Zum Inhalt springen

Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Gerard van Swieten
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Vampyrismus von Herrn Baron Gerhard van Swieten verfasset, aus dem Französischen ins Deutsche übersetzet und als ein Anhang der Abhandlung des Daseyns der Gespenster beigerücket
Untertitel:
aus: Abhandlung des Daseyns der Gespenster, nebst einem Anhange vom Vampyrismus
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1768
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Augsburg
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[Ξ]
Abhandlung
des Daseyns
der
Gespenster,
nebst einem Anhange
vom
Vampyrismus.


Gedruckt zu Augsburg, 1768.

[Ξ]
– – – Velut aegri somnia, vanae
Fingentur species. – – –
Horatius.


WS: Bibliothekstempel: Bayerische Staatsbibliothek München

[Ξ]
Vorrede.

Nichts ist dem Reiche der Wissenschaften schädlicher, als wenn in selbem der vielfältige Götze des Aberglauben, und der Vorurtheile verehret wird. Dieser Tyrann hat nicht nur allein dem gesammten Pöbel die Fessel angeschlagen, sondern auch viele unter denen, die ihren Witz dem Dienste der Musen geweihet haben, und von einer geschliffenen Denkensart glänzen wollen, mit seinen Banden bestricket. Es sind beinahe viele ganz außer Stande gesetzt, die Seile zu zerreissen, die sie fesseln. Wie viele Menschen, derer Geist erhaben scheinen will, glauben auch heutiges Tages noch, daß die Sterne das Schicksal der Menschen auf der Erde bestimmen; daß die Kometen schädliche Einflüsse mit sich führen, und gewiße Trauerfälle verkündigen etc.? Und sie wurden eher das Licht der Sonne, als den ihr Schicksal [Ξ] beherrschenden Einfluß des Gestiern läugnen. a) [1] Wie viele, welche die Begriffe des erhabenen Kautz, des berühmten dell’Osa, und des gelehrten Sterzingers über die Leisten ihres auswendig gelernten Lehrgebäudes nicht ziehen können, entrichten dem Götzen des Aberglauben verwerfliche Opferdienste, und bethen die ertraumte Thätigkeit der Zauberkunst für Wahrheiten an? Der jugendliche Eindruck hat sie gebunden, und da sie eralten, schlummern sie an den Ketten, die sie sich in ihrer Jugend geschmidet, und die Halsstärrigkeit nach Maaß der Jahren befestiget hat. Die aufgerafte Vorurtheile haben den Verstand verdunkelt, und sie sind die Ursache, daß viele in den Finsternissen ihrer Meinungen dahin wandeln, und das Licht verabscheuen, welches ihnen der mühsame Fleiß der Gelehrten anzündet und aufstecket. Ich könnte eine ganze Reihe der vorgefaßten Meinungen herstellen, um überzeugende Proben zu liefern, daß es Leute gebe, welche die jugendliche Eindrücke noch nicht unterdrücket haben, die in dem eisgrauen Alter noch im Tone der Kinder lallen.

Selbst diejenigen, die die Vernunft zum Wohnhause witziger und gelehrter Betrachtungen machen wollen, flechten [Ξ] dem aberglaubigen Götzenbild der Vorurtheile noch immer Kränze, und streuen Blumen und Weihrauche davor nieder, da sie die Gespenstergeschichten für Wahrheit ansehen. Ich werde es nicht wagen diese starken Geister von der Höhe ihrer Einbildung herabzubringen. Sie sind ihrer Meinung nach weit über die menschlichen Schwachheiten hinauf gestiegen, und schmeicheln sich tiefere Einsicht als andere Leute zu besitzen. Wurde ich mich erdreisten, ihre Vorurtheile aufzudecken, so weis ich schon zum voraus ihre Gedanken; sie wurden sagen:

Quodcunque ostendis mihi, sic incredulus odi.

Ich werde auch nicht begehren, daß sie den Vorzug ihrer rechthaberischen Weisheit fahren lassen. Noch weniger werde ich durch Lobeserhebungen ihres unsterblichen Nachruhms von ihnen den Beifall erbetteln. Nur bitte ich, sie möchten mich den Saddutzäern b)[2] nicht beizählen, oder unter [Ξ] denen Epikuräern c)[3] einen Platz anweisen. Vieleicht findet meine Bitte Gehör, da ich das ungehäuchelte Bekänntniß ablege, daß es mir sehr leid thue, daß ich mich mit ihnen, um die Wahrheit zu suchen, in dieser Abhandlung zertragen muß. Die Urtheile des Pöbels, oder vielmehr derjenigen, die nie zu denken gelernet haben, noch durch Nachdenken sich zu erheben bemühen, werden mich nicht irre machen. Sie kommen mir unter dem Sinnbilde der kleinen Würmer vor, die nie ihren Kopf von der Erde aus dem Staube erheben. Ich zweifle nicht, daß sie gleich bei dem ersten Anblicke dieser Schrift ein Vorurtheil gegen mich fassen werden, welches für mich nicht vortheilhaft seyn kann. Sie werden mich verketzern, und mit Bannflüchen gegen mich loswerfen. Sie werden glauben, ich werde mit dieser Abhandlung das Fegfeuer auslöschen wollen. Sie werden wohl gar (wie sie in nicht viel ungleichen Umständen gewünschet haben) diese geduldigen Blätter als eine freygeistige Mißgeburt den unbarmherzigen Flammen opfern. Alles dieses sind mögliche Sachen. Bei allem diesem aber habe ich ein sicheres wohlgesetztes Vertrauen, daß diejenigen, die die Vorurtheile abgeleget, und sich von gewißen Schwachheiten entfernet haben, mich von dergleichen Beschuldigungen, die ich wahrhaftig nicht verdiene, ganz gerne lossprechen werden.

[Ξ] Ich weis, daß unsere Gottesgelehrten, die mit Nachdrucke und Gründlichkeit ihre Sätze verfechten, den katholischen Glaubensatz von dem Fegfeuer nicht aus dergleichen historischen Quellen herleiten, noch durch Erscheinungen, oder Gespenstermährchen beweisen. Ich schmeichle mir also, daß der Leser die Anfangs gefaßte Vorurtheile bei Durchgehung dieser Blätter überwinden, und die Ungerechtigkeit seines voreiligen Urtheils erkennen werde. Ich läugne zwar, daß es Gespenster gebe; ich verneine aber nicht, daß Geister erschienen sind. Wie kann man aber Gespenster läugnen, und zugleich Erscheinungen der Geister behaupten? Ich antworte, wie man verneinen kann, daß der Mensch über das Meer gehen, oder durch die Luft in entfernete Länder reisen kann, so kann man auch läugnen, daß Geister auf dieser Welt erscheinen, und sich sichtbarlich zeigen können, ob ich wohl dieses durch ein Wunderwerk zulasse, und die Erscheinungen, wenn sie hierzu die Kräften von der Allkraft GOttes erhalten haben, sowenig zu läugnen gedenke, als ich läugnen kann, daß Menschen durch Wunderwerke über das Meer gehen, oder durch die Luft in andere Länder übersetzt werden können. Sind übrigens, werthester Leser! meine Gedanken hie und da nicht deine Gedanken; so weise mich, wenn du Recht zu haben, dich aus bündigen Gründen überredest, mit Sanftmuth, und einer holden Bescheidenheit auf eine bessere Straße.

[Ξ]
1. §.
Was ist ein Gespenst?

Durch Worte pflegen wir andern unsere Gedanken zu erklären. Sie sind Zeichen, daraus ein anderer unsere Begriffe abnehmen kann. Wir müssen also vor allen nach der schönen Lehre des Freyherrn von Wolf a)[4] mit dem Worte Gespenst einige Begriffe verknüpfen, damit man weis, von wem wir reden, und was wir dadurch verstehen. Die Gespensterfreunde sagen uns, Gespenster sind Erscheinungen verstorbener Personen. Andere erklären sich also: Gespenster sind geistige Substanzen, die von dem Menschen mit Furcht und Schrecken empfunden werden. Der ersten Erklärung kann ich meinen Beifall nicht geben. Christus der HErr ist zehnmal nach seinem Tode erschienen; wer wird aber den Erlöser, der von sich selbsten sagt: Ich bin kein Gespenst: in die Reihe der Gespenster setzen? Es ist wahr, so oft ein Gespenst dem Menschen sich sichtbar darstellen würde, müßte selbes erscheinen: es könnte also kein Gespenst ohne Erscheinung geben. Ich läugne aber, daß, so oft eine Erscheinung vorkomme, auch ein Gespenst sich darstelle. Es ist zwischen einem erscheinenden Geiste und einem Gespenste ein Unterscheid zu machen. b)[5]

[Ξ] Der zwoten Erklärung kann ich ebenfalls nicht beipflichten. Man sagt, ein Gespenst sey eine geistige Substanz, die mit Furcht und Schrecken empfunden wird. Man sagt, der Vater des Samsons hat die Gegenwart des Engels mit Furcht und Zittern empfunden. Wer wird aber einen erscheinenden Engel unter die Gespenster zählen? Was ist dann also ein Gespenst? die Frage ist nicht so leicht zu beantworten, als man sich einbildet, und wir finden um so größere Beschwerniß, je mehr wir überzeuget sind, daß es keine Gespenster gebe. Wie sollen wir eine Sache erklären, die wir nicht für wirklich erkennen? Damit wir aber doch was sagen, obwohlen wir nichts eigentliches sagen können, und damit man doch wisse, mit was sich diese Abhandlung beschäftige, so sagen wir: ein Gespenst ist dasjenige, was die Menschen mit Angst und Entsetzen empfinden, ohne davon die nahe wirkende Ursache zu erkennen.


Ich will nicht läugnen, daß diese Erklärung die Gränzen einer vollkommenen Erklärung überschreite: mir ist genug, daß ich selbe auf alle Falle biegen, und anwenden könne. Einen wahren vollkommenen Begriff von einem Gespenste zu liefern, zu welchem sich in der besten Welt kein Urbild findet, deucht mir unmöglich zu seyn. Ich schmeichele mir dahero nicht ohne Grund, daß der Leser, der etwas höher sieht, und Vernunft mit Bescheidenheit

[Ξ] in seinen Urtheilen paaret, diesen Fehltritt des Verstandes uns verzeihen werde. Denn dieser Unvollkommenheit in Bestimmung einer ächten Erklärung eines Gespenstes müssen sich die gelehrtesten Männer unterwerfen.


2. §.
Vom Ursprunge der Gespenster.

Die Sündfluth ergoß sich über das ganze schuldige menschliche Geschlecht, um dessen Bosheit zu bestrafen. Sie hat sich wiederum gesetzet, aber die Bosheit der Menschen schwang sich nach selber noch höher empor. Wollen wir dem Alexandriner Bischofen Cyrillus a)[6] glauben, so war die Abgötterey vor dem Sündfluße eine unbekannte Sache. Nach demselben aber hat die undankbare Welt ihren Schöpfer verlassen, und sich GOttheiten erdichtet, die Undinge sind. Starke Finsternissen und scheußliche Wolken bedeckten die Welt, unter welchen der rohe Mensch seinen Sinnlichkeiten nachlief, und sogar das Licht der Natur unterdrückete.

Die Egyptier glaubten, die GOttheit regiere die Welt nicht unmittelbar, sondern durch untergeordnete Götter, die ihren Sitz in der Sonne, im Mond und Meer, und auf der Erde hatten; die den Einfluß aus dem Gestirne herabschicketen, und Gnaden austheilten, worauf das menschliche Schicksal beruhe. Diese war die Denkensart, diese waren die irrige Begriffe jener Völker, nach welchen sie sich selbsten Bildnissen entwarffen, oder am mindesten Sinnbilder vorstelleten, von denen man in der Folge der [Ξ] Zeiten das Sinn- und Lehrreiche wegließ, und sich selbsten GOttheiten daraus schuf. Die herrschende Neigung zum Sinnlichen trug sehr viel bei, um die gesetzte Schranken niederzureissen. Der sinnliche Mensch fand mehr Vergnügen an einem leeren Gegenstand, es gelüstete ihm mehr nach den eitlen Bildern als nach dem ächten Wege der Gerechtigkeit: er ließ also das Kernnichte der Religion fahren, und hielt sich an die Hülse. Er dachte bei seiner Anbethung weiter an nichts, als an die Bilder, die er aufgestellet sah; diese erklärte er sich nach seinen eigenen Gelüsten. Daher entstunden in Egypten die Fabeln, die Erscheinungen der Götter, die Verwandlungen nebst der ganzen Krame der verwirrten Götterlehre.

Nicht geringere Irrthümer enthielt die verworrene Lehre von der menschlichen Seele bei den Egyptiern. Sie glaubten, daß zwo Seelen in dem Körper wohnten. Eine sey die Triebfeder des thierischen Lebens, der Sitz der Gelüsten, und könnte zernichtet werden. Die andere sey eine vernünftige Seele, ihre Wesenheit sey aus Luft und allein den Göttern bekannt; sie könnte nicht zernichtet werden, weil sie unsterblich ist. Beide seyen miteinander enge verschwesteret, solange der Mensch lebe, nach dessen Tod stelle die Seele das Bildniß des Menschen noch vor, welches er im Leben hatte, würde aber wie ein Rauch verschwinden, wenn man es umfassen sollte. Homer b)[7] und viele andere geben dessen sicheres Zeugniß. Die erhabenen Seelen der Helden, und großen Männern, welche die Begierden besieget, und ihr Gemüth von den sinnlichen Gelüsten abgehalten haben, würden bei ihrem Tode von dem Bande der thierischen Seele aufgelöset, und unter die [Ξ] Reihe der Götter übersetzet. Niederträchtige Seelen aber, die den sinnlichen Gelüsten nachgelebet haben, hätten sich mit der thierischen Seele so enge vereiniget, daß sie sich von selber nicht losbinden könnten: sie müßten also nach dem Urtheile der Götter entweders mit ihrer Seele in die Hölle hinunterrollen, oder aber, wie Plato und Plutatch c)[8] vermeinen, bei ihren Gräbern auf dieser Erde herumschwärmen, bis gleichwohl die unsterbliche von der thierischen Seele rein, und befreyet wäre. Da nun sowohl die zu reinigende, als die ewig zu peinigende Seelen (welche unter dem Worte Larven vorkommen) sich zur Strafe bei ihren Gräbern auf der Erde aufhalten, wären sie öfters den Menschen erschienen, und hätten sich sichtbar dargestellet. d)[9] Doch stimmete die Lehre, welche die Heyden von der Seele hatten, nicht überein. Einige glaubten, daß die Seele den Leib so sehr liebe, daß sie von ihm nicht anders als durch die Fäule könne getrennet werden. Weil sie aber auch der groben Lehre der Seelenwanderung, e)[10] welche [Ξ] sie für eine Strafe der Götter hielten, beipflichteten, so haben sie die Leiber der Verstorbenen einbalsamirt, wie uns Servius bezeuget. f)[11] Diese einbalsamirten Körper werden heute zu Tage noch Mumien genennet. g)[12] Andere hielten dafür, daß diejenigen, welche eines gewaltsamen Todtes gestorben, bei den Gräbern so lange herumirren, erscheinen, und die Menschen schrecken müßten, als sie wurden gelebt haben, wenn sie ein gewaltsamer Tod aus der Zahl der Lebendigen nicht entrissen hätte. h)[13] Daher kommen annoch

[Ξ] die vielen Geister-Erscheinungen und Gespenstermärchen bei den Richtplätzen, Schlachtfeldern etc.

Eben so viele dergleichen Erzählungen stammen von der Meinung ab, welche behauptete, daß die Seele solange bey dem Körper und Gebeinern herumschwärmen müßte, bis sie begraben wurde. i)[14] Andere endlich haben die Gräber als einen beständigen Wohnsitz den Seelen angewiesen; daher kommen die prächtigen Grabstätte, als die Piramiden, Mausoläen, etc. welche Plinius k)[15] umständlich beschreibet. Diesen haben wir auch so viele Innschriften zu danken, welche die Gräber ewige Häuser nennen. Aus sehr vielen dergleichen will ich die kürzeste anfügen.

MANLIA. PAULA.
DE. PATRIMONIO. SUO
SIBI. ET
AURELIO. PAULINO.
DOMUM. AETERNAM. P.

In einigen dieser ewigen Häusern setzten sie auch ewige Lichter, weil sie die Seele aus Feuer zu seyn glaubten. Durch diesen Gebrauch

[Ξ] befahlen sie zugleich die Seele, die im Grabe wohnete, dem Pluto an, dem sie die Herrschaft über die Todte zueigneten, und bei ihnen Urago hieß. Mehrers meldet davon der belesene Fortunatus Licetus l.[16]

Aus diesem Irrthume, daß die Seelen bei den Gräbern sich aufhalten, und mit ihrer Gegenwart die Häuser belästigen sollten; entsprang die Kunst die Geister zu beschwören, und selbe zu verbannen, m)[17] Eben daher kommt die Necromantie ein Theil der eiteln Zauberkunst, welche von den Todten unterschiedliche Sachen erforschen, sie beschwören, und erwecken will. All ihre Verehrer wollten sich diese Gewalt durch ihre blutige Opfer und Zauberbände beilegen. Die Poeten konnten nimmermehr satt werden, uns dergleichen Schauspiele vorzustellen, und bald einen Schatten, [Ξ] bald eine Zauberinn auftretten zu lassen. [18] Diese Künsten sind aus Egypten in Griechenland hinübergewandert.

Epikur hat in seiner Jugend die Geister verbannen wollen [19] Die vernünftigen Griechen haben diese Lehre von der Seele und den herumschwärmenden Geistern von den Egyptiern geholet. Thales und Pythagoras (wie Clemens Alexander. Stromat. L. I. bezeuget) haben sich in Egypten in der Weltweisheit unterrichten lassen, und damit ihnen alle Geheimnissen geoffenbaret wurden, haben sie sich so gar der schmerzhaften Beschneidung unterworfen. Auch Eudoxus hat sich dem Unterricht der egyptischen Magiern anvertrauet. Plato, den man nachmals wegen seiner Scharfsinnigkeit und Lehre den Göttlichen nennete, hat zu Heliopolis (heute Alcairo) 13. Jahre, wie Strabe Geograph. L. 17. schreibet, mit selben einen vertrauten Umgang gepflogen. Diese und [Ξ] andere griechische Weltweise haben die Lehre von der Seele und von den Gespenstern in ihr Vaterland überbracht. Die Priester des Heydenthums und die Poeten haben sie mit neuen Zusätzen vermehret und ausgeschmücket. Sie erdichteten Gottheiten, wie es ihre zügellose Einbildungskraft ihnen einflößete. Sie fanden um somehr Anbether, je größer das Ansehen der Erstern, je besser die Erfindung der Zweyten war. Vorzüglich hat der dichterische Witz der Poeten das Götter- und Gespensterreich ansehnlich erweiteret. Sie wußten sehr geschickt ihre Erfindungen mit Worten einzukleiden, die erdichtete Gottheit zwischen den Inhalt ihrer Gedichte einzuflechten, und voll des Witzes und Reitzung zu mahlen, zu rühren, und ohne Schwulst erhaben vorzustellen. Sowohl die alten als neuen Götter müßten den Himmel verlassen. Nur der gute Momus hüttete beständig den Himmel. Man raumte ihm zwar das Vergnügen ein, daß er ohne Scheu die Fehler der Götter mit einer beissenden Spötterey beschnarchen darfte. Sie sind den Menschen erschienen, und es war schier kein Gott, keine Göttinn in dem Himmel, welche nicht auf der Erde eine Liebesbegebenheit hatte; woher alsdenn die Halbgötter, Menschen, die von Göttern mit Menschen gezeuget, oder von Göttinnen gebohren worden, entsprungen sind. p)[20] Diese Halbgötter begleitete allzeit der Schutz ihrer himmlischen Eltern. Sie erschienen öfters denselben, und brachten ihnen thätigen Beistand, oder sie erschreckten die Feinde durch ihre Erscheinung. [Ξ] Ich würde zu weitläuftig fallen, wenn ich meinen Vortrag mit den Stellen aus Homer, Virgil, Ovid und Tibull beleuchten wollte. Die Juden waren ebenfalls nicht rein von dieser Thorheit, mit welcher sie die Egyptier beflecket hatten. In der babilonischen Gefängniß haben auch sie dieß Gift von den Chaldäern eingesogen. Man findet davon überflüßige Zeugnissen bei Joseph Flavius l. 2. c. 12. von dem jüdischen Kriege, und l. 18. c. 1. von den jüdischen Alterthümern, bei Budäus Introduct. in Philosoph. hebrae., bei Johann Spencerus lib. de legibus hebrae. ritual. fol. 492. Selbst Rabi Menasse ben Israel in Nischmath Chaiim p. 152. berufft sich bei seiner Lehre auf den Pythagoras, Plato, Virgil, und zeiget genugsam an, aus was für trüben Quellen er geschöpfet habe.

Da endlich das Licht und die Wahrheit auf dieser Erde erschienen, und der vermenschte GOtt seine göttliche Lehre der Welt geschenket, sind zwar diese Irrthümer verschwunden. Allein, obschon die neubekehrten Juden und Heyden ihre irrige Begriffe von der Mehrheit der Götter, und die falsche Meinung von der Seele abgeleget, so sind ihnen doch die Schlacken derselben noch angeklebet. Die Philosophen haben ebenfalls viele Irrthümer von den Geistern bei ihrer Bekehrung zum wahren Glauben mit sich


[Ξ] zur christlichen Religion hinüber gebracht. Einige Väter, welche der Philosophen Grundsätzen anhiengen, haben ihre Lehre verfechtet, in soweit sie dem Glauben nicht entgegen stunde, Geister und Gespenster zugelassen, ja sogar das Daseyn der Waldgötter und die Buhlschaften derselben mit den Menschen behauptet. Gregorius, der Große, in seinen Gesprächen, q)[21] der ehrwürdige Beda in seiner Historie von Engelland, haben in den mittlern Zeiten der Gespenstergeschichte einen neuen Zuwachs ertheilet, da sie alles nachgeschrieben, was die gemeine Sage verbreitete, r)[22] Johann a Voragine, Cäsarius ab Heisterbach, und andere mehr haben in den neuern Zeiten neue Zusätze geschmidet. Zu unseren Zeiten endlich hat der bekannte Cochem, ein vortreflicher Herold der Gespenster, s)[23] der noch manchem Buchhändler das Brod geben [Ξ] muß, und sehr viele Exempelbüchlein, t)[24] die die sogenannten Grechsenträger verkaufen, denen der Ort des Druckes, die Erlaubniß, der Name des Verfassers, mit einem Worte alle Bescheidenheit abgehet, die Meinung von der Wirklichkeit der Gespenster sorgfältig unterstützet. Ich würde unmöglich ein End gewinnen, wenn ich auch von der Fortpflanzung der Geistermeinung von einem Jahrhundert in das andere genauere Betrachtung anstellen wurde. Es ist genug, daß ich in der Kürze den Ursprung derselben bei dem Heydenthum gefunden, und vorgezeiget habe. Sie ist auf eben die Weise, wie die irrige Meinung von der thätigen Hexerey bis auf unsere Zeiten fortgeführet worden.


[Ξ]
3. §.
Die Wirklichkeit der Geister kann aus der heiligen Schrift nicht bewiesen werden.

Die erschaffene Welt hatte das Alter von 6. Tägen noch nicht erreichet, sie ware nach der Meinung der Schriftsteller noch nicht 6. Stund von vernünftigen Geschöpfen bewohnet, so soll auf derselben schon ein Gespenste aufgetretten seyn, und die erste Menschen beunruhiget haben. So weit gehen die Gespensterfreunde in das Alterthum zurück, damit das Daseyn der Gespenster nicht jünger als die Welt sey. Die Schlange in dem Paradeis muß dieses Gespenste seyn, und den Vertheidigern derselben als ein vorzüglicher Beweis dienen, welcher die Wirklichkeit der Geister erörtern soll. Ich will die unglückliche Geschichte nicht mit mehrern anführen. Sie ist sattsamm bekannt, nur die Gründe, mit welchen die Gespensterliebhaber ihren Ausspruch zu beweisen suchen, will ich beibringen, und selbe gänzlich bei Seite räumen, oder am mindesten ihre Kräften brechen. Einige von diesen Herren sagen, daß der Satan in eine Schlange sich verstellet, sich nach seiner erlauchten Wissenschaft aus der Luft einen Körper, der der Schlange ähnlich ware, gebauet, und also unsere erste Mutter zur Sünde gereitzet habe. Da wir überhaupts dieses Luftgebäu (wie wir in den nachfolgenden §. zeigen werden) und daß ein Geist die Wissenschaft und Kräften habe, einen Körper aus der Luft sich zu machen als etwas unmögliches betrachten; so können wir umso minder dieser Meinung unseren Beyfall angönnen, weil ihr auch die Schrift ganz offenbar widerspricht. Denn 1) saget Moyses ausdrucklich, daß die Schlange das listigste Thier unter allen Thieren der Erde seye; diese Vergleichung aber mit den übrigen Thieren wurde sehr unschicklich seyn, wenn die Rede von einer Ausdünstung [Ξ] der gröbern Lufttheilchen gestalteten Schlange wäre. Ich könnte nicht sagen der Löw ist der stärkste unter den Thieren, wenn der Löw kein Thiere nicht wäre. 2) Wenn wir die Strafen betrachten, mit welchen der erzürnte Schöpfer die Schlange beladen, so werden wir finden, daß diese auf eine natürliche Schlange ganz ungezwungen zu erklären sind, und daß er mit dem Fluch die Schlange bestrafet, weil sie eine Gelegenheit gegeben oder ein Werkzeug zur Verführung gewesen. Gewiß die Worte des HErrn, die er zu der Schlange sprach: (dieweil du solches gethan hast, so bist du verflucht unter allen Vieh, und unter allen Thieren der Erde, auf deiner Brust sollst du gehen, und Erde essen alle Tage deines Lebens: können nicht auf eine aus der Luft gebildete Schlange ausgedehnet werden. Andere sagen, daß der Satan einer natürlichen Schlange als eines Werkzeuges sich bedienet, dessen Körper besessen, und durch solche als wie durch einen besessenen mit der Eva gesprochen habe. a)[25] Ist diese Erklärung die ächte, so finden wir in selber so wenig einen Beweis eines Gespenstes, so wenig jemand behaupten wird, daß, wenn der Satan ein Mägdlein besitzet, aus ihr griechisch redet, die Besessene ein Gespenste seye.

So allgemein diese Meinung ist, so finde ich doch eine sehr große Beschwerniß, welche sowohl diese, als die vorgehende Erklärung betrift. Die Rede, die die Schlange mit der Eva gehalten hat, müßte ihr allerdings sehr verdächtig und unwahrscheinlich [Ξ] vorgekommen seyn. Reden ist den Thieren nicht natürlich, und niemand wird so leicht dem jüdischen Geschichtschreiber Josephus Flavius, beipflichten, und behaupten, daß die Thiere vor dem Sündenfall das natürliche Vermögen zu Reden gehabt haben. Diesen Knotten aufzulösen, sagen einige, daß der Eva diese Rede zwar übernatürlich habe vorkommen müssen; daß sie aber geglaubt habe, daß ein guter Geist aus der Schlange rede. Ein guter Geist? also ein Engel. Allein die Schrift meldet kein Wort von einem Engel, und wer weis, ob Eva einige Wissenschaft von den erschaffenen Engeln hatte? oder wie hat sich wohl die Eva, die einen durch keine Sünde verdunkelten Verstand besaße, vorstellen können, daß ein guter Geist, sie zu Übertrettung des scharfen Gebothes, so ihr GOtt gegeben hatte, anleiten könnte. Vielleicht könnte man die Geschichte wegen dieser Beschwerniß also erklären. Die Schlange ist auf dem Baum herum gekrochen, und hat, da sie die Früchten abgebrocket, unsere erste Mutter zu eben diesen angereizet, und der Satan hat der Eva durch innerliche Versuchung eingegeben: Ihr werdet nicht des Todes sterben, ihr werdet wie die Götter werden, und das Gute und Böse wissen, sofern ihr von der Frucht des Baums esset. Siehe! die Schlange rühret auch die Früchte an, und sie stirbet nicht des Todes, auch du wirst ewig leben, wenn du von diesem Baume genießest.

Es kann dieses seyn. Es kann aber auch nicht seyn, daß sich diese Begebenheit also zugetragen. Mir ist es genug, daß diese Erklärung viel wahrscheinliches in sich enthält, und daß der durch seine Schriften verewigte Calmet[26] sage: Es wird an verschiedenen [Ξ] Orten der Schrift, das, was der Satan gethan, oder eingegeben hat, nach Art eines menschlichen Gespräches angeführt; gleich wie sein Gespräch mit Eva im Paradeis, wie auch daß er unter den guten Engeln von dem HErrn erschienen seye, vom Job geredet, und die Erlaubniß selben zu versuchen erlanget habe.[27]

Andere wollen der oben angemerkten Schwierigkeit durch eine andere Erklärung ausweichen. Sie sagen: daß Moises durch den Satan die Schlange allein verstehe, und daß das Wort Schlange im Texte nicht ein Werkzeug des Satans, sondern den Verführer selbst bedeute, welcher allein obwohl in einem uneigentlichen und figürlichen Verstande wegen der besonderen Aehnlichkeit, die die Eigenschaften des Satans mit der Beschaffenheit dieses Thieres haben, die Schlange genennet wird. Dergleichen figürlichen Gebrauchs der Worte bediene sich öfters die heilige Schrift, und andere Schriftsteller, wie nun die Schlange als ein listiges und vergiftetes Thier bekannt ist / so legte Moises diesen Namen dem Teufel wegen seiner Arglistigkeit und Boßheit bei, obwohl sonst nirgends eine natürliche Schlange zugegen gewesen, sondern Mojses [Ξ] sich solche nur vorgestellt hat, da er den unreinen Geist mit lebendigen Farben deutlich abschildern wollte. Wie können aber die Strafworte GOttes: Du wirst auf den Bauche kriechen und Erde essen, auf den Satan angewendet werden? Die Vertheidiger dieser Erklärung antworten auf diesen Einwurf, und sagen, da sich Mojses einmal vorgesetzt den Verführer mit einem von den unvernünftigen Thiere entlehnten Name zu belegen; so ware es vernünftig, dasjenige, was er von ihm erzählen wollte, in gleichförmigen Worten vorzutragen: daher er sich bei Beschreibung der Strafe, so GOtt den Satan auferleget, solcher Redensarten, die von der Schlange hergenommen sind, bedienet hat, aus welchen man aber doch zugleich abnehmen könnte, von wem er reden wollte, indem er das Strafgerichte über die Schlange mit den Worten beschließet: Ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weib, und zwischen deinem und ihrem Saamen. Sie (die 70. Dolmetscher und der chaldäische Text setzten Er) wird dir dein Haupt zertretten, und du wirst ihrer Ferse nachstellen. Andere halten die Schlange, von welcher Eva ist verführet worden, vor die sündliche Begierde des Weibs. Diese, und die vorhergehende Erklärung unterstützen nicht wenige HH. Väter mit ihrem Beifall; obschon die letzte bei unsern Tägen in Abfall gekommen ist. So viele mühsame und gegen einander streitende Erklärungen zeigen zur Genüge, daß hier die Schrift sehr dunkel seye, und man muß diese Geschichte nur mit den Augen eines Schriftstellers dießseits der Donau betrachten, wenn man für gewiß und ungezweifelt den Satan in der Gestalte der Schlange ersehen will; man muß nur die Ohren dieses gelehrten Herrn haben, wenn man den Teufel durch die Schlange mit Eva will reden hören, und es doch als eine Lehre der göttlichen Schrift angeben will. Ich weiß nicht, mit welcher gelehrten Dreistigkeit er behaupten kann, daß dieses letztere eine Lehre der göttlichen Schrift seye, da doch die ganze [Ξ] Geschichte sehr dunkel, die Kirche selbe durch ihren Ausspruch nicht erkläret hat, und die Meinungen der HH. Väter getheilet sind. Allein was bekümmert sich der Hr. Verfasser von den 3. wichtigen Fragen über das Hexensystem um die Erklärung der HH. Väter. Seine in den Casibus aufgeraffte Begriffe sind schon hinlängliche Beweise, welchen die gelehrte Welt um so mehr ihren Beifall schenken muß, weil er selbst das Geständniß ableget, daß er weder ein Theolog noch ein Neophilosoph seye, und weil er dieses nach dem Urtheile des gelehrten Hrn Finauers in Bibl. Bavar. unwiderleglich erprobet hat. Sollte ich diesem unpartheyischen Urtheile meine geringe Meinung über die 3. wichtige Fragen beifügen, so ware es diese; Die Schrift, 3. wichtige Fragen, ist dem Titel sehr unähnlich: denn nebst dem groben Druckfehler des versetzten Wörtleins un auf dem Titelblatte, wie der scharfsichtige Hr. Finauer anmerket, bringet der Hr. Verfasser nichts wichtiges auf die Bahn, und jede Zeile widerspricht demjenigen, was er versprochen, seine Beweise sind von andern abgeborgte Gründe, die die Hexenläugner selbst angeführet, und beantwortet haben. Es wird ihm also niemand, wie er hoffet, die Ehre anthun, und sich so weit herablassen, und sein unwichtiges Gezeug widerlegen; obschon nichts leichters wäre, als dem Herrn Verfasser sein Versehen gegen die hermeneutische Regeln zu zeigen, und ihm besser schließen zu lehren, damit wir aber diesem Casuiste, der sich selbst einen David nennet, und mit den starken Waffen des Goliats aufgetretten ist, Gerechtigkeit widerfahren lassen, so müssen wir zum unsterblichen Nachruhm des Hrn Verfassers dieser 3. Bogen sagen, daß nichts geringes seye

ohne ein Bein zu strecken,

Zwölf Seiten voller Nichts mit Jauchzen auszuhecken.

[Ξ] Die zwote Begebenheit, bei welcher sich ein sichtbarliches Gespenst soll gezeiget haben, ist die Geschichte aus dem ersten Buche der Königen c. 2. wo uns die Schrift saget, daß Samuel dem Könige Saul erschienen seyn solle. Es ist keine Geschichte und keine Stelle in göttlicher Schrift, bei welcher die Ausleger so wenig übereinkommen, als eben diese. Ich finde vier Meinungen, welche von Männern verfechtet werden, die diese Stelle mit gelehrten Anmerkungen beleuchtet haben. Die erste Meinung saget, daß die Seele des Samuels nicht durch die Beschwörung der Hexe zu Endor, sondern aus Befehl GOttes dem Saul in einem Luftkörper erschienen sey. d)[28]

Es ist dieses eine der bewehrtesten Auslegungen: man irret sich aber, wenn man glaubt, daß die Vertheidiger derselben für die Gespenster das Wort reden. Denn die Schriftausleger, die dieser Meinung anhangen, sagen I) daß die Seele des Samuels aus besondern Befehle GOttes erschienen seye. e)[29] Wer wird aber sagen, daß bey jeder Gespenster-Erscheinung ein ausdrücklicher [Ξ] Befehl GOttes vorhanden seye? Was aus Befehl GOttes geschehen ist, saget Hieronymus in Joann. I. müssen wir nicht als Beispiele zu den Sachen gebrauchen, die gemeinlich und täglich geschehen: Wie die geistliche Aemter durch das Loos nicht können vergeben werden, obschon aus Befehl GOttes bey Mathias und Justus durch Loos entschieden wurde, welcher die Würde des Apostolats erhalten sollte, und wie soll man eine einzige Geschichte, die in allen Stücken was sonderbares hat, auf alle Geistermährchen anwenden können. 2) saget Delrio und Wouters (derer Worte wir im nachfolgenden §. geben werden) daß die Seele des Samuels, die in der Gestalte eines alten Mannes erschien, den Luftkörper nicht habe bilden können, sondern daß GOtt der erscheinenden Seele erst diese Eigenschaft ertheilen müßte. Die Seele erhielt also eine neue Vorzüglichkeit, die ihr ihre Natur und Wesenheit nicht geben könnte. Es folget also, daß eine jede Erscheinung einer Seele ein Wunderwerke und etwas übernatürliches seye. f)[30] Wie sollen wir aber glauben können, daß GOtt bey so vielen Geister-Erscheinungen allezeit ein Wunderwerk wirke, und daß in einem alten Schloß, welches ein Gespenste beständig einwohnet, ein immerwährendes Wunderwerk vorhanden seye.

Die zwote Meinung gehet dahin, und behauptet, daß die Seele des Samuels aus Zulassung GOttes durch die Gewalt des Satans und der Beschwörung hervorberuffen worden seye. Diese [Ξ] Meinung scheinet der gelehrte Philosoph und Marterer Justinus beizupflichten g)[31] Galatinus und viele Rabiner vertheidigen sie, auf welche Nicolaus Liranus ein berühmter Schriftsteller sich beruffet. Sie ist aber heut zu Tage in so große Gewohnheit gekommen, daß ich keinen Geisterfreund gefunden, der ihr seinen Beifall noch gönnet.

Die dritte Meinung scheinet den Gespensterliebhabern größere Vortheile einzuräumen. Sie saget, daß der Satan sich in Samuel verstellet, und also dem Saul erschienen seye. Sie gründet sich auf den Kanon des Gratianus Caus. XXVI. Q. v. e. III. und dieser auf das Buch des H. Augustinus Quaest. Vet. ac Nov. Testam. quaest. 27. und auf das Buch de Mirabilibus S. Script. allein, da diese zwey Bücher keine ächte Geburten dieses H. Vaters sind, und unter die unterschobene gezählet werden, h)[32] ja Augustin selbst de cura pro morr. c. 15. behauptet das Gegentheil, so werden wenig gefunden, die auf einen so seichten Grund ihre Auslegung und Erklärung bauen wollen, die ohnehin sehr grossen Beschwerlichkeiten unterworffen ist.

[Ξ] Die vierte Meinung zielet dahin, und behauptet, daß die ganze Geschichte ein Betrug gewesen seye, welchen die vermeinte Hexe dem Saul gespielet habe, die Gründe dieser Meinung, und die Väter, die selber anhangen, liefert uns der gelehrte dell’Osa in seiner Nichtigkeit der Zauberkunst p. 316. ich will nur den heiligen Hieronymus anführen. Tom. IV. in der Auslegung über Propheten Isaias saget er ausdrücklich: Es habe nur geschienen, als wenn Saul den Samuel durch zauberische Künste erwecket habe. Und Tom. V. redet er noch klärer: Die Zauberin von Endor saget dieser Heil. Lehrer, redete in der erdichteten Gestalte des Samuels zu Saul. Die ganze Erklärung der Geschichte ist auch ganz natürlich, und man weichet vielen Beschwernissen aus, welche anderen Erklärungen aufstossen, wie dieses der verkappte Blocksberger in seinen Sendschreiben anmerket. Nur stehet ihr entgegen die Stelle des weisen Mannes, welcher bezeuget, daß Samuel nach den Tode weisgesagt habe. Allein dieser Einwurf laßt sich mit leichter Mühe heben, wenn man mit den Auslegern behauptet, daß in dieser Stelle die göttliche Schrift, wie dessen viele Beispiele in den heiligen Blättern vorkommen, nur nach der Meinung der Juden geredet habe. Wer sich die Mühe geben will, diese vier Meinungen mit einer genauern Prüfung zu durchforschen, dem wird es ganz offenbar unter die Augen leuchten,


[Ξ] daß die erste oder die letzte allein seinen Beifall verdiene. Man mag aber der ersten oder der letzten beitretten, so wird man weder in dieser noch in jener für das Daseyn der Gespenster einen hinlänglichen Beweis finden. Die erste kann nicht anders als mittels eines Wunderwerkes erkläret werden, und daß es Erscheinungen durch Wunderwerke geben könne, haben wir niemal zu läugnen gedacht. Die letzte, welche nur die Betrügerey der Hexe vorstellet, kann allein dieses beweisen, daß bey den Gespenstermährchen die Sache ebenfalls nur auf einen Betrug, welchen eine furchtsame Bangigkeit unterstützet, hinaus laufe.

In dem alten Gesatz finden wir noch viele Erscheinungen der Engeln, auch durch diese will man den Satz befestigen, daß es Geister gebe. Abraham, Loth, Jakob, und viele andere hatten die Gnade, daß die Engeln sich ihnen sichtbar dargestellet haben. Sollen aber auch wohl durch diese Erscheinungen die Geisterfreunde einen Vortheil erhalten? Wir wollen die Sache durch eine nähere Untersuchung prüfen. Es ist gewiß, daß wir mit unsern Augen keinen Geist sehen können: so oft also ein Geist uns erscheinet, muß er in einer sichtbaren Gestalte erscheinen, damit wir ihn sehen. Nach der Lehre der Gottsgelehrten ist die Sache, in welche ein erscheinender Engel sich einkleidet, die Luft. Die zusammengepreßte Luft soll einen Körper bilden, welcher die Gestalt vorstellet, in welcher der Engel erscheinen will. Daß die Engel bei ihrer Erscheinung dergleichen Luftgebäude um sich gehabt, will ich nicht verneinen. Ob aber die Engel aus ihrer eigenen Kraft, und aus ihrer anerschaffenen Gewalt dieses Luftgebäu aufführen, und sich einen Körper bilden haben können, auf dieser Frage beruhet der ganze Streit. Die Geisterfreunde bejahen diese mit allgemeiner Stimme; aber eben deßwegen bin ich berechtiget von ihnen Gründe zu fodern, und den Beweiß ihnen aufzubürden. [Ξ] Mir, der ich dieses läugne, können solche nicht abgezwungen werden, denn der gemeine Weidspruch saget: Affirmanti incumbit probatio, daß der bejahende Theil mit Beweisgründen auftretten müsse, und daß man nach allen Rechten dieses von ihm fodern kann. Jedoch ich begehre zu viel von ihnen. Ich begehre unmögliche Sachen. Denn so wenig den Geister-Vertheidigern die Wesenheit eines Geistes oder Engels bekannt ist, so wenig können sie überzeugende Beweise liefern, daß der Engel die Gewalt habe, aus eigenen Kräften einen Luftkörper zu bilden, und in diesem zu erscheinen. Sie sagen zwar: die Engel sind oft erschienen: also können sie erscheinen. Es ist wahr; sie sind oft erschienen; aber diese Erscheinungen beweisen noch nicht, daß sie aus eigener Gewalt, und schon aus den in der Erschaffung überkommenen Kräften erschienen sind. Die Propheten haben Todte erwecket, das Feuer von Himmel fallen lassen, allein sie haben dieses nicht aus eigenen Kräften, sondern durch die ihnen ertheilte Gewalt bewerkstelliget. Sie waren Abgesandte des HErrn, und die Weisheit GOttes wollte selbe ohne die Gabe Wunder zu wirken vor dem Volke nicht auftretten lassen. Eben dergleichen Abgesandte waren auch die Engel, man kann also gründlich dafür halten, daß GOtt sie gleichfalls mit einer Wunderkraft ausgerüstet habe, welche sie vorhin nicht hatten. Es waren auch alle Begebenheiten, wo die Engel erschienen, eines Wunders würdig, und sie sind aus sonderbaren Verordnungen GOttes geschehen. Ich folgere also mit dem unbenannten Gottesgelehrten (und warum soll ich ihn nicht nennen? Es ist der grundgelehrte P. Jordan Simon, der H. Schrift Doctor, eine schöne Zierde des Augustinerordens, der Theologie Professor auf der hohen Schule zu Erfurt) in der Anpreisung der kaiserlichen Landesverordnung pag. 104. daß eben wegen diesen ihre Erscheinungen ein Wunderwerk waren, und daß folgsam eine jede Erscheinung [Ξ] die natürliche Kräften eines Engels übersteige. Mehrere Gründe werden wir in dem folgenden §. beibringen, wo wir alle Gattungen der Erscheinungen betrachten werden.

Von dem alten Gesatze wollen wir in das neue übergehen. Der stärkste Beweis, den die Gespenster-Vertheidiger aus dem neuen Bunde ziehen ist die Versuchung des vermenschten GOttes. Der Satan soll dem Welt-Erlöser erschienen seyn um selben zu versuchen. Viele der HH. Väter verstehen dieses von einer äusserlichen Erscheinung, da der Teufel in einem Luftgebäude dem Seeligmacher sich dargestellet haben solle. Andere halten dafür, daß die Versuchung ein bloßes Gesichte gewesen seye, und also die Göttliche Schrift von einer innerlichen Versuchung zu verstehen seye. Der Verfasser der Sendschreiben an H. P. Agnel scheinet dieser Meinung beyzupflichten, und bringet mehrere Gründe p. 31. in dem 5. Schreiben auf die Bahn. So viel ist gewiß, daß der unfehlbare Ausspruch der Kirche noch keinen Ausspruch gethan, und auch die Worte des Grundtextes: ἱπό τῶ ῶνὲυματοσ die sonst Apoc. l. 1. v. 10. Ezechiel c. 4. v. 12. l. 40. v. 2. Apocal. c. 21. v. 10. ein blosses Gesicht anzeichen, auch bei den Evangelisten Mathäus c. 4. zu finden sind. Die Geisterfreunde mögen nun die erste oder die zwote Meinung vertheidigen, so werden sie bei keiner einen Vortheil gewinnen. Denn ist der Satan sichtbarlich erschienen, wer wird verneinen, daß dieses durch besondere Zulassung GOttes geschehen seye? und wer wird aus einer besonderen Zulassung GOttes ein freiwillige Gewalt des Teufels schließen, und zwar eine so freiwillige Gewalt, als wir, wie P. Angelus in der Vertheidigung fol. 18. spricht: Zum Sündigen und zu Verübung aller Bosheit haben? und wer wird endlich diese absonderliche Begebenheit und Erscheinung, dergleichen wir in der ganzen Schrift nur die einzige haben, so allgemein machen können, daß er dadurch jede Erscheinung [Ξ] und Spücken der Gespenster zu vertheidigen sich erdreisten kann. Gewiß kein rechtschaffener Theolog wird so wenig aus dieser Erscheinung die Wirklichkeit der Gespenster festsetzen können, als er aus Uebertragung des Weltheilands auf die Zinen des Tempels und den Berg die nächtliche Hexenfahrten wird beweisen können, wie dieses letztere Delrio selbst eingesehen hat. Die erste Meinung thut also den Gespensterfreunden wenig Nutzen, und wenig Vortheil einräumen, und da die zwote alle sichtbare Erscheinung verneinet, so finden sie bey dieser noch weniger einen Grund, auf welchen sie ihr Lehrgebäude von der Wirklichkeit der Gespenster aufführen können.

Den zweyten Beweis, der die Wirklichkeit der Geister schützen solle, entlehnen unsere Gegner aus dem 17. c. des H. Matthäus, wo die Verklärung des vermenschten GOttes erzählet wird, welcher Elias und Moyses als Zeugen der Gottheit Christus des HErrn anwesend waren. Daß Elias in seinem eigenen Leibe gegenwärtig ware, ist die allgemeine Meinung aller Schriftsteller; ob aber Moyses seinen eigenen Leib, oder einen Leib aus Luft gestaltet hatte, sind die Meinungen der Schriftlehrer getheilet. Das erstere behauptet Augustin. Tractat. 124. in Joann. Hieronymus in 170. Math. L. serm. de Transfigurat. etc. Das zweyte der heilige Thomas 3. P. Q. 45. Ar. 3. ad 2. Lyranus Salmeron etc. Ich will der ersten Meinung mit dem gelehrten P. Wouters Dilucidat. select. S. Script. QQ. P. 5. f. 299. beitretten, zugleich aber auch mit ihm behaupten, daß die Seele des Moyses, wenn sie in einem Luftkörper erschienen wäre, sie selben ohne übernatürliche Kraft und ohne einer von GOtt verliehenen Gewalt nicht hätte annehmen können. Anima Moysis non potuit assummere corpus aereum nisi virtute supernaturali seu divina. Wo immer sich also die Geisterliebhaber hinwenden, werden sie bei dieser Verklärung des Heilands, [Ξ] welche viele bey Hieronymus c. 21. in Math. als das größte Wunderwerk GOttes angeben, ganz hell ersehen müssen, daß diese Erscheinung des Moyses in seinen eigenen, oder in einem aus Luft gebildeten Körper den Wunderwerken GOttes müsse beigezählet werden, und daß also dessen Erscheinung keinen hinlänglichen Beweis für die gemeine Geister-Erscheinungen in sich begreifen könne.

Aus dem, was wir von dem bei der Verklärung Christus des HErrn erscheinenden Gesetzgeber Moyses beigebracht haben, fliesset vorläufig die Antwort der gegen uns von den Geister-Vertheidigern aufgeführten Beweise, wo sie uns die Todte, welche nach der Auferstehung Christus des HErrn erschienen sind, entgegen stellen, und wodurch sie erproben wollen, daß die Seelen ihre Leiber annehmen, und in diesen nach ihrem Tode erscheinen können: allein dieser Beweis laßt sich um so leichter entkräften, weil wir 1) in dem vorgehenden schon angemerkt haben, daß eine Seele ihren Leib ohne Wunderwerk nicht annehmen könne, und dergleichen außerordentliche und wundervolle Begebenheiten auf andere und gemeine Fälle nicht angewendet werden können. 2) Ist zwischen diesen von ihren Gräbern auferstehenden und erscheinenden Heiligen, und zwischen den Seelen, die in ihren Körper bey einer Gespenstergeschichte erscheinen sollen, ein sehr großer Unterscheid. Denn jene wurden wahrhaft durch ein Wunderwerk von dem Tode zum Leben erwecket, die Seele sich hat wahrhaft mit dem Leibe vereiniget, also zwar, daß sie nach allgemeiner Meinung der Schriftausleger wiederum sterben müßten, wie dieses Augustinus Epist. 164. alias 99. Chrysostomus Homil 40. in I. ad Corinth. und Homil. 2. in Epist. ad Hebr. und viele andere bey dem gelehrten Sandini in Historia familiae sacrae p 243.behaupten. Da aber unsere Gegner, die von dieser Geschichte für ihre Geister-Erscheinungen Schutz suchen, nicht eingestehen, daß, wann die Seele im Körper erscheine, diese sichtbarliche Darstellung ein Wunderwerk [Ξ] seye, und die Seele ihren Körper nicht belebet, so muß einem jeden von selbst der große Unterscheid in die Augen leuchten, und wird ein jeder leicht einsehen, daß die nach der Auferstehung des HErrn aus ihren Gräbern hervortrettende, und erscheinende Heilige keine Zeugen des Daseyns der Geister und Gespenster seyn können.

Der letzte Beweis, welchen die Gespensterfreunde aufbringen, und welcher die Vernichter derenselben einer unverschämten Eigensinnigkeit überführen soll, ist aus den dreyen HH. Evangelisten entnommen. Mathäus c 14. saget, daß die Jünger geruffen: Es ist ein Gespenst. Und bei Marcus c. 6. v. 49. stehet geschrieben: sie meinten, es ware ein Gespenst, und schrien. Welche Rede unwiedertreiblich zu verstehen giebt, daß es Gespenster gebe: denn wenn man spricht: Er meinet er sehe einen Wolf, oder höre ihn im rauschenden Gebüsche, fehlt aber, und hat sich statt des Wolfs ein Schaf in dem Gebüsche versteckt gehabt: der versteht und bekräftiget hierbei ohne allen Zweifel, daß man in den Wäldern auch Wölfe finde. Eben jenes saget auch Lucas von den Jüngern mit den klaren Worten sie meinten, sie sahen einen Geist. Der HErr hat zwar seinen Jüngern diesen Irrwahn benommen, da er sie versicherte, daß sie ihn und keinen Geist oder Gespenst vor Augen hätten, doch aber mit einem solchen Beweis, der zugleich bestättigte, daß jemal Geister oder Gespenster wirklich erschienen seyn: denn er sagte: der Geist hat kein Fleisch und keine Beiner, wie ihr sehet, daß ich habe.

Dieses ist nun der starke Beweis, welchen uns unsere Gegner aus der heiligen Schritt zu guter Letzte entgegen werfen. Man wird uns erlauben, daß wir ihn beurtheilen, und das Gewichte seiner Stärke auf die Wagschaale legen darfen, und da wir eben dieses thun, finden wir, daß der ganze Beweis viel zu leicht seye, um in diesem Streite den Ausschlag [Ξ] zu geben. Denn er erprobet nichts anders, als daß die Jünger nach ihren vom Volke geerbten Begriffen vermeinten, daß es Geister gebe, welche Meinung so wenig die Wirklichkeit der Gespenster erhärtet, als die irrige Meinung bewiesen hatte, daß Christus ein Gespenst seye. So hat eben dieses sie auch betrogen, da sie glaubten, daß es Gespenster gebe. Aber warum hat der Erlöser diesen Wahn seinen Jüngern nicht gehoben! Ich antworte: Weil dieser Glauben oder Nichtglauben zu den H. Glaubenslehren nicht gehörte, und in solchen Fällen hat er die irrigen Begriffe seiner Jünger niemals aufgedecket, wie dieses mehrere Beispiele des neuen Bundes sattsamm erklären, und deßwegen auch der H. Augustinus in Actis contra Felic. Manich. l. 1. c. 10. saget, daß Christus seine Jünger nur in den Sachen, welche zur christlichen Lehre gehören, unterwiesen habe. Betrachten wir endlich den Ausspruch Christus des HErrn: Der Geist hat weder Fleisch noch Bein. So streitet dieser 1) gegen die Geisterfreunde, welche Gespenster und Geister auftretten lassen, die mit Fleisch umkleidet Ohrfeigen ausgetheilet, und das Merkmaal von 5. Fingern in dem Gesichte des andern hinterlassen haben, welche andere angetastet, und fleischliche Hände hatten, die eine natürliche Wärme von sich gaben, wie die Geschichte mit den Herzogen Christian zu Sachsen-Eisenberg in den wahrhaften Nachrichten von einigen Geistern erzählet, und welche mit den Hexen gebuhlet, und so gar Kinder erzeiget haben. 2) Wirft dieser Ausspruch die Meinung zu Boden, welche behauptet, daß die Seelen ihre Leiber annehmen, oder daß der Satan in den Leibern der Verstorbenen erscheinen könne. Denn diese Geister hätten ja Fleisch und Bein, welches doch die Göttliche Wahrheit von den Geistern verneinet. 3) Widerspricht dieser Ausspruch denen jenigen, welche sagen, daß die Geister nur ein scheinbares Fleisch haben. Denn da Christus sagte: der Geist hat weder Fleisch noch Bein, so hat er sagen wollen, daß ein [Ξ] Geist in keiner sichtbaren, und einen fleischlichen Körper ähnlichen Gestalte erscheinen könne; sonst wurde er die Jünger von der gefaßten Furcht nicht befreiet haben. Sie hätten allezeit denken können: Es ist wahr, daß wir Fleisch vor Augen sehen, wir wissen aber nicht, ob dieses ein wahres, oder nur ein scheinbares Fleisch seye. Ein Geist hat freilich kein Fleisch, er kann aber in einem aus Luft und Dünsten gebildeten Fleische erscheinen etc. Es müssen also die Worte des HErrn, der Geist hat kein Fleisch, so wohl von dem wahren als dem scheinbaren und aus Luft gestalteteten Fleische verstanden werden.

Aus diesem, was ich bisher angebracht habe, erhellet, wie auch dieser Ausspruch des HErrn den Geisterfreunden wenig Vortheil verschaffe, und wie sie in ihrem Lehrgebäude von Erscheinung der Geistern Gedanken und Sätze paaren, zwischen denen keine Verbindung Platz findet; indem sie ihre Gespenster bald in ein wahres, bald in ein scheinbares Fleisch einkleiden, und also selbst die Lücken vorzeigen, welche den unrichtigen Zusammenhang ihre Lehre entdecken. Wir haben selbes in diesem §. betrachtet, und vorgezeiget, und zugleich die Beweise entkräftet, die unsere Gegner aus der Schrifte in ihren Schriften für die Wirklichkeit der Geister anführen. Wir fühlen auch ein entzückendes Vergnügen, daß wir in der ganzen Schrifte, und in allen Blättern der geoffenbarten Wahrheit, nicht eine einzige Stelle haben finden können, welche uns ein Gespenst vorgestellet hätte. Daß Engel erschienen seyen, und daß die Allkraft GOttes selben durch ein Wunderwerk einen Körper gebildet habe, haben wir öfters angetroffen: daß aber der Teufel in einem sichtbaren Körper erschienen seye, von diesem haben wir von dem ersten Blatt der Erschaffung der Welt, bis auf die letzte Seite der heimlichen Offenbarung, und folgsam durch so viele 1000. Jahre weder in dem alten noch neuen Bunde [Ξ] ein überzeugendes Beispiel finden können, die Haushaltung GOttes hat nur Engel und keine Teufel in den alten Zeiten erscheinen lassen. Die Zeiten aber, wo Irrwahn und Aberglaube herrschte, schienen diese Haushaltung GOttes abzuändern, und sie lassen nur Geister, Teufeln und Gespenster, und keine Engel mehr erscheinen. Mich deucht, dieser einzige Gedanke könnte den Gespensterfreunden die Wahrheit entdecken, und sie belehren, daß Gespenster Undinge seyen. Aber ich irre, sie behaupten vielmehr, daß die Verläugnung der Gespenster mit Unvernunft geschehe, die entweder eine Bosheit im Willen, oder eine Schwachheit im Verstande zur Mutter hat. Ob dieses Urtheil gegründet seye, ob die Geisterverläugnung mit Unvernunft geschehe, und ob die Vernunft derselben Daseyn zu behaupten uns einrathe, wollen wir in dem nachfolgenden §. untersuchen.

4. §.
Die Vernunft saget uns nicht, daß es Gespenster gebe.

Gehet in euch selbst, und fraget die Vernunft um Rath: pflegte Renatus des Cartes zu seinen Schülern zu sagen. Folge ich dem Rath dieses tiefsinnigen Weltweisen, versammle ich meine Sinnen zu einer nachforschenden Stille, frage ich die Vernunft: ob es Geister und Gespenster gebe? so saget sie mir, nein. Die Vernunft kann nicht einmal mit demonstrativen Gründen die Unsterblichkeit der menschlichen Seele beweisen; noch weniger weis die ihr selbst überlassene Vernunft, daß es Engel oder Teufel gebe. Was wird also die bloße Vernunft, die das Glaubenslicht nicht beleuchtet, von Gespenstern wissen? Nur als Christen wissen wir, daß unsere Seele unsterblich seye, und daß es Engel und Teufel gebe; allein das wissen wir nicht als Philosophen nach [Ξ] dem Lichte der bloßen und gesunden Vernunft. Wir wollen aber der Vernunft den Glauben als einen Führer zugesellen, und wir wollen sehen, ob die durch den Glauben von der Unsterblichkeit der Seele, von den Engeln und Teufeln überzeugte Vernunft eine Gattung der Erscheinung, und die Wirklichkeit der Gespenster behaupten könne. Ich will zuerst, damit die Deutlichkeit meine Gedanken aller Orten begleite, erklären, was es heissen soll, wenn man saget, ein Geist erscheine. Erscheinen heisset nichts anders, oder es will soviel sagen, daß ein Geist oder Gespenst einem Menschen dergestalt gegenwärtig werde, daß dasjenige von den Menschen gesehen oder gehöret, oder überhaupt äusserlich, und zwar auf eine solche Art empfunden werde, daß der Mensch sich bewußt sehe, daß dasjenige, was er äusserlich empfindet, ein Geist, oder ein Gespenst seye. Da wir aber äusserlich nichts empfinden können, als was körperlich ist; so muß ein Geist, so oft er uns erscheinet, in einen Körper sich einkleiden, damit wir ihn empfinden, sehen, fühlen und hören können. Es giebt eine fünffache Meinung, durch welche man diese Einkleidungen in einen Körper, oder die Vorstellungen der Gestalte eines Geistes zu erklären sucht. Wir wollen diese vor den Richterstuhl der Vernunft fodern, ihre Gründe anhören, und den Ausspruch der Vernunft erwarten.

Die erste und die gangbarste Meinung behauptet, daß die Engel und die Teufel in Geschwindigkeit, aus Luft sich einen Körper bauen, selben nach Belieben eine Gestalt geben, und also in diesem Luftgebäude erscheinen können. Ein Beispiel hievon zeiget uns P. Stoiber in einer Geschichte, wo ein Gespenste nach der vierten Beschwörung in unterschiedlichen Gestalten erschienen ist. Anfänglich war es ein Ochs, nachgehends eine Schwein, bald ein anderes Thier mit Hörnern, bald ein häßliches altes Weib, [Ξ] und endlich ein schwarzer feuerspeiender Mohr. i.)[33] Sie sagen ferner: daß der Satan die Gewalt habe aus der Luft diese und andere Körper zu bilden, erhellet aus den Sendschreiben zu den Ephesern c. 2. v. 2. wo er ein Fürst der Luft genennet wird. etc. Und was saget zu diesen die Vernunft? Sie saget, daß diese Meinung 1) aus dem ungegründet scheine, weil sie schon als erwiesen voraus setzet und annihmt, daß die gute und böse Geister aus eigener [Ξ] Gewalt und wesentlichen Kräften erscheinen können, da doch noch kein Geister-Vertheidiger wahrscheinlich erwiesen habe, daß die gute, oder nachmal gefallene Engel, diese Gewalt, und diese Kräften in ihrer Schöpfung erhalten haben, und daß selbe der Natur der gefallenen Geistern wesentlich ankleben, die Vernunft muß sich sehr verwundern, wie der Geisterfreund, der viele Jahre unter tausend Bemühungen unterwiesen werden muß, ehe er einmal von der Beschaffenheit der gemeinsten Dingen lallen kann, der seinen Körper selbst nicht kennet, wenn er auch noch so schicklich mit Feur in die verborgenen Gängen der Natur dringet, oder mit den Messer in denselben herumwühlet, wie dieser eine Erkänntniß von dem Wesen und Vermögen eines Geistes, und einen Inbegriff von einer Sache sich beimessen kann, die in einem so weiten Abstand von ihm entfernet ist. Wer aber aus dem, daß die Engel erschienen sind, folgern will, daß sie erscheinen können, der muß erweisen, daß sie die natürliche Gewalt zu erscheinen in ihrer Schöpfung von GOtt erhalten haben, und daß sie ohne sonderbare Verordnung [Ξ] GOttes, und ohne Wunderwerk erschienen sind, welche Vorzüglichkeit der grundgelehrte Abt Calmet in seinen Buche von Erscheinung der Geister keinem Geiste recht zugestehet P. I. p. 380. redet also; will man einwenden: es seye zur Erscheinung kein übernatürliches Wunder nöthig, wenn man sage, die Geister und Seelen können aus ihrer natürlichen Macht oder Eigenschaft entweders in einem angenommenen Luftleibe, oder in einem aus eigener Kraft gestalteten wahren wesentlichen, oder in einem entlehnten Leibe eines Verstorbenen, den sie auf eine Zeit darzu wieder lebendig machen, erscheinen und reden, so müßte man mir solche Macht oder natürliche Eigenschaft der Geister und Seelen zuvor beweisen. Denn ich behaupte dagegen keck, daß solches weder einem Engel noch dem Teufel oder einer Seele möglich seye. Er muß zweytens erproben, daß die Sünde den Verstand, welcher hauptsächlich zu einen so fürtreflichen Gebäu erfordert wird, der gefallenen Engeln nicht verdunkelt habe, und daß sie ihre natürliche Kräften in ihrer Vollkommenheit erhalten haben, welches um so weniger glaublich scheinet, weil die HH. Väter und Gottesgelehrte den Fürsten der Finsternisse die Blindheit des Verstandes als eine Strafe wegen der Sünde zuerkennen, und der Vernunft gar nicht wahrscheinlich vorkommen will, daß diese Engel solche Kräften überkommen, oder nach ihrem Falle behalten haben, die ewige Vorsicht wüßte, daß sie diese Gewalt allezeit zum höchsten Schimpf und Nachtheil des Schöpfers und seiner Geschöpfe gebrauchen würden. Welcher große Herr wird aber seinem Rebellen und abgesagten Feinde, da zwischen beiden niemal eine Versöhnung zu hoffen ist, so viel erlauben, und eine so große Macht gestatten, daß er aus eigenen Kräften die Bürger seines Reichs auf all ersinnliche Art beunruhigen, und selben ihre Glückseligkeit zernichten können? die ewige Vorsehung wachet über das geringste Werk des Schöpfers. Durch sie kriechet das Inseckt, durch sie [Ξ] wälzeln sich die Himmeln, und sie erstrecket sich von dem Adler bis zu der geringsten Mücke, und von dem größten Wallfisch, bis auf den geringsten Wurm. Soll man wohl glauben, daß diese liebreiche Vorsicht des Menschen vergessen, und über selben dessen abgesagtesten Feinde so viele natürliche Kräften gegeben, oder gelassen habe?

Es müßte 2) der Körper eines Gespenstes, der reden kann, und zu all wirklichen Bewegungen geschickt ist, ein organischer Körper seyn. Dergleichen Körper zu bilden wollen die Gespenster- und Hexenfreunde (man sehe P. Agnels Vertheidigung fol. 58) dem Satan die Gewalt nicht einstehen. Es werden 3) zu den Bewegungen, welche die Geister machen unumgänglich sehr viele Hebel erfordert; ein Hebel aber muß ein fester Körper seyn, weil sonst die Last, die Kraft, und ein Ruhpunkt nicht könnte statt finden. Die Vernunft kann sich aber nicht vorstellen, daß ein flüssige Materie, die Luft, solche Festigkeit habe. Die Gespenster machen 4) sehr viele und verschiedene Bewegungen. Bald zeiget sich ein Gespenst in einer risenmäßigen Gestalte, und in einem Augenblicke schlüpfet es durch den kleinsten Spalt, und in einem Augenblicke ist es wider da, und stellet sich in der abscheilichsten Gestalte uns vor Augen, bald schwebet es als ein Schatten an den Wänden herum, klopfet an die Thüre, lacht, winkt, stampft mit Füßen, und macht ein Getös mit Ketten. Zu diesen Bewegungen sind gewiß sehr viele Hebel vonnöthen, aber wie kann die Vernunft begreifen, daß der Körper zusammen gedrückt, und plötzlich wieder zu einen etlich Ellen langen Körper ausgedehnet werden, ohne daß dadurch ein Hebel von seinem rechten Ort verschoben, und der ganze Bau Schaden leide? Ein solcher Körper müßte gewiß aus unzählichen der feinsten Springfedern bestehen, und nach den Regeln der allergenauesten Mechanik zusammen gesetzet seyn. Aus [Ξ] wie vielen Springfedern, Röhren, Puncten, Gefäßen, Geweben, Spann- Puls- und Blutadern, Hebeln (Elevationes) Bänden (Ligamenta) Zusammenzieher (Constrictores) Knochen, Mäuselein, Knorspeln ist unser Körper bereitet, der doch die geschwinde, vielfältige und bewunderungswürdige Bewegungen und Vorstellungen nicht machen kann, welche ein Gespenste in seinem angenommenen Körper uns vorstellen solle? Und wer soll glauben, daß ein Gespenste, oder unsere von dem Leib abgeschiedene Seele, die die Gefäße, und das Gewebe ihres Körpers, den sie bewohnet hatte, nicht erkannte, die Wissenschaft ein so künstlichen Körper zusammen zu fügen besitze, und selben in einem Augenblicke erbauen, vernichten, und wiederum hervorbringen könne. Es streitet 5) gegen die Vernunft, daß ein Geist die Luft bewegen, oder selbe zusammen pressen könne. Alles, was einen Körper berühren und bewegen will, muß was körperliches seyn. Die Geister, saget der belobte Calmet fol. 38 können ohne Gewalt GOttes keiner Materie eine Bewegung geben. Aber warum kann es die Seele? wie kann diese unsern Leib bewegen? und nicht auch ein Geist? Ich antworte, Seele und Leib haben ihrer Natur nach keine Gleichheit oder Gemeinschaft miteinander, GOtt hat aber bey Vereinigung des Leibes mit der Seele selber die Kraft gegeben, dem Leib nach ihrem Willen seine Bewegung zu geben, und er hat sich selbst das Gesetz gemacht, daß er sich also nach ihrem Willen richten, und ihr zu solcher Bewegung jederzeit mitwirken wolle. Dieses ist eine Wahrheit, die niemand läugnen wird. Daß aber GOtt einem Geist bei seiner Erschaffung die Gewalt ertheilet habe, die Luft zu bewegen, selbe dick zu machen, und aus dieser einen Leib zu stalten, dieß ist eine Meinung, welche noch niemand erwiesen hat. Mit noch fünf andern Gründen beantwortet diesen Einwurf das fünfte blocksbergische Schreiben fol. 20. Es fraget die Vernunft 6): ob die Luft, in welche die Gespenster [Ξ] sich einkleiden, und aus welcher sie ihnen Körper bilden, eine subtile oder grobe Luft seye? ist es eine subtile Luft: so kann uns diese nicht sichtbar werden, und Geister können die Eigenschaften und Wesen der Dinge nicht ändern. Ist es eine grobe mit Dünsten vermischte Luft: so kann diese zwar sichtbar werden, aber wo hat der Satan dergleichen Machinen, welche die Luft zusammen pressen? oder soll er wohl selbst unmittelbar die Luft zusammen zwingen, selbe nach Willkühr bewegen, da er nicht einmal unmittelbar ohne einen Körper die subtilste Nerve des Auges in Bewegung bringen kann.

Damit aber die Gespensterfreunde den Geistern die Mühe erleichtern, die sie bei Verdickung des Lufts anwenden müßten, so thuen sie ihnen die wässerichte und irrdische Theilchen und die mit Dünsten vermischte Luft zur Hand schaffen, aus welchen die Geister leicht feste Hebel für ihre Körper sich anschaffen, und sich um so leichter einen Körper sollen bilden können, weilen so gar die Wolken, welche nichts als zusammen getriebene und gesammelte Wasserdünste sind, öfters verschiedene Körper als Schlösser, Paläste, schattigte Wälder, und eine verwunderungswürdige Vermischung des Lichts und Schattens vorstellen. So sinnreich denen Gespensterfreunden diese Erklärung scheinen mag, so wenig kann die Vernunft selber ihren Beifall schenken. Denn 1) müssen sich die Geister bei diesem aus Dünsten bestehenden Bau nach den Bewegungsgesätzen der Dünsten richten, welche sie nicht änderen, oder aufheben können, weil sie sonst könnten Wunderwirken, welches ein Vorrecht GOttes ist. Die Gesätze aber der Bewegung bei den Dünsten sind diese: Sind die Dünste leichter als die Luft, so steigen sie in die Höhe, bis sie in eine Gegend kommen, wo sie zwischen zwo Lüften schichten stehen, deren die untere schwerer, die obere leichter als sie, werden sie aber schwerer als die Luft, welches gar [Ξ] leicht geschieht, wenn ihrer mehrer zusammen hangen, so sinken sie, und sie erhalten oft eine Schwere, die unsere Luft übertrift, wo sie nachmal zu Erden fallen, sich in Nebel, Thau; oder Regen verwandeln. Wie leicht also könnte das ganze Gebäu, welches ein Geist unternihmt, durch die gehäufte Dünste zu Boden fallen, oder sich gar in einen Regen verwandeln? da er den Leib geschwind bewegen thäte, wurden die Wasserbläslein, aus welchen die Dünste bestehen, durch eine schnelle Bewegung zusammen gestossen, und zerspringen, das Wasser, aus welchen sie bestanden, wurde allenthalben ausrinnen, es wurde sich in Tropfen sammeln, ein Tropf den anderen stossen, und also ein Regen erfolgen. Oder es könnte so gar aus dem Geisterkörper ein Schnee entstehen. Wenn die Wasserbläslein der Dünsten von einer kältern Luft zusammen gezogen werden, so entstehet Schnee, wenn sich nun das Gespenst aus einem warmen Zimmer mit seinem aus Dünsten bestehenden Scheinkörper bei strengster Kälte hinaus begäbe, so könnte sehr leicht erfolgen, daß die Kälte die Wasserbläslein zusammen ziehe, und selbe in Schnee verwandele; oder man muß hier wieder eine neue Erfindung machen, und mittels einer unsichtbaren Glutpfanne eine gemäßigte Wärme anbringen, welche die Wasserbläslein vor der strengen Kälte schützet. 2) Entstehet die alte Schwierigkeit, wie die Geister diese Dünsten zusammen fangen können, um die Länge eines grossen schwarzen Mannes zu bilden, werden gewiß viele tausend Wasserbläslein erfordert, die sehr dick aufeinander liegen müssen. Es müßte 3) das Gespenst die Wissenschaft besitzen eine solche Schwere den Dünsten zu geben, daß sie nicht zu stark in die Höhe steigen, und nicht zu Boden fallen könnten. Es müßte 4) die Geschicklichkeit eines Bildhauers haben, um einen gut geförmten Körper zusammen zufügen, und es müßte das Gespenst alle Vorsicht anwenden, daß der ganze Bau nicht einfalle; denn je mehr Dünste selber brauchet, je grösser wurde die Schwere werden, und [Ξ] desto grösser wurde die Gefahr des Sturzes seyn. 5) Kann die Vernunft einem Gespenste nicht so viel Kunst und Geschicklichkeit zu trauen, daß selbes die hervorragende Theile des Körpers, als Arm, Hände, Ohren etc. aus Dünsten verfertigen könne. Denn diese wurden nichts unter sich finden, welches sie unterstützen, und von dem Fall bewahren möchte, da die Luft nicht fest genug ist, eine solche Menge der Dünsten, welche ein aus selben gemachter Arm in sich enthielte aufrecht zu erhalten. 6) Kann man nicht sagen und hinlänglich erklären, wie diese flüßige Luftdünste von einem Geist so fest könnten zusammen gehalten werden, daß sie nicht zerstreuet in ihr Nichts zerfielen, oder wie leicht könnten von einem Hauch, Wind oder anderer Bewegung selbe zerstöbert und unter einander gejaget werden? und wie sollen endlich diese zusammen gepreßte Dünste ein Gepolter und Getös erregen können, ohne daß die Wasserbläslein zerspringen, und das ganze Gebäude zerrittet werde. Aus diesen angebrachten Beweggründen kann die Vernunft, welche so viele und große Schwierigkeiten dieser Meinung nicht übersteigen kann, diesen Erklärungen ihren Beifall nicht angönnen, weil ihr alle Sachen bei diesem Luft und Dunstgebäu höchst unbegreiflich vorkommen.

Die Geister-Vertheidiger werden freilich ruffen, daß wir viele Dinge annehmen müssen, obgleich die Vernunft derselben Möglichkeit nicht einsehen und begreifen kann. Sie werden sagen: erkläre uns die Vernunft, wie es zugehe, daß dieser Baum schwarze, jener rothe, ein anderer weisse Kirschen tragen; saget die Vernunft: dieses kömmt von dem Safte, von der verschiedenen Verfassung, und veränderten Zusammensetzung der innwendigen und kleinsten Theile, mit einem Worte, von dem Mechanismus des Baumes her, so saget sie zwar etwas; aber eben dieser Mechanismus, und diese innere Beschaffenheit ist ihr unbekannt. Die [Ξ] Vernunft muß also Sachen annehmen, ob sie auch die Möglichkeit derenselben nicht einsiehet. Es giebt in der Natur sehr viele verborgene Dinge, welche, da ihr auch lichtes Aug in die verborgene Winkel nicht dringen, und selbe durchblicken kann, die Vernunft nur zu bewundern, und nicht zu begreifen suchen soll.

Es ist wahr: wenn die Sache einmal gründlich bewiesen, und die Wirklichkeit derselben durch überzeugende Beweise erprobet worden ist, wurde die Vernunft unvernünftig handeln, die Möglichkeit dieser Sache zu läugnen, weil sie selbe nicht begreifen kann, und wenn sie so gewiß wüßte, daß es Geister gebe, als sie überzeuget ist, daß die Bäume schwarze, rothe und weisse Kirschen tragen, so wurde sie sich lächerlich machen, wenn sie Geister und Gespenster verneinen wurde; weil sie die Art und Weise ihrer Erscheinung nicht fassen kann. Allein da die Vernunft von dem wirklichen Daseyn der Gespenster nicht überzeuget ist, und diese ihr nicht wahrscheinlich vorkommen, so kann sie so lange für die Wirklichkeit der gespensterischen Erscheinungen nicht sprechen, oder die Möglichkeit derenselben jemand aufdringen; bis diese auf eine der Vernunft faßliche und begreifliche Art erkläret worden ist.

Was endlich aus dem Sendschreiben des heiligen Paulus zu den Ephesern ist vorgebracht worden, so thut im selben der Apostel vom Teufel keine ausdrückliche Meldung, und aus dem Zusammenhange des ganzen Briefes, und aus dem griechischen Text läßt sich sehr klar abnehmen, daß Paulus durch die Fürsten des Lufts und der Finsterniß, die Fürsten dieser Welt verstanden, und die Gefahren vorgestellet habe, welche die von jenen ausgeschriebenen Verfolgung- und Bedrückungen den Neubekehrten zuziehen werden, deßwegen er sie warnet, und ermahnet, in dem Glauben fest zu stehen, den Harnisch des Glaubens anzuziehen, [Ξ] und den Fürsten dieser Welt zu widerstehen. Sollten aber aus dieser Ursache die Teufel die Macht haben, sich Luftkörper zu bilden, weil sie Fürsten des Lufts genennet werden, so müßten die Engel, die keine Fürsten des Lufts sind, diese Eigenschaft und dieses Vorrecht gar nicht besitzen, welches doch die Geisterfreunde niemal einstehen werden.

Die zwote Meinung behauptet, daß der Teufel in den Körper eines Thiers fahren, den Leib und verstorbenen Menschen annehmen, und also erscheinen könne. Die Geisterfreunde bestätigen diese Meinung mit sehr vielen Erzählungen, und aus der Menge derenselben will ich nur jene anfügen, welche Delrio L. II. Q. 29. sect. 1. von dem Erzzauberer Agripa anführet, daß nämlich einen Studenten der Teufel in dessen Studierstube erwürget habe, da er ihn durch Lesung eines Zauberbuches zu erscheinen gezwungen, die Geschicklichkeit aber nicht besessen habe, den Teufel wiederum hinweg zu bannen. Agripa hat aber um diese Mordthat zu verduschen, den Teufel befohlen, den Leib des erwürgten anzunehmen; der Teufel folgte, und gieng in dem angenommenen Körper auf dem Markte mit anderen spatzieren. Endlich ist er aus selbem gewichen, der Körper fiel zu Boden, und die Leute glaubten, der Student seye von einem Schlagfluß getroffen gähling des Todes verblichen. Doch setzen die Liebhaber dieser Meinung der Gewalt des Satan einige Schranken, und sie behaupten, daß er die Körper der Heiligen und Seligen nicht annehmen könne. k)[34] [Ξ] Wir thun diese Meinung ebenfalls verfechten, wir müssen aber auch zugleich behaupten, daß der Satan weder die Leiber der Seligen, weder die Körper der Verdammten, noch der Thiere annehmen könne. Denn 1) wurde diese Meinung den Ausspruch der göttlichen Wahrheit widerlegen, welche saget: Der Geist hat kein Fleisch, keine Beiner. 2) Können wir nicht vernünftig dafür halten, daß GOtt dem Teufel diese Gewalt gegeben habe. 3) Kann er die Leiber nicht beleben, oder in dem faulenden Körper ohne Wunderwerke die Bewegung und Handlungen ausüben, welche die Geisterfreunde von dergleichen teuflischen Gespenstern erzählen. Es müßte 4) der Satan die Stelle der Seele in dem toden Leib vertretten, oder die Seele wider mit selbigem vereinigen können, und man müßte ihm folgsam die Macht, einem toden Leib das Leben zu ertheilen, zugestehen; welches uns unsere Religion zuzulassen nicht gestattet. Denn der HErr ists, der tödtet, und lebendig machet. 1. Reg. c. 2. v. 6. Man kann 5) nicht begreifen, wie der Satan die Körper aus dem Grabe heraus bringe, und solche ohne Verletzung derselben wieder dahin bringen könne. Es schwächet 6) diese Meinung den Beweis, welchen wir für die Wahrheit der Lehre der Kirche anführen, da wir die Erweckung der Toden, und dieses Wunderwerke als ein Kennzeichen der Wahrheit und Göttlichkeit der Lehre unserer Kirche aufweisen, welcher Beweis, und welches Kennzeichen nothwendig durch einen andern Beweis, daß diese Erweckung von dem Tode durch die Macht des Teufels nicht geschehen seye, erst seine Kraft und Stärke erhalten müßte, wenn man sagen thut, daß der Satan die Körper der Verstorbenen annehmen, und in diesen auf der Erde herum wandern könne. Wer diese Gegengründe bei sich überdenken wird, der wird seine Vernunft selbst abhalten, dieser Meinung seinen Beifall zu schenken. [Ξ] Die dritte Meinung behauptet, daß die Geister einen subtilen Körper haben, welchen sie in einen gröbern verwandeln, und also uns sichtbar werden können. Die kleine Feuertheilchen, sagen die wolffianischen Gespensterfreunde, sind uns nicht sichtbar, so lange sie zerstreuet sind; so bald sie aber näher zusammen rücken, leuchten und wärmen sie. Es ist wahr: durch diese Meinung könnte man sehr geschickt die Erscheinungen und die Handlungen der Gespenster erklären. Allein so geschickt auch diese Meinung zu seyn scheinet; so finden sich doch sehr viele Schwierigkeiten, welche die Vernunft abhalten, für selbe ihren Machtspruch zu fällen. Denn 1) ist es noch nicht im geringsten Grade der Wahrscheinlichkeit erwiesen worden, daß die Geister einen feinen Körper haben, oder daß sie auf diese Art jemal erschienen sind. 2) Kann ein Geist, wie Calmet saget, ohne Wunderwerk seinen feinen und unsichtbaren Körper nicht sichtbar machen; wollte man aber sagen, daß ihre Leiber an sich schon sichtbar seyen, so müßte man an ihnen ein neues und ewiges Wunder bekennen, weil sie sich beständig vor uns unsichtbar machen. 3) Streitet diese Meinung gegen die Lehre der Gottesgelehrten, und der allgemeinen Kirche, welche den Geistern keine feine Leiber zugestehet. l) [35]

Die vierte Meinung saget, daß die Geister dem Menschen durch ein äusserliches Blendwerk, und in einem auf bloßen Schein [Ξ] gegründeten Körper erscheinen können. Der Teufel, sagen ihre Vertheidiger, als der beste und erfahrneste Sehekündiger (Opticus) kann aus Vermischung der Lichtstrahlen des Schatten und des Lichts verschiedene Gestalten und Farben vorstellen, die Wolken, die aus nichts als wässerichten Dünsten zusammen getrieben sind, stellen uns durch ein zufällige Vermischung des Schatten und des Lichts Palläste und schattigte Wälder vor, und die von einem holen Spiegel, von einem versteckten Bilde aufgefaßte zuruckprällende Strahlen entwerfen uns in der Luft die Gestalte des verborgenen Bildes. Was saget zu dieser Meinung die Vernunft? Sie saget 1) So wenig ein Spiegel von einem Geist die Strahlen auffassen, und selben uns vorstellen kann, so wenig kann ein Geist die körperliche Lichtstrahlen zusammen fassen, sich durch diese vorstellen, und also erscheinen. Es ist 2) unmöglich, daß ein Geist die Lichtstrahlen also zusammen zwingen, und selbe so künstlich vermischen könne, daß selbe die Gestalte einer Frauen vorstelle, braun von Gesicht, mit einem schwarzen aus Netzarbeit gemachten Rock umkleidet ware, der um den Leib mit einem Gürtel gebunden wurde, daß innerhalb der Netzarbeit ein goldfarbener Rock mit etwas lichten Schriften erscheine, und daß selbe auf ihrem ungeflochtenen Haare eine weisse leinere Haube mit drey Finger breiten Spitzen, und über selbe eine schwarze lockere Kappe aus Netzarbeit verfertiget trage, wie dergleichen zwey Geister dem Herrn Beaumont beständig anwesend waren, und von welchen er sehr vieles in seinem Buche: von Geister und Erscheinungen Fol. 84. erzählet. Wie viele tausend Lichtstrahlen müßten nicht diese zwey Geister zusammen gefasset haben? und welche genaue Richtigkeit müßten sie beobachtet haben, da sie alle Täge in der nämlichen Tracht erschienen sind? 3) Könnte dieser Gattung Geister, die nur in einem äusserlichen Blendwerke bestehen, die verschiedene Wirkungen, die den Gespenstern zugeschrieben werden, als Ohrfeigen [Ξ] versetzen, schlagen, kneipen, nicht zugeeignet werden, und wurde eine Hexe mit ihrem buhlerischen Geiste, der nur in dergleichen Scheinkörper seine Aufwartung machet, so wenig als jene zufrieden seyn, bey welcher sich der geliebte Geist nur in einem aus Luft angefüllten Körper einfindet. Beide liebhabende Geister wurden die menschliche Sinnen in einer frechen Maaße nicht ergötzen können. Es wurde 4) wie Calmet p. 380. saget eine solche Blendung der Augen und Hemmung der leiblichen Sinnen, oder der natürlichen Kraft derselben eben sowohl ein übernatürliches Wunder seyn, als wenn ein purer Geist ohne etwas materialisches an sich zu haben, in der Gestalte eines wesentlichen und sichtbaren Leibes erscheinen, und reden könnte. Gleichwie aber die Vernunft einem Geiste das Vorrechte Wunder zu wirken nicht zugestehen kann, so kann sie auch selben diese Erscheinung nicht einstehen.

Die fünfte Meinung erkläret die Erscheinung durch die Einbildungen. Sie saget, daß durch die gemachte Vorstellungen von einem Geiste in der Einbildung diejenige Gestalt hervorgebracht werde, in welcher der Geist erscheinen will, und daß die innerliche Phantasie des Menschen auf diese Art betäubet werde. Also glaubte Ajax, er sehe Ulyssen und Agamemnon seine Feinde, er fiel die Thiere an, die er für seine Feinde ansahe, und tödtete selbe. Allein diese Erklärung kann 1) nicht auf die Erscheinungen in der göttlichen Schrifte angewendet werden, und man wurde sehr irren, wenn man sagen wurde, daß die Erscheinungen der 3. Engeln bei dem Abraham, und das Versprechen, daß Sara einen Sohn gebähren werde, nur in der Einbildung bestanden seye. Es kann die Vernunft 2) fragen, ob der Mensch, oder der Teufel diese Einbildung hervorbringe? Bringet sie der Mensch hervor durch seine eigene Kraft, so sind es keine wirkliche Erscheinungen [Ξ] des Teufels. Bringet sie der Teufel hervor, so muß er in dem Gehirne solche Bewegung machen, und solche materialische Bilder erwecken, dergleichen natürlicher Weise in uns wirklich zu seyn pflegen, wenn wir uns in unsrer Einbildungskraft diese oder andere Körper vorstellen. Es wurde 3) dieses keine äußerliche Erscheinung seyn, sondern nur eine innerliche Vorstellung, und der Mensch, dem auf diese Weise ein Geist erscheinet, wurde nicht anders als ein Verrückter, oder Phantast zu betrachten seyn, welcher viele Dinge zu sehen, und zu hören glaubte, die doch nichts als bloße Einbildungen sind. Welche Vernunft soll sich so weit erniedrigen, und Phantaseyen für Erscheinungen halten?

Diese sind nun die fünf Meinungen, welche die Erscheinungen der Geister erklären, und erörtern wollen. Wir haben selbe mit ihren Gründen auftretten lassen, aber auch unsere Gründe entgegen gesetzet, und wir schmeicheln uns, daß die von Vorurtheilen gereinigte Vernunft keinen andern Ausspruch thun können, als diesen: Es giebt keine Gespenster. Dieses Urtheil wird zwar allen Geisterfreunden sehr unangenehm fallen. Sie werden selbes zu vereiteln suchen. Sie werden auf die tägliche Erfahrniß sich beruffen. Sie werden viele hundert Menschen als Zeugen herstellen, welche von den Gespenstern grausam mishandelt, gepuffet, gedrucket und verwundet worden, und welche ihre Wunden, blaue Flecke, und Streime aufweisen, und den handgreiflichen Beweis vorlegen sollen, daß die Vernunft ein ungerechtes, und der täglichen Erfahrniß entgegen laufendes Urtheil gefället habe. Man wird uns erlauben, daß wir bey diesen Umständen, und gegen diese neuen Zeugnissen und Beweise, die ungerechte Anschuldigung an Tag legen, und zugleich die Billigkeit des von der gesunden Vernunft abgegebenen Spruches durch unverwerfliche Zeugnisse und mehrere Gründe schützen darfen. [Ξ] Wie die fünfte Meinung die Gespenster-Erscheinungen durch die Einbildung erkläret, und den Ursprung derselben in der Phantasie gefunden hat; so glauben wir ebenfalls den Grund aller durch die Erfahrniß bestättigten Handlungen der Gespenster in der Einbildung zu finden. Was Einbildung! wenn einem ein Gespenst aufhücket, wenn man von selben gedrückt wird, und wenn man von der gespensterischen Grausamkeit die blaue Fecken als Zeugen vorweisen kann. Nur Geduld! die ganze Sache soll der königliche preußische Leibarzt, Hr. Hofrath und Professor zu Halle, Dr. Stahl erklären. Wenn bey jemand, saget dieser gelehrte Mann, m)[36] da er sich in einem dunkeln und abgelegenen Gemache allein befindet, Furcht entstehet, daß ihn etwas anhalten möchte, wird diese Furcht vermögend seyn bei ihm einen Grausen und Erschütterung der Haut öfters zu erwecken. Sonderlich wird dieser Schauer in Lenden und Rücken gemerket, weil man sich fürchtet, als wenn man möchte rücklings angefasset werden. Ich habe bei vielen diese Furcht so kräftig verspühret, daß selbe die feste Einbildung in der Phantasie gemacht, als wenn sie wirklich angerühret, und von Gespenstern gedrücket worden, da doch diese Drückung nichts als ein aus Furcht entstandener Krampf ist. Ich halte gänzlich dafür, daß ebenfalls von dieser heftigen furchtsamen Erschütterung bey etlichen die gewaltsame Zurücktrettung des Geblütes in den Leib, und ein daher entspringender Blutauswurf entstehe, welches das gemeine Volk dem Drücken und Stossen der Gespenster zuschreibt, und saget: es habe ihn ein Gespenst gedrückt, es habe ein Gespenst so und so weit tragen müssen. Ich kann nicht umhin, fährt der berühmte Stahl weiter fort, hier anführen, was mir selbst begegnet: Wie ich einsmal [Ξ] auf der Reise in einem Gemache allein schlief, (und sonst mit dem Herzklopfen wegen unterlassener Blutlüftung in etwas beunruhiget wurde) von einem gelinden Geräusche erwachte, jedoch bald wiederum einschlief, da deuchte es mir, als wenn mein Deckbette weg wäre, und so lange ich still lage, fühlte ich kein Deckbette; weil auch ein gelinder Schauder nebst ein darauf folgender Frost mich überfallen hat, so wurde ich in der Meinung bestärket, daß mir das Deckbette sey abgenommen worden. Wie ich in diesem Schrecken etliche Augenblicke unbeweglich gelegen, und endlich munterer wurde, nahm ich mir das Herz nach dem Deckbette auf die Erde zu greifen, denn ich vermeinte, daß es vieleicht im Schlafe von mir dahin gestossen wäre, indem ich aber den Arm ausstreckte, so fühlte ich, daß ich sehr wohl bedeckt war, und müßte selbst über die Begebenheit lachen. Gewiß, wenn ich mich nicht erholet, und nach dem Bette gegriffen hätte, sondern unbeweglich aus Furcht liegen geblieben wäre, so hätten nicht allein die aus Furcht bereits entstandene Symptomata ärger werden können, sondern ich wurde auch geglaubt, und andern folgenden Morgen mit der größten Versicherung erzählet haben, daß es Gespenster gebe, und diese Nachte mir eines derselben einen handgreiflichen Beweis gegeben habe. So weit der gelehrte Stahl.

Ich kann dessen Meinung mit der Zeugniß noch mehrer gelehrter Männer bestättigen. Albinus, Syldius le Bor, Junker, Unzer, Zückert, Bonet und mehrere behaupten, daß die blauen Flecke etc. nichts minder als ein gewißer Beweis von einem Geiste seyen. Sie sagen: daß bei vollblütigen Leuten, bei einer unnatürlichen Lage im Schlafe, Herzensangst, Beklemmung, Krämpfe und davon blaue Flecke entstehen, daß bei dieser Angst, die der Schlafende bei nicht sanft genug gespannten Hirngefäßern empfindet, [Ξ] die Einbildungskraft so gleich geschäftig seye, und einen großen Mann, einen Bären, einen Bock, einen Teufel im Traume vorzeige, der auf den Schlafenden fällt, selben ängstige, kneipe und prügle, und als ein ungestalteter Alp seine Rolle spiele.

Bonet führet unter andern dieses merkwürdige Beispiel an. Ein Mann siehet im Traume einen großen Polacken, der ihn mit einem Steine in die Herzgrube schlägt. Beim Erwachen fühlete er wirklich einen heftigen Schmerzen an dieser Stelle, und man sah daselbst einen großen runden Fleck eine Faust groß, welcher nach fünf Tägen durch dienliche Arzneyen vertrieben wurde. Was die Angst und die Einbildungskraft bei dem Schlafenden vermag, das kann eine noch heftigere Einbildung, die Angst und der Schrecken auch bei dem Wachenden ausüben. Wir werden dieses in den zweenen letzten §§. hinlänglich erweisen, und durch die Aussage der gelehrtesten Männer erproben, daß die Beschwerden unserer Gegner ungegründet seyen, und die Vernunft ein weises Urtheil gefället habe.

Wir haben bisher meistentheils von Erscheinungen der Engeln und Teufeln gehandelt; und ob sich zwar aus diesem schon sattsamm veroffenbaret, was von Erscheinungen der Seelen zu halten seye; so wollen wir dennoch auch wegen diesen die Vernunft fragen, und derselben Urtheil erwarten. Die alten Sekten unter den Weisen haben uns die wunderbarlichsten Grillen in ihrem Unterrichte von Erscheinungen der Seelen überliefert; alles ist bei ihnen voll von erscheinenden Seelen. Häuser, Gräber, Schlachtfelder, Luft und Meer wimmelt von diesen Geistern. Ein guter Theil dieser morgenländischen Grillen ist mit ihren Erfindern nicht zu Grabe gegangen. Es hat sich ein ziemliche Weile beim Leben erhalten, und ist so gar unter der Gestalte der Wahrheit [Ξ] in die Schulen der christlichen Weltweisen gedrungen, wo es je mehr Vertheidiger fande, je stärker Barbarey, Finsterniß, und Verabsäumung der gesunden Vernunftslehre die Kathedern der Schulweisen beschimpfte, und den Wachsthum der schönen Wissenschaften vereitelte. Die Lehrjünger des englischen Lehrers waren die ersten, die der Seele die Macht abgesprochen aus dem Luft sich einen Körper zu bilden, und in diesem zu erscheinen. Sie fanden ihre Gegner an den Scotisten, welche unter ihrem Anführer, von welchem sie den Namen tragen, in 4. Dist. 10. Quaest. 7. unter Anfrischung und Aufmunterung der Flügelmänner Aureolus und Capreolus selbe den Streit ausgenommen, und mit vieler Hitze vertheidigten, daß die Seelen in Luftkörpern erscheinen können. Ein unerbittliches Schicksal hat den Scotisten den Zwang auferleget, Schritt vor Schritt ihrem Anführer zu folgen, welches vieleicht die Ursache seyn mag, daß sie noch heut zu Tage mit vollem Hals und Kräften den Seelen diese Gewalt zueignen.

Der Leser wird zwar leicht errathen, daß wir bey diesem Streit die Parthie der erstern erwählen, er wird aber auch berechtiget seyn, Gründe von uns zu fordern, warum wir dieses thun. Wir wollen sie also anführen. 1) Finden wir in der heiligen Schrift kein Beispiel, und keine Stelle, welche der Seele ein solches Vermögen beileget. Ja sie saget vielmehr das Gegentheil in dem Buche der Weisheit c. 16. v. 14. Wenn der Geist ausgefahren ist, so wird er nicht mehr kommen. Wie auch in dem 102. Psalm v. 15. und bei Lucas c. 16. v. 26. etc. Dieses behaupten 2) die Väter Chrysostomus Homil. 4. de Lazaro. Tertulianus de Anima c. 9. Athanasius, oder der Verfasser der Fragen Q. 11. und 13. ad Antioch. Isidorus L. VIII. Etymol. c. 9. Theophilactus in c. 8. Math. und Augustinus in dem Buche de cura pro mortuis [Ξ] c. 16. etc. Diesen stimmen 3) bei die Ausleger der göttlichen Schrift, und die Gottesgelehrte, als Maldonatus in c. 16. Lucä. Salmeron Disp. 25. in 1. Joann. 4. Mendotza Q. 5. Scholast. pag. 392. Suaretz in 3. P. Q. 45. Disp. 32. sect. 2. Sotus, Peltanus, und sehr viele andere. 4) Habe ich im Vorgehenden erwiesen, daß kein Engel in einem Luftkörper erscheinen könne; also viel weniger eine Seele; man müßte uns nur sagen können, ob die Seele schon bei ihrer Erschaffung, oder nach dem Tode die Gewalt über die Luft erhalten habe? Wurde 5) die Seele aus eigenen Kräften erscheinen können, und diese Erscheinung nur eine bloß natürliche Sache seyn, warum erscheinen uns nicht die Seelen unser liebsten Freunden, und unterrichten, und belehren uns in wichtigen Wahrheiten? Oder warum erscheinen sie nur in alten unbewohnten Schlössern, abgelegenen Wüsteneien, und entfernen sich von aller menschlichen Gesellschaft, da sie doch Menschen und gesellige Thiere waren? Warum nur meistentheils bei Nacht, und nicht bei Tag? Warum richten sich die Seelen in ihrer Luftkleidung so gar nach der Mode, indem sie bei jeder Nation nicht in einer fremden Tracht, sondern in der landüblichen erscheinen? Warum zeigen sie sich in den Kleidern, die sie in ihrem Leben getragen haben? Warum erscheinen sie nicht nacket? empfinden sie vieleicht noch eine gewiße Schamhaftigkeit, und wollen sie sich deßwegen vor den Menschen nicht nacket sehen lassen? Ich frage 6), können die Seelen wirklich erscheinen? Warum erscheinen sie niemals denen, die ihnen diese Möglichkeit absprechen? Alle Wunderwerke, die unsere H. Kirche aufweisen kann, wurden dem Urtheile der Welt verdächtig scheinen, wenn selbe niemal von einem andern, als nur von jenen, welche in der Schooße der Kirche sind, wären gesehen, und aufgezeichnet worden. Eben so muß im Gegentheil die Existenz dieser Gattung Geister alle Glaubwürdigkeit verliehren, und verdächtig werden, [Ξ] weil sie niemal unter die Augen eines muthigen Widersagers sich gewaget haben. Wenn sind Hobbesbecker, Thamasius, Wigner, Meier von ihnen belästiget worden? Wenn sind andern Geisterläugnern Seelen der Verstorbenen erschienen? Warum kommen sie nicht? warum erscheinen sie nicht, und bekehren diejenigen, die ihnen ihr Daseyn auf diesem Erdenball absprechen, und ihnen die natürliche Kräften, und die Möglichkeit zu erscheinen abläugnen?

Als David Georgius 1556. unter dem angenommenen Namen Johannes Bruck zu Basel lehrte, daß die Engel ein erdichtete Sache seyen, und daß es keine Engel gebe, haben diese von ihrer Wirklichkeit diesen Irrlehrer durch verschiedene handgreifliche Beweise, wie Begerlink Verbo Angelus fol. 425. erzählet, überführet, und das Gegentheil belehret. Sollten wohl die Seelen der Abgestorbenen minder durch Erscheinungen ihre Ehre zu schützen, und die Gespensterläugner selbe zu überzeugen suchen? Ich frage ferner, hat jede Seele von GOtt das natürliche Vermögen zu erscheinen überkommen, warum thun selbst die Gespensterfreunde, als Delrio etc., selben erst dieses Vermögen durch eine erhaltene Qualität einräumen? Warum ist diese natürliche Gabe bei den meisten Seelen unnütz und vergebens, da aus so vielen tausend Seelen nur sehr wenige erscheinen? Ein Mensch soll mit den von GOtt erhaltenen natürlichen Kräften und Gaben wuchern, und selbe zu Verherrlichung der Ehre seines Schöpfers gebrauchen: warum nicht auch die Seelen? man saget: GOtt läßt dieses nicht zu. Warum soll er dieses nicht zulassen, da er dazu ihnen die Kräften ertheilet hat? Beruhet ferner die Erscheinung auf der göttlichen Zulassung, so müßten die Erscheinungen einen besondern Nutzen haben? sonst wurde ein so weises Wesen, als GOtt ist, diese nicht erlauben. Was hat aber bisher das menschliche Geschlecht von Gespenstern für einen [Ξ] Nutzen gehabt? Wie viel werden Geschichten erzählet, wo man mit aller Mühe und Nachforschung nicht die Willensmeinung des erscheinenden Geistes hat entdecken können? warum erscheinen sie in Orten, da kein Mensch mehr hinkommet? warum allezeit mit Furcht und Schrecken, und mit Schaden der Gesundheit? Ich frage endlich sind die Seelen der Verstorbenen dazu bestimmet einen sichtbaren Umgang mit den Menschen zu haben, oder nicht? Ist das erste. Warum erscheinen nicht alle, da alle dazu bestimmet sind durch die gleiche natürliche Kräften, die sie zum Erscheinen erhalten haben sollen? Ist das zweyte, und sind sie zu einem höhern Endzweck aufbehalten, was sollte sie bewegen einen sichtbaren Umgang mit den Menschen zu suchen, und die natürliche Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, welchen ein von ihnen gebildeter Luftkörper unterworfen ist? Sollten sie um etliche Minuten Kurzweil zu treiben, oder einen Schrecken anzurichten, einen dazu gehörigen künstlichen Leib sich verfertigen, wie dieses sehr oft der bekannte Riebenzahl gethan haben soll? Ich will jetzo aufhören zu fragen, und nur bitten, daß man diese gegen die Erscheinungen streitende Gründe bei sich überlegen wölle. Wird man in einer nachforschender Stille diese erwägen, und die Stimme der Vernunft hören, so wird diese jedem sagen, daß die Seelen der Abgestorbenen aus eigenen und natürlichen Kräften nicht ohne Wunderwerk erscheinen können, und sie wird zugleich anmerken, daß es unvernünftig seye, so viele Wunderwerke anzunehmen, als man Erscheinungen erzählet.

Ich könnte noch viele Sachen, und viele Geschichten beibringen, welche in dieses Fach gehören: ich will aber wegen der Weitläuftigkeit diese weglassen, und nur noch zwey Dinge anmerken. Erstlich muß ich dem P. Stoiber Gerechtigkeit wiederfahren lassen, und kann selbem das billige Lob nicht versagen, weil er P. II. [Ξ] fol. 148. schreibet: daß er auf die öftere Erscheinungen, welche zu unsern Zeiten den Weibern nach ihrer Aussage geschehen sollen, wenig halte, weil erscheinende Seelen sich sehr selten den heiligen Vätern, und sonst an Heiligkeit berühmten Männern gezeiget, und mit diesen einen sichtbaren Umgang hatten. Zweytens: daß man sich von dem Einwurf: es ist die gemeinste Meinung, daß Gespenster erscheinen können, nicht möge irre machen lassen. Es hat zwar der Machtspruch in den vorigen Jahrhunderte vielen Nachdruck gehabt; in diesem Jahrhunderte aber ist sein Gewalt sehr vermindert worden. Man schwöret nicht mehr auf die Worte seines Lehrers, man ist von der Sklaverey des Ansehens errettet, und ich kenne Gelehrte, die sich den Wahlspruch erwählet: Nullius addictum jurare in verba Magistri, ja der beliebte Abt Terasson macht in seiner Philosophie die Anmerkung und saget: Man will so gar sagen, daß derjenige, welcher in seinem 30sten Jahre noch nichts anders in sich findet, als die Begriffe seiner Lehrer, sehr befürchten muß, daß er nie ein kluger Mensch werden darfte. Mit dieser schönen Lehre thue ich meine Gedanken rechtfertigen, die ich über die Frage: ob das Daseyn der Gespenster aus der Vernunft erwiesen werden könne, dem Leser vorgeleget habe. Ich schmeichele mir, daß ich nicht übel gedacht habe, weil die Kunst zu denken sich auf den Satz gründet: daß man die Untersuchung dem Vorurtheile, und die Vernunft dem Ansehen vorziehe.

[Ξ]
5. §
Die Wirklichkeit der Gespenster wird aus den geistlichen Geschichten nicht erwiesen.

Eine Geschichte nenne ich eine Reihe der Begebenheiten. Eine jede Geschichte hat einen Urheber, dem selbe begegnet, und einen Zeugen, der selbe erzählet, welcher manchmal der Urheber selbst ist. Da aber der Urheber und der Zeuge der Geschichten Menschen sind, und bei diesen die Unwahrheit theils aus Mangel der Erkänntniß, theils aus Mangel des Willens entstehet; so müssen sich die Eigenschaften, welche das Ansehen eines Urhebers der Geschichte ausmachen, auf zwey Stücke zusammen ziehen. Erstlich auf den Verstand, den er beim Anschauen der Sache und Erzählung gebraucht: zweytens auf die Wahrhaftigkeit. Es muß also dem Urheber weder die nöthige Aufmerksamkeit und Einsicht, noch der Verstand und Willen, die Wahrheit zu entdecken, mangeln.

Man sage uns aber, wie ist es möglich, daß ein Mensch bei Erblickung eines Gespenstes Aufmerksamkeit, Einsicht und Verstand behalten könne? Wir wollen den allerverständigsten Mann nehmen, es soll ihm aber ein Gespenst erscheinen. Er erschrickt, der kalte Todesschweiß läuft ihm über alle Glieder, er zittert, und fürchtet sich. Wie ist es nun möglich in dergleichen Fällen einen freien Gebrauch seines Verstandes, und die nöthige Aufmersamkeit mitten unter solchen heftig anhaltenden Leidenschaften zu behalten? Und wie soll er Ueberlegungen und Untersuchungen machen können, da ihn die Aufmerksamkeit verläßt, der Verstand weichet, und die Gründe fehlen, wodurch er seinen Irrthum erkennen könnte? Saget man, daß dem ungeachtet bei so verwirrten Umständen dennoch möglich seye, äusserliche Empfindungen zu haben, welche eben diesen [Ξ] Zustand verursachet haben, so antworte ich: eben zu diesem, daß man unterscheide, ob man wahre Empfindungen habe, oder ob diese Empfindungen nur von der Einbildung herstammen, wird ein freier und starker Gebrauch des Verstandes erfordert. Man kann übrigens Verstand besitzen, aber in diesen Fällen, wo man Gespenster sehen sollte, behaupte ich, daß wegen der Flut der Leidenschaften, die das Gemüth überschwemmen, kein merklicher Gebrauch des Verstandes möglich seye. Der beste Verstand wird verdunkelt, und durch die Leidenschaften verwirret werden; und wie leicht kann man nachmals einen von Furcht entstandenen Krampf für eine Drückung des Geistes halten? wie dieses der belobte Hr. Hofrath Stahl angemerkt, und wie ich dessen mehrere Zeugniß noch anführen werde. Man könnte noch einwenden, daß auf diese Weise auch alle Erscheinungen der Engeln unglaubig wären, weil der Mensch auch bei deren Erscheinungen keinen freien Gebrauch des Verstandes behalten kann. Auf diesen Einwurf antworte ich 1), daß es ein großer Unterscheid bei den Erscheinungen eines guten und bösen Geistes vorwalte. Von einem guten Geiste können wir nichts als Gutes, und von einem bösen nichts als Böses hoffen, und uns vorstellen. Dieser Gedanke also: es ist ein guter Geiste, beruhiget schon in etwas unser Gemüth, ob er auch der Natur das Entsetzen nicht benehmen wird. 2) Glaube ich, daß bei Erscheinung eines guten Geistes der gütige GOtt, wenn er einen solchen uns zusendet, unser Schwachheit zu Hilf käme, und selbe stärke, weil die Schrift an einigen Orten saget: daß er die Augen deren jenigen eröffnet habe, welchen ein Engel erschienen ist. Daß aber bei andern vermeintlichen Gespenster-Erscheinungen die verständigsten Männer ihren Verstand nicht beibehalten haben, zeigen uns die vielen Fehler, Widersprüche, die unglaubare, der Vernunft entgegen streitende, der Zeit und allen Umständen widersprechende Sachen, die ihre Erzählungen [Ξ] uns vorsagen, und die wir im nachfolgenden endecken werden.

Schier eben die Eigenschaften, die bei einem Urheber anverlanget werden, werden auch von einem glaubwürdigen Zeuge einer Geschichte erfodert. Er muß erstlich ein Mann von einem gesunden Verstande und wohlbeschaffenen Sinnen seyn. Zweytens muß er die Sache, so er bezeuget, wissen können, und drittens muß es ihm an der Aufrichtigkeit nicht fehlen, selbe nach der Wahrheit auszusagen. a)[37] So lange ich nicht überzeuget bin, daß ein Zeuge diese Eigenschaften im vollkommenen Grade besitze, so lange werde ich nur schwachen Glauben seinen Erzählungen beimessen. Denn die Erkänntniß einer Begebenheit kann mir nicht gewißer seyn, als die Gewißheit, die ich von dem Verstande und der Wahrheitliebe des Zeugen haben kann. Was also die Gewißheit der menschlichen Aussagen zerrüttet, sind ein blöder Verstand, ein wahnwitziger einbilderischer Kopf, der seine Kräften nicht ganz und gesund besitzet, eine Uebereilung, eine Verwirrung in dem Verstande, oder die mit der Jugend aufgewachsenen Vorurtheile, die ausschweifende Einbildungskraft, eine Liebe zum Wunderbaren, und eine Leichtglaubigkeit. Da sich alles dieses in den Gespenstergeschichten Stückweise befindet, so mache ich den Schluß: daß aus den Gespenstergeschichten die Wirklichkeit derselben nicht kann erprobet werden. Wir wollen die Sache untersuchen, und die Geschichten vorbringen, welche die Gespensterfreunde aufführen, alsdenn wollen wir sehen, ob unser Schluß aus Uebereilung gemacht sey. [Ξ] Es giebt eine zweyfache Gattung der Geschichtschreiber, einige erzählen geistliche, andere weltliche Geschichten. Jene werden Historici Ecclesiastici, diese Profani genennet, ob schon beyde sehr oft beydes vermengen. Wir wollen einige Geschichten anführen, die uns die erstere aufgezeichnet hinterlassen haben. Ich erinnere mich nicht, daß ich in den Schriftstellern von den ersten zweyhundert Jahren vieles von den Geistern und Gespenstern gelesen habe. Schier die ältesten und meisten Gespenstergeschichten siehet man in den Lebensbeschreibungen der Altväter, welche man dem großen Kirchenlehrer Hieronymus zueignet. b)[38] Da finden wir viele in dem Leben des H. Paulus, und noch mehrere in dem Leben das H. Hilarions.

Ich will zwar nicht läugnen, daß es aus sonderbarer Verhängniß GOttes, und durch ein Wunderwerk habe geschehen können, daß zur Prüfung der Tugend der Diener GOttes und zu ihrer eignen Ehre, der Satan die Gewalt erhalten habe, selben in sichtbarer Gestalt zu erscheinen; allein diese Geständniß wird den Gespenster-Vertheidigern wenig Vortheil verschaffen, denn sie behaupten, daß ohne ein Wunderwerk der Satan erscheinen könne, und nach ihrer Meinung ist er auch also erschienen, da er dem H. Antonius als halb Mensch halb Pferd den Weg zu dem Einsidler Paulus gezeiget hat. Ich weiß, daß Hieronymus diese Begebenheit in dem Leben des H. Paulus anbringe. Aber ich glaube, [Ξ] daß ich in diesem Stücke, wie die Hexenläugner in gleichen Fällen, wo die Lebensbeschreibung des Mönchen Hilarions der Hexerey das Wort führet, mit eben diesem Rechte das Ansehen des H. Hieronymus verlassen darf. Hierzu veranläßt mich die Geständniß, die Hieronymus in dem Briefe an Neopatianus ableget; daß er nämlich, da er noch ein Jüngling, ja schier ein Knabe war, zu seinen Anherrn Heliodorus geschrieben hat, habe er in diesem Werke nach seinem Alter mit rednerischen Einkleidungen gespielet, und in selben einige Sachen mit schulmäßigen Ausziehrungen abgeschildert. c) [39] Und da nach Zeugniß des grundgelehrten Maffäi d)[40] Hieronymus um ein Jahre später die Lebensbeschreibung des H. Paulus abgefasset hat, so vermuthe ich, daß entweder Hieronymus in rednerischen Zügen die Versuchungen, mit welchen der Satan die HH. Altväter belästiget, abgemahlen, und selbe gleichsam durch Erscheinungen vorgestellet habe, oder daß die Menge der herumschwermenden Geister und Hexenpossen ein Zusatz von einer anderen Feder seye; denn, wer wird glauben, daß Hieronymus zweifle, ob dieser Hippocentaurus, welcher nur in den ovidischen Fabeln sein Stammhaus und Burgerrecht findet, ein böser Geist gewesen, oder ob die Wüste solche Thiere hervorbringe. Noch mehr bestärket uns in unserer Meinung die Begebenheit, da den Antonius auf dem Wege ein Waldgott als ein Abgesandter entgegen kommen muß, der halb Mensch und halb Geiß [Ξ] mit Hörnern versehen ihn wehmüthig gebethen, er möchte für ihn und seine Mitbrüder bei GOtt bethen, den sie wüßten, daß er für das Heil der Welt gekommen seye. Ein solcher Waldgott sey zu Alexandrien zur Schau ausgestellet, und dessen Körper zu dem Kaiser nach Antiochien gebracht worden. Wer wird glauben, daß die Thiere, wie dieser Waldgott war, mit seinen Mitthieren die Ankunft des HErrn erkennet haben? Aus was Ursache solle er wohl um daß Gebeth dieses heiligen Einsidlers angesuchet haben? Wo ist endlich ein Geschichtschreiber, der uns diese wundervolle Begebenheit erzähle, und in seinen Geschichtbüchern aufgezeichnet hinterlassen habe? Daß zu Zeiten des Königs Constantinus ein Waldgott zu Alexandrien seye gesehen, und nach Antiochien überführt worden. Was uns endlichen in unserer Meinung am meisten befestiget, ist, daß die Paulinische Lebensbeschreibung mit der Chronick des H. Hieronymus gar nicht übereinstimme. Diesen Fehler bemerket der scharfsichtige Petavius. e) [41] Er saget, daß Antonius im Jahre 356. gestorben seye, in dem 19. Jahre der Regierung des Kaisers Constantinus nach Zeugniß gesagter Chronick; da aber die Lebensbeschreibung des H. Paulus erzählet, daß er, da ihn Antonius besuchet, schon 113. Jahre in der Wüste zugebracht habe, wohin er sich erst mit 15. Jahren verfüget hat; so müßte Paulus im Jahre 363. gestorben seyn, und folgsam nach dem Tode des Kaysers Constantinus, und der H. Antonius annoch gelebet haben, oder Antonius der doch noch 15. Jahre nach dem Tode des Paulus gelebet, müßte im Jahre 378. erst die Welt verlassen haben, welches niemand behaupten wird, oder eine sehr ungereimte Meinung wäre, wie es Petavius nennet. Aus diesem, was wir bishero beigebracht, können wir dem Zeuge dieser Erscheinungen [Ξ] unseren Beifall nicht gönnen, und man wird uns nicht verübeln, wenn wir wegen den vielen Widersprüchen, die bei dieser vorkommen, selben zurücke halten.

Der Lebensgeschichte des H. Paulus wollen wir so gleich die Lebensbeschreibung des H. Antonius anfügen. Der Verfasser derselben liefert uns noch ein weit reicheres Magazin von dergleichen Gespenstergeschichten. Der Satan stund diesem H. Einsidler schier beständig in menschlicher, oder anderer Gestalt an der Seite. Einmal erschien er ihm mit feuerflammenden Augen, aus seinem Rachen gieng Feuer gleich den Fackeln hervor, aus der Nase duftete ein Rauch von feurigen Kohlen. Von allerhand höllischen Larven war er umgeben, die ihn unfreundlich anschieleten. Auf der Erde krochen abscheuliche Thiere mit aufgesperrten Rachen. In der Luft flohe ein Haufen garstiger Vögeln. Bald gab der Satan einen Wiederhall derjenigen Sprüchen, so die Brüder aus der Bibel lasen; bald weckte er die Schlafende zum Gebeth auf; bald zeigte er sich als ein schönes und reizendes Frauenbild, bald sah der Heilige einen Waldgott, der ihn bittet, er möchte für ihn bethen, damit er die Seeligkeit erlange. Bald erblicket er ein Thier, so bis an die Hüfte eine menschliche Gestalt, übrigens die Gestalt eines Esels hatte, und da er dieses mit anderen Teufeln durch das H. Kreuzzeichen in die Flucht gejaget, ist es gähling gestolpert, gefallen, und verrecket.

Es kann seyn, daß GOtt dem Satan die Gewalt gegeben, durch Erscheinungen diesen H. Einsidler zu belästigen. Ich will dieses nicht widersprechen; dessen aber ohngeachtet, kann der Zeuge dieser Erscheinungen und der Verfasser derselben mich zu keinen Beifall bewegen. Denn erstlich mangelt selben die Redlichkeit. [Ξ] Er hat sich unter den Name des grossen Athanasius verstecket. f)[42] Zweytens fehlet ihm der Verstand: wer solle glauben, daß der Teufel die Mönche zum Gebeth aufwecke? Fürwahr ein unerhörte Sache! Daß der Teufel gezwungen worden, Christus den HErrn als den Sohn GOttes zu erkennen, soviel versichert uns die Schrift; daß er aber jemals die Psalmen zur Ehre GOttes abgesungen, oder andere darzu angefrischet, dieß haben wir noch nie gelesen. Daß es Waldgötter gebe, hat zwar Augustinus g)[43] davorgehalten, da aber diese Meinung in allgemeinen Abschlag gekommen, so kann ich um so weniger es glauben, weil so gar ein Waldgott[WS 1] um die Seeligkeit durch das Gebeth des Antonius angesuchet, denn die Gottesgelehrtheit lehret mich nur, daß Christus für Menschen, und nicht für Thiere gestorben seye. Die Geschichte des Thieres, so halb Mensch und halb Esel war, [Ξ] kann ich nur unter die Chimären und Hirkocerben zählen, derer Wirklichkeit ohnehin niemand als ein Träumer behaupten wird. Ich glaube also, daß diese unächte Lebensgeschichte lang nach dem Tode des Heil. Einsidlers von einem Verfasser seye zusammen gestoppelt worden, welcher seiner ungezügelten Einbildungskraft freien Lauf gelassen, und nicht nach der Wahrheit, sondern nach seinen Vorstellungen geschrieben hat. Valerius h)[44] machet die gelehrte Anmerkung, daß in den alten Zeiten die alten Mönche den Gebrauch gehabt, den jüngeren einen kurzen Begriff des Lebens einiger Heiligen vorzulegen, welches sie nach den Zügen der Redekunst ausarbeiten müßten. Diejenigen, die am besten gerathen sind, bewahrte man in dem Büchersaal, und da man sie nach etlichen Jahrhunderten mit Staub bedecket fand, sind sie als ächte Lebensbeschreibungen hervorgesuchet worden. Wer weiß, ob eben diese Lebensbeschreibung nicht eine Arbeit, und Geburt einer feurigen Einbildungskraft gewesen seye, welche die Versuchungen, die der Heilige gelitten, durch körperliche Erscheinungen des Satans vorgebildet habe. Will jemand dieser Muthmassung seinen Beifall nicht schenken, so will ich eine andere Quelle zeigen, aus welcher diese Lebensbeschreibung mag geflossen seyn. Ich glaube, ich werde nicht irren, wenn ich sage, daß selbe von den symbolischen Gemählden herkomme. Man schilderte den H. Antonius ab, wie ihm ein holdseliges Frauenbild, der Fleischteufel in Gestalte eines kleinen Knaben, und viele Thiere an der Seite stehen, und wie Antonius allen diesen kein Gehör ertheile, sondern in seinem eifrigen Gebethe fortfahre. Was will uns die Vorstellung sagen? Sie will nichts anderes andeuten, als daß Antonius die Welt, das Fleisch, alle Nachstellungen und Versuchungen [Ξ] des Satans verachtet und überwunden habe, und nach dieser symbolischen Abschilderung glaube ich, daß die Lebensbeschreibung abgefasset, die Erzählung entstanden, und der Satan in diesen Gestalten dem H. Einsidler erschienen seye. Noch heut zu Tage glauben sehr viele, daß Antonius ein absonderlicher Patron für das Feuer und Vieh sey. Und warum? weil er abgemahlen wird mit einer Flamme, so er in der Hand trug, mit einem Glöcklein, so in seinem Stabe angehangen ist, und eine Schweine bei seinen Füßen lieget, da doch die Glocke nichts anders als seine Wachsamkeit, das Feuer seine Liebe zu GOtt, und die bei den Füßen liegende Schweine die besiegte Wollüsten vorstellen wollen. Aus dieser trüben Quelle werden noch mehrere Irrthümer und Fabeln hergeleitet. Man schreibet, der H. Georgius habe als ein mannhafter Ritter den Drachen erleget und eine Jungfrau befreyet. Es ist dieses eine Fabel, die einem symbolischen Gemählde ihren Ursprung zu danken hat. i)[45] Man lieset, daß der Heil. Christophorus ein Riese gewesen seye, daß ihm Christus in der Gestalt eines kleinen Kindes erschienen, daß er ihn über das Meer getragen, und auf dem Gestatte ein alter Eremit mit einem Lichte den Weg gezeiget habe. Diese Geschichte sieht man in vielen Orten abgeschildert. k)[46] Allein die ganze Erzählung ist [Ξ] eine Erdichtung, und sie rühret, wie Villavincentius saget, daher, daß die HH. Väter dieses symbolische Gemählde ausgedenkt haben, um anzuzeigen, daß ein Verkündiger des Wortes GOttes stark und großmüthig seyn solle, daß er durch seine Lehre, die Lehre des HErrn herumtragen, und Christum verkündigen solle, und das Licht, welches der Eremit traget, bedeutet die göttliche Schrift, welche durch ihr Licht den Prediger erleuchtet. Oder es mag eine aberglaubische Andacht die Ursache seyn, daß man den H. Christoph in einer Riesengestalte abgemahlet habe, damit er von jedem ganz leicht und von allen könnte gesehen werden. Denn vor Alters herrschte der Irrglauben, daß man vermeinte, man werde und könne an jenem Tage keines bösen Todes sterben, an welchem man die Bildniß des H. Christophs gesehen habe. Daher mahlte man die Bildniß in sehr großer Gestalte bey dem Eingange der Kirchen, oder sonst an einige Oerter, wo die mehrsten Leute vorbeigehen müßten, und daher kommen auch jene Verse:


Christophori sancti speciem quicunque tuetur,
Ista namque die non morte mala morietur.
Christophorum videas: postea tutus eas.


[Ξ] Wir wollen nun aus den alten zu den sogenannten mittlern Zeiten heruntersteigen, und in diesen einige Erscheinungen aufsuchen. Gleich Anfangs fällt uns unter die Augen die Geschichte der Erlösung der Seele des Kaisers Trajanus, bei welcher sich ein zweyfache Erscheinung befindet. Die Geschichte wird also erzählet. Der heilige Gregorius, der Große, da er einmal auf dem trajanischen Markte die in Stein gehauene Thaten des Kaisers Trajanus betrachtete, und sich die Liebe vorstellte, welche dieser Kaiser für die Gerechtigkeit hatte, besonders einer armen Wittwee angedeihen ließ, empfunde er ein sehr großes Mitleiden für den verdammten Kaiser. Nebst sehr vielen Gebethern vergoße er häufige Thränen für die verdammte Seele. Endlich ist ihm ein Engel erschienen, der ihm die Erhörung seines Gebeths, und die Erlösung des Verdammten angekündet; zugleich aber zur Strafe seiner verwegenen Bitte einen Schlag an die Hüfte gegeben hat, daß der heilige Pabst hinken müßte. l)[47]

Einige setzen noch hinzu, daß die von der Hölle befreite Seele des Kaisers ihren Leib angenommen, und von dem heiligen Pabsten getaufet worden, nach empfangenem Taufe aber der Kaiser [Ξ] sogleich verschieden seye. Diese Geschichte fand allen Beifall bei den Schriftstellern mittlern Zeiten. Joannes Damascenus, Thomas, Antoninus, Vincentius Fererius, lauter an Heiligkeit berühmte Männer erzählen solche, und die Gelehrten, Hugo, Johannes Gerson, Navarrus, Modina etc. wollen mit Gründen selbe unterstützen. Allein was vorzüglich diese Geschichte verdächtig machet, ist die verschiedene Gestalt, da ein jeder dieser Schriftsteller selber andere Umstände beifügt, oder mit andern Farben abschildert, also zwar, daß der gelehrte Alexander Natalis m)[48] saget; daß die Uneinigkeit der Geschichtschreiber die Unwahrheit dieser Geschichte offenbar am Tage legt, und da sie gegen den Ausspruch der göttlichen Schrift streitet, so ist selbe, wie Pelagius n)[49] sich ausdrücket, von keinem die Wahrheit liebenden Gottesgelehrten zu behaupten. Ich könnte aus Baronius, Bellarmin, Suaretz, Soto, Castel etc. mehrere Beweise wider diese Geschichte beibringen: ich will aber selbe nicht anführen, weil sie sich selbst widerleget. Die Widersprüche untergraben sie. Es wird genug seyn, wenn ich sage, was Chrysostomus schreibet. o)[50] Errore nihil imbecillius, & suis capitur pennis, neque externa pugna opus est; sed à se ipso configitur.

In vorgehenden haben wir die Erscheinungen und die Geschichte verworfen, da die verdammte Seele des Kaisers zur Seeligkeit gelanget seyn solle; in folgenden wollen wir eine Geschicht anführen, wo ein König durch eine Erscheinung das Geständniß seiner Verdammniß gegeben hat; und da wir in vorgehenden [Ξ] den Kaiser Trajanus in die Hölle zuruck gewiesen, so wollen wir anietzo einen König aus dieser befreien.

Karolus Martellus, der Erste, König in Frankreich ist von dem H. Eucherius Bischofe zu Orleans in der Hölle sitzend gesehen worden. Der Heilige fragte den ihn begleitenden Engel um die Ursache der Verdammniß, der Engel antwortet, daß die Ursache der Verdammniß die Beraubung der Kirchengüter seye. Eucherius hat diese Begebenheit dem H. Bonifacius und dem Abt des Klosters des H. Dionysius, wo der Leichnam des Königs begraben lag, erzählet, Fulradus der Abt und oberster Kaplan des Königs Pipinus hat das Grab eröffnet; man fand in dem inwendig ganz schwarz ausgebrannten Grabe statt des Leichnams einen abscheulichen Drachen. p)[51] Die historische Wahrheit ist von schwerer Geburt, und doch ist das Kind selten bei rechter Gesundheit: wie viele Gebrechen diese Geburt des Surius unterworfen seye, wird sich leicht offenbaren. 1) Giebt Surius für den Urheber der Geschichte den H. Eucherius an, welchen Karolus in das Elend verwiesen, weil er von ihm wegen des Mißbrauchs bestrafet worden, daß er die Kirchengüter den Soldaten in dem Kriege gegen die Saracener, so Aquitanien verhergten, beigeleget habe. Allein Eucherius ist weit eher als Karolus gestorben, nämlich im Jahre 731. da Karolus erst im Jahre 741. den allgemeinen Weg des Fleisches gegangen ist, wie Spondanus in Hist. Eccl. p. 738. Regino, Hermanus Contractus, Lambertus, und mehrere bezeugen. Man siehet also hier eine Lücke von zehen Jahren in der Geschichte, welche [Ξ] den Ungrund derselben sattsam bloß giebt. 2) Thut Bonifacius in seinem Sendschreiben, welches bei Baronius q)[52] vorkommet, und durch welches er Helbardum einen boshaften König in Engelland durch die Beispiele der Königen zur Buß und Besserung ermunteret, keine Meldung der Verdammniß des Königs Karolus, ob er auch einige Könige und Fürsten anführet, welche wegen verletzten Kirchengütern von GOtt sind verworfen worden; sondern er haltet ihm vielmehr das Beispiel des Königs Karolus vor, und suchet ihn durch dieses und dessen Buße, zur Buße und Zurückgabe der Kirchengüter aufzurichten. 3) Thut Bonifacius, wie Surius in dessen Leben 5. Junius, und das Leben Bonifacius L. I. c. 33. beweisen, Karolomanus den Sohn Karoli die schönste Ermahnungen ertheilen, damit er in die Fußstapfen seines erblaßten Vaters eintretten möchte, welches Bonifacius wohl wurde unterlassen haben, wenn ihm durch diese vorgebliche Erscheinung die Verdammniß des Karolus bewußt gewesen wäre. 4) Entdecken die Falschheit der Geschichte die herrlichsten Lobsprüche, die Gregorius der Zweyte und Dritte dem Karolus ertheilet haben, welche ihn als eine Stütze der christlichen Religion vorstellen, und von welchen der letztere geschrieben, daß über 100000. Heyden durch die ausnehmende Beihilfe des Königs Karolus zur wahrer Kirche sind gebracht worden. 5) Legen die Anpreisung seiner GOttesfurcht von dem Kaiser, die vielfältige Zeugniß der Frommigkeit des Karolus, die Lupus r)[53] gesammelt, die Falschheit dieser Fabel klar an dem Tage. Was endlich 6) von dem in dem Grabe erscheinenden Drachen beigesetzet wird, welches Fulradus, der oberste Kaplan des Königs Pipinus eröffnet haben solle, muß von darum ungegründet [Ξ] seyn, weil 1) Pipinus erst im Jahre 751. den königlichen Titel angenommen. Es mußte 2) in diesem Jahre Eucherius annoch gelebet, und Fulradus die Geschichte erzählet haben, welcher doch schon im 731ten Jahre des Todes verblichen ist.

Durch diese Gründe wurden Baronius, Pithäus, Sirmondus, und andere bewegt, daß sie dieser Geschichte und den Erscheinungen derselben alle Glaubwürdigkeit abgesprochen, und selbe als eine leblose Erdichtung ausgerauschet haben, deßwegen auch van Espen s)[54] selbe eine verschreyte Fabel nennet. Mit einem Worte, die ganze Erzählung des Surius gehört in die Reihe einiger Wunderwerken, welche viele Heilige gegen diejenigen gewirket haben sollen, welche von den Kirchengütern was abgezwacket haben, denen der bekannte Fleury t)[55] ihre Glaubwürdigkeit abspricht, obschon das Unrecht, welches man den Kirchen durch ungerechte Abnehmung der Güter zufüget, GOtt sehr mißfällig seyn muß, so haben doch nicht allezeit jene Wunder und Erscheinungen, die dieses bestättigen sollen, das Siegel der Wahrheit aufgedrücket.

Ich könnte noch eine ganze Menge dergleichen Geschichten beibringen, welche von Erscheinungen strotzen, und zugleich mit Widersprüchen angefüllet sind, da ihnen doch die Glaubwürdigkeit, die Seele der Geschichten, mangelt. Aus so vielen will ich [Ξ] nur noch etliche anführen, welche mir wegen ihren sonderlichen Umständen merkwürdig zu seyn scheinen. Eine derenselben ist folgende, und sie enthält eine der prächtigsten Erscheinungen, welche man kaum sonst in einer Begebenheit finden wird. Ich gieb mit kurzen den Innhalt derselben. Ein Jüngling zu Magdeburg, Udo mit Name, ware in seinem Studieren eines sehr harten Begriffes: weder der Fleiß seiner Lehrer, noch die Schläge könnten ihm die Wissenschaften beibringen. Da er einmal sehr misvergnügt über seine eigene Unfähigkeit zu den Wissenschaften, aus der Schule gieng, verfügte er sich in die Thumkirche, und flehete bei der Mutter der Weisheit um die Gabe der Wissenschaften. Sein Gebett wurde erhört, Maria erschien ihm, und gab ihm nebst der Gabe der Weisheit, das Versprechen zur erzbischöflichen Inful. Udo hat hierauf in den Wissenschaften also zugenommen, daß er nach dem Tode des Erzbischofe allein würdig zu seyn erkennet wurde, den Hirtenstaab über das verweiste Erzbißthum zu erhalten. Dieses geschah unter Kaiser Otto dem Dritten, allein die glänzende Würde veränderte die Sitten des neuen Erzbischofs, und sein von Wissenschaft aufgeklärter Verstand wurde durch die Laster verfinstert. Udo vergessend aller erhaltenen Gnaden häufete Laster auf Laster. Er schändete GOtt geheiligte Jungfrauen, und absonderlich mit einer Abtißin der schwarzen Klosterfrauen Cistercienserordens wälzete er sich in allen fleischlichen Gelüsten herum. Er wurde zwar öfters zu Nachts in dem Bette durch eine Stimme: Udo Udo höre auf von diesem Spiele: Udo Udo cesa à ludo: seiner Gottloßigkeit ermahnet, aber seine Ohren waren taub, und sein Herz verhärtet. Als aber einsmal Fridericus ein gottseeliger Thumherr bei nächtlicher Zeit in der Thumkirche sein eifervolles Gebeth verrichtete, und GOtt um Abstellung dieser Aergerniß inbrünstig bittete, erschien Christus, [Ξ] Maria, der H. Mauritius Oberster einer römischen Legion mit 6666. seiner Kriegsmännern und vielen anderen Heiligen, u)[56] Christus der HErr setzte sich zu Gericht, der Heil. Mauritius als Schirmherr des Erzstiftes brachte seine gerechte Klage gegen den Bischofen an. Dem Teufeln wurde befohlen den Erzbischof aus dem Bette zu holen. Das Urtheil wurde gefället, Mauritius entblößte das Schwert, und hube dem verurtheilten Erzbischofe den Kopf ab, des anderen Tages fande man Udo in seinem Blute. In der Thumkirche zu Magdeburg wird noch der Stein gezeiget, der mit dieses Gottlosen Blute bespritzet worden, und auf keine Weise abzuwaschen ist. Diesem wird noch angefüget, daß Bruno ein Kaplan des Erzbischofes, da er eben auf der Reise war, die Teufel gesehen, wie sie die Seele des Erzbischofes zur Hölle führten. Der arme Kaplan brachte über diese Erscheinung graue Haare mit sich nach Magdeburg.

Quid magis de rebus poterat mirabile dici?     Lucret. l. 2.

Den ganzen Verlauf der Geschichte habe ich aus dem Buche, welches der Geschichtspiegel oder Speculum Exemplorum genennet wird, abgeborget. Ich würde mich der Mühe überhoben haben einige Anmerkungen der Geschichte anzuhangen, und ich glaubte, daß ein bescheidener Leser schon aus diesem den schwachen Grund der Geschichte sattsamm erkennen würde, weil ich derselben beigerücket, daß sie aus dem unbescheidenen Buche dem Geschichtspiegel entlehnet seye: w)[57] Da aber eben diese Begebenheit auch Tritemius [Ξ] in Chronico Hirsau. Canisius L. 5. Marial. c. 20. Cornelius Felgosus erzählen, so scheinet es mir der Mühe werth zu seyn, selbe mit einigen Anmerkungen zu begleiten, welche den Ungrund dieser Begebenheit aufdecken, die Zeugen und Nachsager der prächtigen Erscheinung einer Unwahrheit überführen können. Und 1) Ist zu Zeiten Kaisers Otto des Dritten kein Erzbischof, mit Name Udo zu Magdeburg gewesen, wie es Paulus Langius ein Sachs bezeuget. x)[58] Weder auch von diesem die bei Krantius in der beschriebenen ohnunterbrochener Reihe der Erzbischöfen was zu finden ist. 2) Widerspricht diese Erzählung der allgemeinen Gewohnheit, da sie saget, Udo seye durch einhellige Wahle zu dem Erzbißthum erhoben worden. Denn zu selber Zeit wurde den Thumherren das Wahlrecht noch nicht zugestanden. Einen Zeugen dessen stelle ich den belobten Krantius y)[59] und sie haben selbes erst nach dem Jahre 1125. durch den zwischen Calixtus den II. und [Ξ] Heinrich dem Vierten gemachten Vertrag überkommen, und ist die erste Wahl auf den glorreichen Stifter der Prämonstratenser den H. Norbert z)[60] gefallen. 3) Irren diese Geschichtschreiber, da sie die Cistercienser Nonnen, die in weissen Kleidern einher gehen, schwarze Frauen nennen. Jedoch diesen Fehler wollte ich gerne übersehen, wenn nur 4) in der Zeitrechnung kein größerer vorkommen möchte, dieser Orden ist erst 1098. unter Kaiser Heinrich dem Fünften gestiftet worden, wie hat dann also diese Geschichte, und der sündhafte Umgang mit einer Abtißin aus diesem Orden schon zur Zeit Kaisers Otto des Dritten sich zutragen können? 5) Ist keinem bewährten Geschichtschreiber das Kloster Lilienthal (Vallis Liliorum) bekannt, wo diese Abtißin solle gelebt haben. 6) Endlich ist der Stein so noch heut zu Tage das Blut aufweisen solle, nach Aussage aller Augenzeugen, nur ein weisser Stein, der mit einigen rothen Adern durchstreimet ist. Aus diesen erhellet sonnenklar, daß die Geschichtschreiber, die der Nachwelt diese Geschichte überliefert, entweder die Erdichtung eines müßigen Kopfes oder die gemeine Sage des Pöbels für Wahrheit angesehen, und daß sie ohne Prüfung und Ueberlegenheit ihrer nur nach dem Wunderbaren trachtender Feder freien Lauf müssen gelassen haben


[Ξ] und also von ihnen den Vorwurf des Cicero nicht ableihnen können, da er L. 1. de Nat. Deor. saget: Nihil tam indignum sapientis gravitate & constantia, quam quod non satis explorare perceptum & cognitum sit; sine ulla dubitatione defendere.

So wunderbar die Geschichte war, da der H. Mauritius dem Erzbischofe den Kopf soll abgeschlagen haben, so wundervoll scheinet die folgende, da ein Engel eine Klosterfrau ermordet hat. Ich kann diese um so weniger umgehen, weil selbe in München sich ereignet hat. Der Verlauf derselben ist dieser. Zu München in dem Kloster bey S. Jakob am Anger starbe in dem Ruhm der Heiligkeit im Jahre 1689. Clara Hortulana von Embach. Als diese einmal an einem Sonntage mit anderen Schwestern durch den Kreuzgang in den Chor gienge, allda der Heil. Meß und Communion beizuwohnen; kommt der Teufel, und führet Hortulana mitten aus den Schwestern hoch unter das Dach hinauf, und laßt sie ganz hilfloß liegen. In dieser Noth leistet getreue Hilf der H. Schutz-Engel, hilft ihr von Boden auf, und führet sie an der Hand durch das Schlafhaus dem Chor zu. Aber siehe! ein andersmal nach der Collation, als Hortulana auf dem obern Chor ihr Gebeth verrichten wollte, und wiederum der höllische Geist, nachdem er von ihr überwunden worden, selber einen heftigen Streich an das Hirn gegeben, und ein Brandmaal eingedrucket hatte, ist sie dem H. Schutz-Engel übergeben worden, welcher sie, damit er ihre inbrünstige Marterbegierd, aus Liebe GOttes alles Blut zu vergiessen erfüllte, im Angesicht dreyer Schwestern in dem unteren Chor an ein Pult geworfen, daß sie an den Schlaf ein große Wunden bekommen, und alles Blut vergossen, auf diese Weise hat sie das Leben beschlossen, und ist (wie dann alles dieses eine gottselige Person, so auch im Ruhm der Heiligkeit gestorben, in einer [Ξ] Offenbarung erkennet) von den HH. Engeln in die ewige Freud getragen worden. Annales Ang. Wenn diese wunder- und schreckvolle Begebenheit in den Jahrsschriften des Kloster am Anger in ihrem Staube liegend geblieben wäre, so wäre es vielleicht besser geschehen, als daß ein geistlicher Vorsteher ohne Ueberlegung und Bescheidenheit selbe an das Tageslicht hervorgezogen, und auf einem sogenannten Monatheiligen der löbl. Erzbruderschaft des H. Erz-Engels Michael hat abdrucken lassen. Welcher Theolog wird glauben, daß der H. Schutz-Engel jemanden um dessen Marterbegierde zu ersättigen, das Leben rauben wird? Daß Raphael dem Tobias das Leben erhalten, und selben der Gefahr des Todes und dem Wallfische entrissen, dieß lehret uns die Schrift. Wo wird aber jemand eine der angeführten gleiche Geschichte finden. Wo wird man uns zeigen, daß ein Engel sein ihm anvertrautes Pflegkind ermordet habe? könnte man nicht sagen, daß der Teufel in dieser Geschichte barmherziger und höflicher als der Engel gewesen wäre? jener schlagt Hortulana nur für den Kopf, der Engel aber, dem sie von GOtt ist übergeben worden, wirft sie an das Pult, sie vergiesset alles Blut, sie stirbt. Soll wohl durch Erzählung einer solchen Geschichte das Vertrauen zu den heiligen Engeln wachsen? oder wird wohl dadurch eine Andacht können erwecket werden? dergleichen Geschichten, saget der gelehrte Bischof Melchior Canus L. XI. de Hum. Hist. Auctorit. c. 6. die von aller Wahrheit entfernet, die Verehrung gegen die Heilige erwecken wollen, schaden soviel, daß man wegen den Falschen und Erdichteten auch das Wahrhafte in Zweifel ziehet.

Man wird mir erlauben, daß ich noch einige Fragen an den Hr. Verfasser dieses Monatheiligen stelle. Ich frage, ob er wohl glaube, daß Hortulana eine Marterinn seye? Und warum nicht? Sie hat aus Marterbegierde, und aus Liebe GOttes ihr Blut [Ξ] vergossen. Ja, sie haben recht, vollkommen recht! ich wurde es selbst glauben, daß sie das Marterkränzlein erhalten hätte, wenn sie nur ein Türke an das Pult geworfen hätte, da aber dieses ein Engel gethan; so kann ich ihrer Meinung nicht beistimmen: es müßte dann seyn, daß sie mir auch einstünden, daß der Engel aus Haß des Glaubens, oder einer christlichen Lehre die Klosterfrau also an das Pult geworfen hätte, daß sie Blut und Leben verlohren hat. Denn die Gottesgelehrten belehren mich, daß der Tod dem Marterer aus Haß des Glaubens müsse zugefüget werden. Ich frage ferner: ob man diese Geschichte nicht natürlich erklären und sagen könnte, Hortulana seye zufälliger Weise an das Pult gefallen, und sie habe durch einen harten Fall eine große Wunden empfangen, und durch vieles Blutvergiessen gestorben? denn sie glauben nicht, wie in allen Fällen ich mich an die Regel halte, welche saget: Was füglich aus natürlichen und gewöhnlichen Ursachen erkläret werden kann, muß keiner übernatürlichen Kraft der Geister, oder göttlichen Wirkung zugeschrieben werden. Was sagen sie zu dieser Muthmassung? Sie sagen: hier findet keine natürliche Erklärung Platz, weil alles dieses, nämlich den von dem H. Engel zugefügten Tod, eine gottselige Person in einer Offenbarung erkennet hat. Ich bin es zufrieden, nur will ich sie gebetten haben, auch den Namen dieser gottseligen Person bei dem zweyten Abdruck beisetzen zu lassen. Denn so wundervolle Begebenheiten, die nur so schlechthin mit der Zeugniß: Alles dieses hat eine gottselige Person in einer Offenbarung erkennet: unterstützet sind, finden nur bei jenen einen Glauben, die alles glauben, und nicht wissen, warum sie glauben. Ich frage weiter — — doch nein. Ich will nicht mehr fragen, vieleicht haben diese wenige Fragen schon viele gegen mich aufgebracht, jedoch ich hoffe, daß sie mir leicht vergeben werden, wenn sie bedenken, daß ich also reden müßte, damit man künftighin bescheidener schreibe, [Ξ] und eine glücklichere Wahl bei diesen Geschichten treffe. Die hochlöbliche Erzbruderschaft zählet über 6000. Mitglieder, sie sind in der halben Welt ausgestreuet. Jedes Mitglied erhaltet alle Jahr vier Geschichts-Erzählungen. Ich glaube also nicht, daß ich unbillig rede, wenn ich sage: man solle solche Geschichten wählen, und drucken lassen, welche von allem Verdacht einer Leichtgläubigkeit gereiniget sind, und wenn ich noch beisetze, daß es weit besser wäre, wenn man diese Geschichten aus der göttlichen Schrift, als aus den klösterlichen Büchern entlehnen möchte.

Ich könnte noch mit mehrern geistlichen Geschichts-Erzählungen von den Erscheinungen der Geistern und Gespenstern verehrungswürdigen Leser unterhalten, wenn ich glaubte, daß er größere Neigung zu dem Wunderbaren, als zu dem Gründlichen haben würde. Das sogenannte goldene Legend, und die vielen Exempelbücher wurden mir reichlichen Stoff an die Hand geben. Ich will aber mit dergleichen Undingen den Leser nicht in noch größere Verwunderung setzen, sondern nur demselben meine Meinung von dergleichen Gattung Büchern, und von ihren Verfassern entdecken. Erstlich halte ich dafür, daß dergleichen Verfasser wenig Bescheidenheit und Vernunft bezeiget haben. Und damit man dieses Urtheil keiner Verwegenheit beschuldige, so muß ich sagen, daß ich mich nur der Worten des oft belobten gottseligen und grundgelehrten Bischofen, Melchior Canus, bedienet habe, aa)[61] von den Exempelbüchern hege ich die Meinung, [Ξ] welche der gelehrte P. Ludovicus hat. Daß nämlich in Beschreibung der Begebenheiten, welche uns diese Bücher vorstellen, bei den Verfassern mehr ihre Neigung, als die Wahrheit die Feder geführet habe, und selbe öfters schreiben, nicht was geschehen, sondern was sie wollten, daß geschehen seye, und daß es Leute gegeben habe, die sich ein Verdienst daraus gemacht, wenn sie für die Religion Lügen erdichten könnten, welches theils gefährlich ist, weil die Wahrheit durch die Unwahrheit unterdrücket wird, theils gar nicht nothwendig ist, weil wir zur Nahrung unserer Andacht genugsame Wahrheiten haben und die erdichtete Geschichten nur wie die zaghaften und unbrauchbaren Soldaten mehr zur Last als Hilfe sind. bb)[62]

6. §.
Die weltliche Geschichte erprobet das Daseyn der Gespenster nicht.

Wenn das Alterthum und die Übereinstimmung der Begriffe der Völker ein hinreichender Beweis für die Wirklichkeit einer Sache feyn könnten; so wäre nichts gewißers, als daß es


[Ξ] Gespenster gebe. Wir mögen noch so weit in die graue Jahre zurück sehen, so werden wir allezeit herumschwärmende Geister, Gespenster, Larven und Kobolden erblicken. Die Gedichte der fabelenden Poeten lassen diese allenthalben auftretten, und die Bücher der Geschichtschreiber, von welchen man nichts als Wahrheiten erwarten solte, sind mit Gespenstern und Geistern angefüllet. Man wird kaum eine Beschreibung eines Ortes oder einer Familie antreffen, wo nichts von Gespenstern vorkömmt, und es ist schier kein ansehnliche Stadt oder Familie zu finden, welche nicht einen Geist im Dienste hat. Der Perlefex zu Bamberg, die weisse Frau zu Bareuth, der Heyducke zu Wirzburg, die Klagfrau zu Berlin, die Fetel zu Parma, der ohne Kopf wandelende Mönche zu Dresden sollen bekannte Bothen seyn, welche hohe Trauerfalle verkündigen müssen. Ich hatte Gelegenheit mich an einigen diesen Orten genau nach diesen Gespenstern zu erkundigen, ich habe aber niemand antreffen können, der von diesen selbst etwas gesehen hatte, ob ich zwar sehr viele gefunden, die davon gehöret haben, und manche Geschichten von dem Sagenhören zu erzählen wußten. Von den adelichen Geschlechtern in Böhmen erzählet uns sehr vieles Balbinus in Miscellaneis Bohem. L. III. c. 29. §. 3. In Franken soll den Freyherrn von Redwitz und Zobel ein weisses Weiblein den Sterbfall ansagen, und zwar bei diesem mit einer brennenden Kerze, und in Baiern soll bey der adelichen Familie von Mugenthal, so oft einer aus selber begraben, und die GOttesdienste für den Verstorbenen gehalten werden, ein Klagweiblein in sehr alter Tracht mit zu Opfer gehen. Ob aber diese Klagfrau, welche zweifelsohne aus dem adelichen Geschlechte seyn wird, diesen Opfergang annoch verrichte, da bei dem Adel diese Mode abgekommen, habe ich nicht in Erfahrung bringen können. Von so vielen anderen Geistern, die in den Klöstern den Sterbfall ankündigen, oder bei den Herren Pfarrern die Leiche und Provisur [Ξ] ansagen, oder selbe den Schulmeistern, Todtengräbern und Schreinern melden, will ich keine Erzählungen beirücken. Denn ich glaube, daß es genug seye, wenn ich sage, daß schier kein Schulmeister, Todtengräber oder Schreiner sey, der uns nicht etliche Wochen zuvor weissagen könne, ob er ein Requiem zu singen, ein Grab zu machen, und ein Todtentruchen zu verfertigen überkommen werde.

Sollten wir nicht anfangen zu erzittern, zu beben und den Muth sinken zu lassen, da uns an so vielen Stellen Geister und Gespenster begegnen. Doch nein. Wir sind ganz gelassen, und da wir schon ohne Furcht viele Oerter durchwandert, die von Gespenstern beruffen waren, so fürchten wir uns um so weniger von beschriebenen Geistern und Gespenstern. Die Geschichtschreiber mögen uns noch so viele Beispiele und Gespenster-Erzählungen vorstellen, so werden wir dennoch nach den gezogenen Leitfaden zu erweisen uns unterfangen, daß auch in den weltlichen Geschichtbüchern kein zureichender Grund für die Wirklichkeit der Gespenster zu finden seye. Wir wollen zu erst die griechische Geschichtschreiber auftretten lassen. Dio L. 77. erzählet von Caracalla, daß er öfters die Schatten seines Vaters und Bruders gesehen, und daß er die Seelen der Verstorbenen zu seiner Erleichterung aus ihren Gräbern beruffen habe, und daß unter diesen auch der Schatten seines Vaters und Bruders Commodus sich einfande, welcher zu ihm die Worte gesprochen: komme nur eilends zu deiner Strafe. Zwey Stück machen mir diese Geschichte unglaubbar, nämlich die Erzählung selbst, und der Verfasser, der uns selbe überliefert. Die Erzählung dieser Geschichte gründet sich auf die Fabeln, daß man die Seelen der Verstorbenen aus der Hölle zurück ruffen könne, und daß die Seele des abgestorbenen Blutfreundes ein Dämon oder ein guter oder böser Geist wurde, [Ξ] der hernach erschienen, wenn der Mensch sterben sollte. So wenig diese auf die Fablen sich gründete Geschichte einen Glauben verdienet, so wenig verdienet auch diesen der Verfasser. Schon im Anfange des vorgehenden §. habe ich angemerkt, daß ein Geschichtschreiber als ein Zeuge der Geschichte, den Willen haben müsse die Wahrheit zu schreiben. Sobald der Geschichtschreiber einen gegründeten Verdacht von einer Falschheit gegen sich Platz giebt, so bald weichet der Glauben, den man selben geben soll. Der gute Dio hat sehr viele von der einfältigen Leichtglaubigkeit des niedrigen Pöbels zu Rom entlehnte Werken seinen Geschichtbüchern eingetragen. Das herrliche Wunder, da die christliche Soldaten durch ihr Gebethe in dem Kriege gegen die Quadier einen Regen erflehet haben, a)[63] hat er nach der gemeinen Sage einem ägyptischen Zauberer zugeschrieben, der den Luftgott Merkur zur Herabschickung eines Regens bezwungen habe. Diese seine Leichtglaubigkeit entdecket er selbst L. 73. wo er sich rühmet, daß ihm eine Gottheit im Traume erschienen, und ihm befohlen seine Geschichte zu verfassen, und da er verzögert und sich gefürchtet ein solches Werk zu unternehmen, habe ihn auf ein neues eine erscheinende Gottheit angefrischet, und versprochen, daß sie Sorge tragen wolle, daß seine Schriften niemal zu Grunde gehen sollten. So groß aber immer die Sorge dieser Gottheit für dessen Schriften seyn mag, so klein ist die Achtung derenselben bei den Gelehrten, welche gar zu wohl einsehen, daß er seine Geschichtbücher mit Fabeln angehäufet, und bei Verfassung derenselben die Pflichten eines Geschichtschreibers vergessen habe. [Ξ] Ein eben so untüchtiger Zeuge von dem Daseyn der Geister und deren Wirklichkeit ist Appianus. In dem 4ten Buche seiner Geschichten zeiget er uns ein gräßliches Gespenst, welches dem Brutus dem undankbaren Mörder des Cäsars erschienen ist, ein Gespenst, welches einem Mohren nicht unähnlich, und von einer ungeheuren Grösse ware, zeiget sich dem Brutus. Dieser fraget ganz keck: Wer bist du? und das Gespenst antwortet: Dein Dämon bin ich, dein böser Geist, zu Philippi wirst du mich wieder sehen. Wer ist, der über das gräßliche Ansehen dieses scheußlichen Gespenstes nicht wurde erschrocken seyn? Aber die römische Herzhaftigkeit des Brutus wüßte nichts von einer Furcht, er antwortet ganz unerschrocken: Ja, und zwar ohne Furcht werde ich dich sehen. Da ihm aber in der unglücklichen Schlacht auf den philippischen Feldern dieses Gespenste abermal begegnet ist, hat er aus Verzweiflung sich selbst entleibet. Die meisten Gespenster-Vertheidiger bringen diese Geschichte als einen Beweis der Wirklichkeit der Gespenster in ihren Schriften. Ich glaube aber, daß man aus dieser Erzählung des Appianus so wenig erweisen könne, daß es Gespenster gebe, als daß die Ochsen reden können, welches ebenfalls Appian an einer andern Stelle erzählet, wo er auch das Mährlein von dem Getöse der unsichtbaren Wespen anbringet.

Wir wollen diese Geschichte etwas genauers prüfen, 1) Hat diese Begebenheit ihren Grund in den alten Fabeln der Heyden, welche glaubten, daß ein jeder einen Gott zu einem Schutzgeist habe, in dessen Hut und Schutz einer, so bald er gebohren wurde, lebete; zugleich aber auch einen bösen Geburtsgeist, welcher ein Begleiter und Anzeiger seines Umfalls, sonderlich des Todes wäre. Man lese hiervon Consorinum c. 3. de Die natali, und Beaumont Tractat von Geistern fol. 95. 2) Sind die Geschichtschreiber [Ξ] bei dieser Begebenheit nicht einstimmig; denn andere sagen, daß dem Brutus nicht das vorige Gespenst, sondern der Schatten des Cäsars ihm mit bedrohlichen Blicken zu Pferd entgegen eilend erschienen seye. 3) Behauptete Caßius, wie Plutarch in Bruto erzählet, daß diese Erscheinung in einer bloßen Einbildung bestanden seye. 4) Ist ganz unglaublich, daß Brutus dem Gespenste eine solche standhafte Antwort ohne Furcht, ohne Schrecken ertheilet sollte haben. Dieser Heldenmuth macht mir die ganze Erzählung je mehr verdächtiger, je länger ich selben betrachte, denn es deucht mir nicht möglich zu seyn, daß ein Mensch bei Erblickung eines abscheulichen Gespenstes solche Standhaftigkeit zeige. Die ganze Natur entsetzet sich vor einem Geiste. Es werden mir zwar große Geister, die über die menschliche Schwachheiten weit erhaben zu seyn scheinen wollen, sagen, und einwenden, sie wurden sich nach dem Beispiel dieses Helden vor keinem Geiste fürchten. Ich glaube es nicht. Sie können die Natur nicht verläugnen, und wenn es unsern Blicken vergönnet wäre, in das innere ihres pochenden Herzen zu dringen, da sie einen Geist sehen wurden, so wurden wir leicht die Furcht und das Entsetzen ihres heftig schlagenden Herzen entdecken. Es ist ganz was anders, wenn man von einem Geiste erzählen hört, als wenn man diesen unmittelbar sehen sollte. Einen gemachten Löwen können wir ohne Schrecken ansehen; aber vor einem lebendigen wurden wir zittern und beben. Furcht und Schrecken entstehen so natürlich bei Erblickung eines Geistes, als die Funken aus einer feurigen Kohle. Ich wiederhole also, daß die gesetzte Antwort, welche der mörderische Brutus dem Gespenste gegeben, die Begebenheit unglaublich machet. Es kann seyn, daß Brutus ein Herz hatte, welches ein römischer Heldenmuth bewaffnete; er hatte aber auch ein verwundetes und verschuldetes Gewissen. Wurde Catilina wegen seinem Gewissen, wie Sallustius bemerket, [Ξ] durch jedes Geräusch schüchtern gemacht, wie weit größere Furcht wurde in dem bösen Gewissen des mörderischen Brutus bei Ansehung eines häßlichen Gespenstes entstanden seyn? Ein böses Gewissen kann auch aus Nichts eine Materie zur Furcht und Schrecken zubereiten.

Ich glaube also nicht, daß Brutus dieses Gespenst gesehen, noch viel weniger ihm die Antwort ertheilet habe: Ohne Furcht werde ich dich zu Philippi sehen, sondern ich halte dafür, daß die ganze Begebenheit eine Sache seye, so zu Ehre des Kaisers Augustus, des Ueberwinders des Brutus, erdichtet worden seye: und was meiner Muthmassung eine neue Wahrscheinlichkeit beibringet, ist dieses, daß die nämliche Geschichte von dem Caßius, einem Feinde des Augustus erzählet wird, der nach dem Bericht des Porphyrius als Oberster unter Brutus wider Augustum gedienet, und als er sich nach der Niederlage gen Athen begeben, sollte ein ungeheuer großer Mann, der im Angesichte mohrenschwarz ware, mit wild verworrnem Bart zu ihm getretten seyn, und als er ihn befragte: Wer bist du? antwortete er, ich bin dein böser Geist. Ueber dieses Gesicht soll aber Augustus gar bald die Auslegung gemacht haben, da er den Quintilius Varus ihn umzubringen beordert, der ihn auch bei seinen poetischen Büchern angetroffen, und getödtet hat. b)[64]

Ich könnte von den griechischen Geschichtschreibern noch mehrere Begebenheiten abborgen, welche eben so wenig als die vorhergehende von einer Wahrscheinlichkeit unterstützet werden, ich will [Ξ] sie aber mit Stillschweigen umgehen, und statt derselben den gelehrten, und für einen Heyden wirklich frommen Dionysius Halicarnasseus reden lassen. L. 1. Antiquitatum saget er: Er wolle nicht entscheiden, ob den Erscheinungen und Thaten der Götter Glauben beizumessen seye. Und in dem zweyten Buche p. 158. achtet er für ein Gedicht, daß die Nymphe Egeria dem Numa, Jupiter dem Minos, und Apollo dem Lykurg die Gesetze eingegeben haben sollen, er erzählet zugleich den Betrug, welchen Numa den römischen Rittern gespielet, mit welchem er ihren Irrwahn bekräftiget, als wenn ihn öfters die Nymphe Egeria mit ihrer Erscheinung würdigen thäte.

Wir wollen aber anjetzo die Griechen verlassen, und einige lateinische Schriftsteller auftretten lassen. Römer sollen von den römischen Geschichten reden. Sueton, der gelehrte und dem Kaiser Hadrian so beliebte Sueton, solle die Reihe führen. c. 34. erzählet er von Nero, daß er von dem Schatten seiner Mutter, und durch die Schläge und Fackeln der Furien und Höllengötter sey beunruhiget worden. Allein diese Erzählung riechet sehr stark nach Fabeln der Poeten. So wenig wir glauben können, daß es Furien gebe, so wenig können wir glauben, daß die Furien dem Nero erschienen seyen. Es erzählet auch Sueton, daß Nero durch Zauberopfer die Seelen der Verstorbenen aus den Gräbern hervorzuruffen versuchet habe. Ob aber sein Versuch ihm gelungen sey, und ob er durch seine Opfer was ausgericht habe, meldet er nicht.

Dem Suetonius thun wir den Plinius an die Seite stellen. In dem 8. Buche Epist. ad Suram erzählet er, daß der Welttheil Africa in weiblicher Gestalte dem Ruffus erschienen seye, und ihm zukünftige Sache weisgesaget habe. Ist diese Erzählung nicht einer [Ξ] Fabel ähnlicher als einer Geschichte? Wer ist so blöde oder stumpf am Geiste, daß er dieß ohne unsere Erinnerung nicht siehet? Plinius selbst, so leichtglaubig er sonst ware, schämet sich dieser Geschichte vollkommenen Glauben zu geben, und er setzet hinzu: Ich höre, es solle sich also zugetragen haben. Allein wer weis nicht, wenn eine Geschichte ein frostiges: Wie man sagt, Wie ich höre, begleite, ihre Glaubwürdigkeit an dem äussersten Ranfte der Wahrheit stehen müsse?

Eben so unwahrscheinlich ist die Geschichte, welche Plinius von den Gespenstern in weissen Röcken erzählet, welche den schlafenden Kindern zur Nachtszeit die Haare abgeschnitten haben. Wären dem leichtglaubigen Plinius die Gesetze bekannt gewesen, nach welchen die Träume erkläret werden, so wurd er diese Gespenstergeschichte als eine solche seinen Büchern nicht eingetragen haben. Der Traum ist in Ansehung des Körpers ein solcher Zustand, daß im Schlafe die nicht genugsam gespannte Hirngefässe und die nicht sattsamm geschlossene Gliedmassen der Sinnen, der Seele Gelegenheit geben, die Einbildung zu regen, und wie bei dem Wachenden die Vorstellungen der Seele mit der Bewegung des Körpers, und diese mit jenen übereinstimmen, so geschiehet dieses auch im Schlafe. Wenn ich mich nicht irre, so ist es der gelehrte Arzt Junker, der erzählet, daß jemand seine Füße in die Bändlein, mit welchen der Ueberzug der Oberdecke zusammen geschnirret ware, zufälliger Weis verwickelt, und daß es ihm träumte, wie er von jemanden bei den Füßen gebunden wurde, worüber er so entsetzlich geschrien, daß er so gar einige Blutgefässe zersprenget habe. Es kann also geschehen seyn, daß jemand aus Scherz oder aus anderer Ursache den schlafenden Kindern die Haare abgeschnitten, und daß daher durch die nicht genugsam gespannte Hirngefässe und die nicht sattsamm geschlossene Gliedmassen der Sinnen, der Seele [Ξ] Gelegenheit gegeben wurde, die Einbildung zu erregen, daß jemand zum Fenster hineingestiegen, und ihre Haare abgeschnitten habe. Genug! Die Kinder, welche die Urheber dieser Geschichte sind, haben nur im Traume Geister in weissen Röcken gesehen, und sich verwundert, daß sie erwachend ihre abgeschnittene Haare fanden. Wie oft träumet nicht dem Prembonius, ein alte Hexe falle auf ihn, und drücke ihn? er fühlet Aengstigkeiten, er siehet, wie sie sich, nachdem sie ihn jämmerlich abgeängstiget hat, wiederum zur Thüre hinaus schleiche, da doch seine Vollblütigkeit ihn allein gedrücket, und die Hexe gewesen ist, die ihn also abgängstiget hat.

Noch eine Geschichte müssen wir aus dem Plinius entlehnen, welche gewiß den Geisterfreunden neuen Vortheil und einen starken Beweis verschaffet, weil alle mit selben aufgezogen kommen. Zu Athen ware ein Haus, welches von den Geistern sehr beunruhiget wurde. Man hörte zu Nachts ein Getöse von Ketten, und ein Gespenst von einem alten, blassen, langbärtigen, mit Ketten beladenen Greisen polderte in selbem herum, und machte, daß die Einwohner das Haus verlassen müßten. Da Athenodorus der Weltweise nach Athen kam, kaufte er dieses Haus, weil es sehr wohlfeil ware. Er setzte sich zu Nacht an einen Tisch, und schrieb. Da er eine Zeitlang saß, hörte er das Getös der Ketten, das Gespenst erschien, es näheret sich, es tritt zu ihm, und winket. Athenodorus gar nicht furchtsam giebt mit der Hand ein Zeichen, es solle warten, und schrieb fort. Es wird endlich dem Gespenste zu lange. Es machet mit den Ketten ein Getös für dessen Ohren, und ladet ihn nochmal durch einen Wink ein nachzukommen. Der Weltweise nimmt das Licht, er folget, und das Gespenst gehet sehr langsam die Stiege hinab, und in der Mitte des Vorhofs verschwindet es. Athenodorus nimmt etliche Kräuter und Blätter, und bemerket den Ort, wo [Ξ] das Gespenst verschwunden ist. Folgenden Tags zeigt er den ganzen Verlauf der Sache dem Rath an, und bath den Ort aufzugraben. Man grabet, und findet einige toden Beiner, die mit Ketten gefässelt waren. Sie wurden auf gemeine Kösten begraben; und von selber Stunde ward das Haus frei und wohnbar.

So glanzend und so stark den Geisterfreunden dieser Beweis scheinet, so schwach und so dunkel machen ihn die Worte, welche Plinius dieser Geschichte anhanget, wie ich es bekommen, saget er: so erzähle ich es. Diese Worte, welche nur eine gemeine Sache anzeigen, lassen die Geister-Vertheidiger beflissentlich weg, damit man nicht merken solle, daß Plinius selbst für die Wahrheit derselben nicht will Borge seyn. Ich glaube nicht, daß man zu Entkräftung dieser Geschichte und dieses Beweises mehrer sagen darf, als was Plinius schon gesagt habe, und durch dieses habe sagen wollen. Ich will aber zum Ueberfluß noch einige Anmerkungen derselben beisetzen, welche den aus dieser Geschichte aufgeführten Beweis vollkommen zu Boden schlagen werden. Ich habe oben schon angemerket, daß ich auch aus dieser Ursache die Geschichte des Brutus in Zweifel ziehe, weil Brutus so frei ohne Schrecken und Furcht mit seinem erscheinenden Gespenste gesprochen hat. Aus eben dieser Ursache scheinet mir auch das herzhafte Betragen des Weltweisen unwahrhaftig zu seyn. Er schreibet, er siehet das fürchterliche Gespenst. Er fährt fort ohne sich hindern zu lassen. Er folget demselben nach. Er ruffet keinen von seinen Dienern etc. Wem soll die Herzhaftigkeit nicht unglaubbar vorkommen? Ich bitte jeden von meinen Lesern sich in seinen Gedanken an die Stelle dieses Weltweisen zu setzen, und sich selbst zu fragen: ob er bei diesen Umständen so viel Muth bei sich finden würde. [Ξ] Die Aposteln auf dem Berge Tabor fielen auf ihre Gesichter für Schrecken, Manue und sein Weib Judic. c. 13. fielen ebenfalls auf die Erde, sobald sie den Engel erkannt haben, und vermeinten, sie wurden darüber des Todes sterben, und Jakob nennte jenen Ort, wo ihm die Engeln erschienen, einen erschrecklichen Ort. Verursachet die Erscheinung eines guten Geistes so viel Schrecken und Furcht in unser Gemüth? Wie groß wird diese seyn bei Erblickung eines bösen Geistes? Ich glaube, daß bei Gelegenheit, wo jemand einen Geist siehet, sich der Mensch so wenig verläugnen kann, als wenn er den Tod vor Augen siehet. Der Tod, so natürlich er dem Menschen ist, bringet er Entsetzung, und sollte der Mensch vor einem Geiste sich nicht entsetzen, der der Natur ganz entgegen ist? Lese man doch die Gespenstergeschichten, und man wird finden, daß die herzhaftesten Männer bei Erblickung eines Geistes aller Muth und Standhaftigkeit verlassen habe. Nur jene, welche nach der abgeschmackten Meinung der Hexen-Vertheidiger Buhlschaften mit dem Teufel treiben, könnten durch lange Uebung so viel Muth erhalten haben, mit den Geistern umzugehen. Aus dieser Bewegursache also scheinet mir sowohl diese als viele andere Gespenstergeschichten unwahrscheinlich zu seyn, wo nämlich Menschen mit Geistern Handlungen vorgenommen, die nicht die geringsten Anzeigen einer Furcht gegeben haben.

Unter diese Geschichte zähle ich die Erzählung in der neu erbauten historischen Schaubühne, gedruckt im Jahr, da fast aller Orten Krieg war 1709. Fol. 96. daß nämlich Vasquez von Aiola zu Bononien in einem unbewohnten Hause, welches er wohlfeile halber mit zweyen jungen Spaniern in Bestande genohmen hat, eines Gespenstes gewahr worden, welches, wie der Geist des Athenodorus von dem Ansehen, und mit Ketten beladen ware; auf dessen Wink folgte Aiola, da ihm aber auf der Stiege das Licht [Ξ] ausgeloschen, bathe er das Gespenst ein wenig zu verweilen, er holte von neuem Licht, folgte selben nach, bis es an einem Orte in dem Garten verschwunden ist, und da man dort gegraben, wurde ein mit Ketten umwickelter Körper gefunden. Ist diese Geschichte nicht eine schöne Nachahmung der vorgehenden? und ist sie nicht wunderschön durch den neuen Zusatz mit dem ausgeloschenen Licht vermehret? Aus eben diesem Buche fol. 263. muß ich auch hersetzen die Begebenheit, wo eine Wittwe zu Stockholm einen Geist, der mit gefaltenem Haupte ihr erschienen, ihren Wappenring zwischen die auf die Schultern abhangende Theile hinein geworfen, und selbe mit ihrem Haartuche zusammen gebunden, der Ring und das Haartuch waren mit ihrem eingenähten Name bezeignet, des andern Tags bei Ausgrabung des Leichnams hat man sie gefunden.

Hieher gehört auch die Begebenheit aus den wahrhaften Nachrichten von Geistern p. 58. wo erzählet wird, daß auf einem Schlosse in Sachsen ein Bedienter einen Geiste, den man wegen seinem Aufzug die alte Belzfrau nennte, und der dem Frauenvolk viel Schrecken verursachte, aufgesuchet habe, um selbem einen Kuß zu geben, welche alte Frau das Spiel unrecht verstanden, und selben zu den Fenster hinab geworfen hat. Diesen muß ich noch beirücken, was Baxter in seinem Buche: Die Gewißheit der Geister durch unlaugbare Historien gründlich dargethan. fol. 64. schreibet, daß der Teufel bei heller Nacht vor das Bette des Hrn Whit von Drechster sich gestellet. Hr. Whit sahe ihn eine Weile an, ob er was sagen, oder thun wurde, endlich sagte er zu ihm: Wenn du nichts anders zu thun hast, so habe doch ich was zu thun. Damit wendete er sich um einzuschlafen. Ich übergehe die Geschichte, die Francisci ein Schriftsteller, der besonders große Verdienste um die Geisterwelt besitzet, ausführlich [Ξ] erzählet, daß ein Adelicher aus Oesterreich einem Geiste eine Maulschell gegeben, und dadurch denselben auf ewig aus dem Schloß vertrieben hat. Die Begebenheit aus der Sammlung vieler auserlesner Geschichten fol. 480. da einer, als er ein Gespenst, so ihm von Gestalte, Person und Kleidung gleich ware, bei seinem Pult auf seinem Stuhl sitzen sahe, hinzugetretten, den Stuhl gerucket, und gesprochen hat: Da gebühret mir, und nicht dir zu sitzen! stehe auf, und weiche! du hast hier nichts verlohren. Die Erzählung aus eben diesem Buche p. 481. wo ein Amtmann öfters bei Mitternacht ohne Licht, wenn man in der Rüstkammer unter dem Harnisch und Armaturen ein Getös und Getümmel hörte, in selbe hinein getreten, und geruffen habe: Was ist das vor ein Lärmen und Getümmel? Stille! und halt ein! Die Geschichte bei Alexander in Dieb. Genial. wo einer einen Geist, der sich zu ihm in das Bette legen wollte, aus selben heraus getrieben, und seine Kleider wieder anzulegen gezwungen hat. Diese und viele andere, welche in dieses Fach gehöreten, will ich mit Stillschweigen umgehen. Bald hätte ich aber über dieses Gemengsel so vieler Begebenheiten auf das Gespenst des Athenodorus vergessen. Ich hab mit dem Leser von diesem noch einige Worte zu reden, und ich frage die Gespenster-Vertheidiger 1) warum dieser Geist erschienen sey? Man giebt vor, er habe seine Begräbniß gefordert: ware er aber nicht schon begraben? Was hat ihm die Begräbniß, einem verdammten Heyden, nutzen können? Will man sagen, der Teufel habe nur mit der Einfalt der Menschen seine Kurzweil getrieben; so eignet man ihm damit einen übertriebenen Gewalt zu, als wenn er alle dergleichen Erscheinungen für sich selbst, nach seinem Belieben und Gefallen, aus eigenen Kräften und Gewalt, ohne besondere Verordnung GOttes spielen könnte: weil nicht zu glauben, daß GOtt zu solchen Betrügereien und Blendungen zu helfen geneigt seye. Ich frage [Ξ] 2) ob die Seele oder der Teufel in dem wahren Körper, der in dem Grabe mit Ketten umwunden ware, sich dem Athenodorus dargestellet, oder ob alles dieses ein Luftgebäude gewesen seye? ist das erstere, so sehe ich nicht, wie die Seele die halb vermoderte Beiner habe bewegen, und die Stiege hinab steigen können. Die Seele richtet sich nach den Gliedmassen des Körpers. Sie kann die Füße eines Kindes von 6. Wochen nicht bewegen, daß selbes eine Stiege hinabsteige, und weder die Seele noch der Satan können einen Körper, dem die Fäule das Fleisch benommen, mit neuem Fleische bedecken: es muß also das andere wahr seyn, es muß ein Luftkörper gewesen seyn. Allein das ganze Luftgebäu scheinet mir auf keinen festen Grund zu stehen, und wir haben noch keine hinreichende Ursache gefunden, wie ich im 3. und 4. §. gezeiget, welche der Seele oder dem Satan die Kraft und die Gewalt zueignen, sich einen Luftkörper bilden zu können. Was für kunstreiche Schmide müßte es nicht in dem Geisterreiche geben, die Ketten aus Luft machen, und durch diese ein eindringliches Geräusch erregen könnten? Wenn ich alles dieses, was ich bisher angeführet habe, nebst der oben angebrachten zweifelhaften Bürgschaft des Plinius für die Wahrheit dieser Geschichte etwas genauers betrachte, so kann ich nichts anders sehen, als daß diese Geschichte von dem Volke erdichtet worden sey, oder daß Athenodorus das Volk zu äffen, und seine stoische Herzhaftigkeit zu zeigen, in dem Vorhofe des Hauses einen mit Ketten umwickelten Körper vergraben, und den übrigen Hergang erdichtet habe.

So falsch aber immer diese Geschichte einem jeden vorkommen wird, der selbe ohne mit Vorurtheilen umhüllten Augen einsehen wird, so hat selbe dennoch sehr vielen Beifall gefunden. Es läßt sich dieses aus so vielen Nachahmungen abnehmen, und aus so [Ξ] vielen Versuchen der Gespensterfreunden eine dem Original ähnliches Kopey zu erdichten, davon ich noch sehr viele Begebenheiten beirücken könnte, wo die Gespenster durch Geräusch der Ketten, oder durch ein anderes Getümmel so lange ihre Rolle gespielet haben, bis ihre Gebeiner hinweg getragen, und durch diese Ubertragung ihnen ein anderer Aufenthalt angewiesen worden; durch welche Geschichtserzählungen man auch unter den Christen annoch die ungegründete Meinung der Heyden bestättiget, daß die Seelen bey ihrem Körper sich aufhalten, und herumschwärmen. Doch genug hievon.

Zu dem Beschluß der Geschichten aus den alten Schriftstellern wollen wir noch eine sehr kurze Erscheinung aus dem Cicero L. II. de Divinat. beybringen. Sie ist folgende: Ein Bauer ackerte das tarquinische Feld, und da die Pflugscharr etwas tiefer in die Erde hineingedrungen, kame aus selber ein Knab hervor. Der erschrockene Bauer schrie so heftig, daß das hetrurische Volk häufig herbey geloffen ist, welchem versammelten Volk Tages (so hieß der aus der Erde hervorgekommene Knab) die Kunst gelehret, aus dem Vogelgeschrey zukünftige Dinge wahrzusagen. Diese Lehre hat man nachmals ausgeschrieben, und von dieser Erscheinung und erhaltenen Lehrsätzen ist die Kunst der Wahrsagung aus dem Flug und Geschrei der Vögeln entstanden. Die ganze Geschichte ist ein Gedichte, mit welchen man den Ursprung dieser Wahrsagerkunst angegeben hat: sie begreifet aber doch so viel Wahrhaftes, daß der Knab Tages von 12. Jahren den hetrurischen Völkern die Afterkunst aus dem Flug und Geschrey der Vögeln wahrzusagen gelehret habe, c)[65] Die Erscheinung, und das [Ξ] Wunderbare, welches diese Erzählung in sich enthält, glaubet Lucanus von Tages selbst erdichtet zu seyn.

- - - - - Conditor artis

Finxerat ifta Tages.

Mich deucht, daß so viele alte Geschichten schon vielen einen Ekel verursachet haben. Wir wollen also die alten Geschichtschreiber hinweg werfen, und aus den neuern ganz neue Waaren auslegen.

Einen schönen Vorrath liefert uns der bekannte Delrio und Disques. mag. L. II. Q. 26. Sect. 2. leget er uns folgende Geschicht vor: ein Adelicher am Rhein, ein unerschrockner und herzhafter Ritter, hat viele Fehden unternohmen, deßwegen er nur bey Nachtszeit an andere Oerter seine Reisen anstellte. Einmals ritte er durch einen Wald bey dem Rhein, und ehe er das Ende desselben erreichte, schickte er einen von seinen Knechten voraus, um zu sehen, ob nicht einige an dem Ende des Walds verborgen wären, die ihn hinterlistig überfallen könnten. Der Knecht folget dem Befehl seines Ritters, und er sah bei hellen Mond und dem Licht der Sternen, daß ein ganzes Kriegsheer dem Wald herannahe. Er eilet so gleich mit dieser Nachricht zurück, und hinterbringet selbe seinem Herrn, es ist gut, sagte dieser, wir wollen uns in der Stille, und verborgen halten. Nach einer Weile, da das Heer vorbei gezogen, verliessen sie den Wald, und sie sahen auf freien Feld einen Reiter, der noch ein Pferd an der Hand hatte. Sie nähern sich diesem, der adeliche Ritter betrachtet ihn, er fraget: bist du nicht mein Roch, der vor kurzer Zeit verstorben ist. Ja, antwortet dieser, ich bin es. Und was machst du hier? und wer sind diejenigen, die da vorbey gezogen? Es sind antwortet der Befragte, diese und jene adeliche Herren, [Ξ] welche er mit Namen nennte, und wir müssen diese Nacht noch einen Zug nach Jerusalem machen, denn dieses ist uns zur Strafe auferleget. Willst du mit, so ist dir dieses Pferd zu Diensten. Der adeliche Herr nahm das Anerbieten an, und setzte sich unter den Worten: ich habe in meinem Leben schon viele wunderliche Sachen angefangen, so will ich auch dieses nicht ausschlagen: auf das Pferd, und beide wurden in einem Augenblicke den Augen der Knechten entrissen. Den andern Tag um die bestimmte Zeit waren beide wiederum an dem nämlichen Orte, und der adeliche Herr bei seinen Knechten, der Koch nahme auch von selbem Abschied und sagte: daß du nicht vermeinest unsere Reise sey nur ein Einbildung gewesen, so will ich dir zwo seltene Sachen zu einem Angedenken ertheilen. Hier hast du ein Tüchlein aus Salamandra (Asbest oder Steinflachs) gemacht, welches in dem Feuer unverletzt bleibet, und durch das Feuer von allem Schmutz gereiniget wird, wie auch ein Messer, welches behutsam brauche, denn der mit diesem Verwundete wird vergiftet. Da er ihm diese zwey Stück gegeben, ist er verschwunden. Delrio fol. 294. vermeinet, daß der Satan in die Person des Koches sich verstellet habe, und in dieser Meinung bestärket ihn das Messer, welches sowohl diesem adelichen Herrn selbst, als andern sehr schädlich seyn könnte. Andere halten dafür, daß es die Seele des Koches gewesen seye; weil dieser der Schankung die Ermahnung beigeleget: Er sollte das Messer behutsam brauchen. Welche gute Ermahnung ein böser Geist wohl wurde unterlassen haben.

Wenn ich meine Meinung beisetzen darfte, so wurde ich sagen, daß die ganze Geschichte wegen ihren Umständen so gut als das Mährchen von der geraubten Prinzeßinn und dem starken Zwerge, welches die Amme mit aller glaubwürdigen Treuherzigkeit [Ξ] meinem kleinern Bruder so oft erzählet hat, in das Buch der Fabeln gehöre. Denn wer ist dann der große Ritter? wann ist diese Geschichte geschehen? was hat der Ritter zu Jerusalem gesehen? was haben die andere von dem großen Zug dort gemacht? aus welchem Absehen hat der Koch, seinen Herrn mitgenommen? war es nur auf dessen Seite eine bloße Spatzierreise? Die Glaubwürdigkeit dieser wundervollen Erzählung erforderte nothwendig die Anzeige dieser Umstände, die die Wahrheit der Begebenheit auf irgend eine Weise unterstützen könnten. Zu dem kann diese Geschichte ohne Wunderwerk nicht glaubwürdig seyn. In einer halben Nacht von dem Rheinstrom nach Jerusalem zu reisen, und in der andern Nacht eine Ruckreise zu thun, kann natürlicher Weise ohne Hemmung des Athem, und ohne Auflösung des Körpers durch übermäßige Erhitzung und Reibung an den Lufttheilchen nicht geschehen. Wer wird aber dieser ohnehin verdächtigen Geschichte, und diesem irrenden Ritter zu gefallen ein Wunderwerk zulassen? Man siehet also, wie diese Geschichte, wenn man nur ein wenig durch eine kritische Untersuchung selbe entwickelt, eine Geburt der Leichtglaubigkeit sey, welchem ihre eigene Umständ allen Glauben benehmen müssen.

Zu dieser Gattung der Geschichten gehören auch jene, in welchen die erscheinende Geister mit protestantischer Zunge reden, dergleichen man in der lesungswürdigen Historie von den schwedischen Gefangenen in Rußland und Siberien p. 147. bei Erasmus Francisci, Beaumont Baxter, und in den wahrhaften Nachrichten von einigen Geistern und Gespenstern findet, wo absonderlich die Geschichte, die Anno 1705. dem Herzog Christian zu Sachsen Eisenberg begegnet seyn solle, merkwürdig ist.

[Ξ] Aus eben diesem Buche will ich noch eine Nachricht anfügen, welche dem Leser nicht unangenehm fallen wird. Ich liefere den Innhalt derselben, wie ich ihn finde; Unter vielen Städten, die an der Donau liegen, befindet sich auch die Stadt Tuln, von deren Schlosse, welches anjetzo wegen eines unruhigen Geistes, so allda seine Wohnung aufgeschlagen, wüste und unbewohnt stehet, wird folgendes berichtet. Heinrich, ein alter Oesterreicher von Adel, war der Eigenthumsherr dieses Schlosses, welcher solches einige Zeit mit seiner Familie bewohnet, weil sich aber alle Montage eine große Unruhe, ein heftiges Poltern in demselben zu regen pflegte, sahe er sich genöthiget, seine bisherige Wohnung zu verlassen. Er hatte zwar allen Fleiß angewendet, dieser verdrüßlichen Sache los zu werden; zumal, da er deßwegen kein Gesinde mehr in seinen Diensten erhalten könnte; jedoch wollte er mit Geisterbannern, Schatzgräbern und dergleichen Leuten nichts zu schaffen haben. Er überlegte also die Sache ins Geheim mit einem Barfüßermönch, welcher wegen seines gottseligen Wandels bei jedermann im großen Ansehen stunde. Dieser Ordensmann verlangte von dem Edelmann, daß er sich mit seiner ganzen Familie auf eine Zeitlang aus dem Schlosse entfernen möchte; er selbst aber erboth sich inzwischen auf diesem Schlosse zu verbleiben, wenn man ihm nur etwas von nothwendigen Lebensmitteln zurücklassen wurde. Wie nun der Edelmann ihm hierin zu willfahren sich kein Bedenken machte, verfügte sich der Mönch in Begleitung eines Mitgliedes von seinem Orden in das Schloß, um zu erwarten, bis der unruhige Montag anbrechen wurde. Alsdenn machte er sich fertig mit seinen geweihten Lichtern und übrigen zum Exorcismo erforderten Nothwendigkeiten, und zündete seine Kerzen bei Tage an, um die regierende Geister, wenn sie von [Ξ] einer guten Art wären, dadurch anzulocken, c)[66] oder vielmehr die widerwärtigen durch dieses Mittel abzutreiben, den Tag hindurch ware alle Bemühung vergebens; sobald aber die eilfte Stunde der Nacht angebrochen ware, ließ sich bereits einiges Gepolter und Werfen hören, worüber der Gefährte unsers Exorcisten in solche Angst und Schrecken gesetzet wurde, daß er darüber das Buch und Weihkessel aus der Hand fallen ließ, und beinahe der Exorcist in Unordnung gebracht wurde. d)[67] Hierauf folgte bald ein anderer widriger Zufall, da ihm ein unvermutheter Wirbelwind seine Lichter auslöschte, und zugleich die Kapuce nebst dem Chorhemde voneinander, und die Geisterpeitsche hinweg gerissen: e)[68] er blieb unter währendem diesen Sturm bei halb scheinenden Mondslicht zitternd und bebend stehen. Und da er sich kaum von seinem Schrecken erholet hat, hörte er durch die anstossende Zimmer ein großes Geräusch einiger hinter einander laufenden Personen heran nahen. Die erste von derselben in einem weissen Hemde sprang auf den Exorcisten los, und fuhr wie ein Wind vorbei, [Ξ] auf den Rucken derselben aber erblickte er, daß das Hemd voller Blut war, und sahe bei dem Mondschein, daß ein Dolch in der Wunden steckte; auch kam es ihm eigentlich vor, als wenn die Haare derselben, welche wie von einer Weibsperson lang herunter hiengen, vom Blute zusammen kleppten, ungeachtet dieses grausamen Anblicks faßte er Muth, den Geist um seinen Zustande, und was sein Verlangen wäre, zu befragen. Derselbe gab ihm hierauf mit ganz leiser Stimme zur Antwort: Du kannst mir nicht helfen, wenn ich dir gleich die Ursache meines Todes sage, indem mir meine Bekanntniß nichts nutzen kann: frage aber diesen, der nach mir kommen wird. Nach diesen Worten wurde der Geist mit Erzitterung des ganzen Gemachs durch ein von aussen kommendes Gepolter gleich einem starken Winde aus den Augen des Mönchs fortgetrieben: es stellte sich aber alsobald wieder ein anders Gesicht dar, welches in eben dergleichen Tracht mit zerstreuten Haaren, und von vorne mit Blut benetzet erschien. Dieses sahe dem Exorcisten mit blassem Angesichte scharf in die Augen, weil aber derselbe nunmehr, da es mit dem ersten Gespenste gar gut abgelaufen ware, schon mehrern Muth bekommen hatte, fragte er auch diesen Geist ganz beherzt: Was er hier in dem Schlosse machte, und was sein Begehren wäre: derselbe antwortete hierauf: Zünde deine Lichter an, darnach will ich dir Antwort geben. Der Exorciste ließ sich hierauf von seinem Gefährte das Feuerzeug geben, unter währendem Feuerschlagen hat der Geist so tief geseufzet, daß es aus dem innersten des Herzen hervor zu kommen schiene. Da nun die Lichter angezündet waren, sahe er ein Weibsperson im bloßen Hemde, f)[69] wie [Ξ] die erste gewesen, vor sich stehen, jedoch mit diesem Unterscheid, daß jene die Wunden und das Blut auf dem Rucken, diese aber vorn auf der Brust hatte. Da er nun diesen Geist ebnermaaßen befraget: was dann sein Thun und Lassen in diesem Schloß wäre? warum sie selbes beunruhigten, und wodurch ihnen könnte geholfen werden? bekam er von dem Geiste diese Antwort: Ich bin von meinem gewesten Herrn unschuldig ermordet worden, weil er geglaubet, ich hätte seiner Gemahlinn Gelegenheit zu dem schändlichen Ehebruch gegeben, in welchem er sie mit - - - ertappet hatte; der Ehebrecher war ihm entwischet, und weil seine Gemahlinn zugleich mit ihm entfliehen wollen, hat er sie in eben dem Zimmer, aus welchem sie anjetzo heraus gekommen, mit einem Dolche durch den Rücken geworfen. Er könnte aber seine Rache an dem Entloffenen nicht abkühlen, daher er im Grimm auf mich als Kammermägdchen mit einem ihm zur Hande gekommenen Degen losgieng, und mir denselben im Bette dreymal durch die Brust stieß, daß ich dergestalt in meinem Blute ersticken mußte. Damit aber dieser gedoppelte Mord nicht an den Tag kommen möchte, hat er beide Körper nebst der blutigen Kleidung in den alten tiefen Brunnen mit eigenen Händen geworfen, und die Zimmer, worinnen solches geschehen, beständig verschlossen gehalten, auch vorgegeben, als wenn sowohl seine Gemahlinn als ich mit dem Buhler durchgegangen wären. f)[70] Es hat auch die Stadt dieses glauben müssen, da keine von diesen drey Personen wieder zum Vorscheine gekommen; er selbst aber traute sich nicht sicher zu [Ξ] seyn, begab sich also unter vorgeschütztem Entschluß, als wollte er uns auf der Flucht nachsetzen, vom Hause weg, nachdem er so viel an Baarschaft zu sich genommen, als zu seinem Vorhaben erfordert wurde. Seinen Weg nahm er nach dem Ländgen ob der Ens, allwo er sich in ein Kapucinerkloster verfügte, um an diesem einsamen Ort seine Sünde zu bereuen, nachdem er vorher nichts von seiner Ankunft zu melden befohlen hatte. Einige Zeit darnach ließ er an die Regierung eine Ceßionsschrift mit seinem Insiegel und Unterschrift abgehen, worinnen er sich erklärte, daß er die Herrschaft dieses Schloss seines verstorbenen Bruders hinterlassenem Sohne hiemit übergeben wollte. Von dem letzten nun ist der jetzige Herr ein Enkel, wo aber mein ehmaliger Herr hingekommen sey, und sich anjetzo befinde, daß weis ich nicht. Ich selbst lage viele Jahr in einer stillen Ruhe, und wußte selbst nicht, wie mir geschehen war, bis endlich meine gewesene Frau in meinem halb verfaulten Körper zu rasen angefangen, ff)[71] welche Tag und Nacht keine Ruhe hat, doch aber ihre Gewalt in diesem Schlosse nicht verüben kann, ohne nur an dem Tage, und in der Stunde, da sie von ihrem Ehegemahl in der Schandthat angetroffen, und in der größten Rachbegierde gegen selben verschieden ist. Gieb dir nur keine Mühe ihrentwegen mein lieber Mönch, du kannst ihr keine Ruhe verschaffen, wohl aber mir, wenn du meine Gebeine aus dem alten Brunnen wirst aufsuchen lassen, wobei du, um sie [Ξ] von den ihrigen zu unterscheiden, dieses Merkmaal finden wirst, daß sie in einem blutigen Bettuch eingehüllet sind, diese sollst du in dem Nonnenkloster des H. Dominicus unter der großen Lampen begraben lassen, alsdann wird dieses Schloß von mir weiter keine Unruhe verspüren. Jene aber wird fortfahren zu rasen, indem sie an diesem Orte ihr Gericht erwarten muß; thue was ich dir sage, sonst kommst du selbst in Unruhe. Da sie kaum ausgeredet hatte, schlug die Uhr Zwölfe, und sie verschwand vor des Mönchs Augen, worauf sein tief eingeschlafener Mitbruder auch wieder erwachte. g)[72] Sie wüßten beide nicht, wie ihnen geschehen war, und hatten sehr vonnöthen, ihr Herz wieder mit etwas Wein zu erquicken, sonderlich sehnte sich der Wachende nach diesem ausgestandenen Sturm nach der Ruhe. Damit er nun des folgenden Tages ordentlich in der Sache verfahren möchte, meldete er zwar dem Eigenthumsherrn des Schlosses, welcher sich eine halbe Stunde davon auf einem Landgute aufhielte, was er die vorige Nacht gesehen habe, wollte aber die vornehmsten Umstände nicht eher entdecken, bis er in dem angezeigten Brunnen hätte nachsuchen lassen, da dieses geschahe, fande er alles auf die Art, wie es von dem Geist war berichtet worden; die Knoche und der Hirnschedel [Ξ] lagen in einem halb vermoderten Bettuch eingewickelt; h)[73] darneben fand man hin und wieder zerstreute Gebeine und einen Hirnschedel, welche der Mönch besonders herausschaffen ließ. Nunmehr trug dieser auch kein weiteres Bedenken die übrigen Umstände seines nächtlichen Gesichts ausführlich zu erzählen, da sich dann auf fleißiges Nachsuchen die Ceßion und eigene Handschrift dieses unglücklichen Herrn, welche er im Kloster ausgefertiget hatte, unter vielen anderen Briefschaften antrefen ließ, und erhellete daraus, daß von derselben Zeit an bereits 87. Jahr verflossen wären. Die Gebeine des Kammermägdchen wurden an die verlangte Stelle gebracht, und zum Merkmaal mit einem viereckigten weissen Stein beleget, welcher den Reisenden noch heutiges Tages gezeiget wird. i)[74] Die übrigen Knochen hingegen sind unter einem Scheidwege ausser den Gränzen dieser Stadt begraben worden. Dem ungeachtet blieb das Schloß in dem vorigen Zustande, daß man auch das Gepolter wie vorhin von weiten vernehmen könnte; und war der Ort, wohin man die gestreuten Gebeiner verscharret hat, von unruhigen Zufällen nicht befreiet; denn ob gleich keine Landstrase darüber gieng, so mußten doch [Ξ] manchmal Hirten und Holzschläger ihren Weg dadurch nehmen, welche nicht allein oft bei Nachtzeit in die Irre geführet, sondern auch wohl gar mit derben Maulschellen versehen, oder sonst durch unsichtbare Gewalt übel sind zugerichtet worden. Die Herrschaft hielt daher für rathsam, daß die Knochen wieder in den vorigen Brunnen geworfen, das Schloß aber, welches ohnedem sehr baufällig war, größtentheils niedergerissen, und der Zugang zu demselben vermauret würde. Hierbei ist dieses noch sonderlich zu verwundern gewesen, daß, da man die besten Steine davon hat wegbringen wollen, der Geist mit so heftigen Wüthen und Werfen sich widersetzet hat, daß die Arbeitsleute unverrichteter Sachen haben abziehen müssen. Die ganze Geschichte befindet sich in dem Archiv einer gewißen vornehmen Familie, weil aber so groß Verbrechen nach vielen Jahren den Nachkömmlingen zu einiger Beschimpfung hätte gereichen können, so hat man den Namen derselben mit Stillschweigen übergangen.

Ich bin recht müde von Abschreibung dieser langen Geschichte, von welcher man in Tuln nur so viel weis, daß es eine Sache der Leichtgläubigen seye. Und wer soll glauben, daß GOtt ein beständiges Wunder in dem alt zerfallenen Schlosse wirke, da er der Seele der verdammten Ehebrecherinn alle Montage die Gewalt und die Kräften ertheile, durch ein Getöse und Gepolter sich hören zu lassen, und in einem aus Luft gestalteten Leibe in dem Schlosse herum zu laufen? Man saget freilich, es geschehe öfters, daß zur größerer Peyn und Strafe aus gerechtem Urtheile GOttes einige verdammte Seelen an jenen Orten sich aufhalten, und erscheinen müssen, wo sie ihre sündliche Muthwillen verübet haben. Allein sollten sie sich nicht vielmehr sichtbar demjenigen darstellen, mit dem sie gesündiget haben, zu ihrer und des Mitsünders größter Strafe? Und warum strafet GOtt durch dieses Urtheil [Ξ] auch diejenigen, die an der Sünde keinen Antheil hatten, da durch dergleichen Erscheinungen, eines an ein gewißes Haus angebundenen und erscheinenden Geistes, der Herr des Hauses, und die Einwohner durch Schrecken, Furcht, Aengstigkeit und übeln Ruf des Hauses die härteste Strafe empfinden müssen? Ist es ein Urtheil GOttes, daß der Geist zur sonderbarer Strafe sich einfinden muß, an dem Orte, wo er gesündiget hat? wie soll durch Verbannung ein Geist vertrieben werden können? Und soll wohl der Mensch durch Beschwörung die gerechteste Urtheil GOttes abändern, oder die Strafen mildern können? Ist dieses den Verdammten eine sonderbare Peyn, wenn sie sich an dem Sündenorte einfinden müssen? Warum finden sich die HH. GOttes zu ihrer sonderbaren Freude nicht in denjenigen Orten ein, wo sie GOtt mit aller Inbrünstigkeit gedienet, und gelobet haben? Antwortet man, daß die Anschauung GOttes, und die Freuden des Himmels schon alle Freuden und Vergnügenheiten in sich begreifen; so kann ich auch sagen, daß die Beraubung der Anschauung GOttes, und die Peynen der Höllen schon die größte Strafe seyen. Wollte aber GOtt durch den Anblick des Ortes, wo die Sünde verübet worden ist, die Seelen strafen; so glaube ich eher, daß dieses in der Hölle durch eine beständige Vorstellung des Ortes, wo sie gesündiget, geschehen möchte, und daß sie in der Hölle das peynigende Angedenken des Ortes, und nicht in dem Orte der Sünde, und also außer der Hölle die Peynen der Hölle mit sich herum tragen, welches erstere ich um so lieber behaupten wollte, da es sich ohnehin sehr schwer erklären läßt, wie die verdammte Geister die Peynen der Hölle auf Erden empfinden, und einige der Gottesgelehrten bei dem heiligen Thomas Q. 64. Q. 4. ad. 3. sogar davorhielten, daß die verdammte Geister auf der Erde von den Peynen der Hölle befreiet seyen; andere zu einer schmerzhaften durch das Feuer eingedrückten Qualität ihre Zuflucht nahmen, [Ξ] und einige gar eine actionem in distans von der Hölle bis auf die Erde erdacht haben.

Man kann endlich noch sagen, daß GOtt diese Erscheinungen der Ehebrecherinn an dem Orte, wo die Sünden sind begangen worden, verhänget habe, damit dadurch andere von ihren Sünden abgeschrecket der Verdammniß entgehen möchten. Ich will auf diesen Einwurf keine andere Antwort ertheilen, als jene, welche der Vater Abraham in der Parabel Lnc. 16. dem reichen verdammten Prasser gegeben hat. Dieser bath Abraham, er möchte doch Lararum zu seinen fünf Brüdern schicken, damit er sie von ihrem ruchlosen Leben abmahnen, und sie an das Ort der ewigen Quaal nicht kommen möchten. Er müßte aber hören: Zwischen uns und zwischen jenem ist eine sehr große Finsterkluft befestiget, also, daß diejenigen, welche gerne hinüber gehen wollten, nicht können, und sie haben Moysen und die Propheten, und wenn sie diese nicht hören, so werden sie auch nicht glauben, wenn jemand von den Todten wurde auferstehen. Diese große Kluft ist auch annoch befestiget, und wir haben die Lehre Christus des HErrn, der Aposteln und Propheten, und wird der Gottlose diesen nicht glauben, von seinen Sünden abstehen, und sich bessern, so wird er auch den Geistern nicht glauben, oder durch ihre Erscheinungen beweget werden etc. Doch genug von dieser in dem Schlosse bis auf den jüngsten Tage herumpolterenden Ehebrecherinn, und von dieser Geschichte, welche ohnehin in dem Orte selbst, wo selbe sich ereignet haben solle, wenig Glauben und Beifall findet. Wir wollen also andere Geschichten und Erscheinungen auf die Bahn bringen, welche vorhin den allgemeinen Glauben hatten, und welchen noch sehr viele ihren Beifall schenken.

[Ξ] Wie viele Leute werden nicht von den Nachtmännlein oder dem Alpe beunruhiget? Der Sage nach ist dieses eine garstige unförmliche Bestie, welche des Nachts den Leuten in den Betten erscheinet, auf sie fällt, sie drücket, peyniget, schlägt, kneipet und sich von ihnen tragen läßt, so lange bis es genug ist. Diese Sage wird noch jetzt von sehr vielen bestättiget, und was will ein Geisterläugner dagegen einwenden, ruffet Orgon, wenn man die blauen Flecke, die Striemen, die Wunden, und so viel andere Spuren einer erlittenen Gewaltthätigkeit an Leuten siehet, welche des Nachts von einem Alp gepufft, gepeitscht, gekratzt, und aufs übelste gemishandelt worden sind? Wie kann ein Alp handgreiflichere Beweise seines Daseyns geben? Es ist wahr, mein Herr Orgon, wenn ihre Frau mit dergleichen Beweisthümern darthäte, daß sie einen bösen Mann hätte; so glaube ich nicht, daß es jemand in Zweifel ziehen wurde: aber eben diese Beweise, welche mich wurden glauben machen, daß sie von ihrem bösen Manne geplaget wurde, können mich nicht bewegen, daß ich glaube, daß sie von dem Nachtmännlein geplaget und beunruhiget werde. Werden sie nicht böse auf mich. Ich will andere statt meiner reden lassen, und vieleicht haben diese das Glück, sie von den Irrthümern zu befreien, die ihnen die großmütterliche Philosophie so tief in den Kopf gesetzet.

Herr Professor zu Leyden Albini in Dissert. de Incubo §. 3. redet also von dem Nachtmännlein: Kluge Leute haben jederzeit die Unwissenheit für eine Mutter der Verwunderung gehalten, denn wo der Seele ein ungewöhnlicher und außerordentlicher Vorwurf sich darbietet, ist selbe hurtig und aufmerksam zu desselben Erforschung, und weil sie die natürliche Ursachen dazu wegen der vielerlei und manigfaltigen Begebenheiten nicht allemal errathen kann; so giebt Verwunderung und Verzweiflung [Ξ] an die Hand, ein solches Werk dem Teufel zuzuschreiben. Daß es in der Medicin auf gleichen Schlag hergehe, liegt zu Tage; denn nicht allein in den alten Zeiten, sondern auch noch heutiges Tages bei vielen Aerzten die schlimme Gewohnheit eingerissen, daß, wenn die Ursache der Krankheit etwas von dem gemeinen Wege abweichet, und etwas ungewöhnliches anzuzeigen scheinet, man alsogleich die Sache ohne Bedenken auf den Teufel schiebet. Eben also ist es auch dieser Krankheit dem Nachtmännlein oder dem Alp ergangen. Der arme Teufel!

Es ist also nach Meinung dieses gelehrten Arzten der Alp keine Erscheinung von dem Teufel und kein Gespenst, sondern, wie der trefliche Sylvius Prax. med. L. II. c. 32. schreibet, nur ein Uebel, das den Menschen im Schlafe sehr drücket, als wenn ihm ein große Last auf der Brust lege, und ersticken wollte. Aber woher kommet dann der Alp? und wie kann ein solches Ubel den Menschen mit Striemen und blauen Flecken bezeichnen? Diese Fragen beantwortet der angenehme und grundgelehrte hamburgische Arzt Unzer in seiner medicinischen Wochenschrifte der Arzt genannt. In dem 4ten Theil p. 543. redet er also: Den Alp muß ich in die Reihe der Undinge setzen, nachdem die Aerzte gefunden haben, daß ein ängstlicher Traum, welcher von ganz natürlichen Ursachen herrühret verschiedene Gewaltthätigkeiten an einem Schlafenden ausüben kann. Wenn vollblütige Leute mit dem Kopf zu niedrig, oder zu lange auf dem Rücken liegen, so empfinden sie eine Beängstigung, weil ihnen das Athemholen beschwerlich wird, und diese beschwerliche Empfindung setzet die Einbildungskraft in Bewegung, welche sich mit leichter Mühe Gespenster und Unholden erdichtet, denen man die Quaalen zur Last leget, die man aus sich selbsten leidet. Daß dieses alles die Wahrheit seye, erhellet daraus, weil sich ein jeder den Alp durch die Kunst machen kann, [Ξ] so oft es ihm beliebet, wenn er es nur so einrichtet, daß er im Schlafe große Beängstigung ausstehen muß. Wenn man sich nach einer starken Mahlzeit von lauter blähenden Speisen zu einer Zeit, da man sehr vollblütig ist, mit schwermüthigen Gedanken in ein schlecht gemachtes Bette auf dem Rücken, und mit dem Kopfe zu niedrig legt; so wird man bald zu träumen anfangen, daß uns eine ungeheure Gestalte mit ihrer Last erdrücken, uns die Brüst zusammen schnüren, die Glieder fest halten, und uns ersticken, und umbringen wolle. Man empfindet alle diese Sachen wirklich. Nur das erdichtete Gespenst, wovon man sie herleitet, ist falsch. Daher ist es kein Wunder, daß man des Morgens die Spuren von Gewaltthätigkeiten siehet, welche man wirklich erlitten hat, durch die Befreiung von der Vollblütigkeit, durch hinlängliche Ermüdung zu einem tiefen und sanften und von Träumen freien Schlafe, durch eine gehörige Lage des Körpers im Schlafe, durch mäßige Abendmahlzeiten von leichten Speisen, durch alle die Mitteln, welche das Blut verdünnen, die Brust befreien, das Athemholen erleichtern, die Verdäuung befördern, die Hindernisse des Umlaufs des Bluts aus dem Wege räumen, und die Krämpfe verhüten, kann man den scheußlichen Alp in kurzer Zeit vertreiben. Seit dem die Aerzte dieses gethan haben, ist er von vielen Leuten gewichen, und es scheinet, daß er sich nur bloß annoch bei dem Pöbel, geringen und ungelehrten Leuten einfinde.

Was sagen sie nun zu diesem Hr. Orgon? ich weis, sie wollen nicht ungelehrt und pöbelhaft denken, ich bitte sie also, sie wollen sich nicht mehr so weit herablassen, daß sie glauben, der Alp oder das Nachtmännlein seye ein Gespenste, damit sie sich durch diese Meinung nicht mitten unter dem Pöbel setzen. So allgemein aber bei diesen aufgeklärten Zeiten die Meinung der Gelehrten ist, daß der Alp ein Unding seye, und so einhellig diese das Nachtmännlein [Ξ] aus der Zahl der Gespenster ausmustern, so sitzet doch das Vorurtheil für dem Alp noch nagelfest in dem Herze des Pöbels, und ich bin selbst einmal für einen Atheisten gehalten worden, weil ich unvorsichtiger Weise lächelte, als mir ein angesehene Frau sagte, daß sie heut zu Nachts der Alp jämmerlich gedrucket und ein Gespenste abgeängstiget habe. Es wäre zu wünschen, daß dergleichen Vorurtheile sich nur in jenen Hütten einfinden möchten, wo Barbaren, rohe Sinnen, Faulheit, und ein übel geratener Fleiß herrschet. Allein wer kann den Vorurtheilen Schranken setzen! Sie haben weiters um sich gegriffen, und Männer, die mit Witz und Weisheit wuchern wollen, die den Verstand zu bearbeiten, aufzuräumen, seine Kräften zu schleifen, und sein Vermögen zu schärfen sich bemüheten, haben selbe beherberget.

Sehr viele Geistergeschichten, mit welchen diese manches gelerte Buch verunzieret haben, könnte ich als Zeugen meiner Worte herstellen. Aber die Menge derenselben schrecket mich ab, durch deren Zeugnisse meine Aussage zu belegen. Aus sehr vielen werde ich dennoch eine Gattung der Geister auftretten lassen, die die Menschen noch grausamer als der Alp mishandelt, und die zugleich einen Beweis geben werden, wie die Vorurtheile durch viele Jahrhunderte die Gelehrte betrogen haben. Es sind diese die schmätzende Tode, die Vampyren, oder die sogenannte Blutsäuger. Wer nicht weis, was sonst die gelehrte Welt von diesen gehalten, und wie fest sie deren Wirklichkeit behauptet hat, den muß ich für einen Fremdling in den Geschichten halten. Man erzählet, daß diese Gattung Geister ihre Grabtücher, Todenhembder, und anders Leichgeräthe beflecken, und mit lauten Schall nicht anders als die Schweine schmätzen, und zugleich dadurch demjenigen, welchem die Sache eigen ware, so ihnen in das Maul geschoben worden, oder welche sie mit selben erlangen können, dadurch den [Ξ] Tod zuwegen bringen, k)[75] oder auch die herannahende Pest bedeuten und verursachen.

Einige dieser Geister stehen auch von ihrem Grabe auf, erscheinen und beunruhigen die Menschen, saugen ihnen das Blut aus, oder wie die Alten dafür hielten, fressen sie das Herz. Kormann de Miraculis mortuorum, Hagetz in der böhmischen, Woller in der Stadt freiburgischen Kronick, Zeiller, Stockmann und viele andere bei dem gelehrten Ranft in seinem Tractat vom Kauen und Schmatzen der Todten wissen uns eine Menge Sachen von diesen Geistern zu erzählen. So einig die Gelehrten in Behauptung der Wirklichkeit dieser Geister waren, so uneinig waren sie, wenn sie die Sache selbst erklären, und den Gründen und Ursachen nachspüren sollten. Einige sagten, daß diese erscheinende Geister Teufels-Gespenster, Betrügereien und eine Bosheit des Satans seyen. Andere schoben diese Erscheinungen auf die Bosheit der Zauberer und Hexen, und diejenigen, die von dem Ubernatürlichen bey dergleichen Begebenheiten ein Abscheu trugen, erklärten die Sache natürlich, und haben das Blutaussaugen einer Sympathie der Todten zwischen den Lebendigen, wie das Fließen des Bluts eines Leichnams in Anwesenheit des Mörders einer Antipathie zugeschrieben, und mit diesem Beispiele ihr [Ξ] Lehrgebäude befestiget. l)[76] Kaiser Joseph dem Ersten glorwürdigsten Angedenkens wurden von den Gelehrten die vampyrischen Geschichten und die Wirkungen dieser Geister durch den Astralgeist ll)[77] erkläret, und diesem alle Schuld beigemessen. Bis endlich die Klugheit und Weisheit der großmächtigsten weisesten und unüberwindlichsten [Ξ] Kaiserinn und apostolischen Königinn Maria Theresia diesen Nebel des Irrwahns zertheilet, da allerhöchst Dieselben 1755. aus dem preiswürdigsten Triebe für das Wohl ihrer Völker, durch eigends abgeschickte Commissarien die Sache gründlich prüfen, alle Umstände genau bemerken, und die vampyrischen Begebenheiten aufmerksam untersuchen ließen, welche der durch seine grundgelehrte Schriften verewigte Freyherr van Switten der begierigen Welt getreulich bekannt gemacht, m)[78] wo sich dann veroffenbaret hat, daß dieses schädliche Uebel, und diese Geister nur allein in der verkehrten Einbildung ihren Sitz hatten, welche die Todte lebendig, und die Unschuldigsten zu Vampyrn machte, welcher Einbildung vorhin nicht anders könnte geholfen werden, als daß man dem Leichname eines vermeinten Blutsauger ein Pfahl durch das Herz treiben, oder den Kopf mit einem Grabscheid abstechen, oder selben gar verbrennen müßte, n)[79] Auf welches die [Ξ] Befreiung von dem Vampyr erfolget, und den Beunruhigten Ruhe verschaffet, und also die Einbildung durch eine stärkere Einbildung getheilet wurde, o)[80] Allein diese schreckliche Mishandlungen an den Körpern der Verstorbenen, die die vorigen Zeiten beflecket haben, werden in unsern Tagen nicht mehr gestattet, die [Ξ] Klugheit der großen Weltweisinn hat durch andere Mitteln den Wahnwitz und Aberglauben, die Furcht und Bethörung verjaget, die kleinglaubige und einbilderische Gemüther marterten. Man weis in Ungarn nichts mehr von den Hexen, und die Furcht von den Vampyrn ist verschwunden, p)[81] Hätten die Völker, die sich [Ξ] vor dem klugen Zepter dieser Monarchinn beugen, keinen andern Grund sich glücklich zu schätzen, und ihre Zunge zu ihrem Lobe aufzulösen, so wurde die Vertilgung des Aberglauben, die Verbannung der Vampyrn selben hinlänglichen Stoff reichen, ihre Monarchinn zu rühmen, und sich glücklich zu preisen.

Nach diesen beleidigenden grausamen und schädlichen Geistern wollen wir einen Geist aufführen, der mit den Menschen gesellschaftlich sich betraget, mit Kurzweil denselben aufmuntert, seinen Rath, Hilf und Wissenschaft freundschaftlich anbietet, und keinen Schaden zufüget. Und wer ist dieser? Es ist der berühmte Riebenzahl. Dieser Geist hat seinen Wohnsitz auf dem Riesengebirge aufgeschlagen. Balbinus in Miscellaneis Bohemicis Lib. 1. c. 6. §. 4. kann nicht genug von ihm erzählen, und die schlesische Kronick aus dem vorigen Jahrhunderte hat viele seiner irrenden Ritterthaten aufgezeichnet, und ich wurde selbe so wenig als die Thaten des Don Quixote in diese Blätter einschränken können, wenn ich hier alle seine Erscheinungen, Artigkeiten, Betrüge, Schärze, Gespäß, und seinen erzeigten Großmuth, oder ausgeübte [Ξ] Rache hier beisetzen sollte. Nur soviel will ich mit wenigen sagen, daß, was die Poeten von dem Proteus erdichtet haben, bei diesem Gespenste zur Wahrheit geworden sey. Bald erscheinet er als ein Mönche, bald als ein Bergknapp, bald stellet er einen Jäger, bald ein sehr kleines Männlein vor, und bald ist er ein Pferd, oder ein Krott, und bald ein Hirsch, ein Hahn, ein Rab. Doch hat er allezeit so viele Leutseligkeit und gesellschaftliches Wesen, daß er die Gestalte eines Thiers niemal erwählet, er werde dann erzürnet, oder verspottet. Aber wehe dem Spottenden, wenn sein Zorn gegen ihn entbrinnt. Er erschrecket durch seine thierische Gestalt. Er führet auf irrige Wege. Der Himmel muß sich in schwarze Wolken verhüllen, und durch Blitz, Donner, und einen häufigen Platzregen selbst seinen Unwillen zeigen. So gar in dem heissesten Sommer strafet er durch die strengste Kälte die ihm angethanene Unbilde. So gewiß, nach meinen Begriffen, bei diesen sich ergebenden Vorfallenheiten ist, daß Riebenzahl die Kraft Wunder zu wirken haben müsse; so ungewiß ist bei den Gelehrten sein Ursprung und die Meinung, ob er ein guter oder böser Geist seye. Einige sagen, daß er von einem Mönchen, der glaubte, daß dieses Gebirg nicht bewohnet würde, dahin verbannet worden, damit er keinen Menschen mehr schaden könnte, und daß diese Begebenheit in der Grafschaft Roußilon, welche die Franzosen und Spanier Rousewall nennen, geschehen seye. Andere sind mit einem berühmten schlesischen Chymicus der Meinung, daß in Frankreich einer von der Familie Rousewall wegen seinem unersättigen Geiz, und zur Bestrafung desselben, von GOtt als Hütter der Schätzen auf dieses Gebirg seye gesetzet worden. Die ausnehmende Politesse, seine Artigkeit, Maniern und Unterhaltlichkeit im Gespräche sollen Bürge seyn, daß Riebenzahl ein Franzos, und weil er niemand schadet, ein guter Geist seye. Diese letztere Meinung verdienet auch den größten Beifall; indem [Ξ] seine gütige und artige Aufführung, und viele witzige Streiche, die man von ihm erzählet, solches hinlänglich beweisen, und was einen jeden vollkommen in dieser Meinung bestärken kann, ist dieses, daß es ihm sehr schmeichelt, wenn man ihn mit dem Titel eines Schatzmeisters beehret. Die Kräutler, die auf diesem Gebirge Wurzeln suchen, nennen ihn insgemein Domine Joannes. Den Namen Riebenzahl höret er aber nicht gerne, und er thut sehr oft auf Irrwege führen, oder sonst was wegen diesem seinen Unwillen empfinden lassen. In jetzigen Zeiten aber ist sein Ruhm, Ansehen und Herrschaft sehr weit herabgesetzt. Seine Abentheuer werden alle Tage weniger, und man will ihn und seine Thaten gar für eine Erdichtung halten. Reisende thun ihn verschmähen, und seiner spotten ohne sich seiner Rache wegen zu fürchten. Selbst die Einwohner dieses Gebirges, welchen er manches Geheimniß der Natur entdecket, Wurzeln, Gold und Silber öfters geschenket hat, bedauren, daß Hr. Riebenzahl in diesen Zeiten unsichtbar geworden seye. Lindner hat ihn auf seiner Reise über das Riesengebirg nirgends mehr antreffen können, er hat ihn allenthalben aufgesucht, und nachgefraget. Sein Fleiß und Mühe war vergebens, und aus Verdruß, daß er den Hrn Schatzmeister nirgends gesehen, hat er in das Buch der letzten Hütte diese Verse eingeschrieben:

Wohin beruffner Riebenzahl,
Du Pickelhäring alter Zeiten?
Gelüstet dich nicht noch einmal
Nach deinen alten Herrlichkeiten?
Du warst der Berge Herr, du warst der Schatzverwalter,
Der Zeiten Aberwitz hat dich als Prinz bekränzt.
Wo bist du aber nun, du Herr, du Prinz, du Alter?
Du hast als Riebenschw-- die Zeit, sie dich geschwänzt.

[Ξ] Ich glaube sicherlich, daß Ihro Gnaden Hr. von Riebenzahl nicht zu Hause gewesen sind, sondern daß sie entweder nach Roussillon in Catalonien, oder sonst eine Reise zu ihrer Familie in Frankreich müssen gemacht haben, sie würden sonst die atheistische Bosheit des Hrn Lindners nicht ungestrafet haben hingehen lassen, und Lindner wurde gewiß das Riesengebirg halb erstarret, oder von Erscheinungen und dem rasselnden Donner erschrecket, oder durch einen Platzregen nässer als ein Budel verlassen haben. Gewiß ein großes Glück für ihn!


7. §.
Die Geister-Erscheinungen, die man in Baiern und anderswo erzählet, sind gemeiniglich leere Einbildungen, falsche Erfindungen, und öfters lächerliche Begebenheiten.

Ich hätte diesen §. wohl gar weglassen, und mit dem, was im vorhergehenden ist gesagt worden, zufriede seyn können, wenn mir nicht einige Begebenheiten, die theils von besondern Umständen sind, theils mein Vaterland absonderlich betreffen, unter die Augen, und in Sinn gekommen wären. Dazu gab mir ein gewißer Herr Gelegenheit in einer mit ihm gehaltenen Unterredung. Ich hatte gestern die Ehre in einer Gesellschaft zu seyn, wo endlich auch das Gespräch auf die Gespenster fiel. Jeder trug seine Meinung vor; da sich aber die Meinungen theilen wollten, hat Hr. Haberecht Morbleu mit seiner starken Stimme den Ausspruch gegeben, und durch Erzählung der Geschichte der Kindern von Hameln die ganze Sache entschieden. Ich habe nur unvorsichtiger Weise bei dieser Erzählung ein bischen die Achsel geschutzt, so gleich ergrief er des Abts Calmet Buch Erscheinungen der Geister, [Ξ] und las mir aus selbem die Kindergeschichte vor. Ich getraute mir nicht aus Ehrfurcht gegen Hrn Morbleu die Sache zu widersprechen, um mich seinem rechthaberischen Unwillen nicht bloß zu geben. Man wird mir aber erlauben, daß ich hier die ganze Geschichte aus dem gelehrten Calmet beisetzen, und selber meine Anmerkungen anrücken därfe. Vieleicht haben sie das Glücke, dem Hrn Morbleu unter die Augen zu kommen. Vieleicht können sie ihm den Ungrund seiner Geschichte, und seines fürchterlichen Machtspruchs: Die Geisterläugner sind, Morbleu! die dümmsten Leute von der Welt: aufdecken.

Die Geschichte erzählet der belobte Calmet fol. 258. also: die in Obersachsen am Zusammenfluße der Flüsse Hamel und Weser im Fürstenthum Kallenberg gelegene Stadt Hamel wurde im Jahr 1384. (Wierus fol. 79. und Erich setzen im Jahre 1287.) durch eine entsetzliche Menge Ratzen geplaget, welche alles Getreid daselbst aufzehrten, sich auch durch keine sonst dagegen gewöhnliche Mittel vertreiben liessen. (Man sieht schon, daß diese keine natürliche, sondern vom Teufel gemachte Ratzen müssen gewesen seyn) endlich kam ein unbekannter Mann von außerordentlicher Leibesgröße dahin, und erboth sich die Stadt um eine bedungene Vergeltung von dieser Strafe zu befreien. Er zog darauf eine Pfeife hervor, auf deren Ton alle Ratzen der Stadt sich zu ihm versammelten. Er führte sie mit sich vor die Stadt hinaus zum Flusse. Sie stürzten sich da alle insgesammt hinein, und wurden ersäuft. Darauf kam er in die Stadt zurück, und foderte den versprochenen Lohn, dieser aber wurde ihm vermuthlich darum, weil er die Ratzen mit so leichter Mühe vertrieben hatte, versaget. Um sich nun dagegen zu rächen, sah er sich folgenden Tags (andere sagen erst nach einem Jahre) welcher ein Festtag war, die Zeit aus, da alle Bürger dem Gottesdienste beiwohneten, spielte [Ξ] auf einer anderen Pfeife; und als sich alle Kinder unter 14. Jahren, an der Zahl 130. zu ihm versammelten, führte er dieselben, auf den sogenannten Kopfelberg, wo das Hochgericht der Stadt ist, und keines dieser Kinder kam mehr zum Vorschein. Ein junges Mägdchen, welches von ferne zusah (andere schreiben es sey ein Knabe gewesen, der noch nicht ganz angekleidet nach Hause lief, um seine übrige Kleider zu holen) brachte den Bericht davon in die Stadt. Man zeiget auch allda die Kruft, in welche gedachter Mann die Kinder geführet hat. Auch auf den Fenstergläsern der Kirche ist diese Geschichte abgebildet, und noch heute zu Tage werden alle gemeine Ausfertigungen der Stadt Kanzeley mit Beobachtung dieser Zeitrechnung, folgender maaßen gemacht: geschehen in diesem - - - Jahre, nach Verschwindung unserer Kinder. (Es irret Calmet. Samuel Erich in seinem Exodus Hamelensis hat nähere Nachricht, und behauptet, daß zu Hamel nach dem Jahre Christi, das Jahr des Auszugs der Kinder nicht mehr beigesetzt werde) Endlich sieht Calmet diesen Pfeifer für einen bösen Geist an, wie auch Wierus selben für den Teufel hält; andere begleiten die Geschichte noch mit diesen Umständen: daß zum Zeichen der Begebenheit in der Straße, wo sie sich zugetragen, welche die bürgerlose Straße heißt, niemal der Klang einer Pfeife zugelassen werde. Auch alle Tänze daselbst verbothen seyen, und daß in Ungarn einige Kinder gefunden worden, welche eine fremde Sprache geredet haben.

Schon aus den Anmerkungen, welche wir in den Klammern der Geschichte beigebracht haben, veroffenbaret sich der Ungrund derselben. Wir wollen aber noch andere beifügen. Erstlich streitet gegen die Wahrheit dieser Begebenheit das Stillschweigen der Geschichtschreiber selber Zeiten, die doch die kleinsten und geringsten Sachen sorgfältigst aufgezeichnet haben; als da ist das Jahr, [Ξ] in welchem eine Henne ein Ey mit zweenen Dottern geleget. Daß 1282. den 1. Junius schon Erdbeere, Kirschen und Erbsen sind verkauft worden. Daß König Rudolph für seinen Papagey zu Baßel einen Käffig habe machen lassen etc. Sollten sie wohl jene so wundervolle und seltene Begebenheit nicht auch ihren Jahrsschriften eingetragen haben? auf eine so merkwürdige Sache sollten sie vergessen haben? diesen Fehler sollte erst nach zwey hundert Jahren der Fleiß der Geschichtschreiber ersetzet haben? das Stillschweigen der Geschichtschreiber selbiger, und der näheren Zeiten saget uns also, daß die Geschichte eine Fabel sey. Das Gemählde, welches zu Hamel gezeiget wird, beweiset die Wahrheit dieses Zufalls auch nicht. Dergleichen Gattung des Beweises muß durch andere Gründe unterstützet werden (wie es Cyprianus in der Dissertation de Pictura reste veritatis lehret) mangeln diese, so verliehrt das Gemählde alle Stärke eines Beweises. Nur jene mögen das Gemählde zu Hamel als einen gründlichen Beweis ansehen, welche vieleicht wegen der Bildniß in dem Pallast des Doge zu Venedig, und zu Rom bei dem Eingange der Peterskirche überzeuget sind, das Alexander III. den Kaiser Friedrich Barbarossa mit Füßen auf den Kopf getreten sey. Jene können es glauben (und ich verüble es ihnen nicht) welche nach dem Gemählde zu Augsburg, so die von einer Hexe überwundene Hunnen vorstellet, dafürhalten, daß das hunnische Kriegsheer von einer Hexe wirklich überwunden, und in die Flucht gejaget worden sey. Dergleichen leichtglaubige Helden beneide ich ihres Glaubens nicht. Sie mögen immerhin auch den Auszug der Kinder von Hamel für eine der größten Wahrheiten halten. Sie werden bei unsern Zeiten keine Ketzerey mehr stiften.

Es ist wahrscheinlicher, daß diejenigen die sächsische Sprache in Ungarn gebracht haben, welche unter dem ungarischen Könige [Ξ] Geysa II. aus Sachsen in Ungarn gezogen sind. Denn wer wird für wahrscheinlich annehmen, daß der Teufel die Kinder ohne Speis und Trank, 200. Meilen unter der Erde von Hamel bis nach Siebenbürgen habe führen können?

Wer diese und andere Gründe, die Martin Schoock, Professor in Frankfurt an der Oder, a)[82] in seinem Büchlein Fabula Hamelensis, und Friedrich Fein in einer Schrift: Fabula denudata de exitu puerorum Hamelensium anführen, mit Bedachtsamkeit zusammen fasset, dem wird es wundern, daß Samuel Erich in Exodo Hamelensi diese Fabel als eine Wahrheit behaupten, und der sonst grundgelehrte Calmet b)[83] selbe als einen Beweis für die Wirklichkeit der Geister habe anführen mögen. Ja billig kann mich in eine Zornmüthigkeit versetzen, daß auch noch bei unsern [Ξ] Tagen, wo der gute Geschmack sehr hoch gestiegen ist, Leute zu finden sind, die diese Fabel als eine Wahrheit verehren, und dadurch das Daseyn der Geister erzwingen wollen.

Aber woher soll diese Fabel ihren Ursprung haben? Wir sind zwar sehr weit von dem Zeitpunkte entfernet, wo eine wahrhafte Begebenheit zu dieser Erdichtung Anlaß gegeben haben mag; doch scheinet es eine wahrscheinliche Muthmassung zu seyn, wenn wir sagen, daß in dem 13ten Jahrhunderte, in welchem nach Zeugniß Wernerus Rolwink in Fasciculo temporum fol. 80. viele Betrüger viele 1000. Knaben aus Deutschland unter der schmeichelnden Hoffnung das heilige Land zu erobern entführet haben, sich dergleichen in Hameln eingefunden, und einige Knaben verführet haben, oder daß einige Knaben, wie Hofmann dafür hält, die bei dem nahe an der Stadt gelegenen Berge spielten / von einem Stücke des Berges verschüttet worden sind, oder daß einige Kinder, die mit der seltnen Krankheit, die man den St. Veittanz nennet, und eine Art von Convulsionen ist, einem Pfeifer vor die Stadt hinaus nachgefolget sind. Andere nicht ungegründete Muthmassungen bringt der gelehrte Hr. Fein in der belobten Dissertation §. 14. auf die Bahn, wohin ich den Leser um der Kürze willen verweise.

Die in Gespenstergebährungen allzeit glückseligen sächsischen Kreise liefern uns noch einen weit schönern Zufall, der seiner besonders seltenen Umständen wegen in dem Reiche der Erscheinungen einer längern Erinnerung würdig ist.

Im Jahre 1715. trug es sich bei Jena zu, daß ein Student von Schweinsburg Johann Gotthard Weber nebst zweenen Bauern Hanns Friedrich Geßnern und Hanns Zennern einen Schatz, den der Geist Nathael besitzen sollte, erheben wollten. Zu dem Ende [Ξ] kamen sie in der Christnacht des nämlichen Jahrs auf dem Weinberge des Schneiders Georg Heichlers in seinem Gartenhäuschen zusammen, um da den obersten Geist Och aus dem Reiche der Sonne zu beschwören, daß er ihnen den unter ihm stehenden Geist Nathael in menschlicher Gestalte senden möchte, von dem sie Heckenthaler zu bekommen sich schmeichelten.

Der emsige Schneider wußte um alles. Er hatte ihnen auch vier Beutelchen zu Heckenthaler, davon sie ihm hernach eines zustellen sollten, gemacht, eine Stube in seinem Wohnhause zur Beschwörung angebothen, er hat ihnen Licht und Kohlen hinaus geschaffet, er versprach selbsten zu ihnen zu kommen, und seine Uhr mit sich zu bringen, welches aber nicht geschehen ist. Der Student und die Bauern versahen sich mit Sigillis magicis. Weber schrieb auswendig über die Thüre das Wort: Tetragrammton setzte sich nebst den andern nieder, zog Doctors Faust Höllenzwang, und die Claviculam Salomonis samt einigen bei sich habenden Characteribus, Sigillis magicis und dergleichen heraus; er legte sie nebst den vier Beutelchen, und einigen Pfenningen vor sich auf den Tisch. Nach zehn Uhr machte Geßner mit des Studenten blossen Degen einen Kreis oben an die Decke des Häuschens, und schritt hierauf zu einer Citation, die er zu dreimalen von halber zu halber Viertelstunde auswendig verrichtete, ohne daß ein Geist erschien. Hierauf las Weber eben diese Beschwörung einmal aus Doctors Fausten Höllenzwang her; zum zweitenmal aber konnte er sie nicht gar endigen, weil ihm das Gesicht vergangen, und er, wie von einem tiefen Schlafe überfallen, sich mit dem Kopfe auf den Tisch nieder zu legen genöthiget fand, ehe noch die Beschwörung eine Stunde gewähret hat.

[Ξ] Den folgenden Abend fand man in dem Gartenhäuschen Webern hinter dem Tische auf der Banke liegen. Man mußte ihn wohl rütteln und schütteln, bis er wieder zu sich kam. Er blieb aber eine lange Zeit halb tod, und sprachlos. Er hatte aber auf der Brust, an den Armen, am rechten Fuße rothe Flecke, Geschwulsten und Blasen, daß man Anfangs den kalten Brand besorgte. Geßner und Zenner waren tod. Diesem hang die Zunge zum Munde heraus, und hatte auf der Brust, und im Angesichte viele rothe Striemen und blaue Flecke. Weber aber wußte von ihnen nichts weiters zu sagen, als daß sie beide noch munter gewesen, wie er eingeschlafen, von welcher Zeit an ihm unwissend, was mit ihnen weiter vorgegangen. Hierauf brachte man ihn in ein Würthshaus, die Todtenkörper aber ließ man durch 3. Wächter, Christian Krempen, George Beyern, und Nicol Schumannen bewachen. Beyer gieng einmal zur Thüre hinaus, und sagte bei seiner Zurückkunft, er werde wohl seine Hilfe bekommen haben. Also blieben die andern im Häuschen, doch fieng Krempe an zu schlummern, ward aber durch ein Gespenst, welches stark an der Thüre gekratzt, wieder ermuntert. Die Thüre gieng auf, und ein Schatten in Gestalte eines sieben bis achtjährigen Knabens zeigte sich, bis die Thüre sehr gewaltig wieder zugeschmissen ward.

Schumann wurde ohne jemanden zu sehen eine gute Strecke auf der Bank hingeschoben, daß er ohne Verstand auf dem unter der Bank liegenden Todtenkörper hinauf fiel, und selbst für tod liegen blieb. Den folgenden Tag fand man alle drey Wächter für tod. Zween davon nämlich Krempe, und Schumann, erholeten sich wieder, obgleich Krempen hernach viele Blattern an dem Kopf aufgeschossen. Und diese haben die bisherige Nachricht zuerst summarisch ausgesagt, hernach eidlich bekräftiget. Beyern [Ξ] aber hat es das Leben gekostet. Diese Geschichte erzählet uns Gottfried Wahrlieb in seiner Vorstellung der Wichtigkeit der vermeinten Hexerey, 5. cap. 21. §. Mehr Nachricht giebt die auf hohen landesfürstl. Specialbefehl davon im Jahre 1716. publicirte wahre Eröffnung der jenaischen Christnachts-Tragödie, oder gründlicher und actenmäßiger Bericht etc.

Hier haben nun die Geisterfreunde ein gutes Bißchen ihren Hunger nach Erscheinungen, Gespenster, Geister, und andere Teufelspossen zu ersättigen. Hier können sie sich nun wohl lustig machen auf Unkosten ihrer armen Gegner, die den Proceß verlohren. Hier haben wir alles, was das Daseyn der Geister erproben kann. Beschwörungen, Erscheinungen, Gespenster, die leibliche Gegenwart des Satans, erfolgter Tod der Bauern, blaue, rothe, gelbe, grüne Flecke, Striemen, Mahlen etc. lauter Umstände, die im gegenwärtigen Zufalle unmöglich anders woher kommen können als von der Geistermacht; die der Tummeste begreifen, der Gelehrteste einsehen, und nur ein Verwegner läugnen wird. Viel Glück meine Herren! sie haben recht, vollkommen recht. Und wie nicht? wer sollte wohl so keck seyn zu zweifeln, daß der Satan die zween Bauern ermordet habe? Wer anders hat den witzigen, und geldsüchtigen Studenten Weber so übel zugerichtet? es war der Höllenfeind. Ganz gewise. Aus den Zeichen ihrer Leiber kann man ganz sicher, ja man muß eine Erscheinung des Teufels oder eines Gespenstens schliessen. Und der arme Schneider Heichler, wenn er zu Delrio Zeiten gelebt hätte, weil er von allem gawußt, wurde gewiß der mörderischen Folter mit Geßnern nicht entgangen seyn, und weil sie selbe vermuthlich nicht würden ausgestanden haben, so hätten sie sich gleichwohl zu einem Teufelspackt bekennet, und den ungerechten Flammen zutheil werden müssen.

[Ξ] Ich will meine Anmerkungen über diese seltene Begebenheit ersparen, und nichts anders als die Meinungen, und Gutachten gelehrter Männer anbringen. Der Herr Hofrath Hoffmann in Halle gab bald eine Schrift heraus unter folgenden Titel: Gründliches Bedenken und physicalische Anmerkungen von dem tödlichen Dampfe der Holzkohlen, auf Veranlassung der in Jena beim Ausgange des 1715. Jahres vorgefallenen traurigen Begebenheit. In dieser Schrift beweiset der Verfasser ganz schön durch natürliche und deutliche Exempel, daß der schädliche Dampf unausgebrandter Holzkohlen, gar wohl vermögen könne, daß ein Mensch sterbe, und mittelst einer Erstickung, und Ausgiessung des Geblüts an seinem Leibe zuwege bringe, was man an den zweenen Bauern und an Weber wahrgenommen. Die Bauern haben sich bei dergleichen Kohlen gewärmet. Sie haben sich die ganze Nacht und folgenden Tag in einem schlecht verwahrten häußchen bei einer recht grimmigen Kälte aufgehalten. Sie sind zugleich mit Dingen umgegangen, welche ihnen im Gemüthe Unruhe und Angst verursachet: so ist zu schliessen, daß alles, was sie betrogen, aus bloß natürlichen Ursachen ganz deutlich herzuleiten sey, daß man gar keine Ursach habe zu glauben, daß dabei eine satanische Erscheinung vorbeigegangen, oder daß der Teufel die Bauern ums Leben gebracht und den Studenten so übel hergenommen habe.

Die Acten von diesem Zufall wurden indessen nach Leipzig zum Endurtheile geschicket. Alle drey Oberfacultäten allda gaben den Ausspruch im Jahre 1716. und fanden keine Nothwendigkeit von natürlichen Ursachen abzugehen. Ihr Urtheil bestund eigentlich in folgenden: „Sie erkennten, daß vermutlich die tödtlichen Zufälle vom Kohlendampfe hergerühret, Zenner und Geßner vom Sopore profundo, paralysi und dergleichen gestorben, Webers Contusion am Armbe davon, daß er in die 17. Stunden [Ξ] lange ohne Bewegung darauf gelegen, hergekommen, die blauen Flecke, und Striemen an ihren Leibern aber, ingleichen die Heraustrettung der Zunge ab effectu comatoso mortifero habe entstehen können, und also geurtheilet werden möge, daß Weber von den Kohlen oder sogenannten Gas Sulphuris in einen elenden Zustand gesetzet, hingegen Geßner und Zenner gar getödtet worden. Was die Wächter betroffen, scheine es theils ebenfalls den Kohlen zuzumessen, theils der Angst, die sie bei den Todtenkörpern gehabt, und von den Gespenstern herrühret, theils kann man es ihrer lebhaften Einbildung, ihren Vorurtheilen, und vorhergegangenen tragischen Zufällen zuschreiben. Es kann für den Anfang des durch die Kohlen verursachten Torporis geachtet werden; wie den auch der Wächter Schumann durch einen heftigen Traum oder Phantasie auf der Bank könne fortgeschoben, und solchergestalt herunter gefallen seyn.

Weil aber gleichwohl der Actus Conjurationis unverantwortlich und zauberisch, und die dabei gebrauchten Dinge pro superstitiosis & magicis zu halten, deßwegen auch GOtt ohne zweifel seine Straffhand über alle Drey ergehen, und sie durch natürliche Mittel theils sterben, theils elend werden lassen; hiernebst die aberglaubischen Bücher gebraucht, den Namen GOttes, und das heilige Vatter unser gemißbraucht und dadurch die Christnacht schändlich entheiliget, der Schneider Heichler auch um alles gewußt und dazu behülflich gewesen: so sind die beyden Bauern Geßner und Zenner billig unter den Galgen begraben worden, Weber aber nach hervorgegangener akademischer Exclusion ewig, und Heichler auf zehn Jahre, wenn sie zuvor durch Geistliche zur Erkenntniß ihrer schweren Sünde gebracht worden, des Landes zu verweisen.“ Dabey hat man [Ξ] es auch höchster Orten bewenden, und das Urtheil also vollziehen, lassen. c)[84]

Hier haben die drey Oberfacultäten von Leipzig der leichtglaubigen Welt gelehret, wie man in dergleichen seltenen Zufällen ein reifes und verständiges Urtheil abfassen, alle Umstände genau erforschen, und dem Satan dabei nichts, was sich aus natürlichen Ursachen entscheiden läßt, zuschreiben sollte. Gleichwie Ihro Kaiserliche Königliche Majestät in der höchstlöblichen Landesverordnung wie es mit dem Hexenprocesse zu halten sey, die eingebiltete Zauberer und Hexen in das Narrenhaus anweiset, und die grössere Unthaten mit Todesstrafen beleget, eben so sind nach dem gelehrten Ausspruch der Leipziger Facultäten, dergleichen Boßheiten und aberglaubische Teufelskünsten aufs schärfeste zu bestraffen. Ein alles glaubenswürdiger Mann hat mich kürzlich mit seiner in diesem Stücke genugsamer Einsichte versicheret, daß von einem ganzen Jahre her, seit dem die academische vom P. Sterzinger verfaßte Rede vom gemeinen Vorurtheile der Hexerey ans Licht getretten, keine Hexe mehr in baierischen Gerichtern ist eingezogen worden. Werden sich wohl auch die Gespenster in Baiern so geschwinde, wie die Hexen verliehren, nachdem diese Abhandlung im Vorschein kommen wird? Das wird die Zeit lehren. Indessen wird man mir doch allzeit so viel einraumen müssen, daß diese Unternehmung nicht minder löblich, und unserem Vatterlande nützlich sey, als jene des P. Sterzingers gewesen, wie es bereits der Erfolg zeiget. Wird man auch in dieser Materie so gelernig seyn, wie in jener; wird man doch einmahl das Vorurtheil von Erscheinungen und Gespenstern abzulegen anfangen, [Ξ] und es im Werke selbsten beweisen, so deucht es mir, ich würde in meinem Lande kein unnützer Apostel geworden seyn. Werden der gleichen ungegründete Meinungen von Geistern bei der alten Geistlichkeit und an oberkeitlichen Stellen aufhören; werden so bedachtsam abgefaßte und gelehrte Urtheile (wie jenes der Leipziger Facultäten gewesen) so viele Betrüge in der Gespensterhistorie als wir bereits gesehen haben, und annoch sehen werden, bei den über die pöbelhafte Niderträchtigkeit erhöchten Köpfen die erwünschte Wirkung machen, wie wir nicht zweifeln können; so schmeichlen wir uns, die Geister werden bei uns aufhören zu erscheinen, wie die Hexen aufgehöret zu fahren.

Zu wünschen wäre es. Denn nicht nur allein die alten Zeiten, sondern auch die Tage, die wir leben, geben uns vielfältige lächerliche Begebenheiten von Erscheinungen der Gespenster an die Hand, derer Baiern der Geburtsort ist. Der Vater hat viele Historien geerbt von seinen Elteren, er erzählt sie seinen Kindern. Die Kinder werden auch Väter; sie thun ein gleiches. Und also, daß es Gespenster gebe, ist schon längsten zu einer Erblehre geworden, die man weit hartnäckiger glaubet, als die ererbte Glaubenslehre selbsten.

Von dergleichen Gespenster-Zufällen, die sich sowohl bei unseren als unserer Voreltern Zeiten zugetragen, will ich nur ein und den anderen erzählen. Der schwarze Hund in Ingolstadt, der Teufelsthurm in Landshut, der Kopf eines München oder Mönchen, der bei Erbauung der Stadt München ganz blutig ausgegraben, und die Stadt von ihm also genennet worden seyn soll. d)[85]

[Ξ] Die Teufelsmaur durch Baiern, Franken und Schwaben, und was weis ich noch für andere erdachte Possen, die gewiß eine grosse Fähigkeit des Verstandes unserer Landesleuten in Gespenstererdichtungen und Teufelserscheinungen anzeigen: sind lauter Sachen, von denen auch der Tummeste bey uns zu reden weiß.

Es ist bald kein altes Schloß in Baiern, wo nicht ein Poltergeist, ein Gespenst logieren muß. Ein meiniger guter Freund, der unter Lesung der negromantischen und von der Theosophia pneumatica handelnden Bücher allgemach zu ergrauen anfängt, der auch von der Natur sechsten mit einem so vortheilhaften Angesicht ist versehen worden, und dabei eine so unbestimmte deutsche, französische und welsche Redensart verspüren läßt, daß, weil mir, ungeacht unsers nahen Umgangs, sein Vatterland noch unbewust, und seine Aussprache mit keiner deutschen Provinzialmundart übereinkommt, ich nicht ohne Grund behaupten könnte, er müsse nicht weit vom Zigeunerlande sein Geburtsort wissen.

Dieser verdienstvolle Mann wollte mich gestern hoch und theuer versichern, daß in dem freyherrlichen Schlosse B… unweit Landshut, das Stockweibel vor nicht gar vielen Jahren den Meister noch gespielet habe. Er sagte: dieß Weiblein sey ein gar guter Geist, der weiter niemand beleidiget (wer weiß es, os es nicht gar die Frau von Ihro Excellenz, Herrn Schatzmeister Riebenzahl, der eben ein so guter spaßhafter Geist war, (s. §. 6.) vor Zeiten gewesen sey.) Ich fieng freylich über diese Erzählung von Herzen zu lachen an; Sacripandi! ich habe weit übler gethan, als wenn ich diesem erlauchten Manne das Fegfeuer geläugnet hätte.

Meletaon in seiner Tugendschule erzählet eine sehr lächerliche Geschicht, welche sich in einem Schloße in Baiern zugetragen hat. Der Graf Innhaber des Schlosses stirbt. Ungeacht man bei des [Ξ] Grafen Lebzeiten kein Gespenst gehöret, so wurde doch nicht lange nach seinem Tode im Schloße Lerme, und ein Poltergeist ließ sich auf dem obersten Boden hören. Die Früchten, so droben lagen, warf er auf die Gasse, die Leute belästigte er mit Steinwürfen, alles war in Forcht und Schrecken gesetzet. Das Gespenst kam nach und nach weiter über die Treppe herunter. Es schleppte eine Kette unter fürchterlichen Geräusche nach sich, und visitirte täglich bei Nachts in der Küche die Häfen und Schüsseln gar fleißig aus. Es war ein gefresiger Geist. Der Haushofmeister hat es einmal ungefehr gesehen. Er sagte, es sey recht wilde. Es sey haarig, hätte grosse feurige Augen, einen langen Bart, und greßliche Klauen. Durch diese Erzählung wurden die Hausleute ungemein erschrecket. Die Frau Gräfin zwar wurde dadurch in soweit getröstet, da sie hörte, daß es ihrem verstorbenen Herren, der allzeit ein recht christliches Leben geführt, nicht gleichere. Sie bewarb sich, geistliche und weltliche Mittel anzuwenden, um diesen schädlichen Geist vom Halse zu bringen. Die Bedienten waren schon so schüchtern gemacht, daß keiner mehr Abends vor die Thüre hinauszugehen sich getrauete.

Ein beherzter Gesell beschloß folgende Nacht in der Küche, wo das Gespenst allzeit nächtlicherweile hinkam, wache zu halten. Er nahm einen Bedienten zu sich. Als nun alles zu Bette gegangen, und es stille wurde, kam das Gespenst schon über die Stiege herunter mit wunderlichen Geklingel der Ketten. Es kame der Küche immer näher. Der herzhaft Wachende machte sich auf. In einer Hand hatte er einen Säbel, in der andern das Licht. Er macht die Thüre schnell auf, und das Licht wurde ihm ausgelöscht. Er meinte, das Gespenst hätte es ausgeblasen. Er kam in Furcht, und wollte davon laufen. Es war zu spat. Das Gespenst erwischte ihm, saß ihm auf den Hals, und zerkratzte sein Gesicht [Ξ] elendig. Er fiel in Ohnmacht zu Boden. Der Bediente ist indessen durch eine andere Thüre entlofen.

Da wurde nun Lerm im ganzen Schlosse. Alles stund vom Bette auf. Alles lief zum Ohnmächtigen, den man schon für tod hielt. Die Bedienten liessen in dieser Verwirrung das Laquayzimmer offen. Das Gespenst kam hinein, und da indessen die andere beflissen waren, den Ohnmächtigen zu sich zu bringen, machte sich das Gespenst in der Kammer lustig. Man fand eine solche Zerstörung darinne, daß sie nicht wußten, wo sie zuerst anfangen sollten, die Sachen wieder in Ordnung zu bringen. Die Betten, Kleider, Hüte, Degen, Paruquen, alles lag unter und über sich. Die Nachttöpfe waren verschüttet, und eine Schachtel voll Confect konnte man gar nirgends mehr im Zimmer finden. Es muß ein recht genäschiges Gespenst gewesen seyn, das Appetit zum Confect gehabt hat.

Des andern Tags auf den Abend brachte ein Unterthan seinen Zehenden, der aus Obst bestund. Der Bauer, der des Schlosses schon gewohnt, trug das in ein weisses Grastuch eingewickelte Obst auf den Boden hinauf. Unversehens sprang das Gespenst auf ihn loß, beraubte ihn des Obstes, und zerkratzte ihm das Angesicht jämmerlich. Er aber voll Schrecken lief die Treppe herunter, und sagte, er habe den lebendigen Teufel gesehen. Der Lerm wurde alle Tage grösser. Endlich kam ein Geisterbanner, dem die Frau Gräfin 100. Ducaten versprach, wenn er sie von diesem Gespenste befreyen würde. Der Beschwörer mit seinen zweenen Helfershelfern gieng auf den Boden hinauf, und als er herumsuchte, und zu einem Ecke kam, sah er ein groß, lang und weißes Ding, welches sich immer höher aufrichtete, mit Zähnen klapperte, endlich einen so gewaltigen Sprung hervorsetzte, [Ξ] und mit den Ketten so schallte, daß der Beschwörer und seine Helfer, die noch furchtsamer waren als er, über einem Büschel beisammen die Stiege hinunterfielen. Einer brach sich einen Arm, der ander ein Bein, und der Banner bekam zwey Löcher im Kopfe.

Nach dieser Begebenheit fieng man allgemach an zu verzweifeln, ein Mittel zu finden, den Geist aus dem Schlosse zu bringen. Allenthalben redete man von diesem Zufalle. Ein Edelmann von der Nachbarschaft that sich noch hervor auf den Boden zu gehen, und die Frau Gräfinn, die ihm dieses Dienstes wegen 200. Ducaten zu bezahlen versprach, von der Unruhe des Geistes zu befreyen. Sie mißrieth es ihm freylich, sich in die Gefahr zu geben. Er aber gieng beherzt auf den Boden hinauf nur mit einem starken Stock versehen. Er machte die Thüre auf, und fieng an zu schreyen: Mignon, Mignon. Der Edelmann verweilte sich nicht lange auf dem Boden. Er kehrte zurück, und führte das Gespenst an der Kette mit sich daher. Der Geist war erlößt, denn der Geist war ein Affe, der dem Edelmanne vor etwelchen Monaten weggeloffen, und Mignon hieß. Er hatte das weisse Grastuch, so er dem Obstbauern genommen, um den Hals gehüllet, und machte allerhand lächerliche Sprünge über quer, über ecks. Die Frau Gräfin war nun froh, ihr Schloß wider von Gespenstern frey zu sehen. Sie bezahlte dem Edelmanne die 200. Ducaten, die sie ihm versprochen, gerne aus. Sie lachete öfters bei sich selbsten, wie sie und die Ihrigen sich von einem so geringen Thiere hätten äffen lassen.

Ich halte es für nur gar gewiß, daß man viel hundertmal etwas für einem Geist ansieht, das in der Sache selbsten nichts ist, sondern seinen Grund in natürlichen Ursachen hat. Der einbilderlische, und in der Schule der Vorurtheilen auferzogene Mensch, [Ξ] ist seiner Vernunft nicht mehr mächtig. Geister-Erzählungen, Teufels-Erscheinungen etc. haben ihn mit Furcht und Schrecken schon so sehr angestecket, daß er bey jedem krachenden Bret zu zitteren anfängt, wenn ihm ein Hund, eine Katze etc. nächtlicher Weile begegnet, oder sich ein Schatten seinen Augen darstellet, so lauft er davon. Er nimmt sich nicht Zeit über den Gegenstand zu denken. Ein Hund, eine Katze, ein Affe muß ein Gespenst seyn.

Zu E… einer Stadt in Baiern unweit München zog sich ein fürchterlich schwarzes Gewölk zusammen; es entstand ein entsetzliches Donnerwetter. Es fing an zu blitzen, zu donnern, zu hageln, zu regnen. Auf einmal sah man in der Luft ein weisses sehr bewegliches Wesen, bei Nahe zwo Ellen lang. Es drehete sich in den Wolken wunderlich herum. Bald fiel es herunter, bald stieg es hinauf. So stark das Donnerwetter war, so lief doch alles aus den Häusern, diese wunderbarliche Erscheinung zu sehen. Viele hielten es für ein Gespenst, die mehrere für eine Hexe, die das Gewitter soll erreget haben. Man trug das hochwürdige Gut aus der Pfarrkirche, man segnete damit das Wetter. Endlich ließ der Wind nach zu wehen. Das Gespenst fiel herunter, und weil viele glaubten, daß es eine Hexe wäre, wurde es in das Amthaus gebracht, wo man es in einem kupfernen Kessel sorgfältig verwahret hatte. Es ist nicht auszusprechen, was da für ein Zulauf war; jedermann wollte die Hexe sehen. Ein Maurer, der erst vergehenden Tags auf dem Thurm gearbeitet, gieng aus Vorwitz auch in die Stube des Amthauses hinein, die Hexe zu sehen: auf einmal schrie er auf: o das ist meine Hose. Die Herumstehende hielten ihn für einen Narren. Er aber nahm seine Hose (die vermeinte Hexe) untern Arm, und gieng damit davon. Man wurde alsdenn gewahr, daß er seine leinene weisse Beinkleider Tags zuvor gewaschen, und zum trocknen aufm [Ξ] Thurm gehenket habe. Als nun bey Gelegenheit des Donnerwetters der Wind sehr zu wehen anfing, machte er diese leichte Beinkleider von der Stange los, und führte sie lange in der Luft herum, bis sie bey Nachlassung des Windes von sich selbsten auf die Erde gefallen. Es war noch ein Glück, daß die Hose sich in kein unbekanntes Ort, wo man sie nicht hätte finden können, verfallen hat, sonst hätte die Hose für allzeit ein Gespenst oder eine Hexe seyn müssen, und der Maurer hätte sie nimmermehr erlösen können.

Ich wurde meinen Leser gar zu sehr müde machen, wenn ich noch ein paar Dutzend dergleichen lächerliche Gespenster-Erscheinungen anführen wollte, mit den ich wohl (ohne meinen Kramladen dadurch auszuleeren) aufwarten könnte. Jedoch zween Zufälle von diesem Schrot und Korn kann ich unmöglich umgehen, daß ich sie nicht wenigsten ganz leise berühre. Einer hat sich vor ungefähr einem Jahre in Landshut mit einer Kellerinn, die einen Geist sollte erlöset haben, zugetragen. Der andere hat sich in Freysing erst vor etlich Monaten ereignet, wo sich ein geldsüchtiger Schatzgräber von einem jungen Mägdlein zum besten hat haben lassen. Beide Begebenheiten haben sehr viel lächerliches in sich. Trägt wer ein Verlangen zum lachen, wird es ihm nicht schwer fallen, den gründlichen Verlauf derselben von so kurzer Zeit her ganz leicht einzuholen. Ich aber, weil ich mich ersehe, daß ungeacht ich nicht im Sinne hatte, einen Gespenster-Roman zu bilden, meine ausschweifende Feder doch zu weit in das Geisterreich sich hineingelassen habe, will die wahrhafte Umstände dieser zwo Begebenheiten aus gewissen Ursachen gar mit Stillschweigen umgehen. Ich will dadurch einiger Personen Ehre, die sich dabey lächerlich[WS 2] gemacht, verschonen. Ich will den guten Namen derjenigen retten, die das Volk Israel regieren helfen, denen ich alle [Ξ] Ehrefurcht schuldig bin. Nimmermehr aber werde ich es thun, wenn sie hinfüro nicht aufhören, den leichtgläubigen Pöbel in den Gespensterpossen zu stärken, und das Volk aus ihren zeitlichen Interessen auf Nebenwege zu bringen, wo es auf der langen und harten Reise zum Himmel nur irre wird. Zuletzt muß ich noch bitten, man möchte noch einen Blick auf den Anfang des 5. §. zurückwerfen, und jenes bei sich noch einmal bedenken, was ich dort weitläufig angeführet habe. Ich schmeichle mir nicht ohne Grund, wenn man aus diesem Gesichtspunkte, die Geschichten, mit welchen die Gespenster-Vertheidiger das Daseyn der Gespenster behaupten wollen, betrachten wird; man finden werde, daß diese und andere dergleichen Erzählungen, entweders wegen ihren Uhrheber, oder wegen ihren Zeugen, oder wegen ihren Umständen falsch gefunden werden. Man wird erkennen, daß die Wirklichkeit eines Geistes ein Unding sey; daß ein Geist ohne Wunderwerk sichtbarlich nicht erscheinen oder sich zeigen könne. Jene Geschichten aber, die in diesem §. angeführet worden, und hauptsächlich unser Vaterland betrefen, bedarfen keiner Wiederlegung. Aller Grund und Wahrscheinlichkeit fällt von sich selbsten aus den Umständen hinweg, und bleibt ihnen nur das lächerliche zur unseren eigenen Schande. Um aber diese von uns hinfüro abzulehnen, wollen wir vielmehr auf Mittel wider die Gespenster und Geister bedacht seyn.

8. §.
Mitteln wider die Gespenster und Geister.

Es giebt verschiedene Gespenster. Gespenster durch Betrug, durch kranke Einbildungskraft, und Gespenster in einer gesunden, aber durch irrige Begriffe verdorbener Einbildung. Die ersten sind meistentheils lichtscheue Gespenster. Ein beherztes Gemüth, ein guter knorrichter Wegweiser kann selbe am leichtesten [Ξ] verbannen. Diese Gattung der Gespenster erscheinen gemeiniglich nur dummen einfältigen und zaghaften Leuten, und pflegen der Leichtglaubigkeit ein Possen zu spielen. Aurel ein alter Geizhals,

Dem der Klang von vielen Todtenschätzen
Ein Seytenspiel, das Zählen ein Ergetzen,
Schläft ängstig, hungerig, und mit Pein,
Von Hütten matt, auf vollen Säcken ein.

Aurel dieser Mammonsknecht erwachet durch ein Getöß. Er siehet den Teufel, und höret, wie er ihn wegen seinen Sünden und ungerechten Reichthume anklage. Er ruft den Tod, und dieser unerbittliche Menschenwürger beginnet schon seinen mörderischen Pfeil auf die bange Brust des zitterenden Aurels abzudrucken. In solchen Aengsten bethet Aurel zu GOtt, und sehet! Ein Engel erscheinet ihm; Er muntert ihn auf, und spricht: Aurel! dein Gebeth ist vor GOtt gekommen, und angenehm, dafern du nur deine ungerechte Schätz hinwegthust. Der Engel vertreibet nachmal den Teufel und Tod; da aber diese durch ihr starkes Heulen und Gepolter die Nachbarschaft von dem Schlafe erwecket haben, wurden diese drey verkappte Diebe gefangen, und Aurels Schätze erhalten. Wie viele andere lustige und listige Streiche sind mit den Phosphorus gespielet worden? Wie oft hat eine genauere und mühsame Untersuchung gefunden, daß ie stärker die Gespenster in dem Keller oder auf dem Boden gepoltert haben, je weniger das Bier und das Korn geworden sey? und wie manche vortheilhafte Gespensterrolle haben Verliebte gespielet, bis endlich die Beunruhigte durch öftere Geistererscheinung zu stark begeistert worden. Die Mitteln gegen die Gattung dieser Geister, sind desto leichter, ie eher sie zu vertreiben sind. Ein wenig Muth, ein genaue Untersuchung, eine fleißige Obacht, und ein [Ξ] wenig Witz wird selbe leicht entdecken, und Mitteln an die Hand geben selbe zu verjagen.

Viel härter aber sind die Geister zu verbannen, welche eine kranke Einbildungskraft erzeuget. Da die Vertreibung dieser Krankheit und Gespenster in das Fach der Arzneygelehrsamkeit gehört, so will ich nur so viel anmerken, daß sie meistentheils von einem verdorbenen Magen, Würmern, Schleim und dicken Geblüte entstehen. Betrachte man den hypochondrischen Schwermuth, wie wunderlich hält seine Einbildungskraft mit ihm haus. Die Schwermuth bildet sich die seltsamste Dinge ein, als ob sie gegenwärtig sind, da sie doch nicht sind. Folglich hat er eine sehr verdorbene Scharfsinnigkeit. Er unterscheidet zuweilen nicht einmal Personen, so um ihn sind, oder siehet sie für andere an. Folglich hat er einen ungebundenen Witz. Er bauet sich Schlösser in die Luft, und schaft sich falsche Bewegungsgründe zur Furcht und Aengstigkeit. Er hat also eine verdorbene Dichtungskunst. Kurz, ein dickes Geblüt, ein verdorbener Magen haben seine Einbildung zerrüttet, und den Witz, Scharfsinnigkeit, Dichtungskunst, und das Gedächtniß, die unter ihrer Bothmäßigkeit stehen, ebenfalls vergiftet. Wer sitzt dort in dem einsamen und verfinsterten Winkel, und richtet ganze Stunden lang bei halb verdeckten Gesichte ihre Augen auf dem Nabl? Es ist Agnese eine andächtige Bethschwester, die all ihre Sinnen zur Stille, und die Vernunft in eine tiefe Ruhe verweiset. Und worinn bestehen die Sachen, die diese andächtige Jungfer siehet? In Undingen, die sie sich zu sehen einbildet. Erscheinungen, Träume, Kobolden, Poltergeister, und wie dergleichen schreckenvolle Sachen heisen mögen, halten sich gerne bei jenen auf, wo der Verstand schwach, und hingegen das Vermögen stark ist, Undinge wie Dinge, Schatten wie Weesen, und das Nichts wie Etwas zu beherzigen. Wer versichert dort [Ξ] mit bebenden Händen, daß es Geister gebe? Es ist Hr. Stupidus Milz, der alle seine Träume für Wahrheiten anbethet, ein Mann, der mit dem Malo Hip belästiget ist. Heut zu Nachts soll ihm ein Geist sehr übel begegnet seyn. Warum ist er aber zornig, und warum nimmt er GOtt zum Zeugen? Weil ihn andere auslachen, und er kein Phantast will seyn. Er betheuert, daß das Gespenste ihm dreymal die Bettdeck weggezogen, und so empfindliche Stöße gegeben habe, daß er blaue Flecken als Zeugen aufweisen kann, und von 3. Uhr an Blut auswerfe. Gut! daß sie mir eine Abbildung von dem Herrn Milz gemacht. Ich hätte ihm sonst gesagt, daß sein Gespenst ein Einbildung, seine Stöße und Druckungen ein aus Furcht entstandener Krampf, und sein Blutauswerfen eine gewaltsame Zurücktrettung des Geblütes in dem Leib seye. Allein er wurde mich, den H. Professor Stahl, und die berühmte Arzte Unzer, Albini, Lebor und alle medicinische Facultäten auslachen. Ich rede kein Wort. Noch viele dergleichen Kopeyen könnte ich vorzeigen, welche nach dem Original geschildert sind. Ich will aber selbe nicht vorkommen lassen, sondern nur von der Einbildungskraft handlen, die nicht durch Krankheit, oder böse Säfte verdorben, sondern durch irrige Begriffe, und eine unachtsame Erziehung ungesund geworden ist.

Es ist gewiß, daß von der Verschiedenheit unserer Einbildungskraft die Leidenschaften abhangen, die uns vorzüglich beherrschen. Die Einbildungskräften aber gestaltet die Erziehung und Gewohnheit. Die Grundlage zu der Einbildungskraft, und dessen ganzes Gebäu, wird in den Jahren geleget, da unser Verstand noch in dem Chaos dunkler Vorstellungen begraben liegt. Da sich diese nach und nach entwickeln, und hervor keimen so sind die Mütter, Ammen, Kinderwärterinnen und Mägden schon beschäftiget unsere [Ξ] Seele mit fürchterlichen Gespenstern und Schreckbildern, Hexen und Abentheuern anzufüllen, und selbe durch fleißige Wederhollung tief in die Seele einzuprägen. Man findet auch den Nutzen, und gemeiniglich ist das erste Spiel, welches die herumzablende Kinder anfangen, ein Aufzug von einer Gespenster-Historie, da eines das andere mit einem über das Gesichte herabhangenden Tuch erschrecken, und ein Furcht vor sich einjagen will. Die Thorheit der beisitzenden Eltern muß bei den Kindern ihre Gestalte verliehren, und zur Weisheit werden. Die sorgfältige Mutter lobet die sinnreiche Erfindung der Kinder, und der ganze Auftritt wird endlich von ihr mit Erzählung einer neuen Geister-Historie von dem bezauberten Schlosse, oder mit der Geschichte des ewigen Juden beschlossen. Will das Kind nicht in dem Zimmer bleiben, so wird der schwarze Mann zur Schildwach aussen hingestellet. Die alljährliche Auftritte der Nicolausdiener, und des sogenannten Klaubauf, der den Bauch aufschneidenden Lucia und andere Bräuche bestärken noch fester die Geister-Begriffe, die wegen dem Eindruck, die unsere Seele von diesen mit der ersten Kindheit erhalten, ohnehin schon sehr tiefe Wurzeln geschlagen haben. Diese Begriffe, die unsere Einbildung beleben, begleiten uns wie die Schatten durch unser ganzes Leben hindurch, und sie sind die Ursache, daß man Geister siehet, da keine sind. Man will nicht an einem, einsamen Orte schlafen, oder ohne Gesellschaft in einem abgelegenen Zimmer seyn. Bei jedem Geräusche entstehet von der Einbildung der irrige Gedanke: es ist ein Gespenst. Wer einen Begriff von dem Vermögen der Einbildung hat, wird dieses nicht in Zweifel ziehen. Junker der berühmte Arzt erzählet, daß eine Schwester sich allezeit erbrechen mußte, so oft sie das Sterblied ihres Bruders singen hörte. Die Einbildung thut auch zu unserm Schaden die Vorurtheile erregen, die wir in der Jugend eingesogen, oder sonst aufgeklaubet [Ξ] haben. Ich habe die Ehre eine Dame zu kennen, die vor einer Fledermaus in Ohnmacht fällt, und ein tapferer General, der in mehrern Feldschlachten mehrere Wunden überkommen, und in den größten Gefahren ein versammeltes Gemüth behalten, erzittert allezeit bey dem Aderlassen vor dem Lanzet, und fällt in Ohnmacht vor seinem unterthänigen Feldscherer, so oft er ihm die Ader öffnen will. So groß ist bei der Einbildung die Macht der Vorurtheilen.

Die Gewohnheit trägt auch sehr vieles bei. Die Leidenschaften als Furcht und Schrecken, die uns durch unsere ganze Jugend und überhaupt in unserem Leben beherrschen, werden uns endlich zur Gewohnheit. Wir überlassen uns denselben bei jeder Gelegenheit, weil unsere Seele schon darinn durch derselben öftere Wiederhollung eine Fertigkeit erlanget hat; und weil sie uns zu anderer Natur geworden. Sie regieren uns endlich so dunkel, daß wir oft selbst nicht wissen, warum unser Gemüth zur Furcht hat bewegt werden können, und da wir es nicht wissen, fallen wir auf die Ahndung, daß etwas Ubernatürliches, und ein Geist unsere Natur in Bewegung gesetzt habe. Diese Vorstellung fliesset oft in unsern Willen, ohne daß der Verstand, und die Vernunft diese Einflüsse ordnet, und leitet. Haben wir einmal ein vermeintes Gespenst gesehen, so ist jeder Schatten vermögend bey dem Anblick desselben in uns die dunkle Erinnerung, die Aehnlichkeit der jetzigen Empfindung mit den vergangenen und vormals gehabten Empfindungen, und auf diese Weise Furcht und Schrecken zu erregen; indem sogleich jene Leidenschaften erwachen, welche die Seele damal empfande. Wie uns ein Mensch gefällt oder misfallt, wenn wir ein Ähnlichkeit an ihm von einem Menschen sehen, der uns einstens gefallen oder misfallen hat. Wir wollen unsern gemachten Vortrag mit Beispielen [Ξ] beleuchten. Hr. Licentiat Ergo wird nach = = = als Kooperator geschickt. Unter Wegs erzählet man ihm, daß der kürzlich verstorbene Pfarrer umgehe. Da ihm das Zimmer angewiesen wird, vertrauet man ihm, daß in diesem der Hr. Pfarrer gestorben seye: diese Erzählung beunruhiget ihn; schon ganz kleinmüthig gehet er zu Bette, nachdem er zuvor dem Bette gegen über seinen schwarzen Rock, und gleich darüber sein sammetes Käpplein aufgehangen hat. Ehe der Tag anbricht, erwachet er, und er siehet den verstorbenen Pfarrer lebhaft in seinem Zimmer. Furcht und Angst überfallen ihn; er schwitzet im Bette; er macht ein Beschwerung und ein Präceptum über das andere. Der Geist weichet nicht; denn es war das Gespenst sein Rock und sein Käpplein. Die Begriffe von den Geistern, die er hatte, die Erzählung, die er hörte, waren Ursache seiner irrenden Einbildungskraft und der Krankheit, die er wegen gehabten Schrecken ausstehen müßte.

Philander tritt ganz blaß in die Stube seines Nachbaren. Man fraget ihn. Er will nichts sagen. Endlich bekennet er umständlich, daß auf dem Wege ein weisser Hund gelegen, da doch keiner in dem ganzen Dorf seye, und er beklaget sich über das ungestümme Anhalten seiner Freunde, welches ihm gewiß einen Ausschlag an dem Munde verursachen werde, weil er die Sache, ehe 3. Tage verflossen wären, erzählet habe. Unterdessen kommt Salmon, und da er die Erzählung höret, lachet er aus vollem Halse, und verwandelt den weissen Hund in einen weissen Stein. Philander erhält aber richtig seinen Ausschlag. Die Einbildung, die Gewohnheit jede Sache für ein Gespenst anzusehen, die Furcht, die ihn angefallen, der Schrecken, den er erlitten, waren Ursache seiner Bangigkeit vor dem vermeinten weissen Hunde, und seines wehen Mauls.

Sycophant hört zu Nacht einen Geist in seinem Zimmer herumgehen. Er kommt so gar über seine Bücher, und es muß der Geist seines [Ξ] Freundes seyn, aus dessen Verlassenschaft er kurz den Bodinus, Godelmann, Lavaterus, Delrio, und Binsfeld erkaufet hat. Er schwitzet und erkennet seine Ungerechtigkeit, und macht den Vorsatz den Erben etliche Thaler, die er ihnen abgedrucket, nachzuschicken. Und wer war der Geist? Es war eine Katze. Doch nein. Es müßte wenigist ein Hexe seyn, die ihn nur erschrecket, und keine Gewalt gegen ihn hatte, und da er im P. Abraham den vorigen Tage gelesen, daß ein Holzhauer von 3. Katzen angefallen wurde, und sich nicht genug derselben erwähren könnte, bis er einer eine Pfote abgehauen, der andern einen Streich versetzet, und der dritten durch einen Hieb das Aug ausgehauen habe, und daß diese 3. Katzen drey Rathsfrauen waren, deren eine ein Aug, die andere die Hand, und die dritte durch den Streich das Gehör verlohren haben, und da er von diesen Verwandlungen öfters gehört, und diese auch seine erkaufte Bücher bestättigten, sticht er der gefangenen Katze das linke Aug aus, mit schärfster Drohung auch ihr das rechte auszubrennen, wenn sie sich noch einmal in seinem Zimmer einfinden wurde. Am folgenden Samstag fraget Sycophant sorgfältig den Bader, ob in den Städtlein kein Patient seye, den etwas an dem linken Auge fehle, und da dieser nichts wissen will, glaubet er, die Hexe muß eine Bäurin von dem Lande gewesen seyn. Was ware die Ursache der Furcht und des albern Betragen des Sykophant? Die Vorurtheile, die ihn und seine Einbildung bethöret hatten. Ich wollte von Mitteln reden gegen diese Schwachheiten, und gegen die Gespenster, und ich falle wieder in Erzählungen. Das beste Mittel gegen die Gespenster ist eine bessere Auferziehung. Die Auferziehung bildet den Verstand, und beraubet denselben der Vorurtheilen, sie erreget und nähret die Einbildungskraft. Da also die Erziehung und die ersten jugendliche Eindrücke auf die übrige Zeit unsers Lebens einen starken Einfluß haben, so muß man vor allen den weichen Verstand [Ξ] der Kinder keine Gespenstergeschichte einprägen, noch weniger die Kinder durch solche Undinge und kindische Vorstellungen der Gespenster, durch Larven und Unholden furchtsam machen. Man soll ihnen vielmehr nützliche Begebenheiten erzählen, oder Heldenthaten vorstellen, als mit diesen Abentheuern ihnen die lange Weile vertreiben. Ist es nicht seltsam? Die Menschen haben so schon unzähliche Dinge zu lernen, und gleichwohl unterrichtet man sie noch mit Sachen, welche zugleich falsch und schädlich sind! Wie viel besser wäre es also, wenn man ihnen statt den erdichteten Leben des Dr. Fausts, statt den Geschichten der verwunschenen Schlössern, der Gespenstern und Geistern, die Begebenheiten der Erschaffung der Welt, des Sündflusses etc. die auch dem gemeinen Mann nicht unbekannt sind, beibringen wurde, als daß man mit jenen ihren Verstand bethöre, ihre Einbildung vergifte, und ihnen schädliche Vorurtheile einflöße. Alle Sittenlehrer, die ihren Mitbürgern nutzen wollen, geben diesen Rath, und alle Aerzte schreiben dieses vor, und dennoch will niemand folgen, vieleicht weil eben jenes verabscheuet wird, was nützlich ist. Man kann auch die Kinder in finstere oder abgelegene Zimmer schicken etwas zu holen, und sie also nach und nach zur Herzhaftigkeit zugewöhnen. Mit einem Worte, man soll ihnen nichts von Gespenstern und Geistern sagen. Wenn man ihnen nichts saget, werden sie nichts wissen, und von Sachen, die sie nicht wissen, sich nicht fürchten. Bei Erwachsenen sind die Mittel gegen die Gespenster leichter vorzuschreiben, aber schwerer zu befolgen. Die Grundsätze von der Wirklichkeit der Gespenster, die mit unsern Kindesgebeinen aufgewachsen sind, die Vorurtheile, die uns zu tief eingepräget worden; die Geister- und Gespensterbilder, die uns die wiederholten Erzählungen so oft abgemalen; die Einbildung, die mit diesen angefüllet ist, die Schwachheiten, in die die Sinne der Natur fast verwandelt worden, alles dieses hält den [Ξ] erwachsenen Menschen zurück, und ab mit Herzhaftigkeit gegen die Gespenster sich zu bewaffnen.

Ich kann hier von eigener Erfahrniß reden, und es kostete mich vor 8. Jahren viele Mühe, diesen Plunder aus dem Verstand zu räumen, die alten Vorurtheile abzuschaffen, die Einbildungskraft zu bessern, die furchtsame Gewohnheit auszuziehen, und die Schwachheiten abzulegen. Es ist doch möglich, obschon beschwerlich und mühsam. Aber wie ist die Sache anzufangen? In dem Verstande müssen die alten Grundsätze vertilget werden; ein neuer Grund muß geleget, ein neues Gebäu der Lehrsätzen von der Unmöglichkeit der Gespenster und der Geister muß aufgeführet werden. Die Vorurtheile muß man hinweg werfen, die Schwachheit übergwältigen, und die Einbildungskraft muß mit einer gesetzten Achtsamkeit und mit einer vernünftigen Klugheit bewachet werden, damit sie in allen Umständen die Schranken halte, und nicht bis zu Undingen ausschweife. Die Einbildung, die durch die Gewohnheit dunkel, verworren, flüchtig und gleichsam eilend oft den fehlerhaften Schluß macht: Siehe! hier ist ein Gespenst, muß man beschämen, und ihres Ungrundes überführen. Man muß den Gegenstand beherzt ansehen, selben keck in die Augen fassen, und sich herzhaft der Sache nahen, welche uns unsere Einbildung als ein Gespenst vorspiegelt; und man wird finden, daß sie uns einen Schatten, ein Gesträus, oder sonst etwas als einen Geist fälschlich vorgebildet habe. Vieleicht hat der Leser selbst erfahren, daß er sich zu Nachtszeit vor Sachen gefürchtet, über welche er bei Tage gelachet. Multa, saget Seneka, per noctem habita terrori, dies vertit in risum. Auch kein Getös, Krachen, Gepolter soll unsere Herzhaftigkeit in einen Winkel jagen. Man muß aushalten, die Sache untersuchen, und standhaft seyn.

Hic murus aheneus esto.

[Ξ] Sobald das Herz in die Füße fällt, verdoppelt sich die Furcht, und bildet uns Sachen vor, die Undinge heissen. Man muß vielmehr die Ursachen aufsuchen, die Sache selbst untersuchen, und selbe aus natürlichen Gründen erklären. Können wir auf den Grunde der Sache nicht nachgraben, und denselben finden, so müssen wir uns dennoch nichts übernatürliches einbilden, sondern vernünftig dafür halten, daß die Zeit die Sache noch entdecken werde; sonst wird einen feigen Menschen das Schnappen des Holzes, das Krachen des Dachstuhls, das Geknerz eines Fähnleins auf dem Dache, eine Nachteul, Mauß oder Ratz vermögend seyn mit Furcht zu erfüllen, und in die Flucht zu treiben. In meinen Studierjahren war ich etliche Jahre in einem Haus, wo sich in dem angebauten Gange beständig ein Geist aufhielte, keiner wagte sich allein zu Nachts auf den Gang, es polderte als wenn man Gläser zerbrechte, oder mit Ketten daher särfelte, da aber einsmal die Dachung ausgebessert wurde, fande man ein ganzes Nest dieser Geister, junge und alte Katzen, die auf Fenstern, die unter dem Dach lagen, und niemand wüßte, ihr Spiel getrieben, und mich und andere öfters in Furcht gesetzet. Auch durch andere Umstände müssen wir uns nicht bethören lassen. Man sagt, daß das Winzeln der Hunde, das Schnaufen und Saufen der Pferde, und die Furcht, die sie an Tag geben, die Gespenster verrathen.

So oft dem ängstigen Caut sein Mops unter die Füße kriecht, glaubt er, in dem Orte muß es Gespenster geben. Ich weis nicht, wie die Thiere, die keinen Begriff von Gespenstern haben können, und denen sie keinen Schaden zufügen, die Geister ahnden sollen! und da dergleichen Ahndung Hr. Caut auch von seinem vorigen blinden Hunde erzählet, so sollte man schier glauben, [Ξ] daß Gespenster von den Hunden durch den Geruch entdecket werden. Possen! andere Zufälle sind Ursache. Hr. Saxe reitet bei Nacht durch einen Wald. Es ware ihm die gemeine Sage nicht unbekannt, welche behauptete, daß im selben Geister sich aufhielten. Er reitet dennoch fort, und da er mitten in dem Wald ware, stehet das Pferd. Es schnaufet, es brauset, und will keinen Schritt weiter gehen. Saxe muntert sein Pferd in Güte auf. Umsonst. Es will umkehren, es zittert, und brauset noch heftiger. Hr. Saxe fangt auch an sich zu fürchten. Endlich kriecht ein alter Mann aus dem Gebüsche hervor, welchen er um Beihilfe bittet. Gleich, saget dieser, will ich helfen. Ich muß diese Nacht noch diese Todtenbahr in das nächste Dorf führen, ich darf nur meinen Schubkarren aus dem Wege bringen, so wird geholfen seyn. Um ein wenig zu ruhen, hab ich ihn stehen lassen, und mich ins Gebüsche geleget. Verzeihen sie mir meine Unachtsamkeit. Gleich will ich den Karren mit der Todtenbahre auf die Seite schieben, damit der Herr fortreiten kann. Ich könnte hier noch viele dergleichen Geschichte anführen, welche uns vor Augen legen wurden, daß ein Zufall dergleichen furchtsame Bewegungen bei Thieren, nicht aber Gespenster verursachet haben, wie theuerer aber die Weitläuftigkeit, und ich will nicht mehrere dergleichen Begebenheiten beibringen, damit wir keinen Ekel dem Leser durch viele Erzählungen erregen. Ein gutes Gewissen ist auch ein gutes Mittel gegen die Gespenster. Hat der Mensch von selbem ein gutes Zeugniß, warum soll er sich fürchten? Cleon lachet über alle Geister, höret er ein Gepolter, so lachet er, redet mit sich laut, und fängt an zu pfeifen, zu singen, und auch ein Gepolter zu machen, und je mehr Geräusch er machen kann, je mehr verschwindet seine Furcht, und sein gut Vertrauen, und sein gut Gewissen macht ihn so beherzt: ist aber dieses verwundet, so erreget der Biß des Gewissen die Furcht, und man erschrickt vor einem Fall, wie ein [Ξ] Bösewicht vor dem Krachen des Donners. Dieses sind nun einige Mitteln gegen die Geister. Bewerbe dich also um ein gutes Gewissens, lege die Vorurtheile bei Seite, räume deinen Verstand auf, und betrachte die Sache ohne Furcht, und besiege die Angst. Der Einbildung thue mit einer gesetzten Vernunft den Daum aufs Auge halten, denn sie speiset dich mit Wind, mit Träumen, mit Schattenbildern. Verfährst du so, so wird sich deine Einbildung für sich selbst schämen, wenn ihr die Vernunft das Fälschliche der verwornen Vorstellung handgreiflich macht, und die Gespenster werden verschwinden.

9. §.
Von dem Nutzen dieser Abhandlung und Meinung, daß es keine Gespenster gebe.

Jede Abhandlung soll einem Lichte ähnlich seyn, dessen eigentliche Bestimmung darinn bestehen soll, die Finsternissen zu erhellen, und auf vielerley Weise nützlich zu seyn. Nur ein Kind zündet ein Licht an, um damit zu gaukeln, und ein Mordbrenner um ein Feuersbrunst zu erregen. Ich wurde selbst darfürhalten, daß ich einem Kind nachgeahmet hätte, und ich wurde diese Blätter für ein kindisches Spiel des gaukelnden Witzes halten, wenn diese nicht einen vielfältigen Nutzen für alle in sich enthalten wurden; ja ich wurde glauben[WS 3], daß ich einem Mordbrenner nicht ungleich wäre, wenn ich dieser Abhandlung was eingemenget hätte, so dem H. Glauben zuwider, und dem Gemüthe des Lesers schädlich seyn könnte. Allein was mich beruhiget, ist mein Gewissen, welches mir das unverfälschte Zeugniß ertheilet, daß ich vielmehr gesuchet habe, dem klugen Weibe nachzuahmen, die ein Licht angezündet, die Finsterniß zu erleichten, und den verlohrnen Groschen [Ξ] zu suchen, und daß mein einziges Augenmerk seye, durch diese Abhandlung den Nutzen, und die Wohlfahrt zu finden, die die halsstärrige Meinung der Gespensterliebhaber verlohren hat. Man wird mir also erlauben, daß ich den Nutzen anzeige, den die Meinung, die die Gespenster für Undinge hält, gefunden hat, und daß ich zugleich den Stoff dieser Abhandlung durch den vielfältigen Nutzen, den selbe bringen kann, mit Bescheidenheit und kürzlich rechtfertige.

Die Meinung, daß es Gespenster gebe, enthält in sich ein Chaos verschiedener irrigen Meinungen, in welchen wenig Wahrheiten angetroffen werden, und welches nach und nach von den Menschen ersonnen worden. Sie ist nicht nur ungereimt, und in vielerley Absicht (wie aus vielen Geistergeschichten erhellet) lächerlich; sondern sie ist auch ungemein schädlich, indem sie die Moralität des Menschen vergiftet. Ein Mensch, der Geister glaubt, kann schier in den Umständen, wo ihm seine Einbildung ein Gespenst vorstellet, keine wahre Furcht GOttes in dem Herzen haben, weil er das Gespenst entweder eben so stark, oder wohl gar stärker fürchtet, als den lebendigen GOtt. Vor GOtt zittert, und bebet er nicht, aber vor einem Geist zittert und bebet er. Sein Vertrauen auf GOtt ist also bei nahe schier ersticket, da er von der Macht eines Geistes unendlich viel Uebel fürchtet, für welche er sich nicht genug gesichert hält, ob er gleich einen guten GOtt glaubt. Diejenige Meinung aber, die die Gespenster verlachet, fürchtet allein GOtt, und glaubt, daß GOtt allein der HErr unsers Schicksals sey, dem wir Furcht und Gehorsam schuldig sind; diese kindliche Furcht erwecket die Leidenschaften nicht, die jene erreget, und sie vertreibet nicht die freudige Gelassenheit, die die Gespensterfurcht verjaget. [Ξ] Die Meinung, daß es keine Gespenster giebt, ist ganz rein von allen Aberglauben. Sie weis nichts von dem Geistervertragen und Gespensterbeschwörungen, und sie verabscheuet auch den Gedanken, daß durch Teufelswerk die Geister bezwungen, und die Gespenster können vertrieben werden; als wenn dessen Macht auch über die Geister sich erstrecken thäte, welche doch nach der Lehre der Geisterfreunden das Urtheil GOttes an ein gewisses Ort angebunden. Sie will also nicht in die Gesellschaft derjenigen kommen, die sich rühmen, Geister verjagen zu können, und der Leichtgläubigkeit den Beutel leeren. Da sie ferner die Erscheinungen des Satans läugnet, und die Unmöglichkeit beweiset, daß der Satan aus eigenen Kräften nicht erscheinen könne, so vernichtet sie den ausdrücklichen Pact und Bindniß mit dem Satan, und wirft folgsam das ganze Hexensystem zu Boden. Sie ist auch eine liebvolle und erspriesliche Meinung, sie urtheilet nicht, sie denket nicht übel von andern, und sie rettet die Ehre des Verstorbenen, welchen oft eine gemeine Sage als ein Gespenst herum wandern läßt, und dadurch dessen Ehre verletzet. Und da sie begehrt, daß man das Wort GOttes rein vortrage, ist sie eine höchst erspriesliche Meinung. Es wird dieses durch manche Geister- und Gespenstermährchen beflecket; sie wünschet also, daß die Prediger ihre Beweise nicht von den Gespenstergeschichten, sondern aus der reinen Quelle der unfehlbaren Lehre des HErrn schöpfen, und daß sie mehr in die göttliche Schrift, als in den Exempelspiegel schauen möchten. Das Volk soll einen reinen Unterricht durch die Stellen der H. Schrift, durch die Lehre der HH. Väter, und durch die Vernunft erhalten, nicht aber durch Gespenstermährchen, die nur die Einbildung des Zuhörers in Bewegung setzen, und wie ein Irrlicht verschwinden; und bei deren Erzählungen der Prediger mehr die Person eines Bilderpatschers, als eines geistlichen [Ξ] Dieners des göttlichen Worts vorstellet. a)[86] Diese Meinung ist endlich eine höchst nützliche Meinung. Sie befördert die Wohlfahrt des Staats, da sie gute Bürger demselben zu erziehen sucht. Die Erziehung hat hauptsächlich nur drey Gegenstände. Nämlich die Bildung des Verstandes, der Sitten, des Körpers. Bei allen [Ξ] diesen drey Stücken nutzt die Meinung sehr viel, die die Gespenster läugnet. Der Schaden, den die gegenseitige Lehre und Meinunug anrichtet, kann dieses beweisen. Die Lehre von der Wirklichkeit der Gespenster verunzieret den Verstand. In den ersten Jahren wird schon der Grund zu dieser Verunzierung geleget. [Ξ] Man erfüllt die Köpfe der Kinder mit Gespenstermährchen, und sie werden furchtsam ehe sie die Furcht kennen. Durch eben diese Mährchen wird die Einbildungskraft vergiftet, die Dichtungskunst angesteckt, die Furcht, die uns so zuwider ist, wird tief eingepräget, und die Kinder erhalten die Eigenschaft kleiner Seelen, die von [Ξ] aberglaubischen Vorurtheilen geprellet werden. Diese unchristliche Erziehung, die sehr viel von der Furcht für die Gespenster, und sehr wenig von der Furcht GOttes redet, und diese Lehre von den Gespenstern verderben auch die Sitten, und die Handlungen der Menschen. Die feige Furchtsamkeit macht den Menschen unfähig, die geringste Zufälle ohne Angst auszustehen. Plater hätte vorige Nacht ein Sache von größter Wichtigkeit ausarbeiten sollen. Er sitzte in seiner Schreibstube in tiefsinnigen Gedanken, auf einmal grabelte etwas am Fenster. Er wird gestöret, die Einbildung lauret schon; ob es kein Gespenst seye. Da sich dieses Grabeln verdoppelt, überfällt ihn eine Furcht: er ruft seinen Diener, der endlich den Geist entdecket, welcher ein Fledermaus ware, die dem Schein des Lichts mag zugeflogen seyn. Aber die gehabte Furcht, die erlittene Angst hat seine Gedanken zerstreut, und auch durch vieles Federbeissen gebähret er einen Aufsatz, dem Händ, Füß und Kopfe mangeln. Plumb will nicht allein an einem Orte schlafen, und er schlägt [Ξ] eher eine Belohnung von 24. Groschen in den Wind, als daß er bei der Nacht über den Kirchhof gienge, und ein Maaß Bier holete, und die Jungfer Meliora Priora laßt eher ihre alte Mutter, die das Bein gebrochen, da sie in das Bett steigen wollte, unter den empfindlichsten Schmerzen eine ganze Nacht schmachten, als daß sie 300. Schritt weit gehe, und bei Nacht den Baader hole. Was soll ich erst sagen von den Uebeln und Schaden, mit welchen die Gespenstermeinung den Körper überfällt? Furcht, Bangigkeit und Angst, eine ganze Familie der quälenden Leidenschaften, die Herr von Haller einen Frost der Seele nennt, werden durch diese in die Seele gelagert, und thun in dem Körper mit Uebeln, Schaden und Krankheiten hervorbrechen, die durch viele Jahre die Kunst der Aerzte nicht mehr heilen kann. Gilbert, ein frischer Jüngling gehet in der Nacht gutes Muths für die Thür des Hauses hinaus. Kaum wendet er den Kopf auf eine Seite des Hofes, erblicket er ein weißes Gespenst, das auf ihn bald hinzu, bald wieder zurück geht. Gilbert erschrickt, das Herz schlägt auf einmal schwächer; die Pulsadern klopfen sachter; das Blut getraut sich kaum bis unter die Haut, und die Fäserchen versagen ihm den Dienst bis dahin zu fördern; in den Gliedern bebet ein Schauer; sein Herzhaftigkeit sinket unter dem Last böser Ahndung; er will laufen, aber die Furcht entkräftet ihn; ein neuer Schauer überfällt ihn; die Bangigkeit macht ihn ohnmächtig, und die Angst hat ihn schier getödtet. Gilbert kömmt nicht zurück; die Mutter ist sorgfältig, sie suchet, und findet ihn in einer Ohnmacht liegend; man bringet ihn in das Haus, und er liget in dem Bette

Von Farb und Sinn beraubt, von kalter Furcht umgeben,
Ganz ohne Wärm und Stimm, und ohne Seel und Leben,
Zwar noch nicht tod, doch als ein Todter anzuschauen,
Scheint er ein Marmorbild aus weissen Stein gehauen.

[Ξ] Endlich nach vieler Mühe werden die Lebensgeister durch starke Geister ermuntert; Gilbert kömmt zu sich, er zittert aber noch vor Furcht, und Schrecken, die er ausgestanden, welche ihm auch eine lange und schwere Krankheit zugezogen. Und wer ware der weisse Geist? Ein Hemd, das um abzudrücknen an einer Stange hieng, und von dem Wind bald fürwärts, bald zurück gewähet wurde, und dieser Geist oder vielmehr die Furcht von demselben hat Gilbert so viele Uebel zugezogen. Schreckliche Wirkung einer Leidenschaft, die über Undinge entstehet, die doch nicht vorhanden sind, und die in dem Körper eine solche Niederlag anrichtet! Noch mehrere Uebeln prediget uns die Erfahrniß. Sie zeiget uns Kinder, die vor einem eingebildeten Gespenst in die Frais gefallen, Erwachsene, denen die Furcht und der Schrecken vor einem Geist die hinfallende Krankheit zuwegen bracht, andere, welchen diese Leidenschaften das Leben beraubet, und einige, die graue Haare davon getragen. So heftig wüthen diese Leidenschaften in die Natur und unsern Körper. Der gelehrte hamburgische Arzt Hr. Dr. Unzer beschreibet ihren Wuth in dem 97. Stücke seiner angenehmen Wochenschrift: Bei dem Schrecken, saget er, druckt sich der verworrne Zustand des Gemüths mit aller der Heftigkeit in den Bewegungen unsers Körpers aus, womit die Seele selbst, wie von einem Donner darnieder geschlagen wird. Das Herz wird gejaget wie ein schüchternes Reh, und seine Pulsen beben in allen Adern, daß jedes Glied am Körper erzittert. Das Athemholen unterbricht sich in seiner Beschleunigung. Die Brust scheinet bald ihre Verrichtung zu vergessen, bald sich in tiefen Seufzen wieder zu erholen, um ihre Wallungen zu verdoppeln. Ein kalter Schauer treibt mit dem Blute das Feuer des Lebens nach den innwendigen Theilen. Das Gesicht erblasset, und die ganze Haut des Körpers wird zusammen gezogen. Die Glieder erkalten, und ihre Kräften scheinen sich [Ξ] zuruck zu ziehen, und gegen die Oberherrschaft des Willkührs zu rebelliren. Die Hände beben, die Knie wanken, die Lippen zittern, die Nerven werden entseelt, und die Seele scheinet aus dem Körper zu fliehen, den sie wie einen Leichnam in tiefer Ohnmacht hinsinken und liegen läßt. Solche entsetzliche Auftritte machet der Schrecken. Und welches sind die Folgen dieses entsetzlichen Auftritts? Da diese wüthende Leidenschaft gerade auf das Herz geht, muß natürlicher Weise die ganze Natur zerrüttet werden. Dahero ist es kein Wunder, daß durch die Gewalt dieses gefährlichen Feindes Schlagflüß, Krämpfe und die gräßlichsten Convulsionen entstehen, und daß durch dessen gewaltsamste Wirkungen sowohl Kinder als Erwachsene erstarren, verstummen, Gedanken, Empfindung, Bewegung und Leben verliehren. Es wurde ein leichtes seyn alle diese Wirkungen der Furcht und des Schreckens mit Geschichten zu belegen, die die Geisterfreunde als Braxter in seiner Gewißheit der Geister, der frostige Verfasser der Sammlungen von Gespenstergeschichten, Lavaterus de Spectris und andere zusammen getragen; da ich aber durch neue Gespenster-Begebenheit die Gedult des Lesers ermüden wurde, so will ich mich nur auf die tägliche Erfahrniß berufen, und das Zeugniß der Aerzte zu Hilf nehmen, welche einmüthig aussagen, daß durch den Schrecken vor den Gespenstern dergleichen Uebeln entstehen können, und oft entstanden seyn. Alle diese Uebeln aber, und alle diese Schäden, die den Körper treffen können, sind der Gespenster läugnenden Meinung und ihren Vertheidigern unbekannt. Sie glaubet an kein Gespenst, und weis also nichts von einer Furcht. Ein Getös, so andere schrecket, läßt sie mit Verachtung, als einen natürlichen Zufall vorübergehen. Ein Schatten der dem ängstigen Gespensterfreund ein Ertattern verursachet, siehet sie als ein Schatten an, und da sie von keinem Gespenst nichts wissen will, und nicht glaubt, daß der gütige HErr der Natur [Ξ] durch Gespenster so oft in der Natur eine Zerrüttung erregen will, so verbannet sie alle Gespenster-Begriffe, verabscheuet die nach Gespenstermährchen, und Fabeln riechende Erzählung, und sie beeifert sich durch kluge Erziehung den Verstand aufzuklären, die Sitten und Handlungen zur Unerschrockenheit anzugewöhnen, die Schüchternheit zu vertreiben, und den Körper gegen alle Uebeln der Furcht und des Schreckens zu verwahren. Bei den Erwachsenen suchet sie Vorurtheile zu vertilgen, den Verstand auszuheitern, die Einbildung zu bessern, durch ihre Gründe den Feigen einen Muth einzuflößen, alle Hinderniß der edlen Unerschrockenheit aus dem Wege zu raumen, und den Glauben an die Gespenster als den Grund vieles Aberglaubens zu zernichten, und also durch dieses dem Staat fähige, gesunde und beherzte Bürger zu bilden. Dieses ist der vielfältige Nutzen, den diese Meinung dem Mitbürger leisten, und diese Abhandlung verschaffen kann.

Ich wünschte, daß einige Gelehrte diese Meinung unterstützen, und diese Abhandlung mit ihrem Beifalle beehren möchten, und daß diejenigen, die mit ihrem Verstand und Witz zu wuchern gewöhnet sind, stärkere Gründe, und mächtigere Beweise entdecken, und mit diesem für das Wohl des Mitbürgers, das Gespensterreich bestreiten, und selbem engere Gränzen setzen möchten. Ich kann ohne entzückendes Vergnügen mich niemal erinnern, daß dieses finstere Reich der tapfere Muth einiger Gelehrten bei diesen aufgeklärten Zeiten mächtig bestürmet, und dessen Macht gewaltig geschwächet habe. Die Irrwische, Irrlichter (ignes falvi) halten nur noch jene für feuerige Männer und irrführende Geister, und betrachten selbe mit pochendem Herzen, welche in niedern Hütten wohnen, die das Licht der geläuterten Vernunft nie erleuchten wird. Der sich nur ein wenig mit den Wissenschaften bekannt gemacht hat, der weis, daß eine schweflichte Materie diese [Ξ] feuerige Männer, und diese fürchterliche Geister seyen, die sich gemeiniglich um die sumpfigten Oerter, Kirchhöfe, Wahlstätte und Bergwerke aufhalten, da viele schweflichte Dünste aus der Auflösung natürlicher Körper in die Höhe steigen, und hin und her fahren, wo sie Nahrung finden, und daß diese Flammen der einhauchende Athem, und die schnelle Flucht des Menschen an sich ziehen, hingegen ein von sich gestossener Athem verjagen könne. Da indessen die dumme Einfalt glaubt, daß diese vermeinten Geister das Fluchen vertreibe, und das Fliehen und Bethen zu sich ziehe. Der feuerige Drach, oder der Satan, der in dieser Gestalte durch die Kamin führt, den Weibern das Schmalz für seine Hexen stihlt, verursachet nur jenen Furcht und Schrecken, welche noch nicht ermüdet sind, das Joch zu tragen, welches Finsterniß und Dummheit, und der eingewurzelte Aberglaub auf ihre Schultern bürdet, wer nur ein wenig die kindliche Vorurtheile abgeleget, und sich auch von weiten den Wissenschaften genähert hat, der ist überzeugt, daß dieser feuerige Teufel ein feueriges Luftzeichen von ziemlicher Größe seye, welches aus groben und fetten wirklich entzündeten, oder nach Art eines Phosphorus scheinenden Dünsten bestehet, und von der Luft in die Länge, und gar geschwinde fortgetrieben wird. Die Bergmännlein, Bergmönche oder Kobold sind bei jetzigen Zeiten unsichtbar geworden, und die Gelehrten verwundern sich, daß Olaus L. VI. c. 9. Lavaterus de Spectris P. I. c. 16. Balbinus in Miscell. Hist. Boh. L. I. c. 6. §. 2. Schotus in itinere exstatico in mundum subterran. c. 4. Kircher und Agricola etc. die bösen Dämpf, b)[87] die sich in der Grube [Ξ] auf dem Wasser, oder anderswo angeleget, und die giftigen Ausdünstungen in böse Geister und Teufeln verwandelt haben, c)[88] Unsere Zeiten glauben nicht mehr, daß, so oft ein giftige Ausdünstung einen Bergmann ersticken thut, derselbe in einem Duell mit einem Bergmännlein geblieben seye, oder wenn die eingedränkte Luft ein Bergwerk eingestürzet, selbes ein Unternehmen eines erzürnten Berggeistes sey. Aber diejenigen Gelehrten, welche sich gerühmet, Spiritus familiares, dienstbare Geister zu haben, lachet man bei unsern Zeiten aus, d)[89] und man hält dafür, daß der Vernunftsstab derjenigen, die ihre Wirklichkeit, und das Ausbrütten und Zeitigung der Alraun vertheidigen, nicht größer als ein Hahnenschritt [Ξ] seye. Die Waldgötter, Waldteufeln haben auch ihren Abschied von der gelehrten Welt erhalten, auch das Vorwort des großen Augustin nicht ware vermögend, daß selbe im ruhigen Besitz gelassen wurden. Die Buhlschaften, Vermischungen der Menschen mit den Geistern, die Wechselkinder, die aus dieser Beiwohnung entspringen sollen, lassen nur jene zu, welche das große A. in den Wissenschaften allein durch den Ruf kennen. Daß der Teufel als ein schwarzer Bock erscheine, die Leute holen, und daß die mannsüchtige Lais ihren Liebsten von Wienn durch diese eilende Extrapost habe abholen lassen, mögen jene glauben, die ein Gelübde gethan, alle Mährchen der Rockenstube für heilige Wahrheiten anzubethen. Der Alp, und das drückende Nachtmännlein finden allein an dem Hrn Orgon ihren Beschützer, und sie sind schon so verächtlich geworden, daß sie sich auch in eines ehrlichen Bürgers Haus nicht mehr darfen sehen lassen, und nur in den Bauernhütten Unterschlupf finden. Denjenigen, der die Vampyren läugnet, wird die jetzige Welt für keinen Atheisten halten, und man darf bei unsern Tagen ihr Daseyn ohne Verletzung seines Christenthums verneinen. Das wilde und wüthende Heer hat bei unsern Zeiten, seine nächtliche Jagdgerechtigkeit, die in so vielen Kronicken und Geschichtbüchern aufgeschrieben waren, auf einmal verlohren, und ich kenne nur noch zwey Edelleute, in deren kleinen District selbes sich darf sehen, und hören lassen. Der erste wird selbem diese Freiheit so lange gestatten, so lange er die Erzählungen seiner Tante für Orakelsprüche hält, und selber die Ehre und Hochachtung schenket, welche das alte Rom den alten Sybillen erwiesen hat. Und der andere wird selbem so lange dieses Recht eingestehen, bis er auf seine Erzählung vergißt, in welcher er behauptete, er habe selbst bei stockfinsterer Nacht das wüthende Heer jagen, und den leibhaften Teufel in einem grünen Kleide mit bortirten Hut auf einer sehr großen Schwein [Ξ] mitreiten gesehen. So viele Stützen, mit welchen der Aberglaub die Macht und das Reich der Gespenster befestiget, hat die Vernunft, und die Klugheit der Gelehrten untergraben, und ihr Witz zu Boden geworfen. Ich hab es gewaget, in diesen geringen Blättern die Macht dieses Reichs ebenfalls zu schwächen, und den Götzen der Vorurtheile zu stürzen mich bemühet. Das Wohl und der Nutzen meiner Mitbürger, und ein reiner Eifer, sie von der Knechtschaft der Vorurtheile, von dem unwürdigen Joche des Aberglaubens, von Furcht und Schrecken, und den übeln Folgen und Wirkungen der Geister vertheidigenden Meinung zu befreien, war der stärkste Antrieb zu dieser Abhandlung, und der bestimmte Gegenstand meiner Bemühung. Wird sie aber einen Frucht bringen? oder ist sie wohl zu verdammen?

[Bild]

Fußnoten

  1. a)

    Sehr vieler fieberhaft Gehirne
    Beschuldigt Himmel und Gestirne;
    Um das was doch selbst gethan,
    Klagt man Natur und Schicksal an.

  2. b) Die Saddutzäer läugneten alle Geister, und glaubten, daß die Seele mit dem Körper zu grund gehe. Diese Sekte hat im 12ten Jahrhunderte Abaalphrag ein Jude in Spanien aufs neue aufwärmen wollen; er fand aber wenig Beifall. Einige wollen wissen, daß es noch heute zu Tage unter den Christen Saddutzäer gebe, da einige Witzlinge behaupten sollen, daß unsere Seele nach dem Tode wie ein Gewölk zerstreuet werde. Sie sagen:

    Wie dort ein dick Gewölk, das ihr noch jetzo sehet,
    Ein mitternächtiger Sturm zerstreuet und verwehet;
    So wird auch unser Geist, der uns beherrscht, vergehen,
    So werden wir den Tod, und nach ihm nichts mehr sehen.

  3. c) Epikur läugnete ebenfalls die Geister; denn die menschliche Seele ist nach seiner Lehre und Denkensart nur ein Gewebe von zarter Materie, die mit dem Leben vergeht.
  4. a) De virib. Intell. human. c. 2. §. 3. 4.
  5. b) So groß der Unterscheid zwischen einem Geiste und Gespenste ist, so werde ich doch in der Folge dieser Abhandlung zwischen beyden keinen Unterscheid machen. Man frage mich nicht, wer mir das Recht gebe, Gespenster mit Geister, und Geister mit Gespenster zu vermischen? der Gebrauch zu reden, den ich auf meiner Seite zu haben vermeine, ist in diesem Umstande der Herr, der mir Gesetze vorschreibet, wie ich schreiben solle. Dem gemeinen Gebrauche nach ist es alles eins, ob man sage, es ist mir ein Gespenst, oder es ist mir ein Geist erschienen. Ich kann also vom Gebrauche nicht abgehen, und ich würde öfters nicht verstanden werden, wenn ich andere Begriffe, als der gemeine Brauch zu reden mit sich bringt, mit den Worten verbinden möchte.
  6. a) Tom. 3. lib. 3. contra Julian.
  7. b) Lib. XXIII. v. 119.
  8. c) Plato in Phoedone, und Plutarch de facie in orbe Lunae.
  9. d) Qui vero ob adversa vitae merita nullis bonis sedibus, incerta vagatione, ceu quodam exilio punitur, inane terriculamentum bonis hominibus, … id genus plerumque larvas perhibent.
    Und Papias de his Daemonibus saget: Quorum natura esse dicitur terrere parvulos, & in angulis tenebrosis garrire. Ich will hier zur Nachlese des Ludov. Vives Comment. in c. II. l. IX. S. Augustini de civit. Dei anbefohlen haben, wo er die Begriffe von den Worten Genius, Lemur, Larva, Manes, Daemon, sehr gelehrt entwickelt, und dem Leser vieles Licht geben kann.
  10. e) Die Lehre von der Seelenwanderung hat nach Zeugniß Herodatus in Euterpe L. II. ihren Ursprung in Egypten gefunden, und Pythagoras war der erste, der sie in Griechenland überbrachte. Er erkannte, daß die Seele unsterblich sey. Er hielt aber zugleich davor, daß sie in der Luft von einem Orte zum andern herum irre. Daß sie sich ohne Unterscheide des ersten Körpers bemächtigte, der ihr begegnet.

    „ „ „ Wir kommen hier nicht um,
    Wir wandern in der Welt nur immer so herum.
    Sobald die Seele sich von unserem Leibe trennet,
    Wird ihr ein andrer Leib zur Wohnung zuerkennet.

    5
    Es tauschen Thier und Mensch durch wechselweise Fahrt,

    Wir sterben nimmer nicht, wir ändren nur die Art.

    Von sich selbsten erzählt er, wie Lucianus in Dialog. Galli & Micelli saget, daß er zu erst Arthalidis Merkurs Sohn gewesen, und zur Zeit des Trojanischen Krieges Euphorbius, nachmal Hermotimus, darauf ein Fischer mit Namen Pyrrhus, und endlich Pythagoras geworden sey. Es sind aber viele, und unter diesen der H. Augustinus L. VII. de Genesi ad Literam c. 10., welche dafürhalten, daß die Lehre dieses und anderer Weltweisen nicht die grobe und phisicalische, sondern nur eine metaphorische Seelenwanderung in sich hielte, und nur dahin abzielte, daß der Mensch durch seine Sitten die Gleichheit und Eigenschaften der Thiere an sich nehme, und gleichsam zu einem Thiere werde.

  11. f) Servius in Virgil. Aeneid. II. v. 67. abstin. ab esu carnium. Er setzet noch hinzu, daß dieses die gemeinste Meynung in Egypten, besonders des Plato gewesen sey.
  12. g) Mumia ist ein arabisches Wort, und zeiget eine Vermischung an. Die vermischte Sachen, mit welchen die Körper einbalsamiret werden, halten von selben die Fäule ab. Es sind Alor, Myrhen, Erdbech, Saffran und Balsam. Es ist sehr hart, eine ächte Mumie zu erhalten. Die Türken brauchen selbe zur Zauberey. Sie sind überaus eifersüchtig, daß sie andern nicht zukommen, weil sie fürchten, man möchte mit ihnen wider sie Zauberey treiben.
  13. h) Animae violenta caede interemptorum, & sepultura carentium morari circa sua cadavera: & proinde multae visae sunt lamentari. Porphyius de
  14. i) Dessentwegen ist Patroclus bei Homer Illiad. l. 23. dem Achilles in dem Traume erschienen, und hat um eine Begräbniß angesucht. Und Virgil. Aeneid. lib. 6. singet also:

    Nur die begraben, durchschiffen die nächtliche Wässer,
    Solange nicht ruhen in Gräbern die todte Gebeine,
    Führt sie nicht Charon durch fürchterlich rauschende Bäche.

  15. k) L. 36. c. 12. 13. hist. natural.
  16. l) De reconditis antquorum lucernis l. 2. c. 12.
  17. m)

    Rursus aquam tangit, temeseaque concrepat ora,
    Et rogat, ut tectis exeat umbra suis.
    Quum dixit novies manes exite paterni!
    Respicit & pure facra peracta putat.

    Ovidius i. 5.

    Ich weis nicht, ob man über die Blindheit dieser Leute mit Heraclius weinen, oder mit Democritus lachen solle. Sie spiegeln andern vor, sie könnten die Geister aus den Häusern verbannen, und vertragen. Hat der gerechte GOtt einem Geiste zu Strafen einen Ort angewiesen; so werden sie wohl mit all ihren Beschwörungen die Urtheile GOttes nicht abändern. Und ist es wohl zu glauben, daß Leute, derer Gelehrsamkeit oft nicht einmal in Lesen und Schreiben bestehet, in der Geistkunst, oder in der Theosophia Pneumatica so große Einsicht haben, welche sogar den gelehrtesten Männern unbekannt ist? Schon M. Aurelius Antonius lachete über dergleichen Künsten, da er sagt: man hat mich belehret, daß ich mich auf eitle Sachen nicht verlegen, und den poetischen Betrügern in ihren Geisterbeschwörungen und Verbannungen keinen Glauben beimessen solle. L. 1 §.6 eorum, quae ad se ipsum.

  18. n) Aus sehr vielen will ich nur wenige Stellen beisetzen.

    – – – evocat antiquis, atavosque sepulchris,
         Et solitam longo carmine findit humum. Ovidius L.I. Eleg.
    Et sylvas moneo, moveo, jubeoque tremiscere montes,
    Et mugire solum, manesque exire sepulchris.  L. VII. Metam.
    – – – – – Animamque sepulchro
    Condimus, & magna supremum voce ciemus  Virg. III AEn.

    Und Prudentius L. I. Adu. Sym. v. 91. singet, der von thessalischen Künsten berühmteste Zauberer, soll durch den Zauberstab längst verstorbene Seelen, aus schwarzer Todtesnacht zum Licht der Sonnen berufen.

  19. o) Rondel vie d’Epicure erzählet von ihm, daß er mit seiner Mutter in die Häuser gegangen, um daraus die Gespenster zu vertreiben, da er aber sah, daß ihre Beschwörungen nichts als Betrügereyen seyen, und daß es keine Geister gebe; ist er von kleinen Irrthum, in einen weit größeren gefallen. Denn er laugnete alsdenn, daß die Seele ein Geist sey. Einige Beschwörungsformeln kann man bei Vossius de poenis Graecorum finden.
  20. p) Auch der große Alexander war klein genug, dass er glaubte, er sey von Jupiter Hamon erzeuget worden. Dahers, weil dieser Gott mit Hörner auf dem Kopfe gebildet wurde, wollte er auch, daß man diesen Zierrath seinen Bildnissen beifügete. Da kömmt es her, daß der fabelhafte Alkoran den Alexander bicornem, oder Zweyhörnichten nennet. Der leichtglaubige Plutarch im Alexanders Leben p. 1248. erzählet, daß Jupiter unter der Gestalt einer Schlange, mit der Olympias viel zu thun gehabt habe. Aurelius Gellius aber lachet über diese Erdichtung, und erzählet Lib. XIII. c. 4. Noct. atic. daß, da Alexander einstens seiner Mutter zugeschrieben: Der König Alexander, ein Sohn des Jupiter Hamons, grüßet seine Mutter Olympias. Ihm seine Mutter geantwortet: Mein Sohn, ich bitte dich, beunruhige mich nicht, und bringe mich bei der Juno nicht in Verdacht, welche gewiß ein großes Uebel über mich verhängen würde, weil du in deinem Schreiben aus mir ein Kebsweib des Jupiters, und eine Nebenbuhlerin der Juno machen willst.
  21. q) Es ist erst noch ein Zweifel, ob die 4. Bücher Dialogi de virtutibus & miraculis Sanctorum eine ächte Geburt dieses heiligen Lehrers sind. Der gelehrte Jesuit Anton Posseviuus will in seinem Apparatu sacro fol. 663. diese von dem H. Gregorius mit seinem Diacon Petrus gehaltene, und der Longobarben Königinn Fendelina überschickte Gespräche für ein unterschobenes Werk erkennen.
  22. r) Magni authores labuntur interdum, oneri & cedunt, vulgoque interdum indulgent, quae ego de Gregorio & Beda jure fortasse dicere possum, quum ille in Dialogis, hic in Historia Anglorum vulgo jactata & credita miracula scribunt. Melchior Canus Episc. Canar. Theolog. L. XI. c. 6.
  23. s) Ich erinnere mich, daß ein grundgelehrter Mann dieses Urtheil über die cochemische Bücher fällete. P. Cochem, sagte er, war ein Mann von einer sehr fruchtbaren Einbildung, und sehr magern Beurtheilungskraft. So ungerecht den Cochemiten dieses Unheil scheinen mag, so ist es doch die pur lautere Wahrheit. Bald sperret er in seinen Geschichten den Ort des Fegfeuers auf. Bald läßt er einen Soldaten, mit Namen Ornus, dahin marschiren. Teufeln und Seelen, so hart es sie auch immer mag angekommen seyn, einen Luftkörper zu künsteln, weil das Feuer die Luft sehr verdünnet, müssen ihm sichtbar werden, und sogar in das irrdische Paradies, aus welchem Adam ist verstossen worden, haben zween Bischöfe den Soldaten in einer großen Proceßion mit Kreuze und Fahnen, mit vergoldeten Palmzweigen durch die von Gold und Edelgesteine gemachte Porte eingeführet. Elendes Gezeug! Wer die völlige Reisbeschreibung, und was dem Ornus bei dieser begegnet ist, umständlich wissen will, kann sie selbsten nachlesen, wenn er seine kostbare Stunden unnütz vertragen will.
  24. t) Der gemeine Mann, der wie jener Dorfpriester bei dem belobten Canus alles, was gedrucket ist, glaubet; hält alle Mährchen eines müßigen Kopfes für heilige Wahrheiten. Es läßt sich fragen, ob dergleichen Historietchen erzählen, eine Materie sey, die auf die Kanzel gehöre? Und wo könnte man es erfragen? mich deucht es, daß, ungeacht der Gebrauch zur Fastenzeit Exempel auf der Kanzel erzählen in ganz Baiern ein altes Herkommen ist, eine wachsame Obrigkeit wohl ernsthaft untersuchen dürfte, ob dieser Gebrauch nicht weit mehr zum Schaden als Nutzen der Seelen seyn könnte, besonders wenn man dergleichen Geschichten-Erzählungen mit Unwahrheiten, Liebesbriefen, ungereimten Ausdrückungen vermengt, wie leider! viele davon beschaffen sind. Es wäre zu wünschen, daß die Herren Pfarrer nach der Vorschrift der geistlichen Ordinariaten solche ohne Ort, Erlaubniß und Name des Verfassers gedruckte Bücher den Verkäufern wegnehmen, und verbrennen möchten.
  25. a) Theodoret. Q. 32. saget: Serpens erat organum inimici veritatis. Es ist dieses die gemeinste Meinung, welcher auch der H. Augustin de Genes. ad lit. c. 27. beistimmet, und P. Widenhoffer S. J. in Scriptura dogmatice & polemice explicata fol. 39 saget: Serpens vere naturalis erat, quia eum aliis bestiis confertur, simul tamen obsessus a Daemone.
  26. b) In seinem Buche von Erscheinungen der Geistern, Fol. 391.
  27. c) Wenn Augustinus Calmet mit keinen andern Büchern die gelehrte Welt beschenket hätte, so würden seine mühsame und gelehrte Schriften, die er über die heilige Schrift abgefasset, und an das Taglicht gestellet hat, seinen Namen unsterblich machen. Ich will diese beisetzen, und man wird den mühsamen Fleiß dieses gelehrten Mannes nicht genugsam bewundern können. Es sind folgende, 1) Chronologia sacra. 2) Historie de l'A. & du N. Testam II. Tom. Ein geschickte Feder hat diese in unsere Sprache übersetzet, 3) Commentarius in sacram Scripturam IX. Tom. 4) Dictionarium historico-criticum generale sacrae Scripturae II. Tom. ist auch in deutscher Sprache erschienen. 5) Dissertationes in sacram Scripturam II. Tom.
  28. d) Sehr viele und fürtrefliche Männer vertheidigen diese Meinung: als Hieronymus de la Nuza Th. D. ac Provinciae Arragoniae primum Provincialis, postmodum Barbestensis Ecclesiae Episcopus, Tract. Evang. tr. 7. p. 50. 90. Joann. Bulndanas S. Th. D. & Professor Louan. in Vindic. Theolog. p. 84. August. Torniellus Annal. sacr. ad A. M. 2977. Bellarminus & ipsius egregius Defensor Mart. Beconus in Defens. Bellar. Tom. I. p. 259. Benedictus Perenius in c. 7. Exod. Disp. 8. p. 211. Suarez, Sanctius, Mendoza, Cajetanus, Dionysius Carth., Hugo, & alii.
  29. e) Divus Augustinus L. de cura pro mortuis c. 13. affirmanter affeverat, veram Samuelis animam apparuisse Sauli, non vi carminis magici evocatam (hoc enim recte Tertullianus, & ejus sequaces refellunt) sed Dei imperio adventantem, ut impium regem corriperet.
  30. f) Miraculum est effectus, qui transcendit cursum ordinarium naturae, hoc est, qui neque ex essentia, neque ex vi creaturarum aut mundi hujus consequitur. Bulfingerus in Dilucidat. Consentit Leibnitius in Principiis Philosophiae ab Hanschio editis & more geometrico demonstratis definitione CCXLIII. ubi sic alt: Miraculum est mutatio, cujus ratio sufficiens non continetur iu essentiis quorumcumque entium creatorum.
  31. g) Samuelis anima vi artis magicae fuit excitata, quum animae piorum ante adventum Christi aliquo modo sub potestate diaboli fuerint, ut diaboli eas reducere potuerint, quando voluerint, in Dialogo cum Tryphone. Und Galatinus LVI. de Anan. Cathol. verit. c. 8. in fin. saget: Quod licet Cacadaemon Samuelem Deo permittente ad Saulem adduxerit, sive traxerit, non tamen propter hoc justitia aut Sanctitas in eo penitus suffragium perdiderit. Sicut nec in S. Jobo à Diabolo tam vehementer afflicton, nec in Paulo ab eodem colaphis affecto, nec in Antonio diris ab ipso verberibus acto, nec etiam in D. N. JEsu Christo à membris ipsius Diaboli patibulo crucis affixo.
  32. h) Liber de Mirabilibus S. Scripturae non sine causa non invenitur in Retractionibus, neque in indiculo Possidii, quoniam liber est indignus ingenio & gravitate S. Augustini, quem etiam non magni fecit, & S. Augustini esse negavit S. Thomas 3. P. Q. 45. Art. 3. ad secundum. Ita Bellarmin. de Scriptor. Ecel. p. 124. Liber QQ. V. & N. Testam. non est Augustini, ait Annatus in adparatu fol. 521. sed viri cujusdam haeretici, quum Q. a. mundum propter Diaboli praesumptionem factum fuisse dicat, & quum Q. 21. mulierem non ad Dei imaginem creatam esse doceat. Videatur etiam de his duobus libris censura Erasmi illis praefixa.
  33. i)

    Tum variae illudunt species, atque ora ferarum:
    Fiet enim subito sus horridus, atraque tygris,
    Spumosusque draco, & falva cervice leaena,
    Aut acrem flammis sonitum dabit:
    Omnia transformans sese in miracula rerum,
    Ignemque, horribilemque feram.               Virgil. 4. Georg.

    Wer diese Erzählung des Poeten für keine Fabel hält, der kann selbe bey dem P. Stoiber in Armamentario Eccles. P. II. fol. 207 als eine wahrhafte Geschichte lesen. Vor lauter Verwunderung über so viele abwechslende Gestalten können wir die Geschichte des P. Stoibers unmöglich läugnen, und ich glaube, daß wir sehr wohl thun. Denn wir wurden ohnehin durch Läugnung derselben wenig Ehre bey denjenigen einlegen, welche in das Wunderbare sterblich verliebet sind. Nur wollen wir anmerken, daß dieses Gespenst schon von langer Zeit her sehr viel und verschiedenen Luft sich müsse gesammelt haben, um ihre Rolle recht und gut zu spielen. Denn der bekannte Abt Trithemius, der mit den Geistern in genauer Bekanntschaft lebte, versichert uns bei Wierus de Praestigiis fol. 70 daß die Gespenster und Geister nicht nach Belieben, sondern nur nach der Beschaffenheit der vorhandenen Luftmaterie sich einen Körper bilden können. Nur aus einer ihnen anständigen Luft können sie sich mit der Gestalte eines Menschen umkleiden, finden sie aber an der guten und anständigen Luft einen Mangel, so müssen sie sich mit widrigen Dünsten behelfen, aus welchen sie nur die Gestalte eines Thiers machen können. Da es aber öfters geschieht, daß sie halb gute halb widrige Luft und Dünste antreffen, so erscheinen sie als halb Mensch und halb Pferd, und wenn sie mit Geisfüßen erscheinen, so zeiget dieß allzeit an, daß sie an dem anständigen Luft ein wenig Mangel gehabt haben. Das Gespenst des P. Stoibers muß aber mit einem sehr reichlichen Vorrath von aller Gattung Lufts und Dünsten versehen gewesen seyn, weil es bald in menschlicher, bald in thierischer Gestalte sich gezeiget hat. Ich könnte unmöglich über das Herz bringen, diese Aneckdote aus dem Trithemius nicht beizurücken, damit der gelehrten Welt die physikalische Ursache nicht verborgen bleibe, warum sehr oft der Teufel mit Geisfüßen, oder die Gespenster als Hunde erscheinen. Es scheinet mir auch diese Meinung viel glaubwürdiger zu seyn, als die Meinung des Rabbi Abraham, welcher diese Gattung Geister mit Bocksfüßen u. s. w. für unvollkommene Creaturen hält, und behauptet: Als GOtt der HErr am sechsten Tage die lebendige Creaturen geschaffen, so wäre ihm bei Verfertigung der Letztern der Sabbathabend zu geschwind über den Hals gekommen, daß er nicht völlig habe fertig werden können, und daher waren es unvollkommene Creaturen, das ist, Geschöpfe mit Bocksfüßen, oder halb Mensch, und halb Thiere geblieben.

  34. k) Man kann hierüber Tyräus L. I. de spirit. appar. c. 9. n. 166. Suaretz de Angelis L. IV. c. 37. n. 5. und Tauerus Theolog. T. I. Disp. 5. Q. 5. D. 5.nachlesen.
  35. l) Unum est universorum principium, Creator omnium visibilium & invisibilium, spiritualium & corporalium, qui sua omnipotenti virtute simul ab initio temporis utramque de nihilo condidit creaturam, & spiritualem & corporalem, angelicam vindelicet & mundanam, & deinde humanam quasi communem, & spiritu & corpore constitutam. Concilium IV. Lateranens. 1215. cap. firmiter.
  36. m) In Posit, de aestu maris Microcosmi, sive de fluxu & refluxu sanguinis fol. 24.
  37. a) Diese Regeln erklären, und bestättigen mit mehrern Canus L. XI. de Locis Theolog. c. 9. Dupin Tract. de Doctrina Christ. c. 20. Honoratus à Sancta Maria Tom. I. Animadvers. in Regulas criticas
  38. b) Der 9te Band der Schriften und Bücher des H. Hieronymus enthält selbe. Man irret sich aber sehr, wenn man glaubt, daß Hieronymus der Verfasser sey. Nur die Leben des H. Antonius, Hilarions und Malchus können ihm zugeeignet werden, die übrigen haben Euagrius, Pontius und andere verfasset. Bellarm. de Script. Eccl. pag 113.
  39. c) Quum essem adolescens, imo pene puer, & primos impetus lascivientis aetatis eremi duritia refraenarem, scripsi ad avunculum meum Heliodorum exhortatoriam epistolam - - sed in illo opere pro aetate lusimus, & calentibus adhucdum Rhetorum studiis atque doctrinis quaedam scholastico more depinximus.
  40. d) Arte annihilata l. 1. c. 6. p. 53
  41. e) P.I.l.6.c.4. Rationarium tempor.
  42. f) Es ist unstreitig, daß der H. Athanasius das Leben des H. Antonius geschrieben habe. Daß aber die Lebensgeschichte von diesem H. Einsidler, die uns dermalen bekannt, eine ächte Geburt dieses gelehrten Heiligen seye, läugnen viele Kriticker. Denn 1) war Antonius wegen seiner Gelehrtheit allenthalben bekannt, dieser Lebensverfasser aber setzet ihn unter die einfältigsten Menschen. Es saget zwar Augustinus de Doctrina Christ. lib. I. Prolog. daß Antonius die Schrift nur auswendig wüßte; allein er läßt vielmehr dieses in Zweifel beruhen, da er gleich beisetzet, wenn aber dieses jemand für falsch halten will, so will ich deßwegen mit niemanden streiten. At si haec quisquam falsa arbitrabatur, non agam pugnaciter. 2) Findet man in dem vorgegebenen Leben, die Lebensgesetze nicht, welche Antonius den Seinigen ertheilet, und Athanasius in dem ächten Leben des H. Antonius nach Zeugniß des H. Naziancenus in Encom. apud Athanas. Tom. II. schriftlich hinterlassen hat. 3) Mangelt dieser unterschobenen Lebensbeschreibung die Erzählung, welche Sozomenus lib. 1. c. 13 hist. Eccl. aufgezeichnet hat, daß Paulus wegen den von seinem Weib begangenen Ehebruch sich zu ihm in die Wüste verfüget habe, da es doch sonst die geringste Sachen enthält. Mehrere Gründe liefert Dupin.
  43. g) L. XV. c. 23. de civitate Dei.
  44. h) In Biblioth. Eccl.
  45. i) Pictura illa S. Georgii, qua effingitur eques armatus, qui hastae cuspide draconem interfecit, juxta quem etiam virgo posita manus supplices tendens implorat auxilium, symboli potius quam alicujus historiae opinor esse expressam imaginem. In nullis enim, quae recensuimus, Georgii actis antiquis quidquam ejusmodi legitur, sed a Jacobo Voragine absque aliqua majorum auctoritate ea ad historiam referuntur, quae potius typum exprimunt. Baron. in Martyr. R. 23. April.
  46. k) Zu Paris am Eingang der Kathedralkirche Notre Dame an dem ersten Pfeiler zur Rechten siehet man eine sehr große Statue des H. Christophs von Stein, unter diesen sind nachfolgende gar schöne Verse zu lesen:


    O Magne Christophore!
    Qui portasti JEsu Christe,
    Gradivisti per mare rubrum,
    Et non franxisti tibi crurum,
    Sed hoc non fuit mirum,
    Qui fuisti magnum virum.

    Und da ein Irrthum leicht den andern erzeiget: so entspringet von dem Irrwahn, daß der H. Christoph Christum durch das Meer getragen, der sündhafte Glaube, daß ihm die Schätze des Meers anvertrauet sind, welcher Aberglaube auch schon sehr viele zu Bethung des sündhaften, und so genannten Christophs Gebeth verleitet hat.

  47. l)

    Dum jacet in precibus stans angelus increpat illum,
    Scis, quia non habuit Baptismatis ille sigillum?
    Quomodo tu Iachrymis dona neganda petis!
    Ast homo tu paucis opus expetis hoc pietatis,
    Quo semel indulto non amplius ista petatis.
    Trajanus requiem, te rogitante, capit.
    Excessit Praesul, sed non permansit inultum,
    Angelico pulsu femur ejus tempore multo,
    Claudicat, & poenae corpore signa tenet.
              Gottfridus Viterbiensis in suo chronico, quod Pantheon dicit, &
                   Urbano II. dedicavit, fol. 369.

  48. m) Tom. I. Saec. II. Hist. Eccles. Diss. 1. probat. 4.
  49. n) In seinem Breviar. histor. p. 288.
  50. o) Hom. III. in Epist. I. ad Corinth.
  51. p) Also erzählet diese Geschichte Surius in dem Leben des heiligen Eucherius den 20. Febr. wie auch in der Lebensbeschreibung des heiligen Rogobertus den 4. Febr. und sie ist mit mehrern Umständen zu lesen bei Gratian XVI. Q. I. c. 59.
  52. q) Tom. IX. ad Ann 745.
  53. r) In rebus gestis S, Maximil. Episc. Trevirens.
  54. s) In Comment, ad Gratian.
  55. t) Miracula, quod Sancti bona Ecclesiae rapientes punierint, plerumque subtestae sunt fidei, quasi vero Sancti, qui ideo sancti sunt, quia divitias terrenas contemserunt, in coelum translati avaritiae cupiditate accenderentur, & auctoritate apud Deum pollente ad poenas ab illis erigendas, qui Ecclesiarum suarum aerarium expilarent. Dissert. III. ad Hist. Eccles. § 2.
  56. u) Die Zahl ist gar zu genau bestimmet. Es müßte nur seyn, daß der bethende Thumherr selbe gezählet hätte. Vigerius de Re militari L. II. c. 2. setzet auch eine andere Zahl an, welche eine Legion ausmachte.
  57. w) Nec ego hic libri illius Authorem excuso, qui Speculum Exemplorum inscribitur: in illo enim miraculorum monstra saepius, quam vera miracula leges. Canus.
  58. x) Confidenter assero dictum Udonem tertii Ottonis temporibus neutiquam fuisse Parthenopolitanum Archipraesulem, multo minus autem ante, vel post. Cum ejus nominis nullus illi Ecclesiae praesederit Episcopus, sed nec id quidem temporis ratio, ut patet calculanti, sustinet. Enim vero cum ipse Gifilarius praefectus dictae Magdeburgensis Archipraesul secundus sub Ottone secundo per IV. annos, & post mortem Ottonis III. & ultra usque ad initium Henrici II. in Archiepiscopatu vixerit, eoque mortuo Dragono successerit. Hoc amore veritatis prosecutus sum longius, sciens me Mythophilorum incursurum odium, qui malunt fabulas quam veritatem historiae amplecti. Ita Langii Chronicon Citizense fol. 769.
  59. y) Magdeburgensis Metropolis meruit tertium Episcopum. Nam Giselero mortuo fratres jure, ut putabant, Ecclesiae elegerunt ex suis quemdam Woldardum repugnantem & reclamantem. Imperator sui juris autem reputans Ecclesiis providere, absolvit invitum, & reposuit Cancellarium suum Dagonem, virum sine controversia optimum. Krantius in Metropol. L. IV. c. 3. und c. 9. saget er: Magdeburgensi Ecclesiae Menfridus vir Religione praecipuus ex monasterio Wirzburgensi translatus per Heuricum Imperatorem praeficitur
  60. z) Magdeburgensis Ecclesia ad initium regni Lotharii tumultuabatur super Episcopis: tres enim de ejus Pontificatu contenderunt: adeo intumuerunt Canonici jam liberalem electionem nacti: sperabat sibi quisque & amicis, & infinita ambitione contenderant pro Episcopatu adipiscendo. Nec finis erat contentionum; donec Luderus (Lotharium dixeris) omnibus destitutus suaserit, ut Norbertum verum Religiosum Ord. Praemonstratensium sumerent Archiepiscopum etc. Cit. Albert. Kranzius L. VI. c. 12.
  61. aa) Nec ego hic libri illius Authorem excuso, quae Legenda aurea nominatur. Hanc homo scripsit ferrei oris, plumbei cordis, animi certe parum severi & prudentis. Und c. 6 locor. com. circa medium saget er: Dolenter hoc dico potius, quam contumeliose; multo a Laertio severius vitas Philosophorum scriptas, quam à Christianis vitas Sanctorum, longeque incorruptius & integrius Suetonium res Caesarum exposuisse, quam exposuerint Catholici res Martyrum.
  62. bb) Praeter pauca quaedam multa sunt multis commentis faedata; dum, qui scribit, adfectui suo indulsit, & non quae acta fuêre, sed quae Divum egisse vellet, exponit, ut vitam dictet animus scribentis, non veritas. Fuêre qui magnae pietatis loco ducerent mendaciola pro Religione confingere, quod periculosum est, ne veris adimatur fides propter falsa, & minime necessarium, quoniam pro pietate nostra tam multa sunt vera, & falsa tanquam ignavi milites & inutiles oneri sunt magis quam auxilio.
  63. Man sehe die gründliche Dissertation des Hr. Dr. Baumgarten de Legione fulminatrice contra Thomam Woolstonium
  64. b)Caßius war von Parma, ein treflicher Poet, von welchem Horatz selbst schreibet:

    Scribere, quod Cassi Permensis opuscula vincat.

  65. c) Indigenae dixere Tagem, qui primus Hetruscam
    Edocuit gentem, casus aperire futuros. Ovidius Met. 15.
  66. c) Daß das Licht einer geweihten Kerze die gute Geister anlocken solle, hab ich noch niemal gelesen, ich finde auch keine Weihe, welche aus dieser Absicht über die Kerzen gesprochen wird.
  67. d) Es muß also wahr seyn, was ich oben von der Furcht und Bangigkeit gesprochen habe, welche den Menschen beherrschen müssen, wann er einen Geist hören, oder sehen sollte, wenn ihm auch sein gutes Gewissen kein böses Zeugniß giebt.
  68. e) Von der Geisterpeitsche thut schon Lucanus L. VI. eine Meldung, wo die Hexe Crichto bei ihrer Beschwörung also redend einführt:

    - - - - An ille
    Compellandus erit, quo nunquam terra vocato
    Non concussa tremit, qui Gorgana cernit apertam,
    Verberibusque suis trepdiam castigat Erinnym.

  69. f) Aus Ehrbarkeit hätte dieser Geist wohl ein aus Luft gemachtes Oberkleide über das Hemde anlegen, und in diesem erscheinen sollen.
  70. f) In einem Schlosse, wo der adeliche Herr ein adeliche Bedienung gehabt haben wird, laßt sich ein solcher Auflauf, die Ermordung zwoer Personen, und die Hinwegschaffung der Leichnamen nicht so leicht vertuschen. Und warum sollte auch der Ehebrecher nicht mehr erschienen seyn, da sich sein Feind unsichtbar gemacht hat?
  71. ff) Diese Umstände sind ziemlich verdächtig. Der Geist saget nichts von einem Gerichte nach dem Tode. Und was gieng es der Seele an, wenn die gewesene Frau in dem halb verwesenen Körper rasete? Und in wem soll wohl diese Raserey bestanden seyn? Man könnte auch fragen: aus welcher Ursache die Frau in dem Körper der unschuldig ermordeten rasete? und warum der Geist die Ursache, warum er umgehen müßte, nicht erzähle?
  72. g)Um eilf Uhr ließ er vor Schrecken das Buch und Weihkessel aus den Händen fallen, das Geräusch und der heftige Wirbelwind bei Verschwindung des ersten Geistes mag ihn auch nicht wenig erschrecket haben, und ehe die Rede des zweyten Geistes anfienge, giebt er seinem Mitbruder den Feuerzeug. Kaum aber ist diese kurze Rede vollendet, wachet er auf. Ich möchte doch wissen, wie ihm bei so großer Furcht ein Schlaf habe zugehen können, und wie ihn sein Mitgefährt bei diesen Umständen habe schlafen lassen können, ich hätte es nicht gethan. Wachen hätte er mir müssen, und weil ich mit dem Geiste geredet hatte, hätte er für dessen Erlösung bethen müssen.
  73. h) Wir werden gleich hören, daß über 87. Jahr der Körper in dem Brunnen gelegen seye, daß nach so langer Zeit noch Ueberbleibsel von einem Bettuch sich haben vorfinden können, da in diesem der Körper eingewickelt war, der völlig in Fäulung gegangen, und von diesem nur Bein und Knochen übrig waren, scheinet uns ganz unglaublich zu seyn. Noch besser wäre es gewesen, wenn die Hemder beider Körper nicht verfaulet wären, da das eine vorn, das andere hinten blutig ware, hätte man noch leichter aus diesen Anzeigen den Körper des guten und des bösen Geistes unterscheiden können.
  74. i) Auch der Stein in der Thurmkirche zu Magdeburg, und viele steinerne Rolandes Säulen werden in Sachsen gezeiget; man zählet aber dennoch die Geschichte des Rolands und Udo unter die Fabeln.
  75. k) Um dieses schädliche Schmatzen zu verhüten gab man den Verstorbenen, wie Rollenhag I. 4. Mirabilium peregrin. c. 20. n. 5. anmerket, ehe der Mund geschlossen wurde, einen Stein und Pfenning in das Maul, damit, wenn er im Grabe anfieng zu beissen, er einen Stein und Pfenning vor sich finden, und des Fressens sich enthalten möchte. Dieser Mißbrauch soll auch in Sachsen noch zu seiner Zeit geherrschet haben. Jungfer Langlebin wollte eher der reichen Erbschaft von ihrer verstorbenen Mumme sich verzeihen, als selber ein abgetragenes Hemd von ihr mit in das Grab geben.
  76. l) Das Baarrecht, oder jus feretri, kann auch denjenigen Stücken beigezählet werden, welche der alte Aberglaub erfunden, und die heutige geschliffene Zeiten verwerfen, wenn auch immer Delrio L. V. Sect. 11. Dieses Blutfließen für etwas Wunderbares, und Kircherus de Magnetismo mundi L. III. Part. 7. c. 16. selbes aus natürlichen Ursachen erklären will.
  77. ll) Ist eine Benennung des mittlern Theils des Menschen, da einige glaubten, der Mensch bestehe aus drey wesentlichen Theilen, der Seele, dem Geist und dem Leibe. Aurelius, Friedericus, Theophrastus, Bombastus ab Hohenheim haben diesen Geist erschaffen, und nach ihrer Meinung bestunde der Astralgeist aus Feuer und Luft, und ob er zwar nicht unvergänglich, so ware er doch von längerer Dauer als der Körper, weil er aus feinern Elementen gebildet war. Nach der Trennung aber der Seele von dem Leibe erschiene er gemeiniglich an den Orten, wo der Mensch sich sonst aufzuhalten pflegte, deßwegen auch die Vampyrn meistentheils ihre Anverwandte und Bekannte beängstigten. Man siehet wohl, daß des Theophrastes Kopf ein Chaos seltsamer Hypothesen ware, dessen ungeachtet ist dieser Großprahler noch der Abgott der armen Goldmacher, welche ihm alle nachfolgen, und bei welchen ich glaube, daß sein Weissagung, die Heinrich Ziegler in seinem Schauplatz der Zeit fol. 1168. aufgezeichnet hat, vollkommen eingetrofen habe. Weil sie viel lächerliches in sich enthält, will ich selbe beirücken. Sie lautet also: Das sollt ihr wissen ihr Herren Medici, das geringste Haar meines Kopfes weis mehr als ihr, und alle eure Authores. Meine Schuhriemen sind gelehrter denn euer Gallenus und Avicenna, und mein Barte hat mehr erfahren als eure Akademien. Ja ich will die Stunde noch selbst erleben, daß ihr mir, und ich nicht euch werde folgen müssen. Alle ihr Araber, Griechen, Lateiner, Franzosen, Italiäner, Deutschen und Pohlen, alle sage ich werdet mir nachfolgen müssen. Ich werde ein Monarch unter euch seyn, mir wird die Herrschaft allein bleiben, und ich will eure Lenden gürten. Allein der Tod ließ ihm dieses Vergnügen nicht erleben, denn dieser eingebildete Monarche, ob er sich schon rühmte durch seine Elexier Mathusalems Alter zu erreichen, und hernach zuzusehen, ob es ihm beliebte zu sterben, hat sich schon in seinem 47. Jahre zu Tode gesoffen, und ist in einer Schenke gestorben. Sein Grabmaal hab ich in Salzburg gesehen, da sich die Innschrift desselben schon in mehrern Büchern befindet, will ich selber hier keinen Platz einräumen.
  78. m) Man beliebe den nachgesetzten Anhange vom Vampyrismus davon zu lesen.
  79. n) Dieses Letztere ware allezeit das beste, denn der Vampyr, der im Jahre 1357. in den Dorf Blow eine Meile von der Stadt Cadan viele Mordthaten begangen, hat nur gespottet, da man ihm einen Pfahl durch den Leib schluge. Er sagte, wie Hagecius 1n der böhmischen Kronick erzählet: Ihr meinet, ihr habt mir einen gewaltigen Possen gerissen, indem ihr mir einen Stecken gegeben, womit ich mich desto bester der Hunde erwehren könne. Da ihn aber zween Henker verbrannt haben, hat er die Füße an sich gezogen, und bald wie ein Ochs, bald wie ein Esel geschrien. Gewiß ein schöne Geschichte! vieleicht gar auch ein Beweis, daß es Geister gebe.
  80. o) Was Einbildung! saget Hr. Thomas Dubius, das ist zum Lachen. Glauben sie nicht, daß es Einbildung sey. Ich war in Ungarn, und meine Ohren sausen allezeit von dem türkischen Alla! Alla! So oft ich an die unglückliche Schlacht bei Panzowa denke. Aber von den Vampyrn hab ich reden wollen, nicht wahr? Nun wohl vier Stund davon, von Panzowa meine ich, wo die Schlacht geschehen. Sehen sie hier die Schramme. Es war ein gefährliche Wunde. Ein türkischer Aga hat mir diesen ewigen Kalender geschenkt. Aber aufs a propo zu kommen. Der Name des Dorfs fällt mir nicht mehr bei, dort sahe ich etliche Executions mit den verfluchten Vampyrn. Man schlug ihnen den Pfahl durch das Herz, und das Blut floß so hell hervor, als selbes aus meiner Blessur geflossen ist. Ich hab von Vampyrn beängstigte Leute gesehen, und sie sahen blasser aus als mein Uniform. Sie müssen zum Erstaunen gemartert werden. Auch etliche gerichtliche Processe hab ich gelesen, auch etliche alte Auctors, die davon handelten, aber keinen neuen nicht, die davon schrieben, ich mag auch keinen lesen: denn

    Ich glaube, was ein Alter schrieb:
    Den Augen schadet vieles Lesen;
    Und das Paar Augen ist mir lieb.

    Erlauben sie mir mein Herr, daß ich ihnen antworten darf, sie können hernach gleichwohl lesen und glauben, was sie wollen. Ich sage ihnen also 1) daß die Begebenheiten mit den Vampyrn, die sich unter dem Pöbel verbreitet, der Glaubwürdigkeit nicht würdig seyen. Noch weniger ist auf die Processe, und Rechtsformalitäten zu halten, bei einer Materie, die in das Fach der Weltweisheit gehöret. Man hat schon geglaubt, daß es Vampyrn gebe, ehe man die Untersuchung angefangen, ob ein Vampyr sey. Ein schönes Beispiel von der Gültigkeit dergleichen Processe könnten ihnen auch die Hexenprocesse geben. Es kann 2) natürlich seyn, daß die verscharrten Körper flüßiges Blut von sich geben. Es sind Gegenden, die den Körper frisch und gesund erhalten, und zu Toulouse in dem Franciscanerkloster ist eine Höhle, wo die Körper nach zweyhundert Jahren in ihrer Vollkommenheit gefunden werden. Durch die Höhe der Sonne, und durch die empfindlichste Hitze bei Tag können die salpetrischen und schweflichten Theil, welche sich in der Erde, den Körper zu erhalten, befinden, erwärmet werden, und die Theile, welche in dem eingescharrten Körper sind, werden zu Gährung gebracht, und daß geronnene Blut lauft nach und nach durch die Kanäle. Die kalte Nächt, und der Luft in Ungarn tragen ebenfalls nicht wenig bei, und wären ihnen ihre Augen nicht zu lieb, so wollte ich ihnen anrathen, hievon des Hrn Gömory Tentamen de indole aeris Hungarici zu lesen, c. 2. §. 20. wurden sie schöne Sachen finden. Es kann 3) die Furcht ausgesogen zu werden, die die Einbildung erreget, und die der Mensch unterhält, selben alle Farbe, und das Leben rauben. Diese Furcht isset, trinket, gehet, handelt, und schläft mit einem solchen Menschen. Die Einbildung ist auch im Schlafe munter, und stellet ihm Gespenster vor, die ein Unding sind, und diese starke Einbildung ist sehr leicht im Stande, dem Menschen nebst der natürlichen Farbe das Leben zu benehmen. Sie verzehrt den Leib, wie die Motten das Gewand, jaget das Blut in das beängstigte Herz, und ruffet den Tode: denn Kircherus und Hellmontius Tractat. de Peste halten dafür, daß von der Einbildung vor der Pest, die Pest bei einigen entstanden seye, und daß oft eine epidemische Krankheit der Einbildung und dem Bilde des erschrockenen Orchäus (oder Werkmeister der Lebensgeister, der alle Verrichtung thut, wie Hellmontius sich ausdrücket) zuzuschreiben seye. Genug! daß bei unsern ausgeheiterten Zeiten die Meinung von dem Daseyn der Vampyrn so abgenützet ist, daß sich jeder Gelehrter mit dieser so sehr als ein Petit Maitre mit einem altfränkischen Bilde schämen wurde, gleichwie ich aber ihnen nicht befehlen kann, was für ein Kleid sie tragen sollen, so kann ich sie auch nicht heissen, was sie glauben sollen, auch nicht verlangen, daß sie lesen sollen, ihre Augen sind ihnen und mir zu lieb.

  81. p) Man beliebe hier nachzusehen die 196. Seite in dem gelehrten Buche des Herrn von Cautz de cultibus magicis, und den schönen Briefe des Freyherrn von van Switten in Relatione de mineralibus Comitatus Borsodiensis aquis
  82. a) Von dem Hrn Professor Schoock muß ich eine Aneckdot beibringen. Es erzählet die Sammlung vieler außerlesenen Geschichten in der Vorrede, und die schriftmäßige Erklärung der wahrhaften Erscheinungen in der dritten Fortsetzung p. 430., daß er auf einer Reise in einem Würthshause kein anderes als (nach Aussage des Würths) ein von Gespenstern beunruhigtes Zimmer haben könnte. Da sich Hr. Schoock nun in selbes begab, wurde er zu Nachts von einem Geiste aus dem Bette geworfen, und unter selbes geschoben. Der Geist in altväterischer deutscher Tracht hat den guten Schoock bekehret. Er hat die neue Meinung, wie uns das Blatt des Monats Julius der monatlichen Unterredung 1689. versicheret, verlassen, und die alte wieder hervorgesucht. Ich will dieser Erzählung nicht widersprechen, denn die Zeugen, ob sie auch viel 100. Fabeln erzählen, sind halt doch Schriftsteller. Nur wünsche ich, was viele meiner Leser wünschen, daß alle Geisterläugner durch solche handgreifliche Beweise von der Wahrheit der Geister überzeugt werden mögen.
  83. b) So berühmt sich Calmet durch seine übrige Werke gemacht, so schwach hat er sich gezeiget in seiner Abhandlung der Geister und von den Vampyrn. Soviel vermögen die Vorurtheile auch bei gelehrten Männern.
  84. c) Sehe Gottfried Wahrliebs deutliche Vorstellung die Nichtigkeit der Hexerey cap. 5. §. 28.
  85. d) Sehe Relationes curiosae Bavaricae des Ant. Ertl p. 1. Relat. 38 p. 2. Relat. 18.
  86. a) Man lese die schönen Lob- und Trauerreden des erhabenen Fleschiers, die gründlichen Predigten des beredten Bourdalon, die beweglichen Sitten-Geheimniß- Lob- und Trauerreden des angenehmen Ciceri, man sehe das trefliche Muster der geistlichen Beredsamkeit des belesenen Gißbert, und man wird nirgend ein Gespenstergeschichte oder die Vorstellung eines erscheinenden Geistes finden.
          Ich werde dieses letztere einem gewißen Hrn P. - - (ich will das Kind bei seinem Namen nicht nennen) übermachen, damit er nach dem Muster des Gißbert in der geistlichen Beredsamkeit bessere Proben liefern, und seine Zuhörer an dem Festtage der Geburt der seligsten Jungfrauen mit einer Hexenpredigt, und einem aus göttlicher Schrifte für die Thätigkeit der Hexerey erzwungenen Beweise verschonen möchte. Voriges Jahre hat er mit diesem auf einer berühmten Wahlfahrt zu A - - wenig Beifall gefunden. Verständige Männer, ja das Volk selbst urtheilte, daß der Hr. P. besser seine figuralische Stimme aus dem Chor, als auf der Kanzel ertönen ließe, und daß seine Obere vernünftiger handelten, wenn sie ihm eine musikalische Litaney, als eine Predigt zur Ehre der seligsten Jungfrau componiren ließen.
          Den dritten Maymonats des verflossenen Jahrs hat ein anderer Prediger an dem Festtage der Erfindung des H. Kreuzes zu Scheyern ein Meisterstück seiner magern Denkensart und Beredsamkeit abgelegt. Dieser ist zwar dem obigen an der Chorstimme nicht gleich, er überwäget ihn aber an der Unüberlegenheit. Der Haupt-Gegenstand seiner Predigt, die er nach dem Maaß einer alten, aber sehr alten Redensart abgefasset, ist, die jetzigen Gelehrten bei dem Bauernvolke, das er als Zuhörer vor sich hatte, verdächtig zu machen. Und bei wie vielen von diesem kleinen Haufen wird er nicht auch einen erwünschten Eindruck gemacht haben? Ob ich schon nicht von den dummsten Köpfen zu seyn mir schmeichle, so gestehe ich es doch frei, daß, wenn ich als ein Fremdling in das scheyerische Gotteshaus gekommen wäre, und da ungefähr den hochwürdigen, hochwohledelgebohrnen, gnädigen P. Prediger von der Kanzel mit diesen Worten gleich im Eingange hätte poltern gehört: Es ist die Sache bei jetzigen mehr kritisch als Catholischen Zeiten so weit gekommen, daß man nur mit Stillschweigen und Hoffen sein Ziel und Ende erreichen muß; wenn man nicht mit der Wahrheit auch den Ruf eines ehrlichen Mannes verlieren will: ich ohne Zweifel auf die Gedanken würde verfallen seyn, Baierland sey lutherisch geworden, ja ich würde gar alle Hoffnung einer Besserung verlohren haben, weil man sogar die redlichen und Wahrheit liebenden Männer, die allezeit in einem Lande der kostbareste Schatz sind, nicht mehr hören will; wenn mich die wohledelgebohrne Beredsamkeit im dritten Theile der Predigt nicht eines bessern berichtet hätte. Was bedeutet aber dieser so wichtige Lärm? Wen geht es an? Die Feinde des Kreuzes Christi. Und wer sind diese? Die neuen Reformatores der Wissenschaften, die ihre Gelehrsamkeit meistens aus lutherischen Büchern entlehnet haben. p. 12. Holla! jetzt geht der Prediger einen Schritt zurück, p. 12. Er verläßt sich auf seine Füße, da die Zunge strauchelt. Nur eins kann er nicht verbeissen. Er ruft aus vollem Halse: Wer immer noch glaubet, daß die Worte des ewigen Wortes unbetrüglich sind. Sachte mein Hr. Prediger! so giebt es denn einige bei uns, die der Schrift nicht glauben? Hier möchte ich gerne eine Probe, die aber so stark wäre, als unbesonnen und ehrenrührig (um nicht was mehrers zu sagen) ihr Satz ist. Verstünden sie darunter die neuen Geister- und Freidenker, so müßten sie mir zuvor Rechenschaft geben von ihren eigenen Begriffen über diese Sache. Sie wurden vieleicht eben so unrichtig zusammen hangen, als ihre ganze Predigt. Verstünden sie die Hexentilger, so wurde ich es ihnen bei unsern Zeiten unter einer andern Bedingniß nimmermehr verzeihen, als weil sie nach eigner Geständniß p. 12. aus der Zahl der einfältigen Catholicken sind. Der Satz alsdenn, mit welchem sie ihre Zuhörer ermahnet, klinget in dem Munde eines Catholischen Predigers überaus schön. Man wird euch mit Fingern deuten… Da lehret man nichts anders, als daß man leben sollte, wie zu den Apostelzeiten, nolite credere, glaubet es nicht, p. 13. Also darf es das Volk nicht mehr glauben, daß man leben sollte, wie zu den Apostelzeiten? Eine schöne Lehre. Ich appellire hier zu ihrer Catholischen Einfältigkeit, sonst könnte ich ihre Lehrart nicht verstehen.
          Ich habe nicht im Sinne, alle Schnitzer, Wortverdrehungen der Schrift, die in dieser Predigt vorkommen, aufzudecken. Sie liegen zum Theile selbsten schon dem vernünftigen Leser vor Augen. Und ich habe nur eine Note, nicht einen ganzen §. zu schreiben. Doch eines kann ich diesem eifrigen Prediger nicht verzeihen, daß er so vieles von den materialischen scheyerischen Kreuzchen daherschwätze, daß es, wo selbes aufqestecket wird, von allen Uebeln, Donnern und Hagelwettern befreie. Von dem Formali aber, nämlich von der Andacht und Vertrauen zu dem Prototypon, zu dem gekreuzigten Heilande, schweiget er gänzlich, als wenn das Volk davon nichts wissen därfte.
          Niemand weniger als der Hr. Prediger selbsten hat Ursache über die neuen Reformatores der Wissenschaften zu schmähen. Er sollte vielmehr als Vorsteher eines berühmten Klosters selbst Hand anlegen, und andere zur Verbesserung der Wissenschaften ermahnen. Es wurde ihm dadurch Ehre und Ruhm, seiner Gemeinde aber größere und ergebliche Reichthumen zuwachsen. Mabilon tract. de Studiis monasticis, und Muratorius Epist. Paraenetica ad Superiores locorum pro emendatione studiorum etc. sind auch Reformatores der Wissenschaften gewesen. Wer wird sie dessentwegen als Feinde des Kreuzes Christi halten? Eben aus Abgange der schönen Wissenschaften, mag der freisinger Dichter in seinem Lustspiel zur Fastnachtzeit den heydnischen Sokrates von Adam und Eva, und vom Paradeise haben reden lassen. (1. Th. 3. Auft.) Und doch hat er in der Vorrede von seinen Zuhörern verlangt, sie sollten ein wenig Verstand mitnehmen, da er doch besser gesagt hätte, sie sollten ihn zu Hause lassen.
          Ich sollte in dieser Predigt noch anmerken viele leere und trockene Begriffe, abgeschmackte Ausdrücke, eitle Wortspiele, verdrehte Auslegungen der H. Schrift, und eine elende Redekunst. Allein es wird genug seyn, wenn ich sage, daß er keine einzige Eigenschaft eines Predigers habe, die das tridentinische Concilium sess. 25. das meinzische de Anno 1529. Can. 41. Recessus Wormat. de Anno 1545. Recessus Imp. de. Anno 1557. Epist. Patsoral. Archiepisc. Viennensis de Anno 1752. das offentliche Edict unsers durchleuchtigsten Churfürsten und glorwürdigst regierenden Landesvaters de Anno 1767. von einem gelehrten, klugen und mit einem apostolischen Eifer begabten Prediger begehren und abfodern. Ich habe noch nicht die Hälfte gesagt, was ich von diesem Meisterstücke einer Predigt noch sagen könnte, und doch hätte ich bald vergessen, daß ich eine Note schreibe.
  87. b) Von eben diesen vergiften metallischen Dämpfen entstehet die bleye Colick, die besonders den Bergleuten eigen ist. Sie hat in den neuern Zeiten eine Menge gelehrter Schriften veranlasset, worinn die Cur dieser Krankheit beschrieben ist, und in Steuermark weis man, daß an dieser Krankheit, und an der Lähmung (man hält diese nicht mehr für eine Zauberey, oder für eine Rache des Berggeistes) die Herren der Gruben zu ihrem Schaden alljährlich ein Menge von Arbeitern verliehren. Der gelehrte Herr von Harn in seinen gelehrten Schriften handelt ebenfalls von dieser Krankheit, und ordnet gegen selbe Fette, Speck, Butter, und giebt sehr diensame Mitteln an die Hand.
  88. c) Schon die Alten haben den giftigen Dunst für eine besondere Art der Dämonen gehalten; daher sie solche in die Bergwerke und tiefen Erdenbehältnisse verwiesen. Mit der Zeit haben sie ein besonder Reich daselbst erdichtet, wovon Pluto Maitre en Souverain war, dem sie, damit er nicht allein haushalten dürfte, zugleich auch eine Frau, die Proserpina, zugedichtet, und damit ja keine Schätze aus dem unterirrdischen Reiche entzogen wurden, müßten die Geister als schwarze Hunde alle Schätze hüten und bewachen.
  89. d) Sokrates, Plotinus, Thomas Campanella, Hieronymus Cardanus, Picus Mirandula, Hermolaus und andere haben sich einen Schandfleck angehangen, da sie vorgaben, einen Spiritum familiarem zu haben, damit man glauben sollte, daß alles, was sie sagten, schrieben und lehrten, etwas mehr, als was menschliches seye. Man lese hierüber Christians Wagners Dissert. de Eruditis Spirituum familiarium usu suspectis §. 31. und Gratianum Aschpanum de superstitione erudita fol. 89

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Woldgott
  2. Vorlage: lächertich
  3. Vorlage: glaubeu