutet die Abstimmungsordnung in c. IV der Goldenen Bulle, welche jedenfalls eher auf eine öffentliche als auf eine geheime Abstimmung paßt. Auch das Notariatsinstrument über Wenzels Wahl erweckt durchaus den Eindruck, als ob die Abstimmung öffentlich vorgenommen sei. Bei Ruprechts Wahl zu Rense war schon durch die Lokalität eine geheime Abstimmung so gut wie ausgeschlossen, und ebenso bei der ersten Wahl Sigmunds, die unter freiem Himmel hinter dem Chor der Bartholomäuskirche zu Frankfurt stattfand. Von einer heimlichen Abstimmung hören wir zum ersten Male wieder bei der Wahl Albrechts II. Die Neigung zur Heimlichkeit nahm dann schnell zu. Bei der Wahl von 1440 wird zum ersten Male berichtet, daß die Abstimmung nicht mehr in Gegenwart aller Wähler und ihrer Begleiter im Chor der Kirche vorgenommen wurde, sondern in der Liberei, in einem durch eine Tür verschlossenen Nebenraume des Chores, in welchen sich die Abstimmenden einzeln zu dem Mainzer Erzbischof zum Zweck der Stimmabgabe verfügten, ein Brauch, der dann dauernd in Übung blieb. Er kam auf in der Zeit, welcher die Heimlichkeit der Abstimmung als die höchste Gewähr für die Fernhaltung unlauterer Einflüsse von der Wahl galt. Suchte doch damals Nikolaus von Cues durch ein höchst verzwicktes, auf die unbedingte Heimlichkeit der Abstimmung abzielendes Verfahren bei der Königswahl die Grundlagen der Reichsverfassung zu reformieren.[237]

Ein Zweifel daran, daß die in der Goldenen Bulle vorausgesetzte und seitdem gebrauchte Wahlform mit dem trierischen Rechte der ersten Stimme zuerst bei Karls IV. Wahl zur Anwendung kam und auf die Initiative Balduins von Trier zurückzuführen ist, dürfte ausgeschlossen sein. In der Unbestimmtheit der Anzeigen über diese Wahl verschwinden die Einzelheiten [222] des Wahlvorganges, um nicht wieder in alter Weise zu erscheinen. Die Goldene Bulle und die ihr folgenden Wahlen zeigen die neuen Formen, welche Balduin damals der Königswahl für die ganze Folgezeit gegeben hatte.

Wie man aus dem Schweigen der Goldenen Bulle über das päpstliche Approbations- und Konfirmationsrecht gefolgert hat, der Gesetzgeber habe damit jenes Recht ausschließen wollen, so hat man einen entsprechenden Schluß ex silentio auch bezüglich der speziell erzkanzlerischen Rechte der drei geistlichen Kurfürsten gezogen. Es handelt sich dabei um jene Rechte der Erzkanzler inbezug auf die kaiserliche Kanzlei, welche ihnen zustehen sollten, wenn der Kaiser oder König sich in ihren Erzkanzellariaten befand oder für deren Gebiete Urkunden ausfertigte. Sie betrafen gewisse Aufsichtsrechte, die Ernennung und Absetzung des Kanzleipersonals, sowie die Kanzleieinkünfte. Urkundlich zuerkannt sind solche Rechte nachweisbar dem Mainzer Erzbischof durch Albrecht I.[238], dem Kölner durch Heinrich VII.[239], und dem Trierer durch Ludwig den Bayern.[240]

Aus dem Schweigen der Goldenen Bulle über diese Rechte hat man nun geschlossen, daß der Gesetzgeber ihnen die Anerkennung habe entziehen wollen. Sehr vorsichtig andeutend äußert sich Breßlau über diesen Punkt[241]: „Die Goldene Bulle, die sonst der Rechte der Kurfürsten so ausführlich gedenkt, redet in ihren ersten Kapiteln .... von Befugnissen der Erzkanzler in Bezug auf die Kanzlei gar nicht und erkennt ihnen in dem zweiten zu Metz publicierten Teil wohl gewisse Ehrenrechte zu, übergeht aber alle materiellen Befugnisse, von denen in den Privilegien die Rede war, mit beredtem Stillschweigen.“ Wohl im Anschluß an Breßlau spricht Burdach[242] von dem „vielsagenden Schweigen“ der Goldenen Bulle und knüpft daran sehr bestimmte, aber unzutreffende Behauptungen, welche neben dem [223] Fehlschluß aus dem Schweigen der Goldenen Bulle auf falschen Vorstellungen über den Zustand der Reichskanzlei bis auf Karl IV. beruhen. Wenn er meint, Karl habe die Reichskanzlei definitiv dem Einfluß der drei Erzkanzler entrückt, aus der klerikalen Sphäre in die einer Staatsbehörde, aus dem Zustand schwankenden Umherirrens in feste Verbindung mit dem Mittelpunkte des Reiches gebracht, indem er sie einem eigenen Hofkanzler unterstellte, so ist dem entgegenzuhalten, daß es einen Hofkanzler als Leiter der Kanzlei schon lange vor Karl IV. gab[243], daß die Reichskanzlei auch unter dem Einfluß der drei Erzkanzler sich niemals an deren Höfen befand und also niemals mehr umherirrte, als der Mittelpunkt des Reiches selbst, der Hof des Königs, dem sie stets folgte, mit dem sie also immer schon in fester Verbindung stand. Was aber die klerikale Sphäre betrifft, aus der die Kanzlei durch Karl entfernt sein soll, so bestand eine solche vor wie nach der Goldenen Bulle insofern, als die eigentlichen Leiter Geistliche waren, während der Einfluß der Erzkanzler niemals in Wirklichkeit erheblich genug war, um etwa die Kanzlei in eine klerikale Sphäre bringen zu können. Die Hauptsache aber ist, daß Karl weder durch die Goldene Bulle noch sonst irgendwie die Absicht bekundet hat, die Beziehungen der Erzkanzler zur Reichskanzlei zu beseitigen.

Karl IV. hat in einer Reihe von Privilegien die erzkanzlerischen Rechte ausdrücklich anerkannt, welche den Erzbischöfen von seinen Vorgängern verbrieft waren. Zwar liegt für Gerlach von Mainz nur eine allgemeine Bestätigung aller Rechte vor; doch werden dabei die erzkanzlerischen, wenn auch nur im allgemeinen, so doch ausdrücklich genannt.[244] Auch ist keineswegs ausgeschlossen, daß daneben noch ein besonderes Privileg erteilt wurde. Das von Heinrich VII. dem Kölner Erzbischof erteilte Privileg[245], laut dessen dieser sich in der Wahrnehmung der erzkanzlerischen Pflichten und Rechte in Italien vertreten lassen konnte, hat Karl an seinem Krönungstage [224] 1346 am 26. November erneuert.[246] Die Erzkanzlerprivilegien für Trier endlich, welche Ludwig der Bayer dem Erzbischof Balduin erteilt hatte, bestätigte Karl IV. diesem seinem Großoheim selbst zweimal, am 25. November 1346[247] und am 7. Januar 1354[248], und ebenso dessen Nachfolger Boemund am 5. Januar 1356[249], am Vorabend des ursprünglich für den Erlaß des Nürnberger Gesetzbuches bestimmten Tages, und endlich noch einmal dem Nachfolger Boemunds, Erzbischof Kuno, am 31. Mai 1376.[250] Alle diese Bestätigungen, insbesondere aber die für Trier, dürften die Annahme ausschließen, daß Karl die erzkanzlerischen Rechte durch Nichterwähnung in der Goldenen Bulle hätte beseitigen wollen. Nicht nur, daß von diesen vier Bestätigungen eine erst nach Erlaß der Goldenen Bulle erfolgt ist, sondern mehr noch, daß die dritte ganz unmittelbar vor die Publikation des hier in Betracht kommenden Teiles des Gesetzes fällt, spricht deutlich dagegen. Wie wäre es denkbar, daß der Kaiser im vollen Einvernehmen mit den Kurfürsten ein Gesetz herstellen ließ, in welchem er die erzkanzlerischen Rechte der geistlichen Kurfürsten mit voller Absicht ignorierte, während er gleichzeitig einem der Kurfürsten diese Rechte feierlich bestätigte? Außerdem setzt die Goldene Bulle an verschiedenen Stellen das Bestehen erzkanzlerischer Rechte voraus. Zu verschiedenen Malen erwähnt das Gesetz die Erzkanzlersprengel, archicancellariatus, die doch unmöglich nur als die räumlichen Grundlagen für die wenigen Ehrenrechte, welche die Goldene Bulle ausdrücklich erwähnt, gedacht werden können. Ferner bezeichnet der Gesetzgeber in c. XXIX die Reichshofbeamten, unter denen der Hofkanzler genannt wird, als substituti officiales der Kurfürsten, denen diese nicht zur Zahlung von Gebühren verpflichtet sein könnten. Der Hofkanzler wird damit als ein Untergebener der Erzkanzler wenigstens indirekt charakterisiert. Hier wird demnach ein Verhältnis zwischen den Erzkanzlern und dem Hofkanzler vorausgesetzt, wie es nach den Erzkanzlerprivilegien [225] wenigstens theoretisch sein sollte. Das Schweigen der Goldenen Bulle von den erzkanzlerischen Rechten kann also höchstens die Bedeutung haben, daß der Gesetzgeber es vermeiden wollte, das Maß und den Umfang der Rechte ein für allemal gesetzlich festzulegen.

Ein gewisses Hindernis für eine Kodifikation der erzkanzlerischen Rechte mochte auch darin gefunden werden, daß diese nicht in völlig gleicher Weise jedem der drei Erzkanzler zustanden, und eine einheitliche Regulierung nicht durchführbar erscheinen mochte. Möglichenfalls, und das halte ich für das wahrscheinlichste, fand der Gesetzgeber gar keinen Anlaß, sich über den Inhalt der Rechte eines Erzkanzlers im Rahmen dieses Gesetzes zu äußern. In c. III und IV, wo von den Ehrenrechten der einzelnen Kurfürsten bei Hoftagen und Königswahlen gehandelt wird, war durchaus keine Gelegenheit, der Beziehungen der drei geistlichen Kurfürsten zur Reichskanzlei zu gedenken. Hier wie in den Metzer Zusätzen konnte man sich sehr wohl auf die bei festlichen Gelegenheiten nach außen hin erkennbaren Manifestationen der Beziehungen der Erzkanzler zur Reichskanzlei begnügen, diese Beziehungen selbst aber als interne Angelegenheiten unerwähnt lassen.

Freilich hat schon im Jahre 1406 König Ruprecht sich dem Erzbischof von Mainz gegenüber, als dieser gemäß den Privilegien seiner Kirche die ihm vorenthaltenen erzkanzlerischen Rechte in Anspruch nahm, für die Verweigerung dieser Rechte auf die Goldene Bulle gestützt.[251] Es war lediglich das Schweigen der Goldenen Bulle, worauf Ruprecht sich berufen konnte, und dieses konnte unmöglich den positiven Bestimmungen der Mainzer Privilegien derogieren, zumal da Ruprecht selbst diese Rechte dem Mainzer im Jahre 1400 feierlich bestätigt hatte.[252] Wenn dagegen der König behauptete, das Reich habe allzeit die Kanzlei besetzt, so entsprach das allerdings wohl den Tatsachen. Denn, so oft und deutlich auch den Erzkanzlern das Recht verliehen ist, den Hof- oder Vizekanzler und die übrigen Kanzleibeamten zu ernennen und abzusetzen, so sind die hierauf bezüglichen Bestimmungen in der Hauptsache stets tote Buchstaben geblieben. [226] In der Theorie haben die Herrscher von Albrecht I. bis Karl IV. den Erzkanzlern das Recht, die Kanzlei zu besetzen, zugestanden, es in der Praxis aber fast durchweg selbst in der Hand behalten. An diesem Verhältnis hat auch die Goldene Bulle mit ihrem Schweigen über diesen Punkt nichts geändert, wie die beiden Erzkanzlerprivilegien für die Trierer Kirche beweisen, von denen das eine gleichzeitig mit dem Gesetzbuche, das andere noch zwanzig Jahre nach demselben ausgestellt ist.

Wir haben im vorstehenden feststellen können, daß der Gesetzgeber der Goldenen Bulle in einer Anzahl mehr oder weniger wesentlicher Punkte, entgegen der bisher herrschenden Anschauung, keine Neuerungen einführen wollte noch eingeführt hat. Das entspricht dem Charakter des ganzen Gesetzes, welches kein Reformgesetz ist, sondern im wesentlichen nur eine Kodifikation des geltenden Rechts. Der Kreis der sieben Kurfürsten als der ausschließlich berechtigten Wähler des Königs war genau seit 100 Jahren in der Praxis des Reichsrechts anerkannt und nach kurzem vorübergehendem Schwanken dauernd anerkannt geblieben. Seit der Zeit Rudolfs von Habsburg taucht der Gedanke der Majoritätswahl in dem Schwabenspiegel und in Urkunden auf und erlangt in den Kämpfen Ludwigs des Bayern mit der Kurie die Anerkennung der maßgebenden Faktoren des Reichs. Beides, die Anerkennung des Kurfürstenkollegiums und die Geltung des Majoritätsprinzips, ist in der Goldenen Bulle gesetzlich festgelegt worden. Was der Gesetzgeber diesen beiden Hauptgedanken neu hinzufügt, sind Anordnungen, welche lediglich den Zweck haben, den Bestand und das Recht der Wähler sowie die Durchführung der Majoritätswahl zu sichern. Nicht neu ist auch das Recht der Kurfürsten, an der Regierung und Verwaltung des Reiches Anteil zu nehmen, welches die Goldene Bulle voraussetzt und anerkennt; nur der Gedanke, dieses Recht in eine neue Form zu kleiden, gehört dem Gesetzgeber an. Nicht neu ist auch die Reichsverweserschaft des Pfalzgrafen bei Rhein und des Herzogs von Sachsen und ebensowenig des ersteren Gerichtsbarkeit über den König; neu höchstens zum Teil die Ausgestaltung im einzelnen. Dasselbe gilt von den Bestimmungen wegen des Fehderechts, der unrechtmäßigen Zölle und Geleite, der unerlaubten Bündnisse und der Pfalbürger. [227] Nirgends Reformen; überall nur Kodifikation. Daraus aber ergibt sich die Richtung, in der die Wirkungen des Gesetzes allein liegen konnten.

Nach Zweck und Inhalt konnte die Goldene Bulle nur in konservativer Richtung wirken. Sie mußte dazu beitragen, die herrschende Staatsform des Reiches zu erhalten, oder doch deren Fortentwicklung auf den gegenwärtigen Grundlagen begünstigen. Und in der Tat ist kaum daran zu zweifeln, daß die Goldene Bulle einen großen Anteil an dem dauernden Fortbestande der Grundlagen der Reichsverfassung gehabt hat. Wenn das heilige römische Reich bis zu seiner Auflösung ein Wahlreich seiner Form nach und zum Teil wenigstens dem Wesen nach geblieben ist, wenn die Kurfürsten dauernd die wichtigsten Organe der Reichsverfassung geblieben sind, so wäre das vielleicht auch ohne unser Gesetz so geworden; dieses aber hat eine Änderung der Grundlagen der Reichsverfassung seit seiner Anerkennung als ein Fundamentalgesetz des Reiches unmöglich gemacht. Diese ist erst im 16. Jahrhundert erfolgt und hat sich sehr langsam vorbereitet.

Die ganze Fassung des Gesetzes in ihrer Feierlichkeit, insbesondere die pomphafte Einleitung und nicht weniger die häufige und nachdrückliche Betonung der ewigen Dauer der Bestimmungen machen den Eindruck, daß der Gesetzgeber hier ein Werk von ganz hervorragender Bedeutung und dauernder Wirkung schaffen wollte. Der anspruchsvollen Form und der inneren Bedeutung des Gesetzes entsprach nun wenig die Beachtung, welche es in der Öffentlichkeit fand, wie das schon oben[253] hervorgehoben wurde, und ebensowenig die Behandlung, die der Gesetzgeber selbst ihm angedeihen ließ. Nach unsern Anschauungen entspricht es schon wenig der Würde eines Gesetzes, wenn seine Bestimmungen zum Teil in Form von Privilegien einem Reichsstande verbrieft werden mit der Klausel, daß diese Vorschriften die Untertanen des Empfängers nicht nur wie alle Reichsuntertanen als allgemeines Gesetz binden sollen, sondern noch besonders als Privileg gegenüber dem Empfänger.[254] [228] Schwerer aber wiegt, daß Karl IV. sein eigenes Gesetz öfter durchlöchert und bei Seite geschoben, als anerkannt und durchgeführt hat. Nur einmal beruft er sich auf sein Gesetz, um eine Vorschrift desselben gegen einen Verletzer aufrecht zu erhalten, indem er am 25. Mai 1361 auf Klage des Herzogs Rudolf von Sachsen-Wittenberg den Herzog Erich von Sachsen-Lauenburg vorlud, sich zu verantworten, weil er sich gegen „unser keiserliches rechtbuch“ das Kurrecht und Erzamt angemaßt habe.[255] Diesem einen Falle der Aufrechterhaltung des Gesetzes stehen aber drei andere gegenüber, in denen durch kaiserliche Urkunden die Geltung einzelner Bestimmungen der Goldenen Bulle außer Kraft gesetzt werden sollten.

Den ersten Fall dieser Art bietet die bereits mehrfach erwähnte Stelle des Reichsfürstenprivilegs für die Burggrafen von Nürnberg[256] dar, in welcher eine freilich nur vermeintlich der Verleihung des Bergregals an die Burggrafen entgegenstehende Vorschrift der Goldenen Bulle hinsichtlich dieser Verleihung aufgehoben wird. Gerade die Leichtfertigkeit, mit der man hier eine Bestimmung des Gesetzes außer Kraft zu setzen bereit war, welche bei nur einigermaßen aufmerksamer Betrachtung gar nicht im Wege stand, ist charakteristisch für die geringe Scheu vor dem Gesetze. Mag es sich hier immerhin nur um eine Verfehlung eines kaiserlichen Rates oder eines Diktators der Reichskanzlei handeln, so zeigen zwei weitere Fälle, die nur auf Anordnungen des Kaisers selbst zurückgeführt werden können, wie wenig auch dieser Bedenken trug, sein für alle Zeiten gegebenes Gesetz um vorübergehender Zwecke und augenblicklicher Vorteile willen außer Kraft zu setzen. Am 10. August 1365 hob Karl IV. mit Zustimmung der Kurfürsten einer Anzahl elsässischer Reichsstädte gegenüber das in der Goldenen Bulle enthaltene Pfalbürgerverbot auf.[257] Galt diese Aufhebung nur einer doch mehr nebensächlichen Anordnung des Gesetzes und war sie beschränkt auf die genannten Städte, so betraf der letzte Fall der Aufhebung des eigenen Gesetzes eine dem eigentlichen Kern der Goldenen Bulle angehörende Bestimmung. Zu den [229] Maßregeln, durch welche Karl die Zustimmung der Kurfürsten von Trier und Köln zur Wahl Wenzels erkaufen mußte, gehörte die Urkunde vom 11. November 1374, durch die er die früher mit Rat und Zustimmung der Kurfürsten erlassenen Gesetze und Ordnungen, nach welchen jede künftige Königswahl zu Frankfurt am Main vollzogen werden solle, widerrief, aufhob und vernichtete, angeblich zu dem Zwecke, daß die Wahl und Kur frei sei.[258] Der Wortlaut der Urkunde ist so gefaßt, daß man allenfalls herauslesen konnte, daß nicht nur die Bestimmung über den Wahlort selbst, sondern auch alle übrigen im Zusammenhange mit ihr erlassenen Gesetze und Ordnungen widerrufen sein sollten. Ob diese Zweideutigkeit beabsichtigt war, können wir dahingestellt sein lassen; jedenfalls aber zeigt schon die unwahre und klägliche Begründung der Aufhebung, wie wenig bedenklich Karl IV. mit seinem eigenen Gesetz umsprang. Nehmen wir nun noch dazu Karls zweideutiges Verhalten in dem Streite über das Schwertträgeramt[259] sowie sein schon oben charakterisiertes Verfahren bei der Erwerbung der Mark Brandenburg im Vertrage zu Fürstenwalde, so können wir nicht anders urteilen, als daß Karl IV. sein großes Gesetz, unzweifelhaft sein größtes Werk überhaupt, mit nur geringer Achtung behandelt hat, die im merkwürdigsten Gegensatze steht zu den idealen Beweggründen und dem freien Entschluß, aus denen es entstanden war.

Karls IV. Verhalten zu seinem eigenen Gesetze trägt wohl zum Teil die Schuld, daß es auch unter seinem Nachfolger ganz zurück- und erst bei Wenzels Absetzung und Ruprechts Wahl wieder hervortritt. Freilich wird auch hier in den offiziellen Schriftstücken über diese Vorgänge die Goldene Bulle nicht angeführt; wohl aber geschieht das in Berichten von Privatpersonen. Einer dieser Berichte ist verfaßt von dem pfälzischen Rat und Notar Sobernheim und darf wegen der Stellung des Verfassers Anspruch auf besondere Beachtung erheben. Es entspricht wohl den in der Umgebung Ruprechts und seiner Wähler, der drei geistlichen Kurfürsten, herrschenden Anschauungen, wenn er sich für die Rechtmäßigkeit der Wahl auf eine [230] Vorschrift der Goldenen Bulle beruft. Geschieht das mit den Worten ut canit aurea bulla, so ist das vielleicht die älteste nachweisbare Stelle für die bald ganz ausschließlich gebrauchte Bezeichnung für Karls Reichsgesetz.[260] Einige Jahre später berief sich König Ruprecht selbst auf die Goldene Bulle; jedoch irrtümlich und ohne diese Bezeichnung zu gebrauchen. Er bezeichnet das Gesetz als das „Buch mit der goldenen Bulle“[261], genau so, wie es in der Frankfurter Ratsrechnung von 1366 genannt wird.[262]

Offiziell als Grundlage des Rechtes der Königswahl wurde die Goldene Bulle unter ihrem von nun an technischen Namen bei Gelegenheit der Frankfurter Doppelwahl von 1410 betrachtet. Beide Parteien beriefen sich für den rechtmäßigen Vollzug ihrer Wahl auf die Goldene Bulle, und eine im Auftrage der Partei Sigmunds ausgearbeitete Denkschrift besteht in der Hauptsache aus einer Interpretation der in Betracht kommenden Kapitel des Gesetzes (sog. Refutatio anonymi), die wiederum mit gelehrten glossenartigen Erläuterungen versehen wurde.[263] Ist hier die Goldene Bulle zur Grundlage genommen für eine staatsrechtliche Deduktion, die praktisch-politischen Zwecken diente, so wurde sie etwa 50 Jahre später die Grundlage für eine theoretische Darstellung des Reichsstaatsrechts. Es war dies der berühmte Libellus de caesarea monarchia des Baseler Professors Peter von Andlau, verfaßt im Jahre 1460, dessen zweites Buch im wesentlichen eine systematische Bearbeitung und Erläuterung der betreffenden Partien der Goldenen Bulle bildet.

Das Werk Peters von Andlau steht ganz auf dem Boden des historisch entwickelten und gesetzlich fixierten Rechtes, abseits von der großen, das 15. Jahrhundert durchziehenden Bewegung, welche auf eine vollständige Reform der Reichsversfassung gerichtet war. Ihm mußte die Goldene Bulle, die Kodifikation eines sehr wesentlichen Teils der Reichsverfassung, als eine der wichtigsten Quellen, ja vielleicht als die wichtigste Grundlage des Reichsstaatsrechtes erscheinen; während die Vertreter der Reformbewegung naturgemäß mehr Interesse für die durch das [231] Gesetz nicht geregelten Seiten der Reichsverfassung hatten. Demgemäß nehmen denn die Reformpläne und Reformschriften von der Goldenen Bulle meist keine Notiz, wie die Reformation Kaiser Sigmunds, das Reichsreformprojekt von 1442[264] und der sog. Abschied geistlicher Fürsten von ca. 1453.[265] Eine Ausnahme macht aber Nikolaus von Cues in seiner dem Baseler Konzil vorgelegten Schrift De concordantia catholica, in deren drittem Buche er Vorschläge für die Umgestaltung der Reichsverfassung macht. Er lehnt sich an einzelnen Stellen offensichtlich an die Goldene Bulle an; so in c. 35, wo er von der Einführung jährlicher Zusammenkünfte der Kurfürsten und der Richter handelt. Die ganze Einrichtung ist im Anschluß an c. XII der Goldenen Bulle geplant, wie das namentlich der Vorschlag zeigt, daß die Versammlungen ohne großen Aufwand, absque pompa et gravibus expensis, stattfinden sollen, der an die bekannte Bestimmung jenes Kapitels erinnert, ferner in c. 36 und 37, wo die Eröffnung der Königswahl im Anschluß an c. II des Gesetzes geordnet wird, und namentlich das Formular des Wahleides engste Verwandtschaft mit dem der Goldenen Bulle zeigt.

Aus den gleichen Gründen wie in den Reformprojekten tritt auch in der Reformgesetzgebung die Goldene Bulle nicht stark hervor. Wohl wird gelegentlich eine ihrer Bestimmungen in Landfriedensgesetzen des 15. Jahrhunderts mit oder ohne ausdrückliche Nennung der Quelle wiederholt, auch wird in den Verhandlungen über die Reformgesetzgebung auf dem Wormser Reichstage im Jahre 1495 die Bedeutung des Appellationsprivilegs der Goldenen Bulle erörtert[266], im Mittelpunkte des Interesses stehen aber andere Fragen, als die in dem Gesetze behandelten.

Eine Nachricht über einen Sessionsstreit auf dem Reichstage zu Konstanz im Jahre 1507 gibt Zeugnis davon, in wie hohem Ansehen die Goldene Bulle bei Kaiser und Fürsten damals [232] stand, aber auch, daß die Kenntnis ihres Inhalts nicht immer mit diesem Ansehen Schritt hielt. Am 6. Mai berichtet der kurbrandenburgische Rat Eitelwolf vom Stein in der Angelegenheit[267]: der König habe in der Versammlung mitgeteilt, „er habe das recht Exemplar der Gulden Bullen funden in seinem Schatzkasten.“ Er wolle es holen lassen und „daraus des Stands halb, wes sich ein jeglicher halten soll“, mit Rat der Kurfürsten und Fürsten „ein Declaracion tun“. Braunschweig, mit dem der Berichterstatter sich „in Disputacion begeben“, habe gemeint, „es werde sich daraus erfolgen müssen“, daß Braunschweig als einer der „vier Herzoge“ vor den „vier Markgrafen“ rangiere. Wir erfahren hieraus, daß Maximilian der Meinung war, aus dem „rechten Exemplar der Goldenen Bulle“ müsse sich die Rangordnung der Fürsten feststellen lassen, zu welcher Annahme doch der Text des Gesetzes keinerlei Anhalt bot. Wenn dann aber der Braunschweiger annahm, daß sich aus dem Exemplar ergeben werde, daß der Herzog von Braunschweig als einer der vier Herzoge den Vorrang vor den vier Markgrafen habe, so zeigt dies deutlich, daß er nicht an den Text der Goldenen Bulle dachte, sondern an die seit dem Anfange des 15. Jahrhunderts viel verbreiteten sog. Quaternionen. Diese finden in Handschriften und alten Drucken sich öfter in Verbindung mit der Goldenen Bulle[268], und auf eine solche Überlieferung mochte Erich von Braunschweig sich berufen. Wahrscheinlich enthielt auch das angebliche rechte Exemplar die Quaternionen im Anschluß an den Text der Goldenen Bulle, denn sonst ist die Annahme des Königs nicht leicht verständlich. Dadurch aber wird der Charakter jenes „rechten Exemplars“ ziemlich verdächtig.

Das im Schatzkasten des Königs auf Reisen mitgeführte Exemplar, wenn auch nur vermeintlich das eigentliche Original der Goldenen Bulle, ist recht bezeichnend für den hohen Wert, den Maximilian diesem Reichsgesetze beimaß. Die förmliche Anerkennung der Goldenen Bulle als wichtigstes Reichsgesetz fand statt durch die Wahlkapitulation Karls V. vom 3. Juli 1519. Karl verpflichtet sich in einem ihrer ersten Punkte (§ 2) [233] zur Bestätigung und Aufrechterhaltung der Goldenen Bulle: „Wir sollen und wellen auch sonderlich die vorgemachten Guldin Bullen, Kuniglich Landfriden und ander des heiligen Reichs Ordnungen und Gesetz confirmiren, erneuen und, wo Not, dieselben mit Rat Unser und des Reichs Churfursten, Fursten und anderer Stende pesseren, wie zu jeder Zeit des Reichs Gelegenheit ervordern wirdet.“

An dieser Stelle und ebenso in den nachfolgenden Wahlkapitulationen war die Möglichkeit offen gehalten, daß auf dem Wege der Reichsgesetzgebung die Goldene Bulle wie die andern Reichsgrundgesetze Abänderungen erfahren könnten. Unser Gesetz aber ist niemals formell abgeändert worden. Wohl aber ist sein Inhalt mehrfach durch jüngere Reichsgesetze oder durch die Gewalt der Tatsachen politischer Umwälzungen modifiziert oder ganz hinfällig geworden. In bezug auf Einzelheiten entstanden Zweifel, ob und wieweit Anordnungen der Goldenen Bulle den neueren Gesetzen und den veränderten Verhältnissen gegenüber noch in Geltung geblieben waren, so über die Fortdauer der Privilegia de non appellando gegenüber der Gründung des Reichskammergerichts im Jahre 1495.

Es liegt nicht im Plane dieser Arbeit, die Wirkungen der Goldenen Bulle hinsichtlich ihrer einzelnen Bestimmungen und der auf ihnen beruhenden Einrichtungen zu erforschen; vielmehr müssen wir uns damit begnügen, die Wirkungen festzustellen, welche das Gesetz im ganzen durch seinen wesentlichen Inhalt auf den Gang der deutschen Verfassungsentwicklung ausgeübt hat.

Das Hauptziel des Gesetzgebers, die Sicherung unzweifelhafter Wahlresultate bei den Königswahlen, ist, von einem einzigen Falle abgesehen, mit Hilfe des Gesetzes für die Dauer erreicht worden. Die Ausnahme bildet die Doppelwahl des Jahres 1410. Möglich wurde diese trotz der Goldenen Bulle und der allseitigen Anerkennung derselben als Grundlage des Rechtes der Königswahl infolge des gesetzwidrigen Verhaltens der Wähler beider Gruppen, durch doppelte Führung der brandenburgischen Kurstimme und endlich durch die nicht ganz unzweideutige Fassung der Bestimmung über die Selbstwahl in c. II, § 5.[269] Auch das zweite Ziel des Gesetzgebers, die Sicherung [234] des Bestandes und der Bedeutung des Kurfürstenkollegs, wurde vollständig erreicht. Die Siebenzahl der Kurfürsten blieb fast drei Jahrhunderte unverändert fortbestehen und wurde auch noch 1648 trotz der Einrichtung einer achten Kur, die später wieder fortfallen sollte, prinzipiell festgehalten. Die Betätigung der Kurfürsten in den Reichsgeschäften auf regelmäßigen Kurfürstentagen, wie sie in c. XII der Goldenen Bulle geplant waren, hat nicht Eingang gefunden, doch haben die Kurfürsten dauernd die ihnen in dem Gesetze eingeräumte hervorragende Stellung in der Reichsverfassung behauptet und weiter befestigt. Sie bildeten seit der Organisierung der Reichsstände im Reichstage dessen obersten Rat und erweiterten ihre verfassungsmäßigen Rechte vermöge des ihnen in der Goldenen Bulle gewährleisteten Rechtes der Königswahl durch die Wahlkapitulationen.

Karl IV. hatte in seinem Gesetze die Stellung des Königs von Böhmen unter den Kurfürsten mit besonderem Nachdruck betont. Er hat aber dadurch nicht verhindern können, daß Böhmen sehr bald infolge von Umständen, die in ihrem Zusammenhange noch nicht näher untersucht sind, seinen Platz im Kurfürstenrate, abgesehen von der Beteiligung an den Königswahlen, gänzlich aufgab, so daß Jahrhunderte lang für die Teilnahme an den Reichsgeschäften nur sechs Kurfürsten in Betracht kamen. Erst nach Gründung einer achten und neunten Kur fand die förmliche Readmission Böhmens in den Kurfürstenrat statt (1708).

In ihrer doppelten Eigenschaft als Mitglieder des Königswahlkollegiums und des Kurfürstenrates haben die Kurfürsten durch die ihnen lange Zeit ausschließlich, später aber noch immer hauptsächlich zustehende Vereinbarung der Wahlkapitulationen sowie durch ihren überwiegenden Einfluß auf Gesetzgebung und Verwaltung des Reiches als dessen weitaus wichtigstes Organ neben dem Kaiser mehr noch als dieser die Geschicke des Reiches bestimmt, soweit und solange diese überhaupt noch von den eigenen Organen des Reiches bestimmt wurden. Immer seltener fielen seit dem 15. Jahrhundert die Interessen des Kaisers mit denen des Reiches zusammen, und das Kurfürstenkollegium wurde dann dem Kaiser gegenüber zum eigentlichen Vertreter des Reiches. Freilich haben auch Mitglieder des Kollegiums, namentlich die mächtigsten weltlichen Kurfürsten, nicht nur den [235] Interessen des Reiches entgegengewirkt, sondern sich dem Reichsgedanken selbst gleichgültig und feindselig gegenübergestellt; dennnoch wird man sagen dürfen, daß das Kurfürstenkollegium im ganzen als der wichtigste Faktor für die Fortdauer der Reichsverfassung und des Reichsgedankens anzusehen ist. Ob die Fortdauer des Reiches und seiner Verfassung bis in die Zeit seiner inneren Zersetzung und Ohnmacht hinein für die weitere Entwicklung der Geschicke Deutschlands segensreich oder schädlich gewesen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Oft ist in den letzten Zeiten des Reiches und vielleicht mehr noch nach seinem Zerfall gespottet worden über die verrotteten Zustände und die bloße Scheinexistenz des heiligen römischen Reiches. Andererseits haben sonst einsichtige Männer, wie der berühmte Publizist Pütter[270], noch in den letzten Zeiten des Reiches die Bedeutung und die Dauerhaftigkeit seiner Verfassung stark überschätzt.

Wie immer man aber auch sonst zu dieser Frage Stellung nehmen mag, einen großen Erfolg, der auf die Entwicklung unserer Geschichte von bestimmendem Einfluß geworden ist, wird man der Fortdauer der Reichsverfassung bis in die Stürme der Revolution hinein zuerkennen müssen: das Reich war zu schwach, um diese Stürme zu überdauern; doch hat es den Gedanken der politischen Zusammengehörigkeit der deutschen Territorien bis dahin nicht ganz untergehen lassen und so seine Wiederbelebung in neuen Formen ermöglicht. Dürfen wir aber dem Kurfürstentume, dessen reichsgesetzliche Grundlage die Goldene Bulle bildete, einen wesentlichen Anteil an der Aufrechterhaltung des Reiches zuschreiben, so ist damit die geschichtlich bedeutsamste, dauernde Wirkung des Reichsgrundgesetzes Karls IV. gegeben.

Die Würdigung eines Gesetzes darf aber nicht allein von der Größe und Dauer seiner Erfolge abhängen. Zwar müssen die Voraussetzungen dazu in dem Gesetze selbst gegeben sein; ob sie aber in Wirklichkeit eintreten, hängt doch fast allein von der Gestaltung der politischen Verhältnisse ab. Eine gerechte Würdigung eines Gesetzes muß vor allem in Betracht ziehen, [236] ob unter den gegebenen Verhältnissen der Zweck des Gesetzes als vernünftig und ersprießlich anzusehen ist, und ob die vom Gesetzgeber angewendeten Mittel zur Erreichung des Zweckes geeignet sind.

Von den Zielen, welche man bisher dem Gesetzgeber der Goldenen Bulle zuschrieb, haben wir uns genötigt gesehen, einige der am meisten gerühmten zu streichen. Zunächst galt es, die uralte, aber irrige Meinung zurückzuweisen, als hätte die Goldene Bulle die Eingriffe der Kurie in die deutsche Königswahl zurückweisen und beseitigen sollen. Den Ruhmestitel eines Kämpfers für die Unabhängigkeit des deutschen Königtums und Reiches gegenüber den Anmaßungen des Papsttums können wir also Karl IV. auf Grund dieses Gesetzes ebensowenig zuerkennen, wie auf Grund seines sonstigen Verhaltens. Auch die mehr nebensächliche Absicht, die Reichskanzlei von dem Einfluß der Erzkanzler zu befreien, oder gar sie zu einer zentralen Staatsbehörde zu erheben oder dergleichen, konnten wir in dem Gesetze nicht erkennen. Für beide Zwecke wäre das vom Gesetzgeber angeblich gewählte Mittel, das völlige Schweigen von den angeblich bekämpften und beseitigten Ansprüchen und Rechten durchaus ungeeignet gewesen. Selbst den von eigentlich politischen Zielen fern abliegenden Zweck, dem Verfahren bei der Königswahl eine neue Gestalt zu geben, hat Karl IV. mit der Goldenen Bulle nicht verfolgt. Es wird in ihr vielmehr ein bereits in allen wesentlichen Punkten feststehendes Wahlverfahren vorausgesetzt, welches nur noch in bezug auf Einzelheiten genauer geregelt wird. Die Goldene Bulle hat kein neues Wahlverfahren eingeführt, sondern nur das bei Karls Wahl im Jahre 1346 durch Balduin von Trier neu geordnete Verfahren anerkannt und gewissermaßen kodifiziert.

Was der Kaiser durch sein Gesetz wirklich erstrebte, war die Sicherung einhelliger und somit in ihren Ergebnissen unzweifelhafter Königswahlen. Aus den schweren Wirren, in welche die Doppelwahl von 1314 das Reich gestürzt hatte, und aus den Schwierigkeiten, die ihm selbst in seinen ersten Regierungsjahren aus dem Doppelkönigtum erwachsen waren, hat Karl IV. wohl die zweifellos richtige Folgerung gezogen, daß die Verhütung von Doppelwahlen die notwendige Voraussetzung sei für eine gedeihliche Zukunft des Reiches. In der gesetzlichen [237] Festlegung des Majoritätsprinzips für alle künftigen Königswahlen erkannte er mit scharfem Blick das sicherste Mittel zur Verhütung von Doppelwahlen. Ebenso richtig erkannte er als notwendige Voraussetzung für die sichere Durchführung dieses Prinzips die feste Begrenzung des Kreises der Wähler und die Befestigung ihrer Stellung.

Dem richtig und klar aus den gegebenen Verhältnissen heraus erschlossenen Ziele dienen nun fast alle Bestimmungen des Gesetzes unmittelbar oder mittelbar in der zweckmäßigsten Weise. In allen wesentlichen und auch in fast allen nebensächlichen Bestimmungen zeugt die Goldene Bulle von ungewöhnlich großem praktischem Sinn und hoher politischer Einsicht. Geradezu ein Meisterwerk mittelalterlicher Gesetzgebungskunst bilden die Bestimmungen, durch welche die Einheitlichkeit und Festigkeit der einzelnen weltlichen Kurfürstentümer gesichert werden sollten. Die Bestimmungen über die Individualsuccession in die Kurfürstentümer nach der Primogeniturfolge im Zusammenhang mit der Festsetzung der Unlöslichkeit der Verbindung von Kuramt und Kurfürstentum sowie der Unteilbarkeit der kurfürstlichen Territorien dürfen wir getrost als eine hervorragende gesetzgeberische Leistung bezeichnen. Aber auch die dem gleichen Zwecke dienenden Anordnungen über Mündigkeit und Vormundschaft, über den Ausschluß Regierungsunfähiger von dem Kuramt und sogar die uns etwas wunderlich anmutende Verordnung über den Sprachunterricht der Kurprinzen zeugen von konsequenter Verfolgung eines als richtig erkannten Zieles auch in der Berücksichtigung von Einzelheiten. Derselbe praktische Sinn betätigt sich auch in anderen Teilen des Gesetzes, wie in den Anordnungen über das Geleit der Königswähler und die Vorbereitungen zur Wahl.

Nach alledem können wir unser Urteil über den Wert des Gesetzes dahin zusammenfassen: Der Gesetzgeber hat in der Goldenen Bulle ein Werk geschaffen, welches sich in gleich hohem Grade auszeichnet durch die klare Erfassung einer notwendigen gesetzgeberischen Aufgabe, wie durch die Zweckmäßigkeit der auf die Verfolgung der Ziele des Gesetzes gerichteten Anordnungen. Nehmen wir noch hinzu die fast beispiellose Reinheit der Motive, so dürfen wir der Goldenen Bulle die Bedeutung eines sehr hoch stehenden Gesetzgebungswerkes zuerkennen, ja in ihm vielleicht [238] das an und für sich genommen beste unter den Gesetzen des heiligen römischen Reiches erblicken.

Bei der Würdigung der gesetzgeberischen Tat Karls IV. ist auch nicht außer Acht zu lassen, daß es an einem Vorbilde für ein solches Gesetz bisher gänzlich fehlte. Sehen wir von den in Privilegienform gegebenen staufischen Gesetzen über die Hoheitsrechte der Territorialherren ab, so beschränkte sich bisher die Reichsgesetzgebung im wesentlichen auf die Landfriedensgesetze, denen seit 1235 auch einzelne Bestimmungen über Verfassungseinrichtungen hinzugefügt wurden. Die sonstigen Erzeugnisse beschränkten sich auf Reichsweistümer und wenige Konstitutionen geringen Umfangs und meist von vorübergehender Bedeutung. Selbst dann aber, wenn grundlegende Einrichtungen in Frage kamen, wie in dem Weistum von Rense und dem Gesetz Licet iuris, so waren doch diese Beschlüsse durchweg aus dem Bedürfnis des Augenblicks erzeugt und nicht so sehr als dauernde Ordnungen gedacht, wie als politische Kampfmittel für die Gegenwart. Der Erlaß eines umfassenden Reichsgesetzes zur Ordnung von Einrichtungen, die als die wichtigsten Grundlagen der Reichsverfassung gelten müssen, nicht für die Not des Augenblicks, sondern für eine fernere Zukunft und für die Dauer berechnet, war ein schöpferischer Gedanke.

So verdient die Goldene Bulle, das älteste und vornehmste Reichsgrundgesetz, das hohe Ansehen, das sie stets genossen hat, und ebenso Karl IV. den Ruhm als größter deutscher Gesetzgeber des Mittelalters trotz der Einschränkungen, zu denen wir früheren Beurteilungen gegenüber uns genötigt sahen, im vollsten Maße.

[239]
Exkurs I.
Das Schwertträgeramt bis zur Goldenen Bulle.

Waitz hat festgestellt, daß bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts und noch in der nächstfolgenden Zeit eine feste Verbindung des Schwertträgeramtes mit dem Marschallamte nicht bestanden hat.[271] Das Tragen des Reichsschwertes auf Hoftagen wurde in jedem Falle besonders einem der Fürsten aufgetragen. Dabei scheinen oft solche dazu gewählt worden zu sein, welche eben erst dem Könige gehuldigt hatten. Es scheint das Schwerttragen als hohe Ehre stark begehrt gewesen zu sein. Wenigstens erzählt Giselbert in seiner Chronik, daß auf dem berühmten Reichstage zu Mainz Pfingsten 1184 die mächtigsten Reichsfürsten dieses Amt für sich beansprucht hätten.[272] Vielleicht aber hat hier der Chronist die Darstellung zur größeren Ehre des Grafen von Hennegau, der als Sieger aus dem angeblichen Wettbewerb hervorging, etwas gefärbt. Bei dieser Sachlage kommt wohl kaum in Betracht, daß unter den Bewerbern auch der Marschall des Reichs, der Herzog von Sachsen, genannt wird. Tatsächlich geübt hat dann derselbe Herzog Bernhard von Sachsen das Schwertträgeramt auf dem besonders durch Walthers von der Vogelweide Gedicht berühmt gewordenem Hoftage zu Magdeburg zu Weihnachten 1199.[273] Vielleicht ist dies der Präzedenzfall, [240] an welchen die Anschauung von dem Rechte des Marschalls auf jenes Amt anknüpfte.

In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts finden wir von dieser Anschauung noch keine Spur. Die Quellen, welche das Marschallamt des Herzogs von Sachsen hervorheben, wie der Sachsenspiegel, die Chronik des Albert von Stade, der Kurfürstenspruch Reinmars von Zweter, wissen von dem Schwerttragen des Marschalls nichts. Deutlich ausgesprochen dagegen findet sich jene Verbindung im sog. Schwabenspiegel, Faßberg c. 130: der ... herzoge von Sahsen, des riches marschalc, der sol dem kunige sin swert tragen. Bei der noch nicht ganz beseitigten Unsicherheit über die Entstehungszeit des Rechtsbuches ist es aber fraglich, ob hier das erste Zeugnis für diese Verbindung vorliegt. Ist die Ansicht Fickers, wie das heute meist und wie ich glaube mit Recht angenommen wird, richtig, daß der sog. Schwabenspiegel in den ersten Jahren der Regierungszeit Rudolfs von Habsburg entstanden ist, so dürfte es noch ein etwas älteres Zeugnis geben in dem Memorialverse über die Kurfürsten, der zuerst in der Chronik des Martin von Troppau begegnet, und zwar in dem Teile des Werkes, welcher zwischen 1268 und 1271 verfaßt wurde.[274] In diesen Versen wird in der Reihe der Kurfürsten nach dem Pfalzgrafen, der nur als Palatinus dapifer, und vor dem Brandenburger, der nur als Marchio prepositus camere bezeichnet wird, der Sachse genannt als dux portitor ensis. Hier ist an die Stelle der Bezeichnung als Marschall die des Schwertträgers getreten.

Vielleicht gehört noch ein weiteres Zeugnis für das Schwertträgeramt des Herzogs von Sachsen dem Ende des 13. Jahrhunderts an, nämlich die Determinatio compendiosa de iurisdictione imperii, wo es c. 13 in dem Berichte über die Einsetzung des Kurfürstenkollegiums heißt: dux Saxoniae, qui coram imperatore portat ensem.[275]

Freilich verging noch ungefähr ein halbes Jahrhundert, bevor sich die erste Spur einer Einwirkung dieser Theorie auf die Praxis findet, und noch später gelangte dieselbe zur reichsgesetzlichen Anerkennung. In dem ersten Falle, wo uns die Ausübung des Amtes nach langer Pause wieder entgegentritt, wird dasselbe von einem Beauftragten des Herzogs von Brabant verrichtet. Es geschah das auf der Reichsversammlung, welche Kaiser Ludwig Anfang September 1338 zu Koblenz unter Teilnahme König Edwards III. von England abhielt.[276] Dieser Vorgang spielte sich vor den Augen des wie [241] alle Kurfürsten anwesenden Herzogs Rudolf von Sachsen ab, ohne daß wir von einem Widerspruch desselben hören. Erst zwei Jahre später auf dem Tage zu Frankfurt legt der Sachsenherzog am 6. September 1340 Protest ein dagegen, daß vordem der Herzog von Brabant vor Kaiser und Reich das Schwert tragen ließ, und nimmt das Recht des Schwerttragens für sich auf Grund des Marschallsamtes in Anspruch.[277] Wenn er erklärt, daß er damals nicht widersprochen habe, weil er nicht gewußt hätte, daß der Herzog von Brabant das tun sollte, so klingt das bedenklich nach einer nachträglich erfundenen Ausrede. Zwar ist nicht ganz ausgeschlossen, daß der Herzog von Brabant noch in einem anderen Falle nach dem Koblenzer Tage das Amt durch einen Vertreter hat ausüben lassen. Dann aber wäre es noch weniger begreiflich, daß Herzog Rudolf so lange geschwiegen haben sollte zu wiederholter Usurpation eines von ihm beanspruchten Rechtes durch einen andern. Ich finde für das Verhalten des Sachsenherzogs keine andere Erklärung als die, daß er erst nachträglich auf das ihm von dem Schwabenspiegel zugeschriebene Recht aufmerksam geworden war.

Der Vorgang zu Frankfurt ist charakteristisch für die dilatorische Behandlung, welche man in jenen Zeiten staatsrechtlichen Streitfragen angedeihen zu lassen liebte. Herzog Rudolf protestierte gegen die Übung eines ihm zustehenden Rechtes durch einen andern, der Kaiser beurkundete diesen Protest, und das gleiche taten andere anwesende Fürsten, ohne daß irgendeine Entscheidung nach der einen oder der anderen Seite erfolgt wäre.

Die reichsgesetzliche Anerkennung des sächsischen Rechts erfolgte erst durch die Nürnberger Gesetze in den Kapiteln IV und XXII der Goldenen Bulle. Zwar wird in c. IV, § 3 nur gesagt, der Herzog von Sachsen solle bei Hoftagen das Marschallsamt ausüben (officium marescallatus exercebit) [242] und zwar, wie herkömmlich sei (ut solitum est); doch ist diese Stelle sonst im Anschluß an c. 130 des Schwabenspiegels verfaßt, und dort heißt es von dem Herzoge: er sol dem künge sin swert tragen. Ganz ausdrücklich aber bestimmt c. XXII, daß der Herzog von Sachsen bei feierlichen Aufzügen des Kaisers diesem das Schwert vorzutragen habe. Es schien damit jeder Zweifel für die Zukunft ausgeschlossen zu sein; zumal diese Bestimmung unter ausdrücklicher Verweisung auf c. XXII im zweiten Teile der Goldenen Bulle anerkannt wurde.

Dennoch war der Streit um das Schwerttragen noch nicht beendigt. Er brach vielmehr an demselben Tage, an welchem die feierliche Verkündigung der ganzen Goldenen Bulle stattfand, ja noch vor derselben von neuem aus.[278] Die Publikation der Gesetze erfolgte zu Metz am Weihnachtstage 1356 bei Gelegenheit jenes großen, oft erwähnten Festes. Am Morgen des Festtages wurde der Kaiser von den Kurfürsten und Fürsten im festlichen Zuge, wie das auch die Goldene Bulle vorschrieb, von der Kathedrale, wo ein feierliches Hochamt stattgefunden hatte, zu dem im Freien für das Fest hergerichteten Platze geleitet. Schon bei der Ordnung dieses Zuges dürfte der Herzog Wenzel von Brabant dem Sachsenherzog Rudolf II. das diesem durch das neue Gesetz zuerkannte Recht des Schwerttragens bestritten und für sich in Anspruch genommen haben. Der Sachse behauptete wohl unter dem Beistande der übrigen Kurfürsten und gewiß nicht ohne Zustimmung des Kaisers seinen Platz, trug das Schwert im Zuge und hielt es bei Tische. In merkwürdiger Weise aber wurde zwei Tage später Herzog Wenzel über seinen Mißerfolg vom Kaiser getröstet. Dieser erklärte in einer feierlichen Urkunde, daß dem Herzog Wenzel und dem Herzogtum Brabant der Umstand, daß der Sachsenherzog am Weihnachtstage das Schwert getragen habe, nicht präjudizieren solle. Besonders merkwürdig aber erscheint die hinzugefügte Begründung, daß dem Herzog Wenzel jener Vorgang deshalb nicht schädlich sein solle, weil er zurzeit mit dem Herzogtum Brabant und der Markgrafschaft, worauf er seinen Anspruch gründete, noch nicht förmlich belehnt gewesen sei. Das gleicht sicher mehr einer verhüllten Anerkennung der brabantischen Ansprüche als einer Abweisung, zumal inzwischen noch am Weihnachstage selbst die Belehnung Wenzels erfolgt war.

Wie aber erklärt sich jenes zweideutige Verhalten des Kaisers? Wie die Möglichkeit, daß trotz der unmittelbar vorausgegangenen gesetzlichen Anerkennung des sächsischen Rechtes dasselbe so bald wieder in Frage gestellt werden konnte?

Versuchen wir zuerst die zweite Frage zu beantworten. In c. XXVII handelt die Goldene Bulle eingehend von den Diensten der Erzbeamten bei der Festtafel des Kaisers; dabei geschieht aber des Haltens des Schwertes bei Tische mit keiner Silbe Erwähnung, wie dies denn überhaupt bei Sitzungen des Kaisers und der Kurfürsten, sei es zu Rat, zu Gericht oder [243] bei Tisch, in der Goldenen Bulle nirgends erwähnt wird. Diese Lücke mochte von Wenzel benutzt werden, um den Hebel für seine ehrgeizigen Pläne einzusetzen. Von dem Anspruch auf die tentio ensis in sessione, in consilio, ante tribunal seu circa mensam war dann nur noch ein kleiner Schritt bis zur Forderung des ganzen Schwertträgeramtes. Herzog Wenzel war vom Kaiser als König von Böhmen mit seiner Vertretung in der Ausübung des Erzschenkenamtes beauftragt worden und übte dasselbe wie ein Kurfürst auf dem Tage zu Metz. Da mochte ihm der Wunsch nahetreten, ein ähnliches Ehrenamt dauernd mit seinem Herzogtum zu verbinden, und daß dabei seine Absichten sich gerade auf das Schwertträgeramt richteten, erklärt sich aus der Tatsache, daß der Herzog von Brabant dieses Amt 1338 zu Koblenz geübt hatte.

Das Verhalten des Kaisers aber erklärt sich wohl aus dem doppelten Wunsche, dem Bruder gefällig zu sein und sein Streben nach Befestigung der luxemburgischen Hausmacht zu unterstützen, andererseits aber die Kurfürsten in ihren Rechten zu schützen. Der Anspruch des Bruders auf das Halten des Schwertes konnte durch die früheren Vorgänge begründet erscheinen und war durch die Goldene Bulle nicht abgeschlossen, welche eben nur vom Tragen des Schwertes handelte. Ja es konnte nach c. XXVII wenigstens die tentio ensis circa mensam durch den Sachsenherzog geradezu als ausgeschlossen erscheinen, da jenes Kapitel und das folgende trotz der sonst so eingehenden Darstellung des Tafelzeremoniells und der Funktionen des Sachsenherzogs davon schweigen. Eine Entscheidung des bei dem Feste selbst ausgebrochenen Streites war im Augenblick gewiß unmöglich, und so tat Karl, was allein möglich scheinen mochte: er entschied, daß der Sachse das Schwert tragen und halten sollte, während er dem Bruder zusicherte, daß dies etwaigen Rechten desselben nicht schädlich sein solle. Hier war kaum eine andere als diese dilatorische Behandlung möglich.

Herzog Rudolf von Sachsen hatte alle Ursache, mit den bisherigen Ergebnissen des Metzer Tages zufrieden zu sein. Das in erster Linie in seinem Interesse erlassene c. XXX der Goldenen Bulle hatte ihm die Freiheit von der Lehnstaxe und die Erträge aus den Belehnungen anderer Fürsten gebracht, und in dem Streit über das Schwerttragen hatte er doch gegenüber den Ansprüchen Herzog Wenzels durchgesetzt, daß ihm die Ausübung der Funktionen des Schwertträgers zugestanden wurde. Auch daß der Kaiser seinem Bruder zum Trost über seine Zurückweisung eine Vorbehaltserklärung ausstellte, konnte an sich dem Herzog noch kaum als eine Beeinträchtigung seiner Rechte erscheinen. Schon aber die Fassung der Erklärung, welche fast wie eine Anerkennung der Ansprüche des Brabanters klang, mußte den Herzog stutzig machen, und mehr noch die große Feierlichkeit der Beurkundung der Erklärung, welche nicht nur durch den Kaiser, sondern auch in gleichlautenden Urkunden durch die Kurfürsten erfolgte.[279] Mit dieser Beurkundung, an welcher sich der Sachsenherzog natürlich nicht beteiligte, scheint sich aber Herzog Wenzel noch nicht begnügt zu haben; denn schon am 5. Januar ließ der Kaiser seine Erklärung vom 27. Dezember nochmals [244] ausfertigen und von den Kurfürsten besiegeln.[280] Zu welchem Zwecke diese Wiederholung[281] stattfand, wissen wir nicht; doch war sie wohl der Anlaß, daß Rudolf von Sachsen, den der Eifer für die Sicherung der Rechte seines Gegners besorgt machen mußte, sich am 7. Januar nun wieder seinerseits von Karl eine Erklärung beurkunden ließ, daß auch ihm die Erklärung bezüglich der Rechte des Herzogs Wenzel an seinen Rechten nicht schädlich sein solle.[282]

Dieses wunderliche Hinundwieder von Schadloserklärungen hatte dann wirklich die Folge, daß dadurch das wenigstens bezüglich des Vortragens des Reichsschwertes im feierlichen Zuge durch die Goldene Bulle ganz zweifellos festgestellte Recht des Sachsenherzogs so verdunkelt wurde, daß bei der Wiederholung des Streites im Jahre 1376 der Nachfolger Rudolfs des Jüngeren, Herzog Wenzel von Sachsen, nicht zur Ausübung jenes Amtes zugelassen wurde. Als damals bei der Krönung König Wenzels am 6. Juli Herzog Wenzel von Brabant dem Sachsenherzog wiederum das Schwertträgeramt streitig machte, wurde eine prinzipielle Entscheidung wieder nicht getroffen; vielmehr bestimmte der Kaiser, daß in diesem Falle weder Wenzel von Sachsen noch Wenzel von Brabant, sondern sein Sohn Sigmund das Schwert vortragen sollte.[283]

Die Geschichte des Schwertträgeramtes weiter zu verfolgen, ist nicht unsere Aufgabe; doch sei noch bemerkt, daß seit dem 15. Jahrhundert das Recht des Sachsen auf das volle Schwertamt wohl unter der Einwirkung der Goldenen Bulle zur allseitigen Anerkennung gelangte.

[245]
Exkurs II.
Die Anschauungen des 14. und 15. Jahrhunderts über das böhmische Kurrecht.
(Zu S. 170 ff.)

Die Worte, welche Henricus de Segusio als Cardinalis Hostiensis vielleicht in Erinnerung an Anschauungen, die ihm im Anfang des Jahres 1252 zu Braunschweig in der Umgebung König Wilhelms bekannt geworden sein mochten, in sein Glossenwerk zu einer Stelle der Dekretale Venerabilem eintrug, und welche im Anschluß an eine Aufzählung der Kurfürsten vom Könige von Böhmen besagen: Et septimus est dux Bohemie, qui modo est rex. Sed iste secundum quosdam non est necessarius, nisi quando alii discordant; nec istud ius habuit ab antiquo, sed de facto hoc hodie tenet, haben lange Zeit nachgewirkt. Haben sie vielleicht schon im 13. Jahrhundert mit dazu beigetragen, daß das Kurrecht des Böhmenkönigs eine Zeitlang durch die konkurrierenden Ansprüche des Herzogs Heinrich von Niederbayern zurückgedrängt werden konnte, so sind sie jedenfalls im 14. und 15. Jahrhundert die Grundlage geworden für die weitere Verbreitung und Ausgestaltung der sog. Obmannstheorie. Einige der in Betracht kommenden Quellenstellen hat Georg Waitz[284] zusammengestellt; doch kann diese Sammlung durch eine Anzahl zum Teil besonders bedeutsamer Stellen wesentlich ergänzt werden. Ich stelle daher das gesamte Material, soweit es mir bekannt geworden ist, hier nochmals zusammen.

Die älteste literarische Verwertung unserer Glosse findet sich in der Glosse zum Liber Sextus, welche Johannes Andreä nach der Annahme v. Schultes etwa um das Jahr 1305 verfaßt hat. Die Glosse gehört zu der gegen Friedrich II. erlassenen Depositionsbulle : c. Ad apostolice in Vlto de sent. et re judic. (II, 14, 2), und lautet an der in Betracht kommenden Stelle: et rex Bohemie olim dux. Et dicunt quidam, quod rex Bohemie de necessitate vocandus non est, nisi cum alii discordant, nec istud ius habuit ab antiquo, sed hodie de facto tenet. Et hoc per Host(iensem) de elect. Venerabilem. Johannes Andreä gibt fast genau den Text des von ihm zitierten Hostiensis wieder mit nur einer bemerkenswerten Änderung, indem er statt necessarius non est sagt: de necessitate vocandus non est. Er zieht damit einen Schluß aus der Angabe seiner Quelle, den andere Benutzer derselben wenigstens nicht ausdrücklich gezogen haben.

[246] Unter Berufung auf die Glosse des Johannes Andreä, aber ohne sich an seine Formulierung anzuschließen, behandelt die Landrechtsglosse des Sachsenspiegels die Lehre von der Obmannschaft des Königs von Böhmen. Wegen der Ungewißheit über die ursprüngliche Fassung der Buchschen Glosse, die wahrscheinlich um das Jahr 1330 verfaßt wurde, und wegen der völligen Unzulänglichkeit der Homeyerschen Glossenauszüge lasse ich hier zwei verschiedene Fassungen der fraglichen Glosse nach Berliner Handschriften folgen[285], von denen die eine dem Kölner Druck von 1480, der nach Homeyer, 2. Aufl. S. 54, die Buchsche Glosse in nahezu reiner Gestalt enthält, ziemlich nahe steht, während die andere wohl kaum ursprünglich sein dürfte, jedoch ihrer Eigenart wegen besondere Beachtung verdient.

A. Ms. Berol. Germ. fol. 284, f. 202. „Dy koningh van Behemen hebbet neyne kor, dar umme dat he undudisch was“ Aver he het nuo kore, dar umme dat he dudisch is. Wen war eyn ding vorgeyt, dar eyn sake van kompt, so vorgeit dy sake met, dar id van quam. ff De re. jur. l. Cum pril. (Dig. 50, 17, 178) et C. De leg. et const., l. Non dubium (Cod. 1, 14, 5). Segge, he hebbe dar umme neynen kor, wan dy korvorsten over eyn dragen. Koren aver dri up eyne syde und dri up dy ander syde, so muste he under den twen koren eynen kysen , ut in glo. Jo. An. Extra De sen. et re jud. c. Ad aplice super v. illi. (Die Worte koren aver dri sind von anderer ungefähr gleichzeitiger Hand gestrichen und statt ihrer ist am Rande mit hellerer Tinte notiert: sunder he is eyn middelman, alse wan dri korforsten.)

B. Ms. Berol. Germ. fol. 11, f. 225 „Dy konung van Bemen, desse' konung het neynen kor, dorch dat he nicht dudesch en is.“ Wen he nu dudesch is geworden, het he nu den kor? Segge neyn! Wen he is eyn myddelman. Also wen dry up eynen kisen unde dry up den anderen kysen twyerleie lude, so mut he dar under eynen kisen, ut De re iudicata ad aplice in glo. super v. illi.

Die erste der beiden Fassungen scheint in sich widerspruchsvoll zu sein. Erst wird das Kurrecht des Königs von Böhmen schlechtweg anerkannt, weil der Grund, aus dem ihn der Sachsenspiegel ausgeschlossen habe, fortgefallen sei, und zwar geschieht das unter Berufung auf einen Satz der Digesten. Dann aber wird das Kurrecht gleich wieder auf eine Obmannschaft beschränkt. Die zweite Fassung dagegen ist durchaus in sich geschlossen. Auch jetzt habe der Böhme keine Kur, obwohl er deutsch sei; Vielmehr sei er ein Mittelmann. Beide Fassungen aber stimmen darin überein, daß sie die Geltung des Majoritätsprinzips voraussetzen, wie das die Betonung der Stimmengleichheit zeigt. Auch darin stimmen beide gegen ihre Vorlage überein, daß sie von der Berufung nicht sprechen.

Nicht viel jünger als die Buchsche Glosse ist eine Notiz Johanns von Viktring, der seine Chronik bis 1341 fortführte und bei der Erwähnung des Nürnberger Reichstages von 1298 bemerkt: Rex Bohemie non elector [247] reputatur, sed, dissensio eligentium si evenerit, arbitrator, et pars, cui innititur, valentior estimatur.[286] Die Vorgänge auf dem Nürnberger Reichstage, auf welchem König Wenzel von Böhmen das Erzschenkenamt im Schmuck seiner Königskrone verrichtete, gaben sicher keinerlei Anlaß, ihm das eigentliche Kurrecht ab- und ein Obmannsrecht bei zwiespältigen Wahlen zuzusprechen. An zwei anderen Stellen wird ebenso ohne ersichtlichen Anlaß bei Gelegenheit der Wahl Ludwigs des Bayern von der Obmannschaft des Böhmen berichtet.

Anscheinend die ältere der beiden Nachrichten findet sich in einer italienischen Quelle, der Chronik des Ferretus Vicentinus (gest. nach 1330), wo es im Anschluß an die Darstellung der Wahl von 1314 heißt[287]: cum ergo regis augusti decernendi facultate fungentes paribus voti iudiciis convenissent, neutrique maior vocum numerus favorem adderet, restabat septimus Bohemie regis assensus, qui, quotiens dissides paribus sex votis auctores invenit, lege vetusta, cui potius cadat, disparitate vocum exigitur. His denique sive fatorum instinctu, seu mole criminum expiandorum urgente, nequaquam sibi compatientibus, rex Bohemie necessario poscitur.

Die andere Stelle findet sich in dem 1355 beendeten Liber de rebus memorabilioribus des Heinrich von Herford, wo es nach dem Bericht über Ludwigs Wahl heißt[288]: vox etiam regis Bohemorum, ut dicunt, locum hic non habuit. Cuius dignitas est, electores in partes equales divisos concordare, numerum vocum unius partis per vocem suam maiorando et per hoc electionem perficiendo. Consuetudo enim regni a temporibus antiquissimis habita docet, ut dictum est, quod, qui quatuor voces habet, electionem habet perfectam.

Beide Berichte stimmen darin überein, daß sie in der Obmannschaft des Böhmen altes Recht erblicken, und ebenso darin, daß sie angeben, daß diese Obmannschaft bei der Wahl Ludwigs in Tätigkeit getreten sei und den Ausschlag gegeben habe. Erscheint uns diese Übereinstimmung merkwürdig, weil das, was wir sonst von der Doppelwahl von 1314 wissen, keinen Anhaltspunkt für die Berechtigung dieser Angaben zu bieten scheint, so haben wir doch auch ein Zeugnis dafür, daß die gleiche Auffassung in bezug auf beide Punkte gegen Ende der Regierungszeit Ludwigs des Bayern in den maßgebenden Kreisen des Reiches offiziell anerkannt wurde. Über die von Ludwig dem Bayern angenommenen Bedingungen für seine Aussöhnung mit der Kurie verhandelten die Reichsstände im Spätsommer 1344 zu Köln, Frankfurt und Bacharach. In einer Aufzeichnung eines Straßburger Ratsboten über diese Verhandlungen wird nun ausgeführt, daß Ludwig zur Zeit der gegen ihn gerichteten Prozesse Johanns XXII. rechtmäßiger König gewesen sei, denn es sei eine alte und feststehende, durch Spruch der Fürsten anerkannte Gewohnheit im Reich, daß nicht nur ein einhellig erwählter, sondern auch ein in Zwiespalt von der Majorität der Kurfürsten, erwählter König rechtmäßig erwählt sei, und daß bei zwiespältiger [248] Wahl derjenige der rechtmäßig Erwählte sei, dem die Stimme des Böhmenkönigs zugefallen sei. Die entscheidenden Worte lauten[289]: gemein offen und unzerbrochen gwonheit, als die fursten sprechent, die also ist, daz ein erwelter kunig niht allein einmüeticlich, auch in zwaiung von dem merern tail, und wer, daz zwen in misshelung von glichen tailen erwelt wurden, der, dez tail der kunig von Pehaim zugestunt, daz sich der nennen mag und sol einen kunig und daz der administriren sol in dem reich und kejsertum. Diese Worte sind kaum anders als mit K. Müller[290] auf ein Weistum zu deuten, durch welches damals wahrscheinlich zu Köln die Fürsten oder vielmehr die Kurfürsten das Renser Weistum ergänzt hatten. Hatte jenes die Wahl auch des in Zwiespalt gekorenen Königs für gültig erklärt, wenn nur die Wahl mit der Majorität der Kurstimmen erfolgt war, so fügte das neue Weistum hinzu, daß bei Stimmengleichheit der Böhmenkönig den Ausschlag gäbe. Damit hätte denn die Obmannstheorie reichsrechtliche Anerkennung gefunden.

Warum aber hielten die Fürsten es für nötig, auf die Obmannschaft des Königs von Böhmen zurückzugreifen? Noch in der Sachsenhäuser Appellation vom Jahre 1324 hatte König Ludwig behauptet, er sei nicht nur durch die Mehrheit der Kurfürsten, sondern durch deren Zweidrittelmajorität gewählt. Diese Ansicht konnte in den Kreisen der Kurfürsten im Jahre 1344 nicht mehr anerkannt werden; denn von den Wählern Ludwigs konnte ihnen der Herzog Johann von Sachsen-Lauenburg jetzt nicht mehr als rechtmäßiger Kurfürst gelten, nachdem die Wittenberger Linie im rechtmäßigen Besitz der sächsischen Kurstimme anerkannt war. So blieben aber immer noch vier von den für Ludwig abgegebenen Stimmen als vollberechtigt anerkannte übrig: Mainz, Trier, Brandenburg und Böhmen, und somit war doch Ludwig von der erforderlichen Majorität von vier Stimmen gewählt. Wenn man nun dennoch für nötig hielt, den Satz aufzustellen, daß bei Stimmengleichheit derjenige als rechtmäßig erwählter König gelten sollte, zu dessen Partei der König von Böhmen hinzutrete, um mit diesem Satze die Rechtmäßigkeit der Wahl Ludwigs zu beweisen, so kann dem nur eine veränderte Ansicht über die Bedeutung des böhmischen Kurrechtes zu Grunde liegen. Es kann wohl nur der Zusammenschluß der sechs Kurfürsten zu dem sog. Kurverein von Rense im Jahre 1338 gewesen sein, was die Anschauung begründen konnte, daß diese sechs allein ohne den König von Böhmen das eigentliche Kurkollegium bildeten. Freilich hat König Johann bei seiner Aussöhnung mit Kaiser Ludwig sofort Gelegenheit gehabt, seine Qualität als Kurfürst durch einen Willebrief zu einer Erklärung des Kaisers über das pfälzische Kurrecht zu betätigen[291], doch mag sehr wohl die Majorität der übrigen Kurfürsten, die ja sämtlich an den Renser Beschlüssen persönlich beteiligt gewesen waren, noch 1344 an der darin ausgesprochenen Anschauung festgehalten und ihr in jenem neuen Weistum nochmals Ausdruck gegeben haben.

[249] Es sei hier noch darauf hingewiesen, daß auch das Rechtsbuch nach Distinktionen diese Theorie zum Ausdruck bringt, freilich in einer eigentümlichen Form, VI, 9, 4[292]: Ab sich abir dy phaffen unde leygen czweygen, so sal derselbe koning von Bemen eyn obirman sin czu scheyden, daz so des eyntrechtig werden. Was dann in VI, 9, 6 von der Wahl des Königs zu Frankfurt unter wunderlichen Entstellungen gesagt und über eine Bestätigung der Wahl durch Urteile der Kurfürsten zu Rense hinzugefügt wird, ist am wahrscheinlichsten auf die Wahl Ludwigs und das Renser Weistum von 1338 zurückzuführen, so daß auch dieses Zeugnis auf die Zeit König Ludwigs zurückgehen dürfte.

War damit dem Böhmen ein Recht gegeben, welches seiner Stimme ein besonderes Gewicht zu verleihen schien, so konnte diese besondere Stellung doch auch in einer anderen Weise aufgefaßt werden, und zwar so, wie schon der Hostiensis dieselbe aufgefaßt hatte, indem er betonte, daß der Böhme nicht notwendig zu einer Königswahl sei, außer in dem einen Falle, der voraussichtlich doch nicht allzu häufig eintreten konnte. Damit aber war die Gefahr nahegerückt, daß das böhmische Kurrecht allmählich außer Geltung gesetzt werden könnte; und in der Tat ist der Satz des Hostiensis schon frühzeitig so gedeutet worden, daß der König von Böhmen überhaupt kein Kurfürst sei. Dies hatten schon die Glosse des Sachsenspiegels (B.) und Johann von Viktring getan, und auch die Art, wie Heinrich von Herford der böhmischen Stimme gedenkt, zeigt, daß er eine ähnliche Auffassung hatte. In scharfer Weise aber kommt diese Meinung zum Ausdruck in dem Wahldekret des Erzbischofs Walram von Köln über die Wahl Karls IV. Die im vollen Wortlaut bisher noch nicht veröffentlichte Urkunde berichtet, die Wahl sei vorgenommen worden XI. die mensis Iulii, ad quem diem et locum reverendus pater dominus Gerlacus .. archiepiscopus Maguntinus, prout hoc ad ipsum de antiqua consuetudine dinoscitur pertinere, omnes principes et singulos, qui debuerunt, potuerunt et voluerunt commode interesse, fecerat evocari, dicto domino Gerlaco Maguntin(ensi), reverendo patre domino Baldwine Treveren(si) .. archiepiscopis et me ac illustri principe Rodolpho duce Saxonie .. electoribus presentibus, ceteris, si qui fueri[n]t, coelectoribus nostris absentibus et sufficienter expectatis, apud quos quidem presentes pro hoc tempore ius et potestas eligendi regem Roman(orum) integre residebat, illustri principe domino Iohanne rege Boemie, qui tunc aderat, ad nostrum accito consilium.[293]

Hier wird deutlich unterschieden zwischen den Kurfürsten einerseits und dem Könige von Böhmen andererseits. Zur Wahl geladen und erschienen sind der Mainzer, der Trierer, der Herzog Rudolf von Sachsen und Walram; die übrigen electores sind ausgeblieben; da sie aber auch, nachdem man angemessene Zeit auf sie gewartet hat, nicht erschienen sind, ist [250] das gesamte Wahlrecht auf jene vier übergegangen. Diese ziehen nun den König Johann und andere Fürsten zur Beratung heran und schreiten zur Wahl. Dem Könige wird hier also ganz bestimmt die Qualität als elector abgesprochen. Das Gewicht dieser Stelle wird noch dadurch wesentlich erhöht, daß sie sich als ein Einschiebsel in das im übrigen benutzte Formular der Schreiben der anderen Kurfürsten erweist. Walrams Darstellung gewinnt dadurch den Charakter einer Berichtigung der Wahlanzeigen der anderen und darf so wohl Anspruch auf Glaubwürdigkeit machen. Der Vorgang zu Rense muß zu Walrams Unterscheidung irgendwelchen Anlaß geboten haben.

Zur ausdrücklichen Hervorhebung aber des Unterschiedes zwischen dem Böhmenkönige und den eigentlichen Kurfürsten mag ihn neben politischen Motiven die Erinnerung an den Renser Kurverein sowie an das Weistum über die Obmannschaft des Böhmen bewogen haben. War er doch an dem Vorgange von 1338 zu Rense und wahrscheinlich auch an dem Spruch von 1344, der zu Köln erfolgt zu sein scheint, persönlich beteiligt.

Weitere Verbreitung scheint die Obmannstheorie durch einen Traktat De coronatione imperatoris erlangt zu haben, der uns in seiner originalen Gestalt nicht überliefert ist, sondern nur in einer zwiefachen Bearbeitung. Die eine ist erhalten in zwei Handschriften, einer Münchener und einer Fuldaer, die beide dem 14. Jahrhundert angehören. Diese Bearbeitung ist von A. Werminghoff[294] nach beiden Handschriften herausgegeben, nachdem schon früher Waitz den für uns in Betracht kommenden Satz nach der Münchener Handschrift an dem oben angeführten Orte hatte abdrucken lassen. Von einer anderen Form dieses Traktats, die im allgemeinen der ursprünglichen Gestalt näher steht, aber doch wohl in einzelnen Punkten von ihr abweicht, bietet die jetzt von Holder-Egger in den Scriptores rerum Germanicarum zuerst herausgegebene Chronik des Albertus de Bezanis, der gegen Ende der Regierungszeit Karls IV. schrieb, umfangreiche Stellen. Entstanden ist der Traktat wohl, wie schon Waitz vermutete, in Italien, und zwar nicht vor der Zeit Johanns XXII., wahrscheinlich aber erst nach der Kaiserkrönung Karls IV.

In der zuerst genannten Form des Traktats lautet die fragliche Stelle nach der hier den besseren Text bietenden Münchener Handschrift bei Waitz S. 208 , Anm. 2: In casu tamen discordie et in quo predicti electores (d. h. die vorher genannten sechs Kurfürsten ohne den König uon Böhmen) non concordarent, septimus est rex Boemie, qui olim dux erat. Bei Albertus de Bezanis aber lautet die entsprechende Stelle S. 4 fast genau wie in der oben besprochenen Glosse des Johannes Andreä, die schon Werminghoff zur Erläuterung der anderen Fassung herangezogen hat: ... et rege Boemie olim duce ... Dicunt quidam, quod rex Boemie de necessitate vocandus non est, nisi et alii discordant, nec istud ius habuit ab antiquo, sed hodie de facto tenet.

Wurde durch die Wiederholung der Glosse des Johannes Andreä in diesem Traktat das Recht des Königs von Böhmen, zu jeder Königswahl [251] wie jeder andere Kurfürst berufen zu werden, aufs neue in Frage gestellt, so wurde etwa gleichzeitig das Recht auf die Berufung von der höchsten Stelle des Reiches zur Erörterung gebracht.

In einer Reihe von Urkunden vom 11. Dezember 1356, welche den Zweck hatten, Angriffe auf das böhmische Kurrecht zurückzuweisen, finden wir mit besonderem Nachdruck betont, daß der Böhmenkönig das Recht habe, wie jeder andere Kurfürst zu allen Wahltagen berufen zu werden. Es ist natürlich, daß Karl IV., in dessen Kanzlei diese Urkunden verfaßt waren, von einer solchen Formulierung des Obmannsrechtes, wie es die Quelle des Albertus de Bezanis aus Johannes Andreä übernommen hatte, nichts wissen wollte. Ob je ein König von Böhmen die Obmannstheorie anerkannt hat, wissen wir nicht. Doch ist nicht unwahrscheinlich, daß König Johann die Form, in welcher dieselbe in dem Weistum von 1344 zum Ausdruck kam, gern anerkannte. Wurde doch hierdurch der böhmischen Kurstimme im Grunde nur ein ganz besonderes Gewicht beigelegt. Weit entfernt dagegen wird er von einem Verzicht auf seine Eigenschaft als Kurfürst gewesen sein, wie sie ihm von der Landrechtsglosse, von Johann von Viktring und Walram von Köln abgesprochen wurde. Noch kurz vor seinem Tode hat er bei der Wahl seines Sohnes das Kurrecht in Anspruch genommen und ist in dessen Besitz auch von den Kurfürsten, wohl mit einziger Ausnahme Walrams von Köln, anerkannt worden. Auch Karl IV. hielt nicht nur an dem ihm als König von Böhmen zustehenden Kurrecht fest, sondern hob seine Eigenschaft als Kurfürst trotz der Personalunion zwischen Böhmen und dem Reich, oder wohl gerade wegen derselben besonders stark hervor. Es zeigen dies namentlich die Konsenserklärungen und die Willebriefe, die er als König von Böhmen zu solchen Verleihungen gab, welche er als römischer König erteilt hatte, sowie auch namentlich einige Wendungen der Einleitung und des Textes der Goldenen Bulle. Fast scheint es, als ob Karl bis zum Jahre 1356 überhaupt von den Versuchen, das böhmische Kurrecht zu leugnen oder doch zu beschränken, nichts erfahren hätte. Er bestätigte 1348 die Urkunden, durch welche König Rudolf 1289 und 1290 den uneingeschränkten Besitz des Kurrechts dem König von Böhmen und seinen Nachfolgern bezeugt hatte, ohne irgendwelchen Zusatz[295], und in der Goldenen Bulle hob er das Kurrecht des Königs von Böhmen zwar mehrfach besonders hervor, doch stets nur so, daß dieses Recht als etwas Altbegründetes und Unzweifelhaftes erscheint. Es galt ihm als etwas so Selbstverständliches, daß er, während sich die andern weltlichen Kurfürsten Weistümer beurkunden ließen, durch welche ihr Kurrecht sichergestellt werden sollte, sich damit begnügte, sich von den Kurfürsten die Landeshoheit der Könige von Böhmen verbriefen zu lassen. Nach Schluß des Nürnberger Reichstages aber muß Karl Kunde von Anfechtungen des böhmischen Kurrechts erhalten haben.

Dies bezeugen die schon oben erwähnten Urkunden vom 11. Dezember 1356. Es sind das sechs Paar gleichlautende Urkunden, durch welche die übrigen sechs Kurfürsten ihrem Mitkurfürsten, dem Kaiser, als König von [252] Böhmen den rechtmäßigen Besitz eines gleichen Kurrechts, wie sie selbst haben, bestätigen.[296] Jeder der Kurfürsten hat eine lateinische und eine deutsche Ausfertigung ausgestellt. Deutlich zeigt aber Schrift und Orthographie sowie die ganze Ausstattung der sämtlich im Original erhaltenen Urkunden, daß ihre Herstellung nicht in den eigenen Kanzleien der Aussteller, sondern in der des Empfängers erfolgt ist. Karl selbst hat also unzweifelhaft die Ausstellung der Urkunden veranlaßt. Die Ausfertigungen waren vielleicht schon von langer Hand vorbereitet, wofür der Umstand sprechen dürfte, daß die Datierung sich in den meisten Stücken deutlich als nachgetragen erkennen läßt. Die Stücke wurden am Ausstellungstage, dem 11. Dezember, zu Metz den Kurfürsten offenbar fertig vorgelegt und von ihnen besiegelt.

In der Arenga dieser Urkunden wird nun darüber geklagt, daß das unzweifelhafte, uralte böhmische Kurrecht von bösen Menschen, die als Kinder der Finsternis bezeichnet werden, in Frage gestellt werde. Diesen gegenüber soll die Urkunde das Recht noch einmal sicherstellen. Indem nun die Kurfürsten erklären, daß der König von Böhmen bei der Wahl eines römischen Königs ganz das gleiche Recht besitze wie sie selbst, heben sie mit besonderem Nachdruck hervor, daß er auch in jedem Falle einer Königswahl zu derselben berufen werden müsse: ita videlicet, ut, quocienscumque casus talis eleccionis emerserit ... rex Boemie ... ad celebracionem eleccionis ipsius solempniter vocari debeat, oder wie es in den deutschen Ausfertigungen heißt: daz man den kunig zu Beheim ... zu derselben kure erberlichen ruffen sol. Dies dürfte demnach der Punkt gewesen sein, in betreff dessen sich Zweifel erhoben hatten; man muß behauptet haben, daß es nicht nötig sei, den König von Böhmen zu jeder Wahl zu laden. Aus dem leidenschaftlichen Tone der Einleitung möchte man schließen, daß es sich hier um die Abwehr eines Angriffs handele, der von einem gefährlichen politischen Gegner ausging. Leider aber findet sich, soviel ich sehen kann, keinerlei Anhalt für Vermutungen in dieser Richtung. Ja die politischen Verhältnisse des Jahres 1356 machen eine solche Annahme überhaupt wenig wahrscheinlich. Dagegen ist es nicht unwahrscheinlich, daß der Kaiser durch jene Urkunden literarische Angriffe auf das böhmische Kurrecht zurückweisen wollte. Wir haben ja eine ganze Reihe von Literaturwerken kennen gelernt, die solche Angriffe enthielten und zur Zeit Karls IV. oder nicht lange vor dessen Regierungsantritt verfaßt waren. Hier möchte ich nun aber für besonders wahrscheinlich halten, daß es gerade der von Albertus de Bezanis benutzte Traktat gewesen ist, der den Anlaß zur Abwehr gab. Erneuerte er doch die seinerzeit von Johannes Andreä ausgesprochene Meinung, daß der König von Böhmen nicht zur Königswahl berufen zu werden brauche.

In den Metzer Zusatzkapiteln zur Goldenen Bulle ist der Kaiser nicht wieder auf die Sache zurückgekommen; endgültig erledigt war sie jedoch mit den Urkunden vom 11. Dezember 1356 keineswegs, wie das die von Waitz angeführten Verse des Meistersingers Muskatblüt, der noch um 1437 dichtete, zeigen:

[253]

Ses sint der heubt, den sin erleubt
Die kur mit grossen eren.
Ein kunyng von Behem ist oberman. Die selbig kron
Lyt schwerlich krang. Hoirt myn gesang
Und myne swache lere.
Dry geistlich sint, ich wol befind
Dry werenclich, den doch daz rich
Ist mechtenclich befollen. – –
Trier, Mentz, Cullen, das sint die dri.
Ein furste uß Sassen landen,
Paltz, Brandenberg sint ouch daby.
Es stet in yren handen
Daz Römsch rich geweldenclich
Eynen kunyg darin zu setzen.
Abe si da ynne eyn tweidracht han, so ist oberman
Ein kunyng genant uß Behemer lant,
Den nymant mach geletzen.

Ferner kommt hier in Betracht der Libellus de caesarea monarchia, den der Baseler Professor Peter von Andlau im Jahre 1460 verfaßte. Hier heißt es, nachdem bis dahin die Königswahl ganz nach der Goldenen Bulle dargestellt ist, abweichend von derselben, Buch II, Titel II: De conswetudine tamen rex Bohemie ad eleccionem non vocator, nisi cum vota aliorum sunt equalia numero, et sic hodie practicatur. Quod verum, dummodo persistat in unione sancte matris ecclesie; alioquin si duo electi paria vota haberent, ad papam recurrendum esset, qui unum ex illis, quem vellet, eligere posset, et dicit glo. in c. ad apostolice, de re judi. libro VIo, quod illud ius non habuit rex Bohemie ab antiquo.

Diese Stelle, welche sich unmittelbar an die aus der Goldenen Bulle c. IV, § 2 wiederholte Abstimmungsordnung anschließt, berichtet also zunächst über eine Gewohnheit, nach welcher der König von Böhmen nur im Falle einer zwiespältigen Wahl, bei der die übrigen Stimmen gleich verteilt sind, als Obmann berufen werden soll. Darauf folgt das durch den Druck hervorgehobene Zeugnis, daß dies zurzeit wirklich so gehalten werde, woran sich dann die weitere Beschränkung des böhmischen Wahlrechts auf rechtgläubige Könige anschließt.

Sehen wir von dem hervorgehobenen Satze ab, so beruht der erste Satz jedenfalls hauptsächlich auf der gleich darauf ausdrücklich angeführten Glosse des Johannes Andreä. Der folgende Satz aber erklärt sich aus den Zeitverhältnissen, unter denen Peter im Jahre 1460 schrieb. Im Besitz der böhmischen Krone war seit 1458 Georg Podiebrad, ein Ketzer, und ein solcher mußte nach den im Reiche herrschenden Anschauungen von jeder Teilnahme an der Königswahl, zumal von einer so wichtigen Funktion, ausgeschlossen werden. Wie aber erklären sich die Worte: et sic hodie practicatur? Einer älteren Vorlage können sie natürlich nicht entnommen sein. Andererseits können sie auch nicht im Jahre 1460 geschrieben sein; [254] denn von einer Königswahl war damals keine Rede, und seit der letzten Wahl waren bereits 20 Jahre verflossen. Unmöglich konnte damals irgend jemand behaupten, daß heute, auch wenn man dem Worte die weiteste Bedeutung beilegen wollte, irgend etwas bei der Königswahl so oder so gehandhabt werde. Und selbst wenn man das „heute" auf eine Erinnerung an die letzte Wahl, an die von 1440, beziehen wollte, so böten die Vorgänge bei dieser Wahl keinerlei Anlaß zu jener Behauptung, denn damals war der Inhaber der böhmischen Kurstimme geladen, und die böhmischen Stände schickten an Stelle des zurzeit fehlenden Königs eine Wahlgesandtschaft zum Wahltage nach Frankfurt, welche sich nach einigen Zwischenfällen an der Wahl Friedrichs III. beteiligte. Jene Worte aber können nicht nur unmöglich im Jahre 1460 geschrieben sein: sie können überhaupt nicht ursprünglich in einem Zuge mit den sie umgebenden Sätzen geschrieben sein, da sie ganz und gar nicht in deren Zusammenhang passen, sondern denselben in auffallender Weise stören. Der vorhergehende Satz, auf den sich die Worte beziehen, spricht zweierlei aus: die Nichtberufung des Böhmen als Regel und die Berufung als Ausnahme, wenn die Stimmen der übrigen Kurfürsten geteilt sind. Es ist nun wohl ohne weiteres klar, daß sich das sic practicatur nur auf die Regel, nicht auf die Ausnahme, der Ladung zur Entscheidung einer zwiespältigen Wahl, einen Fall, der noch nie eingetreten war, beziehen kann. Dann aber stört der Satz den Zusammenhang, da das fragliche Quod nicht an die Regel, sondern allein an die Ausnahme anknüpft: ein ketzerischer König soll auch in dem Ausnahmefalle nicht berufen werden. Die fraglichen Worte, die sich nicht organisch in den Zusammenhang fügen, können nur ein späterer Zusatz sein, etwa eine Randglosse, sei es des Verfassers selbst oder eines Lesers. Dafür spricht auch die glossenartige Fassung, welche mit dem Stil der übrigen Sätze nicht im Einklang steht.

Auch die Entstehungszeit des Zusatzes läßt sich mit Sicherheit bestimmen. Vor 1490 muß er entstanden sein, da die älteste Handschrift in diesem Jahre bereits vorhanden war. Zwischen 1460 und 1490 aber ist nur einmal der Fall eingetreten, daß der Böhmenkönig nicht zu einer Wahl geladen wurde. Es geschah das bei Gelegenheit der einzigen in diesen Zeitraum fallenden Königswahl, der Maximilians im Jahre 1486. Damals wählten die zu Frankfurt um den Kaiser auf einem Reichstage versammelten Kurfürsten, ohne den König von Böhmen, der an dem Tage nicht teilnahm, zur Wahl zu laden, des Kaisers Sohn Maximilian zum römischen König. Dies ist überhaupt der einzige sichere Fall, daß die böhmische Kur bei der Berufung zur Königswahl nicht berücksichtigt war; und dieser Fall allein kann Anlaß gegeben haben zu der Bemerkung: et sic hodie practicatur.

Besonders nahe lag es aus diesem Anlaß, eine solche Bemerkung etwa am Rande einer Handschrift des Werkes hinzuzufügen, weil die Ausschließung des Königs Wladislaw von Böhmen von der Königswahl größeres Aufsehen erregte. Der König nahm die Nichtbeachtung seines guten Rechtes nicht ruhig hin, sondern erhob energisch Einspruch und drohte sogar mit Krieg, wenn man sein Recht nicht anerkennen, gegen die Wiederholung [255] einer solchen Nichtbeachtung sichern und andere Forderungen zur Sühne des Vorgegangenen erfüllen wolle. Erst nach längeren Verhandlungen kam die Sache durch Ausstellung von Sicherheitsbriefen der Kurfürsten im Jahre 1489 zu einem die böhmischen Rechte vollständig sichernden Abschluß.[297] Jedenfalls nicht nach diesem Abschlusse kann jene Bemerkung verfaßt sein. Hiermit waren die Zweifel an der vollen Gleichberechtigung der böhmischen Stimme bei der Königswahl im wesentlichen für alle Zukunft beseitigt, wenn auch noch hier und da in der Literatur eine vereinzelte Reminiszenz daran auftaucht.[298]




Anmerkung.
(Vgl. unten Anm. 1.)

Über die Streitigkeiten, die sich an die Ausschließung Böhmens von der Wahl Maximilians I. anschlossen, handelt ausführlich H. Ulmann in den Forschungen zur deutschen Geschichte, Bd. 22, S. 150 ff., der jedoch die den Zwist abschließenden Urkunden von 1489 als außerhalb des Rahmens seiner Aufgabe liegend nicht berücksichtigt. Es sind dies erstens die von den sechs Kurfürsten gemeinsam ausgestellte Urkunde bei Lünig, Reichsarchiv P. spec. Cont. I. Erste Forts. (= Bd. VI b), S. 90, zweitens die des Kurfürsten von Sachsen bei Müller, Reichstagstheatrum unter Maximilian I., 1. Vorst., S. 22, und drittens Wladislaws Gegenurkunde, ebenda S. 23. Die von F. von Schulte, Deutsche Reichs- und Rechtsgeschichte (1892), S. 302, Anm. 7 ausgesprochene Meinung, daß auf Grund der beiden ersten Urkunden „Böhmens Teilnahme an der Königswahl stets mit 500 Mark Goldes abgekauft werden“ konnte, ist irrig. Daß die Kurfürsten nicht die Absicht hatten, für die Zukunft eine solche Möglichkeit der Ausschließung Böhmens zu schaffen, ergibt sich aus ihrem, bei Müller, Reichstagstheatrum unter Friedrich V., 6. Vorst., Kap. 36, § 4 (S. 155) mitgeteilten Schreiben an den Kaiser vom Frankfurter Tage 1488: . . ufs bevehle ewer keys. gnaden hat der . . . erzbischoff zu Meinz . . uns zugeschickt ewer keyserl. majestät schreyben . . . auch antwort ewer keyserlichen gnaden, den durchlauchtigsten . . könig und die cron zu Böheim berüren, uf die vier vorgeschlagen stück: nemlich zuerst ein declaration zu thun der freyheit etc. vormals fürgeschlagen, das ander, hinfür dhein wahle eins Röm. königs ausserhalb erforderung eines königs zu Böheim zu gescheen . . . . Nu aber ewer keys. gnade [256] . . . unsers rats begehren, den wollen wir ewern keys. gnaden . . nit verhalten, und anfangs berüren die erpietung einer declaration etc., lassen wir es an demselben stück uf ewer gnaden antwort besteen; bedünckt uns wol füglich und ziemlicher massen zu tun sein, ob auch unser fründ, der könig von Böheim, willigung und unser besundere beybriff solcher declaration haben wolt, das sin wir ziemlicher wyse zu geben erpütig, und uss derselben declaration, bedünckt uns, entspriesst das ander stück der fürgeschlagen mittel, und würde domit die cron zu Beheim versehen, also dass nit noit were, von demselben stück insunderheit handeln oder versehung zu thun, wann die declaration würde das nach ir ziehen . . . . . und raten auch mit besonderem vliss untertheniglich bittende, ewer keys. maj. wolle durch megeliche wege vliss fürkeren, damit sulich irrung, gescheh(en) von der Röm. königl. wale ursach, hingelegt oder, ob das izt uit sein möchte, in ruhe und anstand gestelt werde, beswerung, so dem h. reich oder sinen gelidern entsteen möchte, zu verhüten.




Berichtigung.

Zu S. 8: Maiers Annahme, daß Metz zum trierischen Archikanzellariat gehöre, war ganz richtig. Vgl. Breßlau, Urkundenlehre, S. 385; Huber, Regesten, S. XXXVIII.

Anmerkungen der Vorlage

  1. Eine Auswahl dieser Urkunden findet sich im zweiten Teil dieser Arbeit. Sie werden im folgenden als „Urkunden“ unter Hinzufügung ihrer Nummer zitiert.
  2. Vom 27. Dezember 1356, gedruckt im Straßburger Urkundenbuch V, 1, Nr. 345, S. 403.
  3. Anno domini MCCCLVI ... dominus Carolus imperator convocatione facta principum in Nurenberch multas leges condidit; Eccard, Corp. hist. I, 1507. Vgl. Lindner in den Mitteilungen des Inst. f. österr. Gf., Bd. V, S. 108.
  4. S. unten Kap. II.
  5. Über ihn vgl. neuestens P. Richter im Trierischen Archiv, Heft VIII, S. 55–82.
  6. In Meyer und Erhardts Zeitschrift für vaterl. Geschichte Bd. I (Münster 1838), S. 102–107.
  7. Gesta Trevirorum Bd. II, Animadv. p. 19.
  8. Böhmer–Huber, Regesten Karls IV. Nr. 6861. Näheres hierüber demnächst R. Lüdicke im Neuen Archiv Bd. 33.
  9. Wir bezeichnen im folgenden Maiers Quelle als Trierer Rechnungsbuch.
  10. Nachgewiesen von Christian Gottlieb Schwarz in Appendix III zu C. S. E. Holzschuhers Oratio de comitiis anno 1356 Norimbergae celebratis (1732), S. 79. Hierauf hat Harnack hingewiesen (S. 141), leider ohne die Stelle näher zu bezeichnen
  11. Neue Jahrbücher für das klass. Altertum etc., Bd. 10 (1907), S. 375 f.
  12. So von Friedjung, Kaiser Karl IV., S. 88, wo er mit dem Eingang der Goldenen Bulle eine Stelle aus Lupolds von Bebenburg Klagegedicht über den Zustand des Reiches zusammenstellt, dann aber bemerkt: „da indessen, wenn ich nicht irre, beide Stellen sich auf einen Bibelvers beziehen, so verliert diese Zusammenstellung einen großen Teil ihrer Beweiskraft.“ F. hätte sich leicht Gewißheit verschaffen können durch einen Blick in eine Bibelkonkordanz. Die hier und in den folgenden Sätzen ausgeschriebenen oder benutzten Bibelstellen sind folgende: Deut. 28, 29. Job 5, 14 12, 25. Is. 1, 23; 19, 14; 50, 10. Matth. 15, 14. Luc. 11, 17. Joh. 11, 10. Apoc. 2, 5.
  13. Hierüber hat O. Harnack, Kurfürstenkollegium, S. 97–99 eingehend gehandelt. Die dort S. 97 Anm. 3 erwähnte Urkunde über den Vertrag des Erzbischofs von Köln mit dem Grafen von Hennegau und Holland ist jetzt herausgegeben von Schwalm, Neues Archiv Bd. 29, 595; s. daselbst besonders Absatz 4.
  14. So bezeichnet A. Heusler, Deutsche Verfassungsgeschichte S. 210, diese Bestimmungen als ein „schlimmes Zeugnis über den Landfrieden“. Das ist richtig von unserm Standpunkte aus, nicht aber von dem der früheren Zeit.
  15. c. 3, § 1 und 3 in VI. de electione I, 6. Vgl. auch Reimann, Vorlagen und Abfassung der Goldenen Bulle, Diss. Halle 1898, S. 16.
  16. Vgl. den Bericht über die erste Wahl Sigmunds vom Sept. 1410 in Reichstagsakten VII, Nr. 30, S. 46: sprachen also den eit in dutsche von worte zu worte, als er in dem latine in der gulden bulle begriffen ist.
  17. c. 3, § 1 in VI. de electione I, 6. Vgl. Ludewig, Erläuterung der Güldenen Bulle I (1716), S. 369. Reimann S. 14.
  18. Erläuterung der Güldenen Bulle I, S. 409.
  19. c. 33. X. de elect. I, 6: Unde cum unus ex illis septem a tribus ipsorum et alius, qui non erat de numero eorundem, a tribus aliis in decanum fuerint nominati, requisisti, uter eorum assumi debeat in decanum? Super quo taliter respondemus, quod is, qui de numero septem a tribus eorum dignoscitur nominatus, iuxta compromissi tenorem debet in decanum assumi, dummodo electioni de se factae consentiat et aliquod canonicum non obsistat.
  20. MG. Const. III, Nr. 121, S. 115: ... quousque Romano imperio de principe sit provisum per eos vel maiorem partem eorum, ad quos provisio huiusmodi noscitur pertinere (1276-81) ...; ebenda Nr. 284, S. 290: sentenciatum exstitit ..., quod omnia donata .... nullius habere debeant roboris firmitatem, nisi consensu maioris partis principum in electione Romani regis vocem habencium fuerint approbata (1281). Vgl. auch ebenda Nr. 656, S. 647. Ferner Renser Weistum vom 16. Juli 1338 (Zeumer, Quellensammlung I, Nr. 126 b, S. 155): postquam aliquis a principibus electoribus imperii vel a maiori parte numero eorundem principum etiam in discordia pro rege Romanorum est electus ... und Ludwigs Gesetz Licet iuris (Neues Archiv Bd. 30, S. 486): postquam aliquis eligitur in imperatorem ... ab electoribus imperii concorditer vel a maiori parte eorundem ...
  21. A maiori parte electorum, puta a quatuor. ed. Schwalm (1906) S. 21, § 11.
  22. Die drei geistlichen Kurfürsten betr. Ruprechts Wahl, 1400 August 21, Reichstagsakten III, Nr. 210, S. 270: wir ... han eymuodeclich gekoren den ... hern R.; im gleichen Sinne König Ruprecht am 1. September an die Stadt Straßburg, ebenda Nr. 211; ebenso die geistlichen Kurfürsten an Bonifatius IX., ebenda Nr. 219.
  23. Reichstagsakten III, Nr. 220, S. 281; und ebenda Nr. 221: in ... Rupertum ... concordi assensu ... direximus vota nostra, ipsum in verum Romanorum regem et in cesarem promovendum unanimiter eligendo, suis ad id accedentibus consensu atque voce.
  24. Ebenda Nr. 209, S. 267: unde han wir Johann, Friderich und Werner kuorfursten obgenant mit der stymmen des durchluchtigen hochgebornen fursten hern Ruprechts obgenant als unsers rechten mitkuorfürsten denselben hern Ruprechte ... gekorn, gesetzet und gemachet.
  25. Ebenda Nr. 231, S. 287 ff.: et tres archiepiscopi elegerunt dominum meum quatuor vocibus electorum, quia, quando unus electorum eligitur, istius consensus auget voces, sicut canit aurea bulla. Et sic eleccio facta est per maiores et saniores voces.
  26. Reichstagsakten VII, Nr. 32, S. 49.
  27. Ebenda Nr. 53, S. 81.
  28. Ebenda Nr. 53, S. 81.
  29. Ebenda Nr. 53, S. 83 f.: Iste (sc. burggravius) adhibens consensum auxit numerum per constitutionem auree bulle, que, licet loquatur de tribus eligentibus et quarto consentiente, in casu videlicet, quando omnes VII electores essent presentes, paritate tamen rationis est intelligenda, etiam in casu, quo tota electio residet in quinque vocibus vel paucioribus, quod tunc consensus tertii augmentet numerum.
  30. Siehe Sächsische Weltchronik, Sächs. Forts., MG. Deutsche Chroniken II, 286: des selbin morgenes as man nicht zu hofe. Daz quam von zweiunge des bischofes von Menze unde des von Colne, wenne ihr iglicher wolde sizzen zu der rechten hand des koniges unde mit ime essen; Urk. Rudolfs und seiner Gemahlin, MG. Const. III, Nr. 12, S. 13: cum ... coronacione nostra felici cum debita celebritate peracta sedes principum .... una cum sedibus nostris hinc inde in regia domo nostra ibidem, prout moris existit, pro sollempnitate prandii locarentur, inter venerabiles principes nostros .. Maguntinum et .. Coloniensem archiepiscopos super sessione a dextris est orta materia questionis. Tandem Maguntinus predictus, ne tante festivitatis nostre iocunditas in aliquo turbaretur, quin pocius in omnibus ad nostrum desiderium ageretur, ad magnam nostrarum ceterorumque principum precum instanciam questioni huiusmodi non inhesit. Immo recognoscimus per presentes et aperta facie protestamur, quod pro celsitudinis nostre honore, ut in eo plene sinceritatis affectum, quem ad nos habere dinoscitur, ostenderet per effectum, illa vice sub dissimulacione quadam commendabili pertransivit, publice nichilominus protestando, quod possessioni sessionis huiusmodi iuris vel facti, quod habet, per dissimulacionem eandem non valeat inposterum derogari, nec sibi et sue ecclesie Maguntine per hoc debeat in aliqua parte preiudicium generari. Vgl. Böhmer–Redlich Nr. 4, S. 5.
  31. Siehe die in voriger Anmerkung angeführte Stelle der Sächs. Weltchronik.
  32. Sächs. Weltchronik a. a. O.: des morgens sas der bischof von Colne deme konige zu der rechten hand unde as mit ime. Der bischof von Trire hatte dar gein gestulet. Vgl. Redlich Nr. 7a.
  33. Bei der Herrichtung der Sitze für die Wahl König Adolfs entstand zwischen den metatores sedium der Erzbischöfe von Mainz und Köln ein Streit über den Vorrang ihrer Herren, über den Johann von Viktring etwas unklar berichtet, Böhmer, Fontes I, S. 331: Porro tempus indictum ad electionem appropinquavit, et convenerunt principes, ut est moris. Orta est autem altercatio inter metatores sedium Coloniensis et Moguntini pontificum pro consessione eorundem. Et prevalente Coloniensi tractatus initur. Aus welchem Grunde dem Kölner bei einer nicht in seinem Sprengel zu Frankfurt stattfindenden Verhandlung der Vorrang zuerkannt wurde, ist nicht ersichtlich.
  34. Vgl. Steirische Reimchronik V. 73 400–73 443, MG. Deutsche Chroniken V, 2, S. 969.
  35. Siehe Reimchronik V. 73 430–35: daz macht aber, daz im der kunig baz des krieges hengte nâch.
  36. Vgl. MG. Const. IV, Nr. 17, S. 15. Dieses Privileg entscheidet freilich nicht die Frage des Vorranges zwischen Mainz und Köln, sondern zwischen Mainz und Trier. Der Anlaß war der Umstand, daß bei Albrechts Wahl Erzbischof Boemund von Trier sowohl bei der Wahlhandlung wie im Wahldekret den ersten Platz eingenommen hatte (quam in figura tam in scriptura); doch wurde aus diesem Anlaß das unbedingte Recht des Mainzer Erzbischofs auf den ersten Platz anerkannt, nicht nur sein Vorrang vor dem Trierer.
  37. Fontes rerum Austriacarum, SS. VIII, S. 272 f.
  38. Siehe oben S. 27 Anm. 4.
  39. Vgl. K. Rauch, Traktat über den Reichstag im XVI. Jahrhundert. (Quellen und Studien I, 1), S. 60 mit Anm. 3.
  40. Über dieses konkurrierende Berufungsrecht des Pfalzgrafen vgl. Scheffer-Boichorst, Die Wahlausschreiben vom Jahre 1291, Zur Geschichte des XII. und XIII. Jahrhunderts, Berlin 1897, S. 338 ff. Die Wahlausschreiben von 1291 liegen jetzt in verbesserten Texten vor in MG. Const. III, Nr. 468/469, S. 455 f.
  41. Vgl. Krammer, Wahl und Einsetzung des deutschen Königs, S. 17 ff. 22 f.; ferner über den Ursprung und die Entwicklung dieses längst anerkannten Rechtes Waitz, VG. VI 2, S. 211 ff. und daselbst Seeliger S. 212 f.
  42. An die Schwabenspiegelstelle klingt deutlich an die folgende der Determinatio compendiosa de iurisdictione imperii c. 13: Primus rex Boemiae, qui imperatori propinat de cuppa, secundus dux Saxoniae, qui coram imperatore portat ensem, tertius comes Palatinus, qui eidem de scutella ministrat, quartus marchio Brandenburgensis, qui est camerarius eius (vgl. H. Theobald, Beiträge zur Geschichte Ludwigs des B., Mannheimer Gymn.-Progr. 1897, S. 18, Anm. 5). Nach einer freundlichen Mitteilung von M. Krammer, der eine neue Ausgabe dieser Quelle vorbereitet, dürfte dieselbe noch vor dem Ende des 13. Jahrhunderts verfaßt sein, und somit in der angeführten Stelle eine der ältesten Erwähnungen der Ehrendienste der Kurfürsten vorliegen. Vgl. auch den Exkurs über das Schwertträgeramt.
  43. Die Bestätigung Karls IV. ist im Urkundenanhange als Nr. 5 gedruckt.
  44. Der Text des Privilegs könnte allenfalls auch so verstanden werden, daß der Böhmenkönig, weil er befugt war, auf Reichstagen die Königskrone zu tragen, überhaupt nicht zur Ausübung des Amtes gezwungen werden könne; doch legt auch die Goldene Bulle das Privileg in der oben angegebenen Weise aus.
  45. Siehe MG., Deutsche Chroniken V, 2, S. 970 ff. Vers 73 467 ff. Die im Text angeführte Stelle das. S. 971, V. 73 602. Die Kolmarer Chronik erwähnt des Böhmenkönigs kostbares Gewand und das teure Roß, welches er bei dieser Gelegenheit ritt, nicht aber die Königskrone; MG. SS. XVII, S. 267.
  46. MG. Const. III, Nr. 121, S. 115.
  47. Siehe Schwalm, Die Appellation König Ludwigs d. B. (1906), § 27, S. 25.
  48. MG. Const. II, Nr. 464, S. 637.
  49. S. unten S. 38 Anm. 1.
  50. Reimann ist dieses Quellenverhältnis entgangen; er kennt die Stelle des Lehnrechtsbuches nicht, offenbar weil er nur die Genglersche Ausgabe des Schwabenspiegels, welche sich leider auf den Text des Landrechtsbuches beschränkt, benutzte. Ist es schon bedauerlich, daß die neueren Handausgaben des Sachsenspiegels das Lehnrecht nicht enthalten, obwohl dieses historisch vom höchsten Interesse ist und hinsichtlich der Feinheit und Schärfe juristischer Entwicklung den Glanzpunkt des Werkes bildet, so erklärt sich das doch aus der Rücksicht auf die praktische Geltung, welche das sächsische Landrecht im Gegensatz zum Lehnrecht bisher noch hatte. Für den Schwabenspiegel aber liegt gar kein Grund vor, das Lehnrecht auszuschließen, welches die wichtigsten Angaben über die Reichsverfassung enthält. Reimann S. 20 ff. möchte in c. 121 des Landrechtsbuches die Quelle für V, 1 der Goldenen Bulle erblicken; doch können wir ihm hierin nicht folgen. Freilich behält hier die Goldene Bulle dem Könige die Verleihung der Fürsten- und Fahnlehen vor, erwähnt das aber nur als Ausnahme von dem Rechte des Reichsverwesers während der Thronvakanz. Jenes Kapitel des Landrechts dagegen stellt nicht nur das Recht des Königs, sondern auch die Pflicht, solche Lehen nach ihrer Erledigung wiederzuverleihen, fest, und nur in dem Schlußsatze, welcher den Fürsten das Recht zuspricht, den König, der sich diesem Leihezwang entzieht oder sie sonst beschwert, vor dem Pfalzgrafen zu verklagen, kann es allenfalls neben c. 147 des Lehnrechtes als Quelle für V, 2 der Goldenen Bulle angesehen werden. Daß auch nicht mit Reimann jene Stelle über den Leihezwang als Quelle für Goldene Bulle VII, 2 anzuführen ist, werden wir unten sehen. Es ist überhaupt nicht zulässig, in jedem Falle, wo die Goldene Bulle ein Institut des Reichsrechtes erwähnt oder voraussetzt, welches auch im Schwabenspiegel oder einer anderen älteren Quelle behandelt ist, anzunehmen, daß der Gesetzgeber der Goldenen Bulle aus jenen Quellen geschöpft habe.
  51. Über die Vorgeschichte des pfalzgräflichen Vikariats vgl. Kupke, Das Reichsvikariat und die Stellung des Pfalzgrafen bei Rhein, Hallische Dissertation 1891, der aber nicht genügend zwischen dem eigentlichen Vikariat absente rege und der hier in Frage stehenden Reichsverweserschaft vacante imperio unterscheidet. Über ältere Spuren des sächsischen Vikariats s. Harnack S. 89. Zusammenfassend unter Benutzung der älteren Literatur hat Triepel, Das Interregnum, Leipzig 1892, S.25 ff. über die Geschichte und die rechtliche Bedeutung des Vikariatsrechts gehandelt.
  52. Der Pfalzgraf als Richter über den König, Abhandlungen der Göttinger Ges. der Wiss. Bd. 33 (1886).
  53. Eine ähnliche Kritik hat bereits M. G. Schmidt in seiner Dissertation „Die staatsrechtliche Anwendung der Goldenen Bulle“, Halle 1894, S. 17 an Weizsäckers Ausführungen geübt. S. auch unten zu c. XII.
  54. Über die Entwicklung des Primogeniturrechtes vgl. H. J. F. Schulze, Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern, Leipzig 1851, wo unser Kapitel S. 313 ff. und 387 genauer erläutert wird.
  55. Urkunden Nr. 10.
  56. Vgl. Kraut, Die Vormundschaft nach den Grundsätzen des deutschen Rechts I, S. 135. Über Krauts Angaben sind auch neuere Darstellungen nicht wesentlich hinausgekommen; doch verdiente die Sache wohl eine eingehende Untersuchung.
  57. Vgl. Sachsenspiegel III, 53 und Schwabenspiegel, Landrechtsbuch c. 121. Es liegt kein Grund vor, mit Reimann S. 20 ff. anzunehmen, daß die letztere Stelle die Quelle für die Goldene Bulle sei, da der Satz vom Leihezwang längst anerkanntes und in allen beteiligten Kreisen nicht unbekanntes Reichsrecht war.
  58. Vgl. die Urkunde Karls IV. vom 7. April 1348, Böhmer-Huber Nr. 643, zuletzt gedruckt: Codex dipl. Moraviae VII, p. 555. Reimann handelt S. 30 ff. eingehend, aber nicht einwandsfrei über die Privilegien, welche die böhmische Königswahl betreffen, im Zusammenhang mit Goldene Bulle c. VII, § 2. Verfehlt ist namentlich die Verdächtigung der unzweifelhaft echten Urkunde Friedrichs II. von 1212 September 26, welche jetzt MG. Const. II, Nr. 43 S. 54 gedruckt ist. Eine Erörterung der früheren Privilegien war hier kaum nötig, da ein Hinweis auf Karls IV. Bestätigung allein genügt hätte.
  59. Die von Harnack S. 143 für den Vertrag selbst gehaltene Urkunde, Gudenus, Codex diplomaticus III, S. 394, ist die Beurkundung des Erzbischofs von Mainz. Siehe die folgende Anmerkung.
  60. Siehe Regesten der Pfalzgrafen Nr. 2900 und 2901. Die unter Nr. 2900 aufgeführte Urkunde Karls IV. ist nicht diejenige, welche er als Kaiser ausgestellt hat, sondern der Willebrief, den er dazu als König von Böhmen erteilt hat. Die entgegenstehende Angabe der Regesten gründet sich auf die irrtümliche Inhaltsangabe, welche der Umschlag des Originals im Münchener Reichsarchiv trägt. Danach ist die Angabe der Regesten unter Nr. 2901, daß das Original des böhmischen Willebriefs nicht im Reichsarchiv vorhanden sei, zu berichtigen. Die kaiserliche Urkunde befindet sich im Geheimen Staatsarchiv zu München. Die oben genannten kurfürstlichen Urkunden inserieren nicht wie die böhmische die kaiserliche Urkunde, sondern haben die Form selbständiger Beurkundungen des Vorganges.
  61. Der böhmische Willebrief ist Urkunden Nr. 17, die kaiserliche Urkunde Karls IV. u. a. bei Olenschlager, Goldene Bulle, Urkundenbuch Nr. 3, S. 3 gedruckt; in der nachfolgenden Vergleichung ist aber der Text dem Original des böhmischen Willebriefes entnommen.
  62. Nach dem Original.
  63. Urkunden Nr. 18.
  64. Eine entsprechende Urkunde des Pfalzgrafen ist verzeichnet Regesten der Pfalzgrafen Nr. 2925.
  65. In der mir unzugänglichen Zeitschrift Pravnik, 1878, S. 442. Die Ermittelung und Übersetzung der Stelle verdanke ich der Freundlichkeit Emil Werunskys.
  66. Vgl. Teil II, S. 22, Anm. 3 und S. 23, Anm. 1.
  67. Vgl. über diesen Zusatz meine Ausführungen in der Zeitschrift der Savigny-Stiftung Bd. 23, Germ. Abt. S. 264 ff.
  68. Urkunden Nr. 35.
  69. Bei meinen a. a. O. S. 266 ausgesprochenen Zweifeln, ob B auch wirklich die Vorlage für das Frankfurter Exemplar gewesen sei, hatte ich Lindners Kritik des Exemplars B in den Mitt. d. Inst. f. österr. GF. Bd. 5, S. 105. 111 übersehen. Nach dieser aber ist an der Tatsache, daß B in bezug auf die Nürnberger Kapitel, nicht aber in bezug auf die Metzer Zusatzkapitel die Vorlage des Frankfurter Exemplars gewesen ist, nicht zu zweifeln.
  70. Eine mit den obigen Ausführungen im wesentlichen in gleicher Richtung liegende Kritik hat auch M. G. Schmidt an Weizsäckers Ausführungen geübt. S. oben S. 41 Anm. 1.
  71. Es handelte sich wohl hier wie in c. XII um ein Verbot der invitatae generales, nicht auch der particulares; dafür spricht die Eintragung des Rechnungsbuches zum folgenden Tage: Feria quinta VII. Ianuarii comedit dominus mane cum cancellario imperatoris private et fuerunt sibi apportata ciboria.
  72. Das Rechnungsbuch gibt die Kosten des Mahles vom 30. Dezember ohne den Wein auf 157 Pfund 17 Schilling 10 Heller an.
  73. Böhmer-Huber Nr. 2321, Lacomblet III, Nr. 547, S. 453.
  74. Näheres darüber im zweiten Kapitel.
  75. Böhmer-Huber Nr. 2372, Lacomblet III, Nr. 550, S. 459.
  76. Böhmer-Huber Nr. 2373, Lacomblet III, Nr. 551, S. 460.
  77. Lacomblet III, Nr. 547, S. 456.
  78. Lacomblet III, Nr. 551, S. 462 unten.
  79. S. Urkunden Nr. 29.
  80. S. Urkunden Nr. 27.
  81. Es ist schon früher bemerkt, daß die Überschrift De conspirationibus sich ebenso bereits in der Majestas Carolina findet; doch ist an eine Entlehnung wohl nicht zu denken, da der Text der Majestas sich mit dem der Goldenen Bulle kaum berührt. Die Überschrift unseres Kapitels wurde ohne Zweifel dem Texte entlehnt, der unter den verbotenen Verbindungen gleich zu Anfang die conspirationes nennt.
  82. Böhmer-Huber Nr. 1685; Lacomblet III, Nr. 591, S. 496.
  83. MG. Const. I, Nr. 176, S. 246.
  84. Reimann hat S. 25f. die Abhängigkeit unseres Kapitels von dem Kölner Privileg bereits erkannt; doch darf man nicht mit ihm für den Nachweis der Abhängigkeit die Übereinstimmung in der Strafklausel geltend machen. In der Goldenen Bulle wird wie im Privileg die Hälfte der vom Verletzer zu zahlenden Strafsumme dem Geschädigten, die andere Hälfte dem kaiserlichen Fiskus zugewiesen. Das ist aber eine Anordnung, die in kaiserlichen Privilegien jener Zeit durchaus gewöhnlich war.
  85. Siehe unten im zweiten Kapitel.
  86. MG. Const. IV, Nr. 263a § 4, S. 231.
  87. Böhmer-Huber Nr. 1886; Urkundenbuch der Stadt Straßburg V, 1, Nr. 305, S. 277.
  88. Böhmer-Huber Nr. 2389; Urkundenbuch der Stadt Straßburg V, 1, Nr. 367, S. 316.
  89. Böhmer-Huber Nr. 2410. 2511; Urkunden Nr. 25 und 26.
  90. Die Urkunde vom 1. Februar jetzt vollständig in Urkunden Nr. 28. Vgl. ferner Urkundenbuch der Stadt Straßburg V, 1, Nr. 370, S. 319; Nr. 374, S. 321. Vgl. auch Nr. 371, S. 321; Nr. 376, S.322; Nr. 377, S. 323; Nr. 378, S. 323.
  91. Die Urkunde vom 7. Januar ist vollständig gedruckt in den Urkunden Nr. 23. Über die beiden anderen vgl. die Anmerkung daselbst.
  92. Böhmer-Huber Nr. 2415.
  93. Vgl. hierzu und zum Folgenden meine Studien zur Reichsgesetzgebung des XIII. Jahrhunderts, Zeitschrift der Savigny-Stiftung, Germ. Abt. Bd. 23, S. 87 ff. 91 ff.; außerdem Reimann S. 24 und M. G. Schmidt, Die Pfalbürger, in Steinhausens Zeitschrift für Kulturgeschichte IX, S. 241 ff.
  94. Wenn Friedjung, Kaiser Karl IV. und sein Anteil am geistigen Leben seiner Zeit, S. 84 Anm. 2 behauptet, daß unser Kapitel nur eine Wiederholung einer früheren Konstitution vom Jahre 1354 sei, so beruht das lediglich auf einem mehrfachen Irrtume. Das von Friedjung angeführte Stück steht bei Schannat, Traditiones Fuldenses S. 333, und ist ein am 6. Januar 1357, also nach der Goldenen Bulle, dem Abte von Fulda erteiltes Privileg über die Pfalbürger, welchem unter ausdrücklicher Berufung auf das auf dem offenen Hofe (zu Nürnberg und Metz) erlassene Gesetz und Kaiserrecht c. XVI der Goldenen Bulle in deutscher Ubersetzung eingefügt ist. Die Urkunde ist nach dem Original abgedruckt Urkunden Nr. 33. Das Jahr 1354 hat Friedjung vielleicht infolge einer Verwechslung mit dem erwähnten Straßburger Privileg vom 2. Juli 1354 (s. oben S. 76) statt 1357 angegeben.
  95. Urkundenbuch der Stadt Straßburg V, 1, Nr. 369, S. 318.
  96. Dieses in der Überlieferung (nicht Original) fehlende, aber unentbehrliche Wort ist von mir ergänzt.
  97. Siehe S. 79 Anm. 2.
  98. Zeumer, Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Reichsverfassung, Nr. 54 A, S. 54, § 18.
  99. Über das Weistum für Ruprecht von der Pfalz sind uns erhalten die Urkunden Karls IV. und der Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier, Sachsen und Brandenburg, Böhmer-Huber Nr. 2380, daselbst Reichssachen 257, Regesten der Pfalzgrafen Nr. 2926 (das Original der Urkunde Karls IV. befindet sich nicht im Reichsarchiv, sondern im Geh. Staatsarchiv zu München). Der lateinische Text der Urkunde Karls jetzt Urkunden Nr. 21. Über das Weistum zugunsten Ludwigs von Brandenburg haben wir nur die Urkunden Rudolfs von Sachsen und Ruprechts des Älteren, Böhmer-Huber, Reichssachen 257, Regesten der Pfalzgrafen Nr. 2928. Die Urkunde Rudolfs ist gedruckt Urkunden Nr. 22.
  100. Urkunden Nr. 19. Vgl. besonders Teil II, S. 85, letzten Absatz.
  101. Böhmer-Huber, Nr. 646. 647.
  102. Siehe Urkunden Nr. 21.
  103. Über die Entwicklung des Admissionsrechtes wird M. Krammer in seiner Geschichte des Kurfürstenkollegs handeln, so daß ich hier nicht näher darauf einzugehen brauche.
  104. Flandrische Chronik bei Böhmer, Fontes I, 190.
  105. Hierüber und über das Folgende hat eingehend gehandelt K. Janson, Das Königtum Günthers von Schwarzburg, Leipzig 1880, S. 110 ff.
  106. Lacomblet III, Nr. 307, S. 249: ... eundem Wilhelmum ... in principem et marchionem Iuliacensem ac ipsius comitatum in marchionatum fecimus et facimus ... hac prerogativa specialis honoris omnibus aliis nostris et imperii principibus preferentes, ut videlicet, cum nos vel successores nostros parlamenta sollempnia vel curias publicas habere, ad que vel quas nostros et imperii principes ac fideles alios pro quacumque imperii necessitate vel utilitate duxerimus convocandos, seu cum pro exercendis actibus sollempnibns, puta infeodatione principum vel eorum creatione de novo et aliis consimilibus, indumentis regalibus vel imperialibus indui nos continget, cum successores nostri in Romanos reges electi in oppido Aquisgrani, in civitate Mediolani et in urbe Rome coronari debebunt, ipse vel sui heredes regie vel imperiali maiestati assistere et sceptrum regale vel imperiale pro augustalis culminis obsequio portare debeant et tenere.
  107. Per principes extitit diffinitum: quod, quando rex Romanorum coronatur, tunc ad officium marchionis Brandenburgensis spectat sceptrum regale tenere; sin autem feuda regalia concedit, tunc ad officium alterius marchionis hoc spectat. Böhmer, Fontes IV, 537.
  108. Janson a. a. O.
  109. Bei dem geringen Werte, welchen das Holzgerüst in jenen Zeiten repräsentierte, konnte dasselbe für den Hofmeister wohl nur dadurch ein angemessenes Äquivalent für seine Tätigkeit bilden, daß die Stadt, in der der Hof gehalten wurde, nicht nur das Gerüst liefern, sondern auch nach Beendigung der Feier vom Hofmeister zurückkaufen mußte. In den beiden von Seeliger, Hofmeisteramt S. 87 Anm. 3, angeführten Fällen beträgt der Preis 8 Gulden.
  110. Urkunden Nr. 32.
  111. Beneš bei Emler, Fontes rerum Bohemicarum IV, S. 526; Philippe de Vigneulle, Chronique de Metz, bei Huguenin, Les chroniques de la ville de Metz (1838), S. 98. Vgl. Böhmer-Huber Nr. 2555a.
  112. Vgl. MG. Const. IV, 1, S. 31, Anm. 1.
  113. MG. SS. XVII, 267.
  114. Siehe unten S. 104.
  115. Scheffer-Boichorst, Zur Geschichte des XII. u. XIII. Jahrh., S. 50, Anm. 3. (Neues Archiv Bd. 19, S. 598, Anm. 1); außerdem Börger, Die Belehnung der deutschen geistlichen Fürsten, S. 64 ff.
  116. Nach einer Urkunde Gregors IX. vom 10. Mai 1230 (Wilmans, Westfäl. Urkundenbuch IV, Nr. 175, S. 116: ... nobis .. intimastis, quod quondam frater Hermannus Hoter ... O(livero) Sabinensi episcopo, tunc Padeburnensi, sexaginta quinque marcas et fertonem argenti apud Sanctum Germanum in receptione regalium liberaliter mutuavit) hatte Bischof Oliver von Paderborn beim Empfang seiner Regalien zu San Germano 65 Mark und einen Vierdung geliehen, und zwar von Hermann Hoter. Oliver war beim Kaiser zu San Germano am 28. Juli 1225 (Reg. imp. V, Nr. 1571, vgl. daselbst 1571a, wo aber statt 605: 65 ¼ stehen müßte). Der Papst bestätigte Oliver als Bischof von Paderborn am 7. April 1225 (s. Wilmans a. a. O. Nr. 141).
  117. MG. Const. III, Nr. 434, S. 421 vom 28. Juli 1290 (Reg. imp. VI, 2351): Ad universitatis vestre notitiam tenore presentium cupimus pervenire, quod, cum abatissa Romaricensis post novam suam creationem sua regalia, id est administrationem temporalium, a nobis petere et recipere et tunc temporis sexaginta quinque marchas cum fertone officialibus nostre curie persolvere teneatur .....; und weiter unten: pro sexaginta quinque marchis cum fertone.
  118. MG. Const. IV, Nr. 333, S. 287 f.: Nos Godefrius Dei gracia Myndensis ecclesie episcopus recognoscimus et tenore presencium protestamur, quod honorabili domino cancellario pro iure curie domini regis racione regalium nostrorum, que ab ipso adepti sumus, quinquaginta octa marcas et unum fertonem examinati argenti ..... solvere tenebimur.
  119. Urkunden Nr. 15.
  120. Vgl. Teil II, S. 69.
  121. Urkunden Nr. 10.
  122. Böhmer-Huber Nr. 2263.
  123. Böhmer-Huber Nr. 2244.
  124. Böhmer-Huber Nr. 2249.
  125. Vgl. die Vollmacht Rudolfs des Älteren vom 28. Oktober, Urkunden Nr. 11, und den Eingang des Willebriefes Rudolfs des Jüngeren vom 12. Januar 1356, Urkunden Nr. 26 B.
  126. Böhmer-Huber Nr. 2321.
  127. Siehe Urkunden Nr. 16. Wenn die Erzbischöfe von Köln und Trier bereits in einer vom 4. Dezember 1355 datierten Urkunde Karls als Zeugen genannt werden (Böhmer-Huber Nr. 2311), so muß dabei berücksichtigt werden, daß das Tagesdatum: Il. non. nachträglich in eine leer gelassene Lücke von anderer Hand und Tinte eingetragen ist. Dies ist bereits dem scharfen Blick Th. Lindners (Urkundenwesen S. 191) nicht entgangen und von R. Lüdicke bei seiner Bearbeitung des Stückes für den Apparat der MG. aufs neue bestätigt worden. Demnach dürfte das Datum in der Weise zustande gekommen sein, daß man in der jedenfalls vor dem 14. Dezember 1355 geschriebenen Urkunde den Platz für das Tagesdatum freiließ, um ihn erst bei Anwesenheit sämtlicher Kurfürsten auszufüllen. Das geschah dann wohl am 4. Januar 1356, wobei aber die Abänderung der Monats- und Jahresangabe versehentlich unterblieb. Werunskys Erklärungsversuch (Gesch. Karls IV., III, S. 113, Anm. 2) dürfte damit hinfällig werden.
  128. XVto Decembris mansit dominus Franckfordie propter dominum Coloniensem, qui eciam mansit ibidem.
  129. Vom 29. November. Urkunden Nr. 12.
  130. Imperator electores et civitatenses in regno Alamannie convocavit ad se in Norenberg tractans ea, que sunt pacis, volens et mandans, ut pacem per regnum servarent et contra facientes punirent. Quod promiserunt postulantes in singulis dyocesibus capitaneos, qui eos assisterent. Quos eis imperator assignavit. Böhmer, Fontes IV, 101.
  131. Böhmer-Huber Nr. 2422.
  132. Urkunden Nr. 15.
  133. Urkunden Nr. 23, mit der Anmerkung.
  134. Urkunden Nr. 25.
  135. Urkunden Nr. 25.
  136. Urkunden Nr. 26.
  137. S. MG. Const. IV, Nr. 262, S. 228 und Böhmer, Regesten Ludwigs, Reichssachen Nr. 41, S. 238.
  138. Böhmer-Huber, Reichssachen Nr. 6. Die Wahldekrete Walrams von Köln und Gerlachs von Mainz abschriftlich im Apparat der Monumenta Germaniae historica.
  139. Böhmer, Fontes IV, 50 f.
  140. Böhmer-Huber, Reichssachen Nr. 1. Lacomblet III, 343.
  141. Siehe oben S.42 ff.
  142. Urkunden Nr. 27 und 29.
  143. K. Rauch, Traktat über den Reichstag (Quellen und Studien I) S. 87.
  144. Zeumer, Quellensammlung S. 400, Nr. 173 Beilage.
  145. Urkunden Nr. 26 A und B.
  146. Urkunden Nr. 27 und 29.
  147. So schon Herzberg-Fränkel in Kaiserurkunden in Abbildungen, Text S. 460.
  148. Urkunden Nr. 33.
  149. Vgl. aber MG. Const. IV, Nr. 33, S. 26 und 31.
  150. Chroniken der deutschen Städte, Bd. 7, S. 228. Vgl. Reimann S. 17.
  151. Urkunden Nr. 20.
  152. Nach gütiger Mitteilung der Direktion des k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien.
  153. Urkunden Nr. 25 und 28.
  154. Vgl. hierzu den Exkurs II.
  155. Urkunden Nr. 10 und Teil II, S. 69, letzter Absatz.
  156. Urkunden Nr. 18.
  157. Urkunden Nr. 19.
  158. Urkunden Nr. 21 und 22.
  159. Urkunden Nr. 24.
  160. Vgl. Regesten der Pfalzgrafen Nr. 2188, 2189, 2190, 2233, 2235, 2236 und insbesondere 2209 (inseriert in Urkunden Nr. 8), sowie 2255.
  161. Regesten der Pfalzgrafen Nr. 2564.
  162. Böhmer-Huber, Reichssachen Nr. 144.
  163. Urkunden Nr. 8 und 9.
  164. Böhmer-Huber Nr. 1860 vom 27. Mai.
  165. Regesten der Pfalzgrafen 1711.
  166. Vgl. Urkunden Nr. 17.
  167. Urkunden Nr. 21.
  168. Böhmer-Huber Nr. 1223.
  169. Ebenda, Reichssachen Nr. 134.
  170. Ebenda, Reichssachen Nr. 149; Quellen und Erörterungen zur bayer. Geschichte VI, 416.
  171. S. 93.
  172. Urkunden Nr. 13.
  173. Urkunden Nr. 14.
  174. Böhmer-Huber, Reichssachen Nr. 254; Quellen und Erörterungen VI, 445.
  175. S. oben S. 44 f.
  176. Urkunden Nr. 6.
  177. Prout moris est ipsorum principum, diffinitive dixerunt, iudicaverunt et diffiniendo pronunciaverunt.
  178. Urkunden Nr. 25 und 26 A und B, die Willebriefe Karls und Rudolfs. Über die übrigen Willebriefe, unter denen derjenige Boemunds fehlt, vgl. die Anmerkung zu 26, Teil II, S. 103.
  179. Feria tertia XII. Ianuarii premiserat dominus zur Nuwenstatt, ubi intendebat pernoctare. Sed imperator invitabat eum mane; et mansit tota die et mane sequente. Feria quarta XIII. Ianuarii comedit dominus offam mane et recessit a Nurenberg usw.
  180. Über den Empfang vgl. Böhmer-Huber Nr. 2519 a; Werunsky, Bd. III, S. 150 f.
  181. Vgl. das Schreiben der Frankfurter Ratsboten von diesem Tage bei Winkelmann, Acta imperii II, Nr. 1197, S. 857.
  182. S. Urkunden Nr. 30 und den Exkurs über das böhmische Kurrecht.
  183. Sie findet sich auch in dem 1366 ausgefertigten Frankfurter Text und ist hier offenbar aus derselben Vorlage wie in B entnommen. Jedoch fehlt hier (in F) das Tagesdatum, welches in B irrtümlich vom Jahresdatum getrennt und an das Ende der Notiz gesetzt war, gänzlich.
  184. Böhmer-Huber Nr. 3934; Monumenta Zollerana IV, Nr. 1 und 2, S. 1 ff.
  185. Die kurze Notiz Philippes de Vigneulles: Ledit jour de noel à Mets ledit empereur, presens les eslecteurs, fist publier la bulle d'or kann eben dieses letzten Ausdrucks wegen nicht aus einer gleichzeitigen Quelle stammen. (Vgl. Huguenin, Chroniques de Metz, S. 99.)
  186. Ed. Troß (1859) S. 216; vgl. Levison, Neues Archiv Bd. 32, S. 394.
  187. Der Abschluß von Lewolds Chronik fällt in den Beginn des Jahres 1358; vgl. Fittig, Levold von Northof, Bonner Dissertation 1906, S. 13; Levison, Neues Archiv Bd. 52, S. 390.
  188. Mitt. d. Inst. f. österr. GF. Bd. 5, S. 123 ff.
  189. Dafür nur einige Beispiele: In der Pönalklansel des c. XVI haben C und T die zwar verstümmelte, aber der ursprünglichen Fassung am nächsten stehende Lesart centum marcarum, wo B mit den übrigen die Korrektur centum marcas bietet. Im Proömium haben nur C und T das unentbehrliche quod vor velut serpens, ebenso in c. XIX das richtige eam statt eciam.
  190. Nicht ernst zu nehmen ist die von Oskar Hahn S. 45 ausgesprochene Vermutung, daß ein Italiener an der Abfassung der Goldenen Bulle beteiligt war. Wunderlicherweise gründet er diese Annahme auf das Vorkommen folgender Ausdrücke im Text: originarie; qui in partibus Alamanie pfalburgerii consueverunt appellari; statera; bassior; acervus avenae; assunt; cuppa, sowie auf die Erwähnung der Mischung von Wasser und Wein, und auch die Anführung der Mediolanensis corona.
  191. Die Lokalität ist gleichmäßig bezeugt durch das Trierer Rechnungsbuch und durch Philippe de Vigneulles, bei Huguenin S. 98. Auf dem bis zum 18. Jahrhundert freien Platze steht heute die K. Ludwigs-Kaserne. Vgl. R. Salomon, N. Archiv Bd. 33, Heft 2.
  192. Beneš ed. Emler, Fontes rerum Bohemicarum IV, S. 526: dux Luczemburgensis representans personam regis Boemie, qui est archipincerna. Vgl. Philippe de Vigneulles a. a. O.: ledit duc de Braban, faisant l'office pour le roy de Boheme.
  193. Urkunden Nr. 31.
  194. Urkunden Nr. 32.
  195. Diese noch ungedruckte Ausfertigung fehlt auch bei Böhmer-Huber; Orig. Dresden Hauptstaatsarchiv Nr. 3428 a.
  196. Ulmann in Forschungen zur Dtsch. Gesch. Bd. 22, S. 151.
  197. Reichstagsakten I, Nr. 5, S. 22.
  198. Böhmer-Huber Nr. 5220.
  199. Vgl. Steinherz in Mitteil. des Inst. Bd. 9, S. 63 ff.
  200. Z. B. in der Decretale Venerabilem von 1202, MG. Const. II, Nr. 398, S. 505, I. 25.
  201. Neue Erläuterung der Guldenen Bulle 403 f.
  202. Böhmer, Regesten 1246–1313, S. 256, vgl. 258, Nr. 6.
  203. Lindner, Urkundenwesen S. 45 f.
  204. Übrigens irrt M. G. Schmidt, wenn er S. 5 meint, Wenzel habe gleich nach der Wahl den vollen Königstitel angenommen. Er nannte sich vor der Krönung ganz wie einst sein Vater und Urgroßvater nur rex electus. Vgl. z. B. Reichstagsakten I, Nr. 77, 78.
  205. Für das folgende vgl. Reichstagsakten I, Nr. 60 ff.
  206. Reichstagsakten I, Nr. 87.
  207. Reichstagsakten I, Nr. 61: cum non approbata persona electi et confirmatione electionis non secuta electus ipse coronari non debeat nec actus regius vigore electionis huiusmodi in eo vel per eum valeat exerceri. Inbezug auf administratio hatte bereits Bonifaz VIII. die gleiche Forderung erhoben: MG. Const. IV, S. 87, I. 10 ff.
  208. Reichstagsakten I, Nr. 64: negaverunt tradere decreta et litteras suas super electione, pretendentes quod fiebat contra libertatem electorum et iura imperii.
  209. (Riedel) Erwerbung der Mark Brandenburg durch das Luxemburgsche Haus, v. Kamptz gewidmet. Berlin 1840, S. 36.
  210. MG. Const. IV, Nr. 262, S. 229.
  211. Olenschlager, Staatsgeschichte, UB. S. 68.
  212. Urkunden Nr. 1.
  213. MG. Const. III, Nr. 83, S. 71.
  214. Rense als Wahlort S. 26 ff.
  215. Reichstagsakten I, Nr. 44, S. 71.
  216. Ebenda S. 125, Zeile 5 ff., S. 121, Zeile 10 ff.
  217. Ebenda Nr. 45, S. 71 ff.
  218. Die Wahl Günthers kommt aus den oben S. 199 angeführten Gründen nicht in Frage.
  219. Vgl. Urkunden Nr. 2.
  220. Harnack S. 15 f., 68. Lindner, Hergang bei den deutschen Königswahlen (1899), S. 29.
  221. Ficker, Entstehungszeit des Sachsenspiegels (1859), S. 66 ff.
  222. Ann. Stad. ad a. 1240, MG. SS. XVI, 367.
  223. MG. SS. XXV, 130.
  224. MG. Const. IV, Nr. 9, S. 8.
  225. Ebenda Nr. 12, S. 15.
  226. MG. Const. IV, Nr. 1046, S. 1085.
  227. Tria paria litterarum bezeichnet nach dem Sprachgebrauch der Zeit nur drei gleichartige Urkunden. Mit der oben gegebenen Erklärung erledigen sich die früher versuchten Deutungen; vgl. M. Krammer, Wahl und Einsetzung (Quellen und Studien I, 2), S. 109 f.
  228. MG. Const. IV, Nr. 301, S. 267.
  229. Ebenda Nr. 298, S. 262.
  230. Schwabenspiegel ed. Laßberg c. 130, Gengler c. 109.
  231. Den Nachweis dieses Sachverhalts wird die künftige Ausgabe in MG. Const. erbringen.
  232. Urkunden Nr. 4. Über diese Sammelprivilegien vgl. R. Lüdicke im Neuen Archiv, Bd. 33, Heft 2.
  233. Urkunden Nr. 7.
  234. Olenschlager, Staatsgeschichte, U.-B., Nr. 26, S. 66 ff.
  235. MG. Const. IV, Nr. 17, S. 15.
  236. Dieses Recht der ersten Stimme bei allen Reichshandlungen hat Trier dann bis zum Ende des alten Reiches behalten; vgl. Rauch, Traktat über den Reichstag (Quellen und Studien I, 1), S. 59.
  237. Concordantia catholica III, 37.
  238. MG. Const. IV, Nr. 15, S. 14.
  239. Ebenda Nr. 425, S. 370.
  240. Winkelmann, Acta imp. II, Nr. 1115, S. 776. Erneuert am 3. Dezember 1314 und am 3. August 1332. Vgl. R. Lüdicke, Neues Archiv Bd. 33, Heft 2.
  241. Urkundenlehre S. 392. Ähnlich schon Harnack S. 148.
  242. Vom Mittelalter zur Reformation (1893), S. 48.
  243. Das hat auch Burdach in einer Berichtigung S. 134 nachträglich anerkannt. Leider sind Burdachs irrige Behauptungen zum Teil in die neuere Literatur übergegangen. Vgl. darüber R. Salomon, Deutsche Literaturzeitung, 1907, Sp. 805.
  244. Breßlau, Urkundenlehre, S. 392.
  245. S. oben S. 222.
  246. Böhmer-Huber Nr. 268.
  247. Ebenda Nr. 264.
  248. Lindner, Urkundenwesen S. 214, mit irrigem Datum. Böhmer-Huber Nr. 1729 = 6750, an letzter Stelle mit irrigem Datum auch Lindner.
  249. Böhmer-Huber Nr. 6861. Vgl. Lüdicke a. a. O.
  250. Ebenda Nr. 5588.
  251. Reichstagsakten VI, S. 33 f.
  252. Ebenda IV, Nr. 209.
  253. S. 2 ff.
  254. Urkunden Nr. 27, Teil II, S. 104; Nr. 29, ebenda S. 112: non solum eo modo, quo hiisdem legibus universi sacri imperii subditi ligari noscuntur, verum eciam presentis nostri privilegii imperialis ac decreti virtute perpetuis temporibus teneantur.
  255. Böhmer-Huber Nr. 3699; wiederholt 29. August d. J., Böhmer-Huber Nr. 3740. Beide Stücke bei Sudendorf, Registrum 2, 193 und 194.
  256. S. oben S. 180.
  257. Böhmer-Huber Nr. 4200.
  258. Weizsäcker, Rense als Wahlort, S. 29.
  259. Vgl. Exkurs I.
  260. Reichstagsakten III, Nr. 231, S. 289.
  261. Ebenda VI, Nr. 14, S. 53.
  262. Harnack S. 176.
  263. S. oben S. 24.
  264. Vgl. R. Smend, Neues Archiv, Bd. 32, 746.
  265. Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Bd. 6 (1873), S. 9 ff. Zur Datierung vgl. S. V.
  266. Nach freundlicher Mitteilung von R. Smend, der nächstens über die später den Appellationsprivilegien der Goldenen Bulle beigelegte Bedeutung handeln wird.
  267. Nach einer von R. Smend freundlichst zur Verfügung gestellten Abschrift aus Rep. X. 2 M. Nr. 9 des Geheimen Staatsarchivs zu Berlin.
  268. Die älteste Handschrift, welche Hürbin, Peter von Andlau (1897), S. 224, anführt, stammt aus dem Jahre 1422.
  269. Vgl. oben S. 18 ff.
  270. In den Schlußworten seiner „Historischen Entwicklung der heutigen Staatsverfassung des Teutschen Reiches“ (1788), III, 299.
  271. S. Deutsche Verfassungsgeschichte VI2, S. 335 und besonders Forschungen z. D. Gesch. Bd. 13, S. 216.
  272. SS. XXI, S. 538 (Handausgabe S. 142 f.): Die autem sancto pentecostes ipse dominus Fredricus Romnaorum imperator et eius uxor imperatrix cum magna et debita sollempnitate imperiales gestaverunt coronas ... Cum autem in coronamento illo principes potentissimi gestamentum gladii imperialis de iure reclamarent, scilicet dux Boemie, qui in curia cum duobus militum milibus, et dux Austrie Lupoldus, miles probus et largus, cum 500 militibus, et Bernardus dux novus Saxonie factus cum 700 militibus, et Conrardus comes palatinus Reni, ipsius imperatoris frater, cum mille et pluribus militibus, et langravius Duringie, vir strenuus, imperatoris nepos, qui cum mille aut pluribus militibus erat, dominus imperator gladium illum comiti Hanoniensi commisit gestandum. Cui nemo contradixit, cum ipse vir magni nominis ubique terrarum esset, et in curia novus videretur, et in eadem curia principes multos haberet consanguineos prepotentes cum aliis nobilibus.
  273. S. Gesta episcoporum Halberst., SS. XXIII, S. 113: Bernardus autem dux Saxonie, qui et ensem regium preferebat ... Vgl. Reg. imp. V, 1, Nr. 32a.
  274. SS. XXII, S. 466; vgl. die Anmerkung Holder-Eggers in Monumenta Erphesfurtensia, S. 610, Anm. 2; Werminghoff in Z. d. Savigny-Stiftung, Germ. Abt. Bd. 24, S. 380 ff., dazu N. Archiv Bd. 29, 538 f.
  275. Theobald, Beiträge z. Gesch. Ludwigs d. B. (Beilage z. Jahresb. des Gymn. zu Mannheim 1897), S. 18, Anm. 5. S. auch oben S. 31.
  276. Siehe die Flandrische Chronik bei Böhmer, Fontes I, S. 191: Et deseure l'empereur estoit le sire de Kuck ou lieu du duc de Brabant en son estant, deux pieds plus hault que l'empereur ou environ, et là tenoit-il une espée toute nue en so main. Die ebendaselbst von Böhmer angeführte Stelle des Henry Knyghton sagt nur, daß ein Ritter das Schwert gehalten habe, ohne den Herzog von Brabant und seinen Vertreter, den Herrn von Kuck, zu nennen.
  277. Die bei Böhmer, Regesten Ludwigs d. B. Add. II, S. 327, Nr. 3085 verzeichnete, bisher ungedruckte Urkunde des Kaisers wird im II. Teil, Urkunden Nr. 3 mitgeteilt. Außer dieser im Gesamtarchiv des ernestinischen Hauses zu Weimar befindlichen Urkunde liegen dort noch zwei andere vom gleichen Tage, welche denselben Vorgang bezeugen. Die eine derselben ist vom Erzbischof Heinrich von Mainz, die andere vom Markgrafen Friedrich von Meißen ausgestellt. Beide Stücke waren bisher unbekannt und sind, nachdem Herr Archivdirektor Dr. Burkhardt die Güte hatte, mich auf dieselben aufmerksam zu machen, für den Apparat der Monumenta Germaniae abgeschrieben. Der Kaiser bezeugt in seiner Urkunde folgendes: (Herzog Rudolf v. Sachsen) tet uns kunt, umb daz swert, daz der hertzog von Brabant vor uns und dem rich tragen lie, daz er ze den selben zeiten nicht weste, daz er daz tragen solt, un da von widerret er sein nicht, daz er bei seinem ayd vor uns bereden wolt, und hat daz also vor uns widersprochen, da di vorgenant fuersten gagenwurtig gewesen sint, und spricht auch unser vorgenannter oeheim hertzog Rudolf, daz im das swert zu gehoer ze tragen von sinem marschalchampt. In genau entsprechender Weise urkundet der Erzbischof von Mainz: daz ... Rudolf ... rete umb daz swerd, daz der hertzoge von Brabant tragen liez vor dem riche, das gehoer yem zuo, zuo tragende, von rechtes wegin, und daz ers nicht wiederret hat, daz ist dar uomb, daz er is nicht enwiste, und gehorte zuo sime marschalkampte ... Fast wörtlich gleichlautend ist die Urkunde des Markgrafen: ... das sulle er tragen von rechtis wegin, unde das er iz nicht widirredit hat, das sprichit er da von, das er is nicht weste, unde gehore czuo sime marschalk ampte.
  278. Unsre Hauptquelle über diesen neuen Streit ist die weiter unten erwähnte Urkunde Karls für Herzog Wenzel vom 27. Dezember 1356, welche Urkunden Nr. 32 nach dem Original gedruckt ist. Vgl. Böhmer-Huber Nr. 2562.
  279. Böhmer-Huber, Reichssachen Nr. 276; vgl. Nr. 2562.
  280. Böhmer-Huber Nr. 2587.
  281. Durch diese Urkunde wurde nicht etwa, wie Pelzel S. 553 angibt, und Nerger mit irriger Ansetzung zum 1. Januar S. 33 Anm. 5 wiederholt, der Streit dahin entschieden, daß auf Hoftagen im Arelat der Brabanter das Schwert tragen solle. Davon steht in unserer Urkunde, die Pelzel nach Lünigs Reichsarchiv zitiert, nichts, und es bleibt vorläufig unerklärt, worauf Pelzel seine Angabe gründet.
  282. Urkunden Nr. 34.
  283. Böhmer-Huber Nr. 5636 b.
  284. Forschungen zur deutschen Geschichte Bd. 13, S. 209.
  285. Die Sachsenspiegelhandschriften der Königlichen Bibliothek hat Herr Dr. Salomon für mich durchgesehen und exzerpiert.
  286. Böhmer, Fontes I, S. 340.
  287. Muratori, SS. IX, 1169.
  288. ed. Potthast S. 231.
  289. F. von Weech, Ludwig d. B. und König Johann, S. 127.
  290. Der Kampf Ludwigs d. B. II, 200.
  291. Vgl. Urkunde vom 18. März 1339, inseriert in Urkunden Nr. 8.
  292. ed. Ortloff S. 320.
  293. Aus dem Apparat der Monumenta Germaniae. Vgl. Riezler, Vatikanische Akten, Nr. 2288, und den wenig glücklichen neueren Auszug bei Sauerland, Urkunden und Regesten zur Geschichte der Rheinlande, III, Nr. 588, S. 230.
  294. Zeitschrift der Savigny-Stiftung, Germ. Abt., Bd. 24, S. 380 ff.
  295. Böhmer-Huber Nr. 646. 647.
  296. Urkunden Nr. 30.
  297. S. darüber die von R. Salomon verfaßte Anmerkung am Schluß dieses Exkurses.
  298. So bei Egnatius († 1553): Romanorum principum liber III (1534), S. 482: hi (die sechs Kurfürsten) si discordes fuerint, Boemiae regem cooptanto, nach Waitz a. a. O., S. 202. Im Anschluß an diese Stelle ist das bekannte, bei Goldast, Const. imp. III, S.371 gedruckte angebliche Gesetz Ottos IV. über die Königswahl entstanden.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. in dieser Edition fett gedruckt